Protocol of the Session on February 18, 2016

Sie sprechen das Thema Verkehrsbeschleunigung zu Recht an, was wir hier schon zig Mal diskutiert haben, die Tatsache, dass von den Ampelschaltungen, bei denen es möglich wäre, sie auf Vorrangschaltung umzustellen, gerade einmal etwas mehr als die Hälfte auf Vorrang stehen. Das ist nicht akzeptabel. Das ist sowohl verkehrspolitisch nicht sinnvoll, das ist ökologisch nicht sinnvoll und es ist obendrein für die BVG betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, weil das dazu führt, dass mehr Fahrzeuge in den Umlauf geschickt werden müssen. Das ist teurer und damit ist der Schadstoffausstoß auch höher.

Was ich allerdings nicht verstanden habe – das muss ich zugeben –, ist die Forderung in dem Antrag, dass die BVG ihre Busse bis zum Jahr 2020 auf Euro-6-Standard umrüsten soll. Die BVG sieht in ihrer Planung vor, alle Fahrzeuge bis 2021 auf Euro-6-Standard umzurüsten. Ich

glaube, diese Radikalisierung der Forderung um ein Jahr ist an dieser Stelle nicht notwendig gewesen.

Was Sie weiterhin ansprechen: Radverkehr, Haushaltsmittel verdreifachen. Das ist ein Anliegen, das wir grundsätzlich teilen. Aber der Kollege Buchholz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir schon gegenwärtig Schwierigkeiten haben, die Haushaltsmittel zu verbauen, die derzeit im Haushaltsplan eingestellt sind. Deshalb muss der Flaschenhals – Personalengpass, zu wenig Leute, die in den Bezirken diese Planungen machen, weshalb auch die Umsetzung nicht vorankommt – angegangen werden. Auch das hätte noch einmal eine detailliertere Diskussion in einem eigenen Antrag verdient.

Nächster Punkt: Ausweitung der Umweltzone. Auch das ist ein diskussionswürdiges Thema. Wie gesagt, ich befürchte, dass diese Einzelthemen in diesem Sammelantrag allesamt untergehen werden, man wird sie nicht im Einzelnen diskutieren.

Ich will nicht auf die diversen anderen Themen eingehen: Reisebuskonzept und anderes. Es ist ein Antrag, der eine Vielzahl von Konzeptionen, von Einzelmaßnahmen erfordert. Insofern fürchte ich, werden wir, so wie ich unsere Ausschüsse kenne, die Themen, die zu Recht in diesem Antrag angesprochen sind, nicht wirklich diskutieren, sondern das wird innerhalb von 20 Minuten abgehandelt und mit Koalitionsmehrheit abgelehnt werden. Vielleicht sollte man sich überlegen, wie man das für die nächste Legislaturperiode im Detail aufbereitet. In dieser Legislaturperiode wird mit diesem Senat ohnehin bei all diesen Themen nichts Einschneidendes mehr passieren.

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Friederici. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Die CDU-Fraktion ist den Grünen sehr, sehr dankbar – und auch Ihnen, Frau Gebel –, dass Sie hier quasi in einem verkehrspolitischen Leitantrag eines Landesparteitags darlegen, was diese Partei im Wahlkampf als verkehrspolitisches Wunschkonzert vortragen wird. Dass weite Teile des Antrags nicht einmal von den Grünen selbst ernst genommen werden, möchte ich kurz in der ersten Lesung hier darlegen. Sie, die Grünen, behaupten, dass bei Neuanschaffungen von Fahrzeugen in einer jeweiligen Fahrzeugkategorie im Realbetrieb diese den niedrigsten Schadstoffausstoß aufweisen sollen. Hierzu der Hinweis: In Bezirken, in denen Sie, die Grünen, maßgeblich Verantwortung tragen, also beispielsweise in FriedrichshainKreuzberg, wird dies gar nicht gemacht. Das mehrheitlich

grüne Bezirksamt hält sich bei den Fahrzeugbeschaffungen des Bezirks nicht an die eigene Vorgabe.

Den öffentlichen Nahverkehr zu stärken, ist Programm der großen Koalition. SPD und CDU stellen sich der Verantwortung der wachsenden Stadt Berlin, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen. Die Grünen sind mit ihrem hier vorliegenden Antrag nachweislich wieder einmal dagegen und nicht in der Realität angekommen, sonst hätten Sie wenigstens einen Satz darüber verloren. Die Koalition hat das SIWA-Programm beschlossen, und die Haushaltspläne der Jahre 2014 und 2015 sowie 2016 und 2017 weisen deutlich mehr Fahrzeuginvestitionen bei der BVG aus. Die Fahrzeugflotte der S-Bahn wird durch die von uns initiierte Ausschreibung des Teilnetzes deutlich wachsen. In den vergangenen drei Jahren und für die kommenden anderthalb Jahre hat diese rot-schwarze Koalition über 25 Bus- und Straßenbahnlinien taktverdichtet, verlängert oder sogar neu geschaffen und neue Fahrzeuge bei der BVG bestellt, sodass wir in Summe mehr haben. Der Antrag der Grünen ist deshalb von der Zeit bereits deutlich überholt. Auch wird die Straßenbahn vom Hauptbahnhof bis zur Turmstraße verlängert, das haben wir als Koalition längst gestartet. Dafür kommt der Antrag auch zu spät. Wenngleich wir uns als Unionsfraktion außerdem wünschen, dass wir über das Projekt der bundesfinanzierten Verlängerung der U5 in Richtung Turmstraße tabu- und ideologiefrei diskutieren. Denn die optimale öffentliche Erreichbarkeit unseres Hauptbahnhofs aus nordwestlicher Richtung, aus Moabit, wäre vor allem damit gut sichergestellt. Das wäre ein wunderbares und logisches Projekt für einen neuen Hauptstadtvertrag 2 in vielleicht schon naher Zukunft, in der nächsten Wahlperiode.

Die Haushaltsmittel für den Radverkehr betragen in diesem und im kommenden Jahr summa summarum rund 35 Millionen Euro gemäß Beschluss dieses Parlaments und auf Antrag dieser Koalition von SPD und CDU. Damit ist Berlin mit weitem Abstand Spitzenreiter in Deutschland, auch weit vor Hamburg, was bekanntlich flächenmäßig mit Berlin vergleichbar ist. Die Grünen wollen von sich aus irgendeine nicht definierte Radverkehrssumme verdreifachen. Da wundert man sich doch, dass die Grünen genau das nicht als Antrag in die Haushaltsberatungen eingebracht haben, die gerade abgeschlossen sind.

Dass die Grünen Spezialmotorenantriebe beispielsweise bei Baumaschinen, Binnenschiffen und Kleinfeuerungsanlagen sofort in die Umweltzone aufnehmen wollen, würde Tausende Arbeitsplätze kosten. Ich freue mich schon, dies den Standesvertretern und Berufsverbänden klar darzulegen. Denn technisch ist das vielfach gar nicht machbar, weil es keine Hersteller dafür gibt – sei es in Deutschland oder in Europa. Sicher ist das langfristig sinnvoll, jedoch eher im konzertierten Programm mit der Wirtschaft, der Fahrzeugindustrie und der Umweltpolitik,

so wie wir das als Koalition sowieso schon machen. Auch ist die Ausweitung der Umweltzone nicht unbedingt ratsam, denn die Einführung der vorhandenen Umweltzone hat ja bekanntlich eher zu maßvollen Ergebnissen geführt. Wo ist also da der Fortschritt der Grünen?

Fortschrittlich ist es nach Meinung der Unionsfraktion doch vor allem, dass der Autoverkehr nicht im Stau steht. Das verringert nachhaltig die Feinstaub-, Verkehrs- und Lärmbelastung. Deswegen sagen wir als Koalition ja auch ganz deutlich,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Mehr Autobahn!]

dass wir in einem verkehrspolitischen Gesamtkonzept den öffentlichen Verkehr ausbauen, wie ich eben schon erklärt habe, und auch Straßen neu bauen – wie beispielsweise die A 100 und die TVO, um eben Wohngebiete zu entlasten, den Durchgangsverkehr zu kanalisieren, um unter anderem – auch wenn Sie die Zwischenrufe machen – Ihren Wohlstand mitzufinanzieren.

[Beifall bei der CDU]

Das schafft weniger Emissionen als SiebzigerjahreGrüne-Kampfparolen gegen den Autoverkehr, wo doch die Grünen auch hier im Parlament tagein, tagaus selbst privat Auto fahren. Das können Sie hier auf allen Parkplätzen bewundern.

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Lüge!]

Ich freue mich außerordentlich auf die Ausschussberatungen dieses polemischen Grünen-Parteitags-Antrags, denn dann werden wir Ihnen weiter sachlich fundiert erklären, wie schwachsinnig der ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Christopher Lauer (PIRATEN): Parlamentarische Anträge als Schwachsinn bezeichnen! Dann darf ich das in Zukunft auch!]

Vielen Dank, Kollege Friederici! Ganz herzlichen Dank! – Und jetzt erteile ich dem Kollegen Magalski das Wort. – Bitte sehr, Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen beleuchtet einige wichtige Punkte, die der Senat eigentlich gemäß dem vorliegenden Luftreinhalteplan 2011 bis 2017 selbst in Angriff nehmen müsste oder schon genommen haben müsste: Partikelfilter bei Baumaschinen, eine emissionsarme eigene Fahrzeugflotte, die Förderung von Erdgasfahrzeugen, die Förderung des Umweltverbunds, selbst spezielle Einzelmaßnahmen wie das Lkw-Fahrverbot in der Silbersteinstraße – alles nach

(Oliver Friederici)

vollziehbar, aber in den Senatsplanungen teilweise ja schon angedacht.

Wo es erheblich mangelt, das ist die Umsetzung. Der Senat muss sich die Kritik gefallen lassen, dass er nicht gerade durch übermäßige Aktivität auffällig geworden ist, den Luftreinhalteplan offensiv und vorausschauend auch in die Praxis umzusetzen. Nimmt man den Antrag der Grünen als Mängelliste, was das Senatshandeln angeht, wird man insbesondere bei der Erneuerung des Fuhrparks im Sinne eines deutschlandweiten Spitzenreiters, aber auch bei der Stärkung des Radverkehrs, der Stärkung des ÖPNV, der qualifizierten Ausweitung der Umweltzone und einem Reisebuskonzept, das den Namen auch verdient, fündig. Das sind Maßnahmen, die auch die Unterstützung der Piratenfraktion finden. Eine umweltfreundliche Taxiflotte beispielsweise, insbesondere, was Hybrid-, Erdgas- und Biogasantriebe angeht, aber insbesondere auch die Vermeidung von motorisiertem Individualverkehr durch die wirklich längst überfällige verbesserte Förderung von Fahrrad und anderen emissionsfreien und flächensparenden Verkehrsmitteln wie E-Bikes oder Elektroroller – diese Maßnahmen verschläft der Senat oder überlässt sie dem Selbstlauf.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Richtig ist auch, dass es eine falsche Prioritätensetzung von Verwaltungshandeln ist, sich auf die Abwehr von Anwohnerklagen zu konzentrieren, anstatt solche Klagen zum Anlass zu nehmen, spätestens dann mit wirksamen Maßnahmen zum Lärmschutz und zur Luftreinhaltung gegenzusteuern, um den eigentlichen Anliegen der Klägerinnen und Kläger Genüge zu tun, zum Vorteil aller.

In Sachen Fahrradverkehr – zu dieser notwendige Forderung hat die Piratenfraktion ja ebenfalls schon einige Anträge in die Gremien eingebracht; bisher wurden sie selbstverständlich alle abgelehnt, leider. Der Unmut in der Bevölkerung über die Nicht-Fahrradpolitik des Berliner Senats ist ja inzwischen so groß, dass die Bevölkerung zum hierfür aus systematischen Gründen nur sehr schlecht geeigneten Instrument des Volksbegehrens greifen muss, um das Thema öffentlich zu besetzen. Peinlich ist das und einer Hauptstadt, die aufgrund ihrer Lage im Flächenland ganz leicht auch Hauptstadt des umweltfreundlichen Fahrrads sein könnte, unwürdig. Das Fahrrad ist sicher nicht die Lösung für alle Luftreinhaltefragen der Hauptstadt, aber einer der wesentlichen Schlüssel zum Erfolg.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und noch ein Aspekt: In unserer nun wieder wachsenden Stadt steigt der Anspruch, den Luftreinhalteplan zügig umzusetzen, an. Denn mehr Einwohner bedeuten auch mehr Verkehrsbedürfnisse, und nicht wenige neue Einwohner bringen ein oder sogar zwei Pkws gleich mit. Gerade für Zuzügler sollten von Anfang an attraktive Angebote des ÖPNV und für den individuellen Radver

kehr bereitstehen und in Neubaugebieten oder Ortsteilen, die sich erweitern oder umstrukturieren müssen, von Anfang an die fahrradgerechte Stadt und die Stadt der kurzen Wege auch zu Haltepunkten des ÖPNV mitgeplant werden.

[Beifall bei den PIRATEN]

Die konsequenteste Attraktivierung des ÖPNV stellt aus unserer Sicht ohnehin der fahrscheinlose ÖPNV dar, zu dem wir unlängst eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht haben.

[Beifall bei den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Super!]

Auch über autofreie Ortsteile oder Neubaugebiete sollte wieder nachgedacht werden. In Lichterfelde-Süd war das zum Beispiel früher mal in der Diskussion, und aus eingesparten Verkehrs- und Stellplätzeflächen konnten Grünflächen, Freiflächen oder Kinderspielplätze werden. Die Experimentierfreudigkeit des Senats für solche zukunftsweisenden Ideen hält sich allerdings in sehr engen Grenzen – um es noch mal freundlich auszudrücken. Unter dem Strich gibt der Antrag der Grünen eine Menge Denkanstöße, und es besteht zumindest die theoretische Chance, den Antrag im Umweltausschuss noch einmal etwas ausführlicher en detail zu beraten und auch dem Senat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob und wie er sich eine Umsetzung dessen vorstellen kann. Wir werden ihn dabei unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ebenfalls vielen Dank, Kollege Magalski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 23 und 24 stehen auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 24 A:

Erneute Asylrechtsverschärfungen ablehnen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/2721

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Es beginnt in der Beratung die Fraktion Die Linke. Der Kollege Taş steht schon bereit und kriegt das Wort. – Bitte sehr!

(Philipp Magalski)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, wir und die gesamte EU stehen vor großen Herausforderungen. – Hier stimmt aber irgendwas nicht. Es kann nicht sein, dass ich jetzt nur noch 60 Sekunden habe. Das kann bei mir zumindest nicht der Fall sein. Das kommt zwar häufiger vor, aber aktuell stimmt es nicht.

Es kann sich nur um Sabotage handeln. Wir fangen natürlich noch mal neu an.

Es ist richtig, wir und die gesamte EU stehen vor großen Herausforderungen. Es wird uns einiges abverlangen, das Recht auf Asyl und Schutz aufrechtzuerhalten und diesen Menschen eine würdige Lebensperspektive anzubieten. Wir müssen aber diese Situation bewältigen, ohne unsere Werte und Prinzipien aufzugeben. Die Bundesregierung versucht, mit einer Gesetzesflut die im Grundgesetz verbliebenen Reste des Asylrechts auch noch abzuschaffen. Bei diesem Vorgehen lässt sich die Bundesregierung weder von den Erfahrungen unserer Vergangenheit noch vom internationalen Recht beeindrucken. Es wurde mehrfach vorgetragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ich möchte es nochmals wiederholen: Das Recht auf Asyl und Schutz ist ein individuelles Recht. Nicht jeder Mensch, der in einer Diktatur lebt, ist bedroht. Hingegen können Menschen auch in einer halbwegs funktionierenden Demokratie durchaus bedroht sein. Deshalb ist die Einstufung „sicherer Herkunftsstaat“ eine völlige Verkehrung des Rechts auf Asyl und Schutz.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Abgesehen davon stellt die Einstufung beispielsweise von Ghana, Senegal oder Kosovo eine Verhöhnung der dort betroffenen Menschen dar. Jetzt sollen dieser Liste auch noch Marokko, Tunesien und Algerien zugefügt werden. Diese Staaten sind so sicher wie Horst Seehofers Lieblingsstaat Russland. Wir sollten Herrn Seehofer aber an der Stelle vielleicht nicht unrecht tun: Der Lieblingsstaat der Bundesregierung ist zurzeit die Türkei – dieselbe Türkei, die noch vor Kurzem als EU-untauglich gehandelt wurde.