Die Zeitungsüberschriften im Januar 2015 lauteten: Berlin hat die meisten Kinder pro Erzieher in den Krippen. – Das ist schlecht für die Wirksamkeit institutioneller frühkindlicher Bildung, nicht nur schlecht für die Kinder, sondern für uns alle. Seither haben das Berliner Kitabündnis und die Opposition in diesem Haus immer wieder Forderungen vorgetragen, die Situation für die Kinder und die Fachkräfte zu verbessern, und entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Die Elternvertreter stellten im Januar zu Recht fest: Das neu formulierte Bildungsprogramm oder auch das überarbeitete Sprachlerntagebuch werden Papier bleiben, wenn der Betreuungsschlüssel nicht endlich verbessert wird. Eigentlich müssten die Bildungspolitiker der SPD unserer Forderung, den Betreuungsschlüssel für alle kleinen Kinder sofort zu verbessern, also schon in diesem Doppelhaushalt massiv zu verbessern, zustimmen. Da funktioniert bei uns die Zusammenarbeit zwischen Fachpolitik und Haushältern super.
In diesem Zusammenhang ist frühkindliche Bildung auch für einen späteren Schulerfolg wichtig, der Ihnen doch so wichtig ist. Wir wollen alle, dass die Kinder so früh wie möglich, also schon mit einem Jahr in die Kita gehen, damit sie dort gut gefördert werden. Die institutionelle Förderung soll wichtiger Baustein in der Bildungsbiografie eines Menschen sein. Dies ist erst einmal richtig, aber nicht die Masse macht es, sondern die Klasse. Es werden Milliarden Euro für den Ausbau der Kitas in die Hand genommen, am entscheidenden Punkt aber, dem richtigen Betreuungsschlüssel für die Kleinsten, bei dem intensive Betreuung und Versorgung, auch Bildungsarbeit möglich sein muss, da fehlt es. Da verpufft das Ganze und der Aufwand. Nur satt und sauber nutzt eben nicht. Beklagen Sie sich bitte nicht, dass unsere Kinder in der Schule bei Vergleichstests in Mathe und Deutsch später schlecht abschneiden. Ich bin mir darin sicher, dass eine wichtige Stellschraube dieser Situation zu verbessern ist, wenn der Betreuungsschlüssel für die ganz Kleinen besser wird.
Wir haben die Forderung schon lange Zeit konsequent vertreten. Wir unterstützen das Kitabündnis. Unsere Haushälterinnen und Haushälter haben da auch die Prioritäten gesetzt. Unsere gesamte Fraktion setzt die Prioritäten richtig,
nämlich im laufenden Haushalt, der dann kommt, den Betreuungsschlüssel ab dem ersten Kitajahr um 0,5 für alle Kinder abzusenken und dann im zweiten Jahr noch mal um 0,5, sodass wir uns dem Bundesdurchschnitt damit endlich annähern können.
Ja, auch die Koalition hat Vorschläge gemacht, aber ehrlich gesagt, beim Betreuungsschlüssel brauchen wir keine Brennpunktkitas. Ihr Ansatz erreicht nur einen Bruchteil der Kinder. Aber alle kleinen Berlinerinnen und Berliner haben einen Anspruch auf gute Betreuung. Es war nicht die schlaueste politische Entscheidung, die Kostenfreiheit für die letzten drei Kitajahre einzuführen. Berlin hat eine einigermaßen faire Kostenbeitragsregelung, die sozial gestaffelt ist. Es ist für Eltern auch merkwürdig, in den ersten Jahren zur Kasse gebeten zu werden, dann drei Jahre in Ruhe gelassen zu werden, um dann bei einem schlechten Hortbetreuungsschlüssel wieder Geld in die Hand nehmen zu müssen. Auf die Kleinsten kommt es an, gehen wir es an!
Vielen Dank, Frau Burkert-Eulitz! – Für die CDUFraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Simon. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute in erster Lesung zwei Anträge zum Thema „Personalausstattung in Kindertagesstätten“. Schon im Februar 2015 haben wir uns in einer Plenardebatte auch mit der Personalausstattung der Kindertagesstätten befasst. Die Personalausstattung ist aber bekanntlich zum einen haushaltsrelevant, wir hatten die Diskussion auch eben, zum anderen muss die Berliner Koalition aber – das ist Ihnen bekannt – mit einem bundesweiten Fachkräftemangel umgehen.
Sie hatten es auch erwähnt, Frau Graf, und gesagt, wir sollen bloß nicht mit dem Argument kommen – ich komme trotzdem ganz bewusst mit dem Argument –, denn wie Ihnen ebenfalls bekannt ist, steigt die Zahl der Kinder in Berlin. Es steigt außerdem der Wunsch von Eltern, Kinder in der Kindertagespflege betreuen zu lassen. Und die Koalition wird die sehr frühe Einschulung in Berlin beenden, und das ist prima, dass wir das machen. Allein durch diese drei Punkte wird der Fachkräftebedarf in Berlin erheblich weiter ansteigen. Trotzdem geht die rot-schwarze Koalition neben diesen drei Punkten in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2016/2017 weitere Schritte für eine bessere Personalausstattung, und ich möchte sie gerne noch mal hervorheben.
Das ist erstens: Im Jahr 2016 sollen mehr als 2 Millionen Euro für eine Verbesserung des sogenannten Betreuungsschlüssels für die unter dreijährigen Kinder verwendet werden. Im Jahr 2017 werden dafür mehr als 9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Das Berliner Kitabündnis hat diese Verbesserung der Personalausstattung auch in Stellen umgerechnet und mitgeteilt, es würde sich dabei um 310 Erzieher handeln. Das ist ein ganz beachtlicher Schritt in die richtige Richtung.
Zweitens: Auch die zwei Entlastungsstunden pro Woche für die fachliche Begleitung der Quereinsteiger, für die im Jahr 2016 über 1 Million Euro und im Jahr 2017 mehr als 3 Millionen Euro aufgewendet werden, führen zu einer besseren Personalausstattung in den Kindertagesstätten. Während heute die jede Woche durchzuführenden Gespräche zwischen Anleiterin und Quereinsteigerin dazu führen, dass beide in dieser Zeit für die Kinderbetreuung nicht zur Verfügung stehen, wird es künftig entsprechend mehr Personal geben, um auch diese Zeiten abdecken zu können.
So sehr die CDU-Fraktion Sympathie für die Forderung hat, die Qualität der Betreuung in den Kindergärten in Berlin noch weiter zu verbessern, wissen Sie auch, dass
man sich die dafür erforderliche Zahl an Fachkräften – das Berliner Kitabündnis spricht von ca. 1 700 Erziehern – und die dafür notwendigen finanziellen Mittel – das Berliner Kitabündnis spricht von über 100 Millionen Euro pro Jahr – nicht mit noch so schönen Anträgen herbeizaubern kann. Daher sehen wir über die im Entwurf für den Haushalt 2016/17 enthaltenen Verbesserungen hinaus keinen Raum für eine weitere erhebliche Verbesserung der Personalausstattung in dieser Legislaturperiode. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Simon! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Möller. – Bitte!
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Herr Simon! Die 107 Millionen Euro werden erst nach einem Ablauf von drei Jahren fällig. Das ist die Gesamtsumme gewesen, die Sie jetzt hier wiedergegeben haben, die das Kitabündnis fordert. Wir alle fordern stufenweise Aufstockung, aber das kann ich später noch erläutern, wie das eigentlich gemeint ist. Mit den Anträgen der Piraten liegen nun von allen Oppositionsparteien, -fraktionen parlamentarische Initiativen vor, die die Forderungen des Kitabündnisses unterstützen. Auch wir finden, wie Sie wissen, dass da die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden und dass hier in Berlin schneller und mehr passieren muss, als bisher vom Senat vorgesehen.
Erst vor wenigen Tagen ist in einer von der Linken beantragten Anhörung zu den Forderungen des Kitabündnisses der dringende Handlungsbedarf noch einmal deutlich formuliert worden. Fakt ist, der für die Kitaqualität wesentliche Personalschlüssel ist zu schlecht, und wie man es auch dreht und wendet: Berlin ist in der Versorgung gerade der Jüngsten so ziemlich Schlusslicht im bundesdeutschen Vergleich, und ob es nun 5,9 oder 6,6 Kinder pro Fachkraft sind, die Relation ist zu schlecht, um den Kindern und ihrem individuellen Bedarf gerecht zu werden.
Frau Senatorin Scheeres argumentiert an dieser Stelle immer gern, dass das Fachkräftegebot, das uns in Berlin von anderen Bundesländern unterscheidet, nicht in den Vergleich eingerechnet wurde. Wir unterstützen sie natürlich bedingungslos, wenn es um die höchste Qualität und das Fachkräftegebot geht, aber die Realität ist: Dieses Fachkräftegebot wird in vielen Berliner Kitas mit ausdrücklicher Genehmigung des Senats längst nicht mehr eingehalten. Seiteneinsteigerinnen, die sich in der Ausbildung befinden, können bis zu 28 Wochenstunden vollständig auf die Personalbemessung angerechnet werden.
Das geht auch schon sechs Monate, bevor der schulische Teil der Ausbildung beginnt. Pro drei Fachkräfte kann also eine Nichtfachkraft tätig sein.
Und das wirkt sich natürlich auf die pädagogische Arbeit aus. Es ist auch zu einfach, Kitaträger zu kritisieren, weil sie zunehmend nicht mehr bereit sind, noch mehr Nichtfachkräfte zu beschäftigen, sprich als Ausbildungsbetrieben zu arbeiten. Sie verhalten sich aus Sorge um die pädagogische Qualität so, die ja wohl immer noch zuerst dem Kind und erst dann dem Azubi gelten sollte. – Herr Simon! Das ändert sich auch dann nicht, wenn Sie im Haushaltsgesetzentwurf zwei Wochenstunden für die Einarbeitung bereitstellen.
Sie wollen außerdem für ca. 12 000 Kinder in sogenannten Brennpunktkitas eine leichte Verbesserung des Personalschlüssels einführen. Wir glauben gern, dass Sie da mehr wollten, aber bei der Prioritätensetzung dieses Senats nicht mehr hinbekommen haben, und trotzdem ist das inakzeptabel, zumindest aus zwei Gründen: Sie durchbrechen damit das Prinzip, das Sie selbst so hoch halten, nämlich, dass sich der Berliner Personalschlüssel auf das einzelne Kind bezieht und von diesem in jede Einrichtung, die es besucht, mitgenommen wird. Doch Ihre Verbesserung ist vom sozialen Raum abhängig, in dem das Kind lebt, nicht von dem, was das Kind braucht. Der wesentliche Knackpunkt ist, dass Sie mit Ihrer Neuregelung die ein- bis dreijährigen Kinder in solche, die mehr, und solche, die weniger pädagogische Zuwendung bedürfen, einteilen. Das ist ungerecht, weil jedes Kleinkind nun einmal seine speziellen Bedürfnisse hat.
Danke! – Frau Möller! Sie sagten eben gerade, dass wir bis jetzt die Durchgängigkeit haben, dass jedes Kind das mitbringt, und wir das damit durchbrechen würden. Wir haben doch – und das wissen Sie auch – jetzt auch schon eine Durchbrechung, und zwar da, wo Gruppen mit mehr als 40 Prozent ndH-Anteil sind, gibt es auch schon eine Förderung, also eine Extrasumme. Das heißt, wir geben
Finden Sie nicht, dass es gerade diese Kinder, die wir jetzt fördern wollen, nötig haben, dass sie stärker gefördert werden?
Herr Eggert! Sie wissen aber auch, dass dieser 40prozentige ndH-Anteil als Maßstab für die Personalbemessung längst überholt ist. Natürlich müssen wir gucken, welche Kriterien wir da ansetzen. Das lehnen wir auch ab, das haben wir auch schon mehrfach beantragt. Das Problem wollten Sie eigentlich auch mal angehen. Man kann nicht nach dem ndH-Anteil gehen. Man kann aber auch nicht nur nach sozialen Prämissen gehen. Wir müssen flächendeckend eine gute Versorgung für alle kleinen Kinder, zumindest im unter Dreijährigenbereich, hinbekommen.
Gut, das habe ich jetzt verstanden. Wenn man das konsequent weiterdenkt, muss ich Ihnen die Frage stellen, ob Sie auch dafür eintreten, dass alle Schulklassen in der Stadt unabhängig von der Zusammensetzung der Schülerschaft die gleiche Anzahl an Lehrerstunden zugemessen bekommen müssen, das heißt, dass die Minderungsfaktoren nichtdeutscher Herkunftssprache und Befreiung von der Lehrmittelzuzahlung zukünftig wegfallen sollen und wir alle gleich behandeln müssen.
Das ndH-Prinzip ab einer bestimmten Prozentzahl, ab einer Stichzahl von 40 Prozent zum Beispiel, ist überall nicht zielführend.
Wir finden, dass diese Prozentzahlregelung nicht geht. Es muss in Bezug auf den individuellen Bedarf, der jeweils vor Ort vorhanden ist, geregelt werden.
Ich würde jetzt aber gerne noch weiter im Kitabereich bleiben. Über Schule wird ansonsten schon reichlich und viel diskutiert.
Wir finden jedenfalls, dass die Forderungen des Kitabündnisses berechtigt sind und dass sie auch realistisch und umsetzbar sind. Wir sind aber anders als die Piraten der Auffassung, dass sie in einem Stufenplan umgesetzt werden sollten, so, wie wir es auch in den Haushaltsberatungen, mit Zahlen hinterlegt, beantragt haben und wie wir es auch erneut beantragen werden: 2016 ein Kind weniger bei den Kleinsten bis zum Alter von zwei Jahren, und ab 2017 für die Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren. Unserer Meinung nach sollte den Vorschlägen des Kitabündnisses folgend ab 2018 die Kitaleitung bei 100 Kindern in einer Einrichtung von der Gruppenarbeit freigestellt sein und ab 2019 bei 80 Kindern.