Protocol of the Session on January 26, 2012

Deshalb will ich anfangen und dem Verkehrssenator zustimmen. In seiner letzten Rede hat er Bemerkenswertes gesagt. Ich zitiere:

Es gibt öffentliche Aufgaben, die ein öffentliches Unternehmen allein erbringen muss. Dabei haben Private nichts zu suchen. Mobilität gehört zu diesem Bereich.

Das Protokoll vermerkt Beifall bei der SPD und Beifall bei der Linken.

[Beifall bei der LINKEN – Uwe Doering (LINKE): Jetzt klatschen sie nicht!]

Diese Äußerung steht auch in einer guten Tradition der SPD-Parteitagsbeschlüsse und des SPD-Wahlprogramms, in dem es heißt: Sie will den öffentlichen Einfluss auf die S-Bahn ausüben und sie lehnt eine Teilausschreibung ab.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Was jetzt geschieht: Es findet eine Teilausschreibung statt. Das ist das, was der Kollege Gelbhaar gesagt hat: Er nähert sich der Position der Grünen an. Das ist das, was die SPD vor einiger Zeit noch eine neoliberale Position der Grünen genannt hat.

[Joachim Esser (GRÜNE): Das ist doch Gesetzeslage!]

Die SPD bewegt sich in der S-Bahnfrage auf die neoliberale Position der Grünen zu. Das ist richtig.

[Beifall bei der LINKEN – Joachim Esser (GRÜNE): Was macht ihr in Brandenburg?]

Wenn das Problem bei der S-Bahn – und der Kollege Gelbhaar hat es richtig gesagt – das ist, dass die S-Bahn und das S-Bahnsystem von der Deutschen Bahn aufgrund überzogener Renditeerwartungen auf Verschleiß gefahren wurde, frage ich immer wieder – und niemand kann mir darauf eine Antwort geben –, was besser werden soll über eine Teilausschreibung, bei der es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder die S-Bahn gewinnt es wieder oder Private gewinnen es. Das sind die Varianten, die der Senat jetzt offen lässt.

Interessant ist, dass genau die Variante, die öffentlichen Einfluss sichern und dafür sorgen würde, dass die S-Bahn Schritt für Schritt zu einem kommunalen Unternehmen wird, in der Koalitionsvereinbarung keine Rolle spielt und auch offensichtlich von der SPD nicht mehr vertreten wird. Es gäbe nämlich die Möglichkeit der InhouseVergabe, wie es im EU-Jargon heißt, an einen sogenannten internen Betreiber. Das heißt, das Land Berlin könnte das Teilnetz, für das neue Fahrzeuge bis 2017 beschafft werden können, an einen kommunalen Betreiber vergeben. Das wäre rechtssicher.

Herr Gelbhaar! Weil wir es vorhin angesprochen haben: Dass es auch Strecken nach Brandenburg gibt, ist in der entsprechenden EU-Verordnung klar geregelt. In Artikel 5 der berühmten Verordnung 1370/2007, die für dieses Thema einschlägig ist, heißt es: Die Voraussetzung für die Anwendung einer Inhouse-Vergabe ist

dass der interne Betreiber und jede andere Einheit, auf die dieser Betreiber einen auch nur geringfügigen Einfluss ausübt, ihre öffentlichen Personenverkehrsdienste nur innerhalb des Zuständigkeitsgebiets der zuständigen örtlichen Behörde ausführen

ungeachtet der abgehenden Linien oder sonstiger Teildienste. Das heißt, die Inhouse-Vergabe ist rechtlich zulässig, und es gibt aus rechtlicher Sicht keinen Grund, weshalb hier davon abgegangen wird. Ich stelle an die SPD die Frage: Weshalb rücken Sie von Ihrer Position ab? An der CDU kann es nicht gelegen haben, die hat sich ja in keinem anderen Punkt in der Koalitionsvereinbarung durchgesetzt.

[Zuruf von den GRÜNEN: Doch, beim Wahlalter!]

Warum haben Sie an dieser Stelle hier Positionen geräumt? Es gäbe die Möglichkeit, Druck auf die Deutsche Bahn auszuüben und schrittweise – je nachdem, wie die Fahrzeugverfügbarkeit gegeben ist – den S-Bahnverkehr hier an ein kommunales Unternehmen zu übergeben und damit unmittelbaren öffentlichen Einfluss auszuüben.

[Beifall bei der LINKEN]

Ich sage an dieser Stelle auch ganz klar: Wer glaubt, über Verkehrsverträge, die über zehn bis 15 Jahre laufen, ohne dass man Einfluss auf das operative Geschäft hat,

Herr Kollege Wolf! Sie müssen langsam zum Ende kommen!

in der Lage zu sein, dort eine effektive Kontrolle auszuüben, der macht sich Illusionen über Vertragscontrolling.

Kollege Wolf! Bitte zum Ende kommen!

Ja, ich komme zum Ende. – Es gibt Untersuchungen, die klar gezeigt haben, dass bei Ausschreibungen mit Vergabe an einen internen Betreiber im Vergleich sowohl die Produktivität als auch die Qualität der Leistung als auch die Zahl der Fahrgäste gestiegen ist. Es gibt bessere Ergebnisse bei der Vergabe an einen internen Betreiber als bei der öffentlichen Ausschreibung.

Herr Kollege Wolf! Vor Ihrem letzten Schlusssatz frage ich:

Deshalb sage ich: Die öffentliche Ausschreibung ist der falsche Weg. Die Vergabe an einen internen Betreiber ist möglich, und dieser Weg sollte beschritten werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Der Kollege Kreins hatte eine Zwischenfrage, die ich noch zulasse.

Herr Gelbhaar auch!

Herr Gelbhaar auch? Kollege Kreins aber auch! Ich weiß jetzt nicht, wer zuerst wollte. Wollen Sie die noch zulassen und der Fairness halber beantworten?

Ja, gerne.

Herr Kreins fängt an. – Bitte schön!

Herr Senator!

[Heiterkeit]

Entschuldigung! Herr Wolf! Ein freudscher Versprecher. – Mit welchen Zügen soll ein kommunaler Betreiber diesen Netzbetrieb sicherstellen, von dem Sie gesprochen haben? Wie finanziert sich das? Das würde mich interessieren. – Danke!

Mit der Bitte um eine kurze Antwort.

Ja, besten Dank für die Frage! Erstens: über einen eigenen Fuhrpark. Deshalb muss die Fahrzeugbestellung durch das Land Berlin jetzt angegangen werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Vergabe an einen internen Betreiber wird nicht vor 2017 möglich sein. Deshalb ist es notwendig, dass der Aufbau des öffentlichen Fuhrparks unverzüglich in Angriff genommen wird.

Wenn Sie hier auf das Geld hinweisen, lieber Herr Kreins! Glauben Sie denn, wenn Sie einem privaten Betreiber oder der Deutschen Bahn den Auftrag geben, die Fahrzeuge zu beschaffen, dass das Land Berlin nicht dafür bezahlt?

[Ole Kreins (SPD): Zwei Milliarden!]

Wenn Sie das an einen internen Betreiber vergeben, haben Sie erstens Einnahmen und zweitens die Zahlungen aus dem Verkehrsvertrag. Da ist überhaupt kein finanzielles Problem, das ist eher ein ideologischer Popanz, den Sie hier aufbauen. Es rechnet sich allemal.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Es wird sogar billiger, weil die Kreditkonditionen für die öffentliche Hand besser sind als die Konzernkonditionen der Deutschen Bahn und noch viel besser als die Konditionen, die ein privater Betreiber bekommt.

Danke schön! – Und jetzt die Frage des Kollegen Gelbhaar bitte, auch kurz und mit der Bitte um eine kurze Antwort!

Bei Ihrem Versprecher hat der Senator zum ersten Mal reagiert. Das ist in der Tat richtig. – Ich wollte um eine Erinnerungsstütze bitten, und zwar haben Sie gerade von über zehn Jahre laufenden Verträge gesprochen. Da fehlt mir jetzt die Erinnerung, wer 2004 den letzten Vertrag abgeschlossen hat. Vielleicht helfen Sie mir: Welche Koalition war das?

[Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Bitte schön, Kollege Wolf!

Das ist bekannt, das war die Koalition aus SPD und Linke. Das war sie.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Ich hatte es vergessen!]

Überhaupt nicht vergessen. Ich stehe auch dazu. Natürlich ist der Vertrag in dieser Regierungszeit abgeschlossen worden. Es ist doch absurd zu meinen, ich würde das vergessen oder leugnen. Ich sage nur: Das zeigt sehr deutlich – – Ich bin ja mal gespannt auf einen GrünenVerkehrsvertrag, den es leider nie geben wird.

[Beifall bei der SPD und der CDU]