Protocol of the Session on September 24, 2015

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aufregung scheint doch irgendwie etwas mit parteiinternen Nominierungen zu tun zu haben – bei diesen Oppositionsparteien hier –, gerade, was wir eben hören mussten.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Tatsache ist doch: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode bei der Senatsbildung doch alle klar vernommen, dass oberster Fahrradbeauftragter des Berliner Senats der Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler ist. Das wissen Sie ganz genau! Sie haben zumindest am Anfang das alles positiv begleitet. Warum Sie jetzt, ein Jahr vor den Wahlen, plötzlich wieder mit so einem Thema aufkommen, das hat, glaube ich, mehr etwas mit der Nennung des Wahltermins 2016 zu tun als überhaupt mit der Sachpolitik, die Sie hier anstreben möchten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mir ist auch aus der doch recht langen Begründung des Antrages, die möglicherweise eine parteiinterne Expertise für die Mitglieder und die nur noch wenigen Wähler der Piraten sein soll, nicht ganz klar, was die Piraten nun wirklich wollen.

Eines steht nach Durchsicht des Antrages und der nicht zum Antrag sachlich gehörenden Begründung des Antrages doch fest: Besser werden die Strukturen für den Fahrradverkehr und vor allem die Förderung des Radverkehrs mit diesem Antrag auf gar keinen Fall. Können sie auch gar nicht. Würde man das so umsetzen, was die Piraten wünschen, also mehr und vor allem eine quasi parallele Verwaltungsstruktur, ein eigenes Referat Fahrradverkehr mit einer Position eines neuen Fahrradbeauftragten, alles das neben der Verkehrsabteilung in der Senatsstadtentwicklungsverwaltung, das würde nicht einen Meter mehr Fahrradspuren oder eine Vorrangschaltung bringen.

[Martin Delius (PIRATEN): Aber weniger Tote vielleicht.]

Nur neue Verwaltungsstrukturen schaffen, aber keine konkreten Verbesserungen vorschlagen, da hat die CDU-Fraktion schon so ihre Zweifel, ob der Antrag der Piraten dem Fahrradverkehr für Berlin oder überhaupt einem Menschen nutzt.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie haben da irgendwie Bauchschmerzen!]

Denn die erfolgreiche bisherige Zusammenarbeit des Senats beispielsweise mit dem ADFC und dem BUND in Berlin würde sich auch durch neue Parallelstrukturen gemäß dem Piratenantrag überhaupt nicht verbessern. Ebenso finden längst Abstimmungsgespräche zwischen dem Senat – der Verkehrslenkung – und den Bezirken, den verschiedenen Akteuren, den Grundstückseigentümern und den Nutzern anderer Verkehrsmittelbetreiber

(Stefan Gelbhaar)

statt. Es wurde auch bereits unlängst eine Fahrradstabsstelle in der Verkehrsabteilung eingerichtet. Was soll also eine weitere Verwaltungsstruktur bringen, wenn schon heute sehr viel Fachkompetenz und Sachkompetenz zusammensitzt, plant und Verkehrsprojekte umsetzt.

[Andreas Baum (PIRATEN): Eine ausreichende Verwaltungsstruktur!]

Schließlich erfreut sich der Fahrradverkehr in Berlin überproportionaler Beliebtheit. Da ist wohl die bisherige Fahrradpolitik des Senats und der Bezirke zumindest als erfolgreich zu betrachten. Wir brauchen nicht mehr Verwaltungsstrukturen, sondern Projekte und die konsequente Verfolgung unserer Radverkehrsstrategie.

Wir sind gespannt, was die Piraten nun wirklich wollen, deshalb sehen wir der Beratung im Verkehrsausschuss mit Freude entgegen. Mal sehen, ob die Piraten noch das eine oder andere nachliefern können und vielleicht auch einmal zum Kern der Sache kommen, nämlich der Förderung des Fahrradverkehrs und nicht einfach nur der Förderung ihrer innerparteilichen Probleme.

[Beifall bei der CDU und den PIRATEN – Lachen bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion spricht jetzt die Kollegin Lompscher. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, bin ich nicht Herr Wolf, aber als tägliche Fahrradfahrerin fühle ich mich der Aufgabe gewachsen, zu dem Thema etwas zu sagen.

Die „Fahrradstadt Berlin“ ist nicht nur eine sympathische Idee, der Ausbau der Infrastruktur ist eine schlichte Notwendigkeit, zum einen, weil der steigende Bedarf ganz offensichtlich die Leistungsfähigkeit der vorhandenen Infrastruktur bereits übersteigt. Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt sind viel weiter als der Senat. Das kann ich aus eigener täglicher, zum Teil leidvoller, zum Teil gefährlicher Erfahrung bestätigen.

[Ole Kreins (SPD): Waren Sie nicht mal Umweltsenatorin?]

Zum anderen aber auch, weil es verkehrspolitisch richtig ist, das Radfahren durch attraktive und sichere Radverkehrsanlagen zu fördern. Größte Nutznießer einer solchen Politik sind übrigens neben den Radfahrenden selbst Autofahrende und zu Fuß Gehende, die dann weniger konflikthafte Situationen zu bewältigen haben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Nicht wahr? – Seit Jahren verläuft dieser Ausbau allerdings schleppend, egal ob mit oder ohne Fahrradbeauftragten, egal ob mit oder ohne Radverkehrsstrategie.

[Oliver Friederici (CDU): Sie waren doch mal im Senat!]

Die Ursachen dafür sind leider vielfältiger, als der Piratenantrag suggeriert. Natürlich kann man einen ordentlich bestallten Fahrradbeauftragten oder eine Fahrradbeauftragte benennen, und man kann zwölf bezirklichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen solchen Titel verleihen. Die Frage ist aber: Nützt das was? Wird dadurch auch nur ein Radweg mehr oder schneller gebaut? Wird dadurch auch nur eine Kreuzungssituation mehr oder zügiger umgestaltet, auch nur eine Abstellanlage mehr oder früher hergerichtet?

[Martin Delius (PIRATEN): Ja!]

Die Antwort können sich die meisten von uns selber geben. Ich würde sagen: Nein, natürlich nicht! Es fehlt eben nicht an Häuptlingen, es fehlt an Indianern, oder in der Piratenterminologie: Es fehlt nicht an Steuerfrauen, sondern an Matrosen.

[Oh! von der SPD-Fraktion]

Auch die Arbeit der Verkehrslenkung wird durch diesen Antrag nicht zügiger. Sie ist und bleibt das Nadelöhr aller Vorhaben und Maßnahmen. In den Bezirken liegen etliche Planungen, die von der VLB blockiert sind, was im schlimmsten Fall zum Mittelverfall führt. Mal sehen, ob da der neue Chef hilft.

Auch die Planungs- und Genehmigungsbehörden erhalten durch den Antrag nicht mehr Personal. Die Zusammenarbeit von Land und Bezirken erhält wohl auch eher wenig Schub. Das alles brauchte es aber, um künftig wenigstens die vorhandenen Mittel zu verausgaben, was in den letzten Jahren, wo ich übrigens nicht mehr im Senat war, immer schlechter gelungen ist. Es reicht eben nicht, wenn sich 13 Fahrradbeauftragte gut vernetzen und verstehen. Sie brauchten nicht nur funktionierende und personell bedarfsgerecht ausgestattete Verwaltungen, nicht nur eine fortzuschreibende Radverkehrsstrategie, sondern vor allem einen Berliner Senat, der den Radverkehr endlich als eine der tragenden Verkehrsarten der Berliner Zukunft begreift.

Solange das Primat des Autoverkehrs gilt, bleibt Radverkehrsplanung Beiwerk, und dieses Primat ist immer noch offiziell festgeschrieben und trägt den fürchterlichen Namen „Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen“ und hat den Status einer DIN-Norm.

Das alles zeigt, dass die Prioritätensetzung des Senats eben noch nicht stimmt. Die Berlinerinnen und Berliner radeln voraus, und der Senat steht weiter im Stau. Da liegt der Hase im Pfeffer. Wer das nicht begreift, was da draußen verkehrlich tatsächlich abgeht und sich entwickelt, der wird auch seine Verwaltung nicht in die Lage

(Oliver Friederici)

versetzen, auf diese Entwicklung entsprechend reagieren zu können.

Die Fahrradzuständigkeit auszulagern, nützt da gar nichts, sondern dies könnte im schlimmsten Fall sogar kontraproduktiv wirken. Die Politik kann an den oder die Beauftragten verweisen, obwohl doch der Senator, die Baustadträtin und die Amtsleiterin die verantwortlichen Fahrradbeauftragten sind, die diesen Titel tragen sollten. Sie müssen dafür sorgen, dass die Fahrradenthusiasten in ihren Verwaltungen – und die gibt es zum Glück in wachsender Zahl – innerhalb ihrer Verwaltungen auch zur Wirkung kommen können.

[Ole Kreins (SPD): Richtig!]

Daher, liebe Piratinnen und Piraten, lasst uns lieber gemeinsam für eine echte Prioritätenveränderung in der Verkehrspolitik streiten, als neue Schulterstücke zu verteilen. Die Linksfraktion wird sich zu diesem Antrag enthalten, weil wir das Ziel einerseits teilen, das haben Sie sicherlich gemerkt, den Weg allerdings nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Andreas Baum (PIRATEN): Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge, Anträge, Aktuellen Stunden, Anfragen!]

Vielen Dank, Frau Kollegin Lompscher! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und mitberatend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so!

Ich rufe auf

lfd. Nrn. 4.4 und 4.5:

Priorität der Fraktion der SPD und Priorität der Fraktion der CDU

Attraktivität der Freiwilligen Feuerwehr Berlin erhöhen – ehrenamtliches Engagement stärker würdigen II

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 21. September 2015 Drucksache 17/2461

zum Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/2018

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Da sehe ich, das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion, und der Kollege Schreiber schreitet schon zum Pult und erhält das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte damit beginnen, um vielleicht mal einen kleinen Überblick zu geben, wer und was in dieser Bundesrepublik eigentlich im Ehrenamt tätig ist: Über 23 Millionen Menschen sind als Bundesbürger aktiv in dieser Bundesrepublik beim Thema Ehrenamt. Davon sind 1,7 Millionen Menschen dabei, die im Bereich des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes ihren Dienst tun. Im Land Berlin, wenn wir uns das anschauen, im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr reden wir von ca. 1 400 Menschen, Männer und Frauen, und von ca. 1 000 Jugendlichen, die sich entschieden haben, hier in Berlin bei der Jugendfeuerwehr dabei zu sein.

Ich sage das deswegen, weil wir gerade in den jetzigen Zeiten merken – als Politiker, als Verwaltung –, dass das Ehrenamt eine ganz wichtige Brücke zu dem ist, was diese Gesellschaft leisten kann. Ohne das Ehrenamt bundesweit in den verschiedensten Formen wäre Vieles nicht möglich und Vieles nicht machbar. Deswegen hier heute auch stellvertretend der Dank an die Menschen, die im Bund, aber auch in Berlin für das Ehrenamt tätig sind. Heute geht es konkret um die Freiwillige Feuerwehr und auch ein Stück weit um die Frage der Wertschätzung: Wie gehen wir damit um? – Einen herzlichen Dank erst mal dafür!

[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir wollen, das sagt ja auch die Überschrift des Antrages – ich werde nur auf zwei, drei Punkte eingehen, weil ich vermute, der Kollege Herrmann will auch einige benennen –, diesen Ball aufnehmen. Wir haben einen Diskussionsprozess angestoßen als SPD-Fraktion gemeinsam mit dem Koalitionspartner, diesen Antrag einzubringen. Er ist entstanden aus vielen Diskussionen, aus vielen Terminen vor Ort bei den Wehren – in Einsätzen zu erleben, wie das Ehrenamt funktioniert, wo teilweise auch Holprigkeiten sind, wo Dinge sind, die abgestellt werden müssen.

Wir haben beispielsweise in dem Antrag, den wir ja am Montag im Innenausschuss beschlossen haben, noch mal deutlich gemacht: Wir wollen eben die Unterstützung für unser Konzept, dass Menschen mit Behinderung viel besser und einfacher integriert werden, gerade im Bereich der Freiwilligen Feuerwehr, nach Fähigkeiten und Fertigkeiten. Wir wollen beispielsweise, dass eine Kampagne gemacht wird, gerade was das Thema Nachwuchs betrifft, insbesondere auch mit Blick auf Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist unerlässlich, frühzeitig Integration zu leben. Die Freiwillige Feuerwehr bietet eine gute Möglichkeit.