Ich nenne Ihnen die Fragen gleich! – Die Bundespolizei wird durch den Deutschen Bundestag und nicht durch uns kontrolliert. § 1 Absatz 2 unseres Untersuchungsausschussgesetzes legt die Zuständigkeit fest für die Aufklärung von Tatbeständen
Frau Kollegin Bayram! Auch Sie werden wissen: Für die Bundespolizei sind wir evident nicht zuständig. Also sind Ihre Fragen schon unzulässig.
Hören Sie mal zu! Der Lux hört doch zu! – Und die Bundespolizei wird nicht etwa in Amtshilfe tätig. Man könnte ja noch konstruieren, wenn es in Form der Amtshilfe wäre, dass eine Zuständigkeit begründet werde. Das ist es aber nicht, da nach dem Aufenthaltsgesetz die Bundespolizei in eigener Verantwortung zuständig wird.
Ähnliches gilt auch für Ihre Frage A 7. Da wollen Sie über die EU-Rückführungsrichtlinie sprechen. Da liegen die Gesetzgebungskompetenz und die Zuständigkeit beim Bundesgesetzgeber – evident nicht bei uns, und damit sind wir nicht zuständig.
Ich habe noch viele weitere Punkte, die hebe ich mir für den Rechtsausschuss auf, weil meine rote Lampe schon
ziemlich lange leuchtet. Sie können uns da besuchen kommen. Da machen wir dann weiter Jura-Seminar. – Ich wünsche allen eine schöne Sommerpause. Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Canan Bayram (GRÜNE): Sie haben es nicht verstanden, Herr Kollege!]
Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rissmann! Zumindest in einer Sache hatten Sie jetzt wirklich recht: Es geht hier tatsächlich darum, die Abschiebepraxis im Land Berlin grundsätzlich zu verändern.
Ich denke, dass wir uns in der Sache auch fast einig sind, dass Abschiebungen, Abschiebehaft das härteste Mittel des Staates sind, um den Aufenthalt einer Person im Bundesgebiet zu beenden. Darum ist es natürlich auch sinnvoll – und genau das fordert unser Antrag –, Spielräume, die möglich sind – und sie sind möglich; das haben wir in den letzten Monaten gesehen –, auch zu nutzen.
Allein in der vergangenen Woche gab es aus Berlin zwei Sammelabschiebungen in den Westbalkan. Familien, deren Kinder bereits Freundschaften geknüpft hatten, in Deutschland in die Schule gingen und Zukunftspläne hatten, wurden mittellos und völlig unvorbereitet direkt in die Obdachlosigkeit abgeschoben. Die Härte und Rücksichtslosigkeit bei Abschiebungen hat sich seit Amtsantritt von Innensenator Henkel – und das stimmt tatsächlich – massiv verschärft. Die Zahl der Direktabschiebungen ist sprunghaft angestiegen.
Danke, Herr Kollege Reinhardt! Können Sie uns bitte sagen, wie hoch die gerichtliche Anerkennungsquote, die
rechtskräftige gerichtliche Anerkennungsquote in Asylverfahren für den Personenkreis aus dem Westbalkan ist?
Ich habe die Diskussion mit Ihrem Kollegen Dregger schon umfangreich und umfassend geführt. Es hat in dieser Frage einfach keine Relevanz.
Wir reden hier über medizinische Verfahren und über Abschiebepraxis im Land Berlin, die unter Ihrem Innensenator massiv verschärft wurde.
Die Zahl der Direktabschiebungen – das ist nämlich das Thema hier – ist sprunghaft angestiegen. 2012 waren es noch 24 Direktabschiebungen. 2013 waren es 267. Im vergangenen Jahr waren es 464 Direktabschiebungen von den insgesamt 602 Abschiebungen, die durchgeführt wurden. Das geht übrigens aus einer Anfrage des Kollegen Taş hervor. Dank Innensenator Henkel ist das Land Berlin nun auf einem guten Weg, Abschiebehauptstadt Deutschlands zu werden.
Der Innensenator selbst verwies in der Plenarsitzung am 16. Januar 2014 darauf, dass die Ausländerbehörde zunehmend auf das Mittel der Selbstgestellung, also die Möglichkeit, sich ohne polizeiliche Begleitung zur Abschiebung einzufinden, verzichtet. Abschiebungen finden im Land Berlin bei Nacht und Nebel statt. In den frühen Morgenstunden werden Menschen aus den Sammelunterkünften durch die Polizei geholt und direkt abgeschoben oder, wie im Fall Banu O., den wir hier schon diskutiert haben, geschehen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Ausländerbehörde gerufen und direkt aus der Behörde abgeschoben. Die von ihr vorgelegten Atteste und Gutachten wurden entweder nicht zur Kenntnis genommen oder nicht ausreichend gewürdigt.
Da ging es um den Bereich Flug- und Reisefähigkeit, den ich hier vertiefen möchte. Die Flug- und Reisefähigkeit von Banu O. war von dem bereits benannten dubiosen Honorararzt der Ausländerbehörde ausgestellt worden, der sie daraufhin auch auf dem Flug begleitete. Damit hat er sich dann einen Folgeauftrag verschafft und doppelt profitiert. Dieser freie Arzt war dann als Honorararzt für Ausländerbehörden mehrerer Länderpolizeien sowie die Bundespolizei tätig.
Der 118. Deutsche Ärztetag vom Mai 2005 fordert die Gerichte und Behörden auf, für die medizinische, insbesondere psychologische Beurteilung von Flüchtlingen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und für die Untersuchung vor einer Abschiebung ärztliche, qualifizierte Gutachter einzusetzen. Die Innenministerien von Bremen und Niedersachsen haben in ihren Verwaltungsanweisungen zur Organisation und Durchführung von Abschiebungen und Abschiebehaft auch fachärztliche Standards bei der Feststellung der Reisetauglichkeit geregelt. Berlin sollte diesem Beispiel folgen.
Die Reisefähigkeit eines Abzuschiebenden ist durch einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Arzt zu attestieren. Ist die Reisefähigkeit nicht festgestellt, darf auch keine Abschiebung erfolgen.
Nicht erst der Fall Banu O. macht deutlich: Die Abschiebepraxis und die gesamte Ausländerbehörde gehören auf den Prüfstand. Die Missstände sind bekannt und sollten behoben werden. Der heute vorliegende Antrag ist Teil einer gemeinsamen Antragsserie mit der Linksfraktion und umfasst mehrere wichtige Bereiche.
Zum Ersten: Es bedarf einer grundlegenden Reform der Ausländerbehörde und einer Konzeption der Ausländerbehörde als Teil der Willkommenskultur.
Zum Zweiten: Entscheidungen der Härtefallkommission sollten nicht durch den Einspruch von Innensenator Henkel gekippt werden können.
Und zum Dritten: Auch im Fall von Direktabschiebungen muss einstweiliger Rechtsschutz gewährleistet sein. Das war er in diesem Fall nicht.
Lassen Sie uns nun mit dem vorliegenden Antrag einen Anfang machen und in dieser offenen Welthauptstadt dem unwürdigen Umgang mit in Berlin lebenden Geflüchteten und Migranten endlich ein Ende setzen! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Abgeordnete Bayram. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Kollege Reinhardt! Sie haben öffentlich in den Medien gesagt, Sie wollen einen Untersuchungsausschuss. Sie haben gesagt, der Innensenator hat die Unwahrheit gesagt und muss zurücktreten. Was ist seitdem bei Ihnen passiert?
[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe – Martin Delius (PIRATEN): Das Lesen von Unterlagen, das Verstehen von Unterlagen!]
Kollegin Bayram! Ich habe ohnehin schon mit einer Zwischenfrage von Ihnen gerechnet, aber das können wir auch jetzt gerne so machen.
Es ist tatsächlich richtig, dass wir uns hier in der Sache doch hoffentlich eigentlich einig sind, dass sich im Land Berlin etwas verändern muss, und deswegen ist es natürlich auch sinnvoll, dass wir hier diese Anträge eingebracht haben. Und ich fand das schon etwas schade, dass wir uns jetzt, anstatt über diese Sache zu reden, tatsächlich, und da hat die SPD-Fraktion auch zum Teil recht, in diesen förmlichen, formalen Fragen bewegen und diskutieren müssen, anstatt uns einfach mal wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich auf die Abschiebepraxis im Land Berlin, auf die absoluten Missstände, die hier herrschen, und auf die Probleme in der Ausländerbehörde.