Auch diese Wahl können wir in einfacher Abstimmung gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung und
verbunden durchführen. Vorgeschlagen werden von der Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Ellen Haußdörfer und Herr Abgeordneter Torsten Schneider, von der Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Alexander Herrmann, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Clara Herrmann und von der Fraktion Die Linke, Herr Abgeordneter Steffen Zillich. Wer die Genannten wählen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, Grüne, Die Linke. – Gegenstimmen? – Bei den Piraten. Enthaltungen? – Keine. Damit sind aber alle gewählt. – Herzlichen Glückwunsch und auf gutes Gelingen!
a) Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterentwickeln (III) – lesbische, schwule, bi-, transsexuelle, Transgender- und intersexuelle (lsbtti) Flüchtlinge unterstützen – jetzt!
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 21. Mai 2015 Drucksache 17/2283
b) Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt 2.0“ (ISV 2.0)
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 21. Mai 2015 Drucksache 17/2284
c) Initiative sexuelle Vielfalt (ISV)/Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie fortführen und qualifizieren
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 21. Mai 2015 Drucksache 17/2285
In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Reinhardt, bitte schön, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon das Thema „Ehe für alle“ diskutiert in einer sehr aufregenden und
Nun ist es eine Schande, dass zusätzlich zu diesem Thema noch ein weiteres wichtiges Thema heute versenkt wird. Neben dem Thema „Ehe für alle“ betrifft dies den gesamten Bereich der Akzeptanz sexueller Vielfalt in Berlin, zu dem hier zwei Anträge vorliegen. Dabei war Berlin hier lange Vorreiter. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat 2009 bereits einstimmig die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ – kurz ISV – beschlossen und damit auch ein deutliches Zeichen gesetzt für Vielfalt und Offenheit der Metropole Berlin.
Seitdem wurden auch einige wichtige Schritte gegangen. Die rechtliche Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Landesrecht hat Berlin als erstes Bundesland vollzogen. Berlin hat sich im Bundesrat für die Rehabilitierung von in der DDR und in der Bundesrepublik aufgrund ihrer Homosexualität strafrechtlich verfolgten Menschen mit dem Erfolg einer Entschließung eingesetzt. Im Bildungsbereich haben ehrgeizige Prozesse begonnen, um die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt stärker zu thematisieren und damit wertvolle Antidiskriminierungsarbeit voranzubringen. Insgesamt war – und dieses Zwischenresümee kann man, glaube ich, auch machen – die ISV in den letzten Jahren ein Erfolg.
Doch das ist kein Grund, sich zurückzulehnen. Viele der Maßnahmen sind nicht dauerhaft gesichert. Leerstellen sind sichtbar geworden. Es gibt bislang noch keine parlamentsübergreifende Übereinstimmung in Bezug auf die trotz nach wie vor schwieriger Haushaltslage dringend erforderlichen kontinuierlichen Förderungs- und Unterstützungserfordernisse. Dabei handelt es sich im Großen und Ganzen gesehen nicht um uferlose Beträge, die aufzuwenden wären. Sie sehen, es ist noch einiges zu tun, und daher muss es das Ziel sein,
die Akzeptanz sexueller Vielfalt in verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen weiterzuentwickeln und zu befördern.
Die ISV-Maßnahmen „werden fortgeführt und weiterentwickelt.“ – Ach, wo wir gerade heute diesen Trend etabliert haben, das war ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag auf Seite 65. Jetzt könnte man natürlich vermuten, dass, wenn das schon im Koalitionsvertrag so drin steht, sich dann auch alle einig sind, dass diese Weiterentwicklung notwendig ist.
Die Opposition zumindest ist sich dessen bewusst. Die beiden vorliegenden Anträge wurden beide bereits 2012 eingebracht, also zum Teil schon über drei Jahre zurückliegend. Seitdem wurde beraten, verhandelt, trotzdem werden diese beiden Anträge heute voraussichtlich ersatzlos abgelehnt. Abgesehen von den Ankündigungen ist nichts passiert. Von den sechs angekündigten Anträgen der Koalition aus diesem Bereich passiert nichts. Wir
warten darauf noch heute und werden vermutlich auch weiter warten. Diese Koalition wird Berlin als bunter, vielfältiger Metropole einfach nicht gerecht.
Eine der betroffenen Gruppen, für die der Ausbau der Akzeptanz sexueller Vielfalt besonders wichtig wäre, sind geflüchtete Menschen. Sie kommen nach Berlin, haben häufig kein eigenes Netzwerk, keine Ansprechperson und sind sowohl im Asylverfahren selbst als auch bei der Unterbringung auf unsere Unterstützung angewiesen, wenn sie sich zum Beispiel schon geoutet haben. Häufig leben sie in großen Gemeinschaftsunterkünften. Das Land Berlin ist für sie zuständig und hat hier auch eine besondere Verantwortung.
Dieser Verantwortung wird das Land aus der Sicht zahlreicher Unterstützergruppen, mit denen hier mehrere Treffen stattgefunden haben, und auch nach Berichten von Betroffenen nicht angemessen gerecht. Daher ist auch der dritte vorliegende Antrag notwendig. Zwar hat die Koalition angedeutet, den vorliegenden Antrag anzunehmen, aber in einer sehr ungünstig veränderten Version. Ich will das jetzt nicht im Detail aufsplitten, aber einen Beispielsatz will ich mal vorlesen:
Der Senat wird gebeten bezüglich der Betroffenen, wenn diese es wünschen, auch bei deren Unterbringung mit der nötigen Sensibilität vorzugehen.
Was heißt denn das jetzt? Das ist ja wirklich so ein Wischiwaschi-Satz. Mehr Wischiwaschi würde gar nicht gehen. Hier braucht es konkrete Vorgaben, konkrete Standards und konkrete Unterstützung. Es ist schade, dass dieser Antrag in dieser Version hier vorliegt, und noch „schadiger“ ist es, dass wir in dieser Sache nicht weiterkommen. Es ist notwendig, dass wir hier Fortschritt bekommen. Schade, dass Berlin sich heute für Stillstand entscheidet. – Vielen Dank!
[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Elke Breitenbach (LINKE): Ja, das ist am „schadesten“.]
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ja, wir haben hier heute noch mal eine Möglichkeit, über die ISV zum einen zu sprechen, das, was die Opposition vorgelegt hat. Und Sie haben völlig recht, Herr Reinhardt, es gibt einen Koalitionsvertrag, und auf Seite 65 steht da sehr eindeutig, die ISV wird „fortgeführt und weiterentwickelt“. Erstens.
Natürlich, da steht noch ganz viel anderes Spannendes drin, darüber haben wir ja heute schon diskutiert.
Zweitens. Wir haben zwei, und das will ich vielleicht auch hier noch mal erwähnen dürfen, Anträge, einer, der am 18. September 2014 beschlossen wurde, Vielfalt in der Pflege und im Alltag, es gab einen Abschlussbericht am 8. April 2015, den wir beispielsweise im September im Ausschuss für Gesundheit und Soziales mal debattieren sollten. Da geht es nämlich darum, dass die ISV gerade in dem Bereich Pflege und Soziales, Gesundheit umgesetzt wurde. Es ging um das ganze Thema des Diversity-Prinzips in der Altenpflege, in Pflegediensten, wo es verankert werden soll, in der Aus- und Fortbildung. Da wurde in dem Abschlussbericht gut dargestellt, was der Senat nach diesem Antrag zu ISV 1 umgesetzt hat. Und ich finde, das muss man dann auch im Ausschuss würdigen, bis dato beispielsweise die Frage ja aufkam, dass im Landespflegeausschuss jemand aufgenommen werden soll mit LGBT-Kompetenz. Das heißt, da ist etwas passiert, da ist etwas konkret umgesetzt worden.
Auf der anderen Seite haben wir einen weiteren Antrag gehabt, der am 15. Januar 2015 ins Parlament eingebracht wurde – die ISV 2 zur Dokumentation und Forschung. Auch da geht es um das ganze Themenfeld. Wir haben zwischenzeitlich einen Zwischenbericht erhalten, wie der Sachstand ist bei der ganzen Frage Wiedereinrichtung eines Magnus-Hirschfeld-Instituts, Würdigung von LGBT-Persönlichkeiten beispielsweise oder ein großes und wichtiges Thema: Rehabilitation der nach § 175 zwischen 1945 und 1994 Verurteilten. Auch da ist nicht nur die Verwaltung, sondern der Senat und die Regierungsfraktion dran und tätig und setzen das auch um, was wir in der ISV bzw. im Koalitionsvertrag auf Seite 65 festgeschrieben haben.
Sie haben insofern völlig recht, ich habe 2014 gesagt: Wir haben acht Anträge, acht Einzelanträge. – Davon sind bisher nur zwei im parlamentarischen Gang. Zwei weitere Anträge – das will ich hier auch sagen, um deutlich zu machen, dass es nicht an der SPD-Fraktion liegt –, liegen beim Koalitionspartner. Da habe ich die Hoffnung, beispielsweise beim Thema Trans- und Intersexualität, dass wir den eigenen Antrag dort einbringen werden, der miteinander abgesprochen ist und auch ganz klar Dinge festhält, bei dem, denke ich, viele im Haus mitgehen können, genauso auch zur Frage rechtlicher Gleichstellung. Das waren die vier Anträge. Die anderen vier Anträge – so ist das auch miteinander vereinbart worden, auch mit den Fraktionen – werden im Rahmen der Haushaltsberatung eingebracht werden, weil es konkret um Geld, um Zuwendungen geht, darum, diese auszubauen.
Ich sage das deswegen, weil ich verstehe, dass ein Teil von Ihnen ungehalten ist, aber auch ich irgendwann ungehalten bin, wenn ich merke, dass wir in bestimmten Themenfeldern wie der ISV nicht wirklich zügig voran
kommen. Wir haben heute in der Debatte auch noch mal deutlich erfahren: Man kann über vieles miteinander diskutieren, man kann auch eine unterschiedliche Haltung bzw. Einstellungen haben, Fakt ist aber: Es gibt Kollegen in der CDU-Fraktion, wie Kollege Evers, wie Kollege Markus Klaer, wie Kollege Krüger, die ein Interesse daran haben, dass wir an den Themen arbeiten. Es gibt auch den einen oder anderen in der CDU-Fraktion, der es etwas anders sieht. Deswegen dauern auch die Prozesse bezüglich der Frage, wie wir parlamentarisch etwas beraten, in diesem Haus teilweise etwas länger. Ich bedauere das zutiefst, denn es ist deutlich geworden, dass wir nicht weniger ISV, sondern mehr ISV im Land Berlin brauchen.
Klaus Lederer hat es hier auch deutlich gemacht: 2009 war Berlin Taktgeber, Impulsgeber für diese Bundesrepublik. Viele machen es mittlerweile nach, was auch richtig ist. Ich erwarte auch ganz klar und eindeutig das, was im Koalitionsvertrag drin steht: fortentwickeln und weiterentwickeln. Es bleibt auch dabei, auch bei meinem Wort, auch bei dem Wort von Kollegen Evers – Sie werden uns dann auch in den Haushaltsberatungen daran messen können und dürfen. Die Verwaltungen von Herrn Czaja oder von Frau Kolat arbeiten tagtäglich an dem Thema. Es gibt also nichts, was rechtfertigen würde zu sagen, da ist irgendetwas eingestellt, sei es Zeitzeugengespräche, sei es, dass Broschüren zum Thema lsbttiPersönlichkeiten vorgestellt werden. Da passiert eine ganze Menge im ganzen Rahmen der ISV.
Ich bitte nochmal darum, klar zu sehen – und damit werde ich meine Rede auch abschließen –, dass ich persönlich auch den Eindruck hatte: Wir werden es zügiger bearbeiten können. Es gibt hier und da Gesprächsbedarf. Bis zu einem gewissen Punkt akzeptiere ich es. Irgendwann ist aber der Punkt der Entscheidung gekommen, und da kann man nur sagen: Ich stimme dem zu, oder ich stimme dagegen. – Wir hatten das Thema heute Vormittag. Deswegen habe ich die Hoffnung, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen die letzten vier Anträge beraten werden. Und mir wurde auch seitens der CDU-Fraktion gerade zum Thema Trans- und Intersexualität – Kollege Melzer hat sich dessen sehr angenommen – signalisiert, dass wir eine Lösung finden bzw. dann ein eigenständigen Antrag einbringen werden. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Birk – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hat den Eindruck, dass nach der engagierten Rede von Herrn Müller sich jetzt auch Herr Schreiber voll im Wahlkampfmodus befindet und sich auf das kommende Jahr einstellt und die Koalition kaum noch Gemeinsamkeiten aufweisen kann. Wenn sie hier den Konflikt so explizit darstellen, muss es ja um Ihre Koalition schlimm stehen.
Ich möchte mir am Anfang die Bemerkung erlauben – Frau Seibeld ist jetzt nicht im Raum –, aber hätte es die Initiative Akzeptanz sexueller Vielfalt schon Anfang der Neunzigerjahre gegeben und sie hätte auch am WaltherRathenau-Gymnasium in Steglitz gegriffen, dann hätte vielleicht Frau Seibeld heute eine andere Rede gehalten.
Ich muss schon sagen: Ich fühlte mich heute als schwuler Mann ein Stück weit bei ihrer Rede in meiner Würde verletzt.