Ich muss schon sagen: Ich fühlte mich heute als schwuler Mann ein Stück weit bei ihrer Rede in meiner Würde verletzt.
Es wurde gesagt, die Initiative Akzeptanz sexueller Vielfalt ist ein Meilenstein. Sie ist ein Produkt der rot-roten Koalition, aber sie ist auch auf einen Änderungsantrag zu einem Antrag der Grünen-Fraktion zurückgegangen. Wir hatten das Thema Gewalt gegen Schwule und Lesben vor allem im Blick. Dass daraus ein umfassender Antrag, der alle Themenfelder ressortübergreifend umfasst, werden würde, konnte man damals als Opposition nicht ahnen. Wir sind bis heute dankbar, dass das geklappt hat und dass das Haus einstimmig dem zugestimmt hat, auch wenn die CDU damals nicht im Raum war, aber sie hat es zuvor in den Ausschüssen mitgetragen.
Umso bedauerlicher ist es, dass der Koalitionsvertrag, der hier schon erwähnt wurde, heute nicht nur einmal gebrochen wurde, als es um das Vorantreiben der rechtlichen Gleichstellung ging, sondern auch, wenn es um die Weiterentwicklung der Initiative sexuelle Vielfalt geht. Wir sehen keine Weiterentwicklung! – Herr Schreiber! Es zählt am Schluss, was rauskommt, nicht was Sie sich vorstellen, was Sie wünschen. Am Schluss zählt, was rauskommt. Und da liegt zu wenig auf dem Tisch!
Wir haben als Grüne schon direkt im Mai 2012 einen umfassenden Weiterentwicklungsantrag zu allen Ressorts vorgelegt. Wir haben es deshalb so früh gemacht, weil wir die Hoffnung hatten, dass dann dieser Prozess noch mal aufleben könnte, dass die Verwaltung zusammen mit den Trägern und der Community wieder Projekte neu auflegen könnte. Die Linken und die Piraten sind nachgezogen. Wir haben unsere Anträge dann breit in der Community debattiert. Deswegen gibt es zu unserem eigenen
Sie hätten das nicht eins zu eins annehmen müssen, Sie hatten aber viele Anregungen. Und was Sie bisher vorgelegt haben, diese beiden Anträge, die hier beschlossen wurden, einmal zur Pflege und Alter und einmal zu Geschichtsdokumentation und Forschung, da ist sehr wenig Neues enthalten gewesen. Und was Neues reinkam, haben wir noch per Änderung reingestimmt. Wenn Sie sich hier auf den Pflege- und Alter-Antrag beziehen, dann muss ich sagen: Es ist für mich schon ein starkes Stück, wenn ein Schlussbericht als einzige Neuerung enthält, dass die Schwulenberatung jetzt beratendes Mitglied des Landespflegeausschusses werden soll, wenn die entsprechende Verordnung vorgelegt wird. Alles andere, Herr Schreiber, das habe ich Ihnen schon bei der Einbringung des Antrags gesagt, ist kalter Kaffee. Das haben wir alles schon. Denn in dem Bereich Alter und Pflege – das muss man sagen und die Verwaltung auch loben – ist schon sehr viel in den vergangenen Jahren passiert. Da steht nichts Neues in Ihrer Mitteilung – zur Kenntnisnahme.
[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE), Wolfram Prieß (PIRATEN) und Andreas Baum (PIRATEN)]
Wir haben dagegen in unserem Antrag vor allem die Themen Bildung, Aufklärung und Jugendarbeit berücksichtigt. Da muss man doch den Treppenwitz erzählen, dass wir inzwischen über eine Million für Fortbildung im Bereich Bildung ausgegeben haben, wobei wir letztes Mal gegen die Kürzung dort kämpfen mussten, und ein umfangreiches Gutachten – ich habe es hier extra noch einmal mitgebracht – zur Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen von Ulrich Klocke vorgelegt worden ist – und was passiert? – Als die Rahmenlehrplanentwürfe vorgelegt wurden, stand da so gut wie nichts mehr drin, nicht mal das, was wir schon erreicht hatten, und wir mussten eine Kampagne initiieren, und alle Träger mussten bei der Senatsverwaltung antanzen, um jetzt wenigsten den Standard, den wir haben, möglichst zu halten und vielleicht vorwärts zu kommen. Die Begründung des Referats, das das zu verantworten hat, war: Ja, wir sind in einer multikulturellen Stadt, da muss man eben sehr vorsichtig mit dem Thema umgehen. Das nach fünf Jahren Fortbildung in dem Bereich: Das ist wirklich ein Armutszeugnis!
Wir haben in unserem Antrag natürlich auch den Bereich Diskriminierung und Gewalt berücksichtigt – das war der Ursprung des Ganzen –, aber wir haben auch die Verwaltung und Diversity in der Verwaltung berücksichtigt.
Und dann möchte ich –, soweit es meine Zeit noch erlaubt – kurz betonen, dass wir den gemeinsamen Antrag mit der Linken zu Flüchtlingen vorgelegt haben. Das ist
ein wirklich brennendes Thema. Die Flüchtlinge – das haben wir auf der Veranstaltung, die wir gemeinsam mit der Linken gemacht haben, nachdem wir eine Auftaktveranstaltung dazu hatten, berichtet bekommen – leben in den Flüchtlingseinrichtungen teilweise in schrecklicher Angst. Sie kennen die Sprache nicht. Sie wissen nicht, wo die Einrichtungen sind, die sie aufklären können. Deswegen brauchen wir Fortbildung für die Bediensteten dort. Wir brauchen gegebenenfalls eine gesonderte Unterbringung, die diese Ängste berücksichtigt, und wir brauchen auch einen vernünftigen Umgang, dass möglichst viele Flüchtlinge hier auch tatsächlich bleiben können. Das kommt in Ihrem Änderungsantrag leider ein bisschen zu kurz.
Wir haben Ihnen so viele Hilfestellungen gegeben, wir haben in Ihrer Reihe extra ein „III“ davor gemacht und dachten, da haben Sie wenigsten mal drei Anträge: Dass Sie jetzt auch noch den Namen des Antrags ändern mussten, das hat uns schon sehr gewundert. Wir hätten jetzt wenigsten einen dritten Antrag, und Sie müssten nicht mehr davon reden, dass Sie jetzt endlich den dritten Antrag und den vierten, fünften, sechsten, siebenten irgendwann mal vorlegen. Wir warten schon zu lange. Die Community hat wirklich die Schnauze voll!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben in diesem Tagesordnungspunkt, wie er hier schon angesprochen wurde, drei unterschiedliche Anträge zu behandeln. Wegen der gebotenen Kürze möchte ich mich darauf konzentrieren, für eine Zustimmung zum Antrag Drucksache 17/2084 in der Fassung der Vorlage Drucksache 17/2283 zu werben.
Wir alle wissen, dass unter den nach Berlin kommenden Flüchtlingen eine Anzahl von Menschen ist, die in ihren Herkunftsländern aufgrund ihrer Sexualität und der sich daraus ergebenden Lebensform nicht akzeptiert werden und erheblichen Diskriminierungen in ihrem Alltagleben ausgesetzt waren.
Deshalb unterstützen wir die vielfältigen Bemühungen des Senats, bei den Betreibern von Flüchtlingsunterkünften darauf hinzuwirken, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Ängste und Nöte dieser Flüchtlinge sensibilisiert werden – eine Sensibilisierung, die auch und gerade für die neu eingesetzten Integrationslotsen notwendig ist. Dabei sollte die Befassung mit dieser Thematik, zum Beispiel im Rahmen von Fortbildungsveranstal
tungen, auch belegt und damit nachvollziehbar werden. Aber auch die im Land Berlin gut etablierte und hoch qualifizierte Zahl freier Träger in diesem Bereich der Vielfalt sollte sich einbinden lassen, Mut machen und zur Vertrauensbildung beitragen.
Schließlich ist es uns auch sehr wichtig, dass bei der Wohnunterbringung der Flüchtlinge, die sich mit dieser Thematik den Beraterinnen und Beratern anvertrauen, weil sie eine besondere Gefährdung fürchten, große Sensibilität und Einführungsvermögen notwendig sind. Auch hier unterstützen wir nachhaltig den Senat bei der Umsetzung einer solchen Beratungsstrategie, die bereits, so wurde es uns vermittelt, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berliner Unterbringungsstelle sowie vom Sozialdienst des LAGeSo praktiziert wird.
Nicht alles zu dieser Thematik wird allein im Land Berlin bestimmt. Deshalb bestärken wir schließlich den Senat dabei, sich auf der Bundesebene für den Schutz dieser, wegen ihrer Sexualität anderswo verfolgten Flüchtlinge auf der Basis der aktuellen europäischen Rechtsprechung einzusetzen.
Die beiden weiteren Anträge bitten wir abzulehnen, da wir meinen, dass wesentliche darin geforderte Aktivitäten vom Senat längst angegangen wurden beziehungsweise fest eingeplant sind.
Ich darf abschließend noch sagen: Ich freue mich auch auf die Diskussion über den Senatsbericht zur Pflege. Wenn Sie meinen, das sei noch nicht genug, man könne an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern, dann sollten wir das gemeinsam tun. Aber wir sollten uns erst einmal der Diskussion stellen, bevor wir hier meckern. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion Die Linke folgt jetzt der Kollege Schatz. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Krüger! Ich verbessere Sie ungern, aber Sie sprachen die ganze Zeit von der Sexualität der Menschen. Darum geht es aber nicht. Es geht um sexuelle Orientierung oder sexuelle Identität. Wenn man von Sexualität spricht, klingt es immer nach etwas frei Gewähltem. Dann stelle ich mal die Frage: Wann haben Sie sich denn entschieden, heterosexuell zu sein?
Sie gestatten mir den kurzen Rekurs auf die Kollegin Seibeld: Sie sagte in ihrer Rede heute früh, der Kampf
gegen Diskriminierung sei mehr als die Änderung von Gesetzen. In der Tat! Deshalb hat der Berliner Senat und die Mehrheit hier im Abgeordnetenhaus 2009 die Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt auf den Weg gebracht. Wir waren der Überzeugung, dass der Kampf gegen Diskriminierung rechtliche Gleichstellung beinhaltet, aber er beinhaltet weitaus mehr. Deshalb haben wir damals ein Themenpaket vorgelegt, das europaweit einmalig war. Berlin war damals spitze. In einem Akteursnetzwerk aus Politik, Verwaltung, Gruppen, Vereinen und Verbänden ist ein Maßnahmenpaket entwickelt worden, das in Europa einmalig war. Es ist vielfach kopiert worden. Berlin hat dafür Preise und Anerkennung bekommen. In anderen Bundesländern – Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen – ist es aufgegriffen und variiert worden. Berlin hatte damals einen Trend gesetzt.
Die Initiative „Berlin tritt für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ und das „Bündnis gegen Homophobie“ werden fortgeführt und weiterentwickelt.
Bei dieser Ankündigung ist es leider geblieben. Die Anträge, die von der Opposition, also von den Grünen, den Piraten und uns, 2012 vorgelegt wurden, lungerten in den Ausschüssen herum. Darüber wurde nicht diskutiert. Das geschah erst im letzten Mai. Stattdessen kamen Sie mit zwei Anträgen an, nämlich der Fortschreibung der ISV 1 und 2, wie Sie das nannten.
Ich will jetzt nur auf einen Antrag eingehen, nämlich den Geschichtsantrag. Der Kollege Schreiber hat gesagt, hier würden Zeitzeugeninterviews geführt. In der Ausschussberatung haben wir gesehen, dass drei Zeitzeugeninterviews pro Jahr geführt werden. Das soll die Bewahrung des Gedächtnisses unserer Community sein, wenn es um Verfolgungsgerichte geht. Da muss mehr gemacht werden. Das ist zu wenig.
Faktisch haben Sie die ISV stillschweigend abgewickelt. Im Doppelhaushalt 2014/2015 wurden die Aufwendungen, die immerhin im Doppelhaushalt 2010/2011 noch 2,1 Millionen Euro betragen haben, zusammengestrichen. Selbst die Schwusos haben 2014 festgestellt: Im aktuellen Haushalt ist es noch eine knappe halbe Million Euro. Das ist deutlich weniger als unter Rot-Rot.
Nun wurden – nach den Versprechungen im Koalitionsvertrag – neue Versprechungen gemacht. Es wurden uns im letzten Jahr acht Einzelanträge angekündigt. Zwei sind es geworden. Heute gab es neue Versprechungen. Nun ja, wir werden gucken, was kommt. Bei Herrn Krüger hört sich das dann ungefähr so an: Hört mal zu! Es ist alles in Butter. Macht euch mal keine Sorgen! – Frau Kolat hat
im Ausschuss die Schwerpunkte des Senats benannt, die mit den Anträgen, die Sie vorgelegt haben, nichts zu tun haben. Da geht es nämlich um Trans- und Intersexualität, um Geschichte, um Anti-Gewalt-Arbeit und die Stärkung des internationalen Engagements. Als fünften Punkt nannte sie noch die Flüchtlinge. Den haben aber, glaube ich, wir mit unserem Antrag auf die Agenda gesetzt. Sie können das gerne nachlesen. Die alte ISV hatte sieben Schwerpunkte. Bildung war ein wesentlicher. Darüber wurde noch gar nicht gesprochen.
Kurz zum Flüchtlingsantrag: Wir haben den Antrag vorgelegt. Ich bin sehr dankbar, dass Sie in Ihrem Antrag wenigstens drei Schwerpunkte aufgegriffen haben, nämlich die Sensibilisierung der Leute in den Unterkünften, die Frage, ob Menschen, die unter Gewalterfahrungen leiden, aus den Sammelunterkünften herausgeholt werden können und das Engagement auf Bundesebene. Aber die Beratungsangebote haben Sie herausgelassen. Da kommen Menschen nach Berlin, die eine Flucht hinter sich haben, die es vielleicht in ihrem Heimatland nicht gewohnt sind, sehr offen mit ihrer sexuellen Identität oder Orientierung umzugehen, und wir verlangen von ihnen, dass sie sich einfach in unsere Gesellschaft einfinden. Das, was eigentlich am Anfang stattfinden muss, nämlich Beratung für die Flüchtlinge in den Einrichtungen durch freie Träger, haben Sie einfach wegfallen lassen. Weil Sie diesen wichtigen Punkt vergessen haben, können wir dem Antrag leider nicht zustimmen. – Letztlich, lieber Kollege Schreiber, danke für die Ankündigung! Aber mit dem Versenken der Anträge zementieren Sie heute den Stillstand, den wir vorhin in der Debatte zur rechtlichen Gleichstellung von Lesben und Schwulen gesehen haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 17/2084 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme mit neuer Überschrift und in neuer Fassung. Wer dem Antrag mit neuer Überschrift und in der neuen Fassung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und SPD. Gegenstimmen? – Keine! Enthaltungen? – Piraten, Linke und Grüne enthalten sich. Dann ist das so beschlossen.
Zum Antrag Drucksache 17/0652 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piratenfraktion, Die Linke und die Grünen. Gegenstimmen? – SPD und CDU! Das letzte war die Mehrheit. Damit ist das abgelehnt.
Zum Antrag Drucksache 17/0294 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Grünen, Die Linke und die Piraten – auch mit Änderungen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piratenfraktion, die Grünen und die Linken. Gegenstimmen? – Die Koalitionsfraktionen! Damit ist das abgelehnt.
Verfolgung von Homosexuellen in Deutschland seit 1945: Legislatives Unrecht beseitigen, erlittenes Unrecht entschädigen, Wissenschaft und Dokumentation voranbringen
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 21. Mai 2015 Drucksache 17/2286