Protocol of the Session on May 28, 2015

Schöne Frage!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kann wieder etwas Ruhe einkehren. Da kommt vielleicht noch etwas.

Schauen wir einmal. – Wenn Sie selbst nicht auf das Rad steigen möchten, dann ermöglichen Sie es anderen. Ein Aushängeschild für den Radverkehr in Berlin ist das Umweltfestival mit der Fahrradsternfahrt.

[Daniel Buchholz (SPD): Richtig!]

Sie schaffen es noch, dass selbst dieses großartige Fest wegen irgendwelcher Zäune abgesagt wird. Das geht gar nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Kollege Gelbhaar! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Oberg?

[Martin Delius (PIRATEN): Würde ich nicht machen! Das lohnt nicht!]

Vielen Dank, Herr Kollege Gelbhaar! – Täusche ich mich in meinem Eindruck, dass die Fahrradstadt Berlin sehr gut funktionieren muss, wenn es das größte Problem ist, dass der Senat nicht selbst auf dem Fahrrad sitzt?

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ja!]

Herr Kollege Oberg! Der Eindruck täuscht, leider. Ich würde mich freuen, wenn das das einzige Problem wäre.

[Lars Oberg (SPD): Dann nennen Sie sie doch!]

Ich glaube, diese Vorbildfunktion, das ist eine Erkenntnis, die trägt zu Bewusstseinswandel bei. Es gibt Bevölkerungsteile in Berlin, die fahren kein Fahrrad, weil sie sich nicht trauen. Da muss man noch voran gehen. Die Frage können wir ein andermal vertieft erörtern.

Es ist richtig und es ist möglich, Berlin zu einer fahrradgerechten Stadt zu machen. Das Ziel muss die Fahrradstadt Berlin sein.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich würde sogar sagen: Ich will, dass die fahrradgerechte Stadt in der Verkehrspolitik Berlins die höchste Priorität bekommt,

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

denn eine fahrradgerechte Stadt ist eine Stadt mit viel Aufenthaltsqualität, eine Stadt für die Menschen. Zügig, aber entspannt durch die Stadt zu kommen, kostengünstig, umweltbewusst, das kann Radverkehr, und diese Ziele könnten, diese Ziele sollten hier Konsens sein.

Wir müssen dafür das Rad nicht neu erfinden, Herr Kreins. Amsterdam und Kopenhagen sind genannt. Wir können uns dort viel abschauen. Ich sage auch: Die Erwartungen an diesen Senat sind schon relativ weit nach unten geschraubt. Gleichwohl sind Sie in der Verantwortung. Es gibt einfach keine Ausrede dafür, dass man vergisst, das Leihfahrradsystem rechtzeitig auszuschreiben. Das ist inakzeptabel.

[Staatssekretär Christian Gaebler: Das haben wir nicht vergessen!]

Doch, das haben Sie vergessen. Das haben Sie vergessen. Da war die Frist 31. Dezember 2014 und das haben Sie nicht hinbekommen. Ich gestehe Ihnen zu, dafür brauchen Sie Leute. Aber dann setzen Sie die Prioritäten entsprechend! Zuerst sollten Sie aber herausfinden, wie viele Leute bei Ihnen überhaupt Radverkehrspolitik in der Verwaltung betreiben. Ich habe eine Schriftliche Anfrage gestellt, da hieß es, zweieinhalb Stellen seien dafür vorgesehen. Der Kollegen Baum hatte ein bisschen früher gefragt, da war es noch eine Stelle. Au weia! Ich glaube, das sollten Sie intern einmal klären.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Das ist Wachstum!]

Die Finanzen und das Personal müssen für eine gute Radverkehrspolitik vorhanden sein. Herr Kreins war ja vorhin so engagiert: Dann beantragen Sie doch hier einmal deutlich mehr bei den nächsten Haushaltsberatungen und eben nicht nur neue Straßen wie die TVO! Wir würden das nicht nur begrüßen, sondern aktiv unterstützen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ja, auch die Zusammenarbeit mit den Bezirken muss klappen. Aber dann laden Sie doch, Herr Geisel, die Bezirke einfach einmal ein, um über die Errichtung eines Fahrradstraßennetzes gemeinsam zu debattieren, um das gemeinsam anzugehen. Aber das wollen Sie gar nicht. Ich plädiere hier noch einmal dafür, dass der Berliner Senat den Aufbau eines Fahrradstraßennetzes aktiv mit den Bezirken angeht und sich hier nicht „eingräbt“.

Ja, es gibt massive Probleme bei der Verkehrslenkung Berlin. Aber das ist auch Ihr Aufgabenbereich, hier können Sie steuern. Aber das wollen Sie von der SPD und der CDU gar nicht. Das haben Sie klargemacht, als unsere Initiative für Vorgaben zur Förderung des Radverkehrs und des ÖPNV abgelehnt wurden. Ich finde diese Ablehnung unverständlich. Fahrrad, Bus und Bahn müssen Priorität haben.

Das ist der Zustand, den wir haben, und der ist nicht besonders überzeugend. Trotzdem will ich einen Blick in die Zukunft wagen. Ich glaube, dass die Anforderungen an den Radverkehr, an die Radverkehrsinfrastruktur weiter steigen werden, etwa durch die Zunahme des Radverkehrs, aber auch durch die Zunahme unterschiedlich schneller Fahrräder wie zum Beispiel Pedelecs. Deshalb müssen wir eine Radverkehrsinfrastruktur von morgen bauen. Wir dürfen nicht die Konzepte von gestern als Blaupause verwenden, die meistens nur schmale Radwege und schmale Radstreifen vorsieht. Das reicht nicht. Die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Radfahrer und Radfahrerinnen müssen berücksichtigt werden. Die Anstrengungen des Senats zielen aber nur auf die sicheren und schnellen Radfahrer. Das ist der falsche Weg. Wir wollen allen das Radfahren ermöglichen. Da braucht es auch das Angebot. Es kann nicht sein, dass eine Radfahrerin oder ein Radfahrer zwischen Schwerlast-Lkws und aufgehenden Autotüren eingezwängt werden und der schmale Radstreifen dann auch noch häufig als Parkstreifen missbraucht wird. Das ist einfach nicht akzeptabel.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und wenn selbst bei teuren Umbauprojekten wie in der Karl-Marx-Straße oder der Holzmarktstraße der Senat keine befriedigende Lösung findet, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Das müssten Sie klären. Die Kontrollfrage muss sein: Würden Sie Ihr zehnjähriges Kind auf dem Angebot, das Sie dort machen, fahren lassen? – Und das ist in beiden Fällen, die ich genannt habe, ein ganz

klares Nein. Und dann taugt diese Infrastruktur keinen Deut.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das muss in das Bewusstsein unserer Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner hinein, denn wie gut es beim Radverkehr aussieht, wie gut die Radverkehrsinfrastruktur ist, das erkennt man ganz leicht an dem Anteil von Kindern und Seniorinnen und Senioren auf dem Rad. Und der ist eben noch deutlich zu klein. Deswegen: Wir brauchen hier mehr Platz, wir brauchen mehr Raum für den Radverkehr.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Daran sieht man: Es geht nicht nur um fehlendes Geld, es geht auch um fehlenden politischen Willen bei SPD und CDU. Darüber täuscht auch eine engagierte Rede nicht hinweg. Deswegen noch mal: Wenn Sie einen guten ersten Schritt machen wollen, der auch noch kostengünstig ist, gucken Sie sich das Fahrradstraßennetz an. Das ist nicht teuer, das können und sollten wir angehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dann kommen wir zum Thema Verkehrssicherheit. Da haben wir seit dem Jahr 2014 die traurige Trendumkehr: Die Unfallzahlen steigen wieder. Das ist ziemlich ungewöhnlich, denn bei steigendem Radverkehr sinken in allen anderen Städten immer regelmäßig die Unfallzahlen. Das deutet auf erhebliche Defizite hin. Ich glaube, der Ride of Silence, die Mahnwachen, alle sagen, hier muss was getan werden; und die haben recht. Immer wieder müssen wir in den Zeitungen von schwersten Unfällen lesen. Wir dürfen uns mit den hohen Unfallzahlen einfach nicht zufriedengeben. Deswegen müssen wir die Kreuzungen so umbauen, dass sich alle sehen können, denn wer sich sieht, der fährt sich nicht um. Hier ist der Senat in der Pflicht, zumindest einfache Striche auf der Fahrbahn für vorgezogene Haltelinien einfach mal aufzupinseln. Das ist nicht schwer.

Sehr geehrter Senator! Sie reden ja gleich noch. Ich möchte Ihnen noch eines mitgeben: Wenn Sie den Weg des geringsten Widerstands gehen wollen – das ist häufig in der Politik so –, dann seien Sie versichert, bleibt es bei dieser Ausrichtung der Verkehrspolitik, bleibt es bei dieser Nichtbeachtung des Radverkehrs, dann bekommen Sie den Widerstand, damit Sie den richtigen Weg finden. Und zwar jeden Tag mehr, denn immer mehr wollen, wie wir Bündnisgrünen, die fahrradgerechte Stadt, und zwar besser heute als morgen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Friederici das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn der Rede muss ich doch erst mal mit zwei Unwahrheiten, die eben der Abgeordnete Gelbhaar verkündet hat, aufräumen. Erstens: Sie haben erklärt, in der Holzmarktstraße würden die Verhältnisse für den Fahrradverkehr verschlechtert. Da haben Sie gelogen. Wir werden künftig eine zwei Meter breite Fahrradspur einrichten und im Kreuzungsbereich eine Kreuzungssituation für Fahrradfahrer schaffen, die Ihnen übrigens vor drei Wochen – deswegen sagen Sie ja die Unwahrheit – auch im Verkehrsausschuss präsentiert worden ist. Da haben Sie dabeigesessen, ich weiß nicht, wo Sie da geistig waren.

Eine Zwischenbemerkung, Kollege Friederici: „Unwahrheit“ ist parlamentarisch, „gelogen“ nicht.

Dann nehme ich sie zurück.

[Zuruf von den PIRATEN: So flexibel ist die CDU!]

Ein zweiter Punkt, den Sie hier gesagt haben, ist, dass der Senat beim Leihfahrradsystem angeblich etwas verschlafen hätte. Sie wissen ganz genau, das ist Ihnen mehrfach im Verkehrsausschuss präsentiert worden, das Leihfahrradsystem soll ein zweistufiges Ausschreibungssystem bekommen. Hier sollen die Bewerber selbst die Möglichkeit haben, im zweiten Schritt eigene Angebote, eigene Ideen einzubringen. Das war der Grundsatz in diesem Verfahren. Wir alle wissen, dass das alte Verfahren mit dem bisherigen Anbieter nicht so erfolgreich war. Wir wollten es besser machen, und wir werden es auch besser machen. Das braucht aber seine Zeit. Und damit es eben nicht wieder Streit gibt und damit wir endlich ein ordentliches Angebot haben, wird das eben einige Zeit dauern. Deswegen heißt es noch lange nicht, dass das Verfahren verschlafen wurde. Also auch hier haben Sie nicht die Wahrheit gesagt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Es ist unbestritten, dass das Fahrrad als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine wichtige Rolle in Berlin spielt. Wir wollen deshalb auch den Fahrradverkehr als eine weitere attraktive und umweltfreundliche Mobilitätsalternative in unserer Stadt steigern. Diese Strategie ist dabei nicht neu und außerdem über alle Fraktionsgrenzen – das habe ich zumindest gehofft bislang – hinweg Konsens. Was Sie, meine Kollegen von den Piraten, dazu bewogen hat, allerdings dieses Thema als Aktuelle Stunde der heutigen Plenarsitzung zu setzen, kann nur damit erklärt werden,

[Heiko Herberg (PIRATEN): Es ist einstimmig! Sie haben zugestimmt!]

(Stefan Gelbhaar)

dass die Regierungsarbeit der Koalition so gut funktioniert, dass der Opposition keine wirklich bedeutenden politischen inhaltlichen Themen mehr einfallen.

[Andreas Baum (PIRATEN): Mehr fällt Ihnen zur Rad- wegplanung nicht ein? – Christopher Lauer (PIRATEN): Sie haben eine Mehrheit in diesem Parlament!]