Protocol of the Session on April 23, 2015

Verbot von Ständerhaltung von Pferden in Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 18. März 2015 Drucksache 17/2186

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1950

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Magalski, bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! „Verbot von Ständerhaltung von Pferden in Berlin“, so lautet unser Antrag, um hier endlich eine Rechtssicherheit zu schaffen, die in anderen Bundesländern bereits eine Selbstverständlichkeit ist. Als mit dem Vornamen Philipp gesegnetes Mitglied meiner Fraktion – das kommt von dem griechischen Wort „Philos“, der Freund, und von „Hippo“, das Pferd, also der Pferdefreund – freue ich mich heute besonders, an dieser Stelle möglicherweise meinem Namen alle Ehre erweisen zu können, wie man so schön sagt.

Pferde bewegen sich unter natürlichen Bedingungen bis zu 16 Stunden täglich. Bewegungsmangel kann bei den Tieren zu Verhaltensstörungen und Schäden am Bewegungsapparat führen. Die Leitlinien zur Beurteilung der Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten, die von der Sachverständigengruppe tierschutzgerechte Pferdehaltung bereits 1995 beim damaligen Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet worden sind, sind die Bewertungsgrundlage für eine tierschutzgerechte Pferdehaltung. Gestützt wird diese Feststellung durch eine im Jahre 2005 veröffentlichte Studie der TU München zur Fragestellung, ob die Ständerhaltung von Pferden unter dem Aspekt des Tierschutzes noch vertretbar ist. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die dauerhafte Anbindung von Pferden grundsätzlich im Widerspruch zu den Kriterien einer verhaltensgerechten Pferdehaltung, wie sie das Tierschutzgesetz fordert, steht, da sie das Bewegungsbedürfnis der Tiere erheblich einschränkt und weitestgehend das ansteigende Bedürfnis nach Sozialkontakt, Körperpflege, Erkundung sowie das Liegen in der Seitenlage – das besonders wichtig für den Tiefschlaf ist – unterbindet.

Die Ständerhaltung ist mittlerweile in fast allen Bundesländern verboten. Berlin weigert sich standhaft und trotzig – wie an so manchen anderen Stellen auch – es den anderen Bundesländern gleichzutun, weil es keinen Handlungsbedarf sieht. Das sieht die Piratenfraktion anders.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Und nicht nur die, sondern Gott sei Dank auch noch ein paar andere Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause – zu Recht.

Zuletzt hat allerdings leider im Rechtsausschuss aus für uns unerfindlichen Gründen der Kollege Buchholz von der SPD-Fraktion für die Koalitionsfraktionen die tierschutzpolitisch angezeigte Abschaffung der Ständerhaltung abgelehnt. Er hat gesagt, dass es keine Notwen

(Wolfram Prieß)

digkeit gebe, das auf Landesebene hier zu regeln, weil ihm nicht bekannt sei, dass es in Berlin noch Ständerhaltung gebe. – Herr Kollege! Haben Sie sich alle Pferdehalter in Berlin angesehen?

[Torsten Schneider (SPD): Ja, die Pferde auch!]

Haben Sie sie kontrolliert, dass Sie das behaupten können?

[Torsten Schneider (SPD): Haben Sie das denn?]

Das glaube ich nicht, lieber Kollege Buchholz. Angehörige der Veterinärämter behaupten anderes. Und im September 2014 berichtete die „BZ“ sogar auf der Titelseite über die Dokumentation des Deutschen Tierschutzbüros, dass ausgediente Kutschpferde in Berlin in tierschutzwidriger Ständerhaltung gestanden hätten. Selbst wenn ein entsprechendes Gerichtsverfahren diesbezüglich aufgrund nicht hinreichendem Tatverdacht eingestellt wurde, und ich sage, selbst wenn sich solche Vorwürfe als haltlos erwiesen haben sollten, können wir nicht ausschließen, dass es zukünftig in Berlin zu solchen Fällen kommen könnte. Daher ist es völlig unerklärlich, ja, aus tierschutzpolitischer Sicht erschreckend, warum sich die Notgemeinschaft aus SPD und CDU an dieser Stelle weigert, diese Gesetzeslücke durch einen völlig einfachen Erlass nach § 16a Tierschutzgesetz zu schließen. Dies wäre nicht einmal mit besonderem Mehraufwand bei der Verwaltung oder bei den Kosten verbunden. Daher kann ich aus der Ablehnung dieses Antrags vonseiten der Koalition nur ein macht- oder parteipolitisches Kalkül erkennen, das letztlich auf Kosten des Tierschutzes ausgetragen wird.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Das ist sehr traurig, und ich finde es sehr schade, dass gerade Sie, Herr Kollege Buchholz, – es gab schon das eine oder andere vertrauenswürdige Gespräch zwischen uns – nicht auf uns oder auf mich zugekommen sind, um die unterschiedlichen Herangehensweisen auszuräumen, dass Sie diesem Anliegen nicht doch eine Möglichkeit gegeben haben, eine gemeinsame Lösung zu finden, die jetzt unnötigerweise wieder vertagt wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Kollege Dr. Altug ist der nächste! Die SPD verzichtet. – Bitte schön!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Der Senat ist nicht da, die SPD redet nicht! Was ist denn los?]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass die SPD und die CDU dazu nicht reden

wollen, zeigt, wie wichtig den Regierungskoalitionen der Tierschutz ist. – Leider nicht wichtig! Schade!

[Beifall bei den PIRATEN]

Nach der ersten Lesung im November 2014 beschäftigen wir uns erneut mit der sogenannten Ständerhaltung von Pferden. Die Koalition und der Senat werden nicht müde zu beteuern, dass die Ständerhaltung mit dem Bundestierschutzgesetz unvereinbar sei und in Berlin auch gar nicht vorkomme.

[Daniel Buchholz (SPD): Richtig!]

Weder die Pferdeexpertin Frau Kollegin Seibeld noch Herr Kollege Buchholz konnten in den Ausschussberatungen ein Regelungsbedürfnis erkennen, getreu dem Motto „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“.

Ganz so einfach ist das mit dem Recht aber bekanntlich nicht.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Sie können zuhören! – Ein Verbot, das bisher auf Bundesebene besteht, muss auch durchgesetzt werden, und daran hapert es in Berlin – wie bei so vielen anderen tier- und naturschutzpolitischen Themen, die dem Senat nicht so wichtig sind – offenbar auch bei der Ständer- oder Anbindehaltung. Ich erinnere Sie an die Wildtierpflege, für die jahrelang niemand zuständig sein wollte.

Doch diesen Gordischen Knoten müssen wir gar nicht durchschlagen, wenn wir etwas für die Pferde tun wollen; denn in der Sache sind wir uns einig: In Ständern gehaltene Pferde weisen starke Verhaltensstörungen auf. Die Tiere können sich weder bewegen noch putzen, sie können weder Kontakt zu anderen Pferden aufnehmen noch sich auf die Seite legen, um richtig zu schlafen. Das ist Tierquälerei.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ein klares Verbot im Berliner Landesrecht mit klaren Zuständigkeiten würde helfen, Fehler zu verhindern, wie sie vom Deutschen Tierschutzbüro in Berlin aufgedeckt wurden. – Herr Buchholz! Es gibt solche Fälle. Nehmen Sie sie ernst und tun Sie das, was viele andere Bundesländer schon längst gemacht haben! Sie müssen sich nicht schämen, wenn Sie sich jetzt noch eines Besseren besinnen! Auch in Bayern bedurfte es erst einiger Strafanzeigen durch den Tierschutzbund, bis die Staatsregierung endlich aktiv wurde. Es sind mittlerweile, wie der Kollege Magalski es vorhin gesagt hat, mehrere Bundesländer, in denen es dieses Verbot gibt. Liebe Koalition! Auch wenn Sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen, es gibt diese Ständerhaltung, es gibt Tierquälerei in diesem Bereich auch in Berlin. Wir sollten sie verbieten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

(Philipp Magalski)

Vielen Dank! – Die CDU verzichtet ebenfalls, so kommt jetzt Frau Platta von der Fraktion Die Linke dran. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wird es natürlich auch eine sehr interessante Debatte,

[Torsten Schneider (SPD): Ja, finden wir auch!]

wenn man nur die Opposition reden lässt. Meine letzte Rede zu diesem Thema am 27. November vergangenen Jahres habe ich mit dem Satz begonnen: Berlin hat Probleme in der Innenstadt.

[Andreas Gram (CDU): Zahllose!]

Welche Probleme es gibt, haben wir heute in der Aktuellen Stunde schon gehört. Es soll – so zumindest Herr Evers, der vorhin darüber gesprochen hat – ein Miteinander in der Bürgerstadt Berlin geben. Aber Berlin ist nicht nur eine Bürgerstadt, sondern auch Heimstatt vieler Tiere in Abhängigkeit von Bürgerinnen und Bürgern. Der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung

[Andreas Gram (CDU): Guter Ausschuss!]

empfiehlt dem Plenum heute die Ablehnung des Antrags „Verbot von Ständerhaltung von Pferden in Berlin“. Den Namen Tierschutz trägt er nicht in seinem Titel, trotzdem wird erst einmal die Empfehlung gegeben.

Wir haben in verschiedenen Diskussionen feststellen müssen, dass wichtige Aspekte, in den im April 2009 veröffentlichten und für andere Städte – zu diesem Zeitpunkt zumindest – auch beispielhaften Berliner Leitlinien für Pferdekutschwerke aus heutiger Sicht und mit den vorliegenden Erfahrungen bei deren Umsetzung unzureichend berücksichtigt sind. Die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2009, also zwei Monate später, enthält beispielsweise schon die wichtige Feststellung:

Die dauerhafte Anbindehaltung (Ständerhaltung) von Pferden ist tierschutzwidrig.

Wäre es für den Ausschuss unzumutbar gewesen, sich die Erfahrung zur Umsetzung der Leitlinien in Berlin in einer Anhörung berichten zu lassen und auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern z. B. auch Brandenburg hinzuzunehmen? Ich denke, hier wurde, aus welchen Gründen auch immer, eine tierisch gute Möglichkeit für den Tierschutz vertan.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Zusammenfassend können wir vermerken, ist die heutige Ablehnung des Antrags, ohne dass die Koalition einen

besseren Antrag eingebracht hat, kein gutes Zeichen für eine tierfreundliche, verantwortungsvolle Stadt. Auch die Koalition sollte sich mit der von ihr im Ausschuss schon vorgebrachten Positionen, dass eine Überarbeitung der Berliner Leitlinien erforderlich ist, nicht aus der Verantwortung stehlen und beispielsweise für bezirksübergreifende und handhabbare Regelungen zu Erholungsräumen und zu Pausenzeiten für die in Berlin tätigen Pferde eintreten.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Sie können ja aufs Tempelhofer Feld!]

Die Pferde haben diese Regelung verdient, deshalb stimmen wir als Linksfraktion dem Ursprungsantrag heute auch zu. – Vielen Dank!