Protocol of the Session on January 12, 2012

Herr Senator Nußbaum, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Matuschek! Sie sprechen mit der Frage eine zentrale Frage des föderalen Finanzarchitektursystems an, die ich sicherlich nicht im Rahmen dieser Fragestunde in all ihren Facetten beantworten kann. Erlauben Sie mir jedoch, so viel dazu zu sagen: Im Jahr 2020 laufen drei große wesentliche Finanzstränge zusammen. Einerseits läuft der Finanzausgleich aus. Der horizontale Finanzausgleich ist auf das Jahr 2020 terminiert, ebenso wie die Schuldenbremse auf das Jahr 2020 terminiert ist. Die Aufbauhilfen Ost, die auch für Berlin einen wesentlichen Finanzierungsfaktor des Haushalts darstellen, laufen auch mit Blick auf 2020 aus. Das gilt für alle Länder. Es ist jedoch für die hochverschuldeten Länder eine sehr dramatische Ausgangslage.

Wenn nun einerseits mit Blick auf 2020 rechtzeitig begonnen wird, die Finanzarchitektur und insbesondere das föderale Finanzausgleichssystem zu reformieren und zu modernisieren – egal, welche Vokabel Sie dafür auch verwenden –, ist klar, dass für die Länder mit einem hohen Schuldenstand auch enorme Zinsaufwendungen in ihren Haushalten zu verkraften sind, sollte es so kommen.

Sie wissen, dass die Südländer bzw. die Südwestländer fordern, aus ihrer Geberposition entlassen zu werden und eine Veränderung des Systems mit Blick auf mehr Wettbewerb fordern. Die Länder mit hohem Schuldenstand müssten daher in eine Situation gebracht werden, in der sie diesen föderalen Wettbewerb auch aushalten können. Der Zinsaufwand im Haushalt muss reduziert werden. Das geht nur dadurch, indem man sich darüber Gedanken macht, wie mit den übergroßen Schulden umgegangen und wie erreicht wird, die Länder auf einen Schuldenstand pro Einwohner zu bringen, der es ihnen erlaubt, mit durchschnittlichen Zinsaufwänden zu operieren. Das war der Hintergrund einer Äußerung im Zusammenhang mit dem föderalen Finanzausgleichssystem. Wenn man diese Architektur verändert und wenn die Südländer versuchen, dies zu tun, muss eine Auseinandersetzung mit der Frage des übergroßen Schuldenstandes erfolgen.

Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass es uns gelungen ist, gemeinsam in Berlin einen positiven Primärsaldo per Jahresende 31. Dezember 2011 zu erzeugen. Dieser positive Primärsaldo sagt, dass unsere Ausgaben geringer als die Einnahmen sind, dass aber die Einnahmen immer noch nicht ausreichen, um den Zinsaufwand

abzudecken. Würden wir in Berlin auf einem durchschnittlichen Schuldenstand mit einem durchschnittlichen Zinsaufwand sein, also nicht knapp 63 Milliarden Euro Schulden haben, würden wir heute schon Überschüsse erwirtschaften und stünden in unserer Bilanz gar nicht so schlecht da.

Das ist übrigens im Stabilitätsrat auch wahrgenommen worden. Deswegen hat der Stabilitätsrat die Konzeption des Landes Berlin auch ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Trotzdem muss rechtzeitig – das ist das, worum es geht – überlegt werden, wie die Finanzarchitektur verändert werden kann. Einige Länder haben bereits jetzt begonnen, auf der Ebene der CdS und der Ministerpräsidenten diese Themen anzusprechen. Wir sind gut beraten, wenn wir uns als Land Berlin in den nächsten Jahren Verbündete suchen, die in einer vergleichbaren Situation sind. Es ist unter Länderfinanzministern, all denen, die sich mit dem Thema befassen, klar, dass man eine Neuordnung der Finanzarchitektur mit Schuldenbremse, Wegfall der Aufbauhilfen Ost nicht gestalten kann, wenn man sich nicht auch dem Thema Entschuldung der Bundesländer widmet.

Es ist nicht umsonst, mit Blick auf Griechenland und auf die Eurozone von einer Sanierung zu sprechen und damit langfristig einen Schuldenschnitt ins Auge zu fassen. An erster Stelle stehen jedoch unsere eigenen Anstrengungen. Es ist auch nicht sinnvoll – das sage ich hier ganz klar – zu entschulden, wenn man seinen Haushalt vorher nicht in Ordnung gebracht hat. Man würde sonst entschuldet und sofort wieder neue Schulden anhäufen. Deshalb muss der Primärsaldo stabilisiert und ausgebaut werden. Dann wird man aber mit Blick auf 2020 über das Thema Entschuldung sprechen müssen. Dafür gibt es verschiedene Modelle, die man sich ausdenken kann. Wir sind aber in einer sehr frühen Phase, sodass es hierzu noch keine Ergebnisse und keine formalisierten Arbeitsschritte gibt.

Danke schön, Herr Senator Nußbaum! – Was ich vorhin zur Kürze der Fragestellung sagte, bitte ich auch für die Kürze der Antworten zu berücksichtigen. Der Fragesteller muss Gelegenheit zur Nachfrage haben, sonst ist die Zeit vorbei. – Bitte, Frau Matuschek!

Vielen Dank, für die ausführliche Antwort! Ich habe dennoch eine Nachfrage. Im Hinblick auf eine mögliche Föderalismuskommission III frage ich Sie, ob es Ihrerseits schon Aktivität gibt, Verbündete für einen Schuldenschnitt zu finden, beispielsweise bei den Bundesländern Bremen und Saarland, um dann auch geschlossen gegenüber den Südländern auftreten zu können.

Bitte schön, Herr Senator Nußbaum!

Es gehört zu den Aufgaben eines Finanzsenators, in einer Regierung immer sehr gut vernetzt zu sein. Wir sind immer dabei, Verbündete zu suchen. Es gibt jetzt noch keine Föko III. Insofern sind auch die formalen Voraussetzungen dafür noch nicht getroffen. – Herr Präsident! Ich hoffe, die Antwort war jetzt entsprechend kurz genug.

Herzlichen Dank! Das ist sehr lobenswert.

Dann hat jetzt der Kollege Oberg das Wort.

Vielen Dank! Ich habe eine Frage an die Wissenschaftssenatorin Frau Scheeres! – Frau Scheeres! Wie reagieren Sie auf das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts kurz vor Weihnachten zum Kapazitätsrecht, um sicherzustellen, dass wir im Sommersemester 2012 eine rechtssichere Form der Zulassung für die Erstsemester, die in Berlin ein Studium aufnehmen werden, haben?

Frau Senatorin Scheeres, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Oberg! Meine Damen und Herren!

[Zuruf]

Ich habe mir gedacht, dass sie kommt.

[Lachen]

Das Kapazitätsrecht an Hochschulen ist eine Folge der komplexen Abwägung zwischen dem Ausbildungsgrundrecht jedes Einzelnen und den vorhandenen Finanzressourcen. Wegen der Grundrechtsrelevanz gibt es in dieser Frage eine hohe Sensibilität insbesondere bezüglich der formellen Berechnung und darüber, wie viele Studienplätze jeweils zur Verfügung stehen. Es soll für viele Menschen die Möglichkeit bestehen, an einer Hochschule zu studieren. Das Verfassungsgericht hat eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Kapazitätsberechnung überprüft. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere festgelegt, dass das rechtsförmliche Verfahren zur Festsetzung der Studienplatzzahlen, des sogenannten NCs, des curricularen Normwerts, korrigiert werden muss.

Diese Kritik nehmen wir sehr ernst. Wir sind direkt im Dezember aktiv geworden. Meine Verwaltung hat das mit den Hochschulen besprochen. Wir haben sie angeschrieben. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten mit Hochdruck an diesem Problem, um die notwendigen Schritte umzusetzen, damit den Studienbewerbern an den Hochschulen zeitnah ein rechtlicher Rahmen gegeben wird. Ich bin zuversichtlich, dass das klappen wird.

Danke! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Oberg. – Bitte!

Gestatten Sie mir zunächst eine Anmerkung an die Damen und Herren der Grünen?

Nein! Keine Anmerkung, Herr Kollege Oberg. Bitte stellen Sie eine Frage.

In Ordnung. Dann stelle ich eine Frage. Das ist kein Problem. – Frau Scheeres! Sehen Sie eine Chance, dass wir durch eine Neuregelung der Zulassungszahlen der großen Klageflut, die wir immer wieder erleben, wenn es darum geht, dass junge Menschen an die Hochschulen streben und Absagen erhalten haben, etwas entgegenhalten können, damit wir eben diese Klage nicht mehr haben? Ansonsten ist die Frage für Frau Schillhaneck sicherlich nicht überraschend.

Gut! Für Frau Scheeres ist sie hoffentlich auch nicht überraschend.

Wie schon gesagt, arbeiten wir mit Hochdruck an dem Problem und werden eine ausreichende Rechtsgrundlage schaffen, damit wir überhaupt nicht in die Situation gelangen.

Vielen Dank!

Die voraussichtlich letzte Frage geht an Herrn Dr. Altug, bitte.

Meine Frage geht an den neu gewählten Verbraucherschutzsenator Herrn Heilmann. – Ich möchte gern wissen,

welche Maßnahmen Sie bezüglich des Antibiotikaeinsatzes bei der Hähnchenmast planen, da Berlin eine große Konsumentenstadt ist.

Danke schön! – Herr Senator Heilmann, bitte!

Herr Präsident! Ich habe nicht verstanden, welcher Abgeordnete gefragt hat.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN – Zurufe von den Grünen]

Herr Präsident! Herr Altug! Meine Kollegen haben mir gerade zugerufen, ich sei gar nicht zuständig, wenn die Packung nicht geöffnet sei. Das heißt, die bisherige Zuständigkeitslinie liegt so, dass der Gesundheitsschutz bei meinem Kollegen Czaja liegt. Die Frage, ob und wie Antibiotika verabreicht werden, liegt in seiner Zuständigkeit, und erst wenn die Packung geöffnet ist, liegt es in meiner Zuständigkeit.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Ich war mit meiner Antwort ja noch nicht fertig. – Es gibt auf der Bundesebene eine umfangreiche Warnung an die Verbraucher, und im Internet werden längst umfangreiche Maßnahmen empfohlen, dass man das Fleisch zwei Minuten lang auf 70 Grad erwärmen soll. Dann besteht, was diese Bakterien betrifft, keine Gefahr mehr.

Danke schön! – Herr Dr. Altug! Haben Sie noch eine Nachfrage?

[Dr. Turgut Altug (GRÜNE): Nein!]

Eine letzte Frage ist noch möglich – für Herrn Schäfer! – Bitte schön!

Meine Frage richtet sich an den Regierenden Bürgermeister und betrifft nicht nur die Gutachten zur S-Bahn, die Herr Müller nicht veröffentlichen will. – Herr Regierender Bürgermeister! Was spricht eigentlich dagegen, Gutachten, die der Senat mit Mitteln der Bürgerinnen und Bürger bezahlt, den Bürgerinnen und Bürgern auch direkt zur Verfügung zu stellen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schäfer! Ich weiß nicht, welches Gutachten Sie meinen. Ich habe bislang noch nicht erlebt, dass irgendein Gutachten nicht öffentlich geworden ist.

[Lachen bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Eine Nachfrage? – Herr Kollege Schäfer, bitte!

Herr Wowereit! Verstehe ich Sie richtig, das Sie künftig Ihren Senat dazu anhalten werden, Gutachten, die mit Steuermitteln finanziert werden, direkt den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Bitte, Herr Regierender Bürgermeister!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Schäfer! Sie müssen unterscheiden zwischen Gutachten, die in Auftrag gegeben werden, um Sachverhalte aufzuklären, die öffentlich diskutiert werden, und Gutachten, die zur verwaltungsinternen Beratung da sind.