Protocol of the Session on November 27, 2014

Ich habe diese Woche mit Experten des VBB, in deren Hand die Ausschreibung ja liegt, über Ihre Idee gesprochen, und sie haben nur mit den Augen gerollt.

Auch der von Ihnen vorgeschlagene Aufbau eines landeseigenen Fuhrparks würde das ganze Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt verlängern und vor allem für Berlin erhebliche finanzielle Risiken bedeuten. Ihr Antrag bedeutet Chaos. Ich bezweifle, dass Ihr Vorschlag für Berlin günstiger wäre. Berlin und Brandenburg erwarten von einem künftigen S-Bahnbetreiber, dass er die Kompetenzen für Beschaffung, Wartung und Fuhrparkbetrieb hat und mitbringt. Mit Ihrem landeseigenen Fuhrpark stehen Sie doch von Anfang an allein da. Die Beschäftigten der SBahn halten davon genauso wenig, und denen werden Sie

ja wohl kaum die Kompetenz absprechen, wie auch der Berliner S-Bahntisch.

Auch die Begründung, ein landeseigener Fuhrpark hätte dem Land über 100 Millionen Euro für die Aufrüstung der alten Züge für den weiteren Einsatz ab 2017 bis zur Lieferung von neuen Wagen erspart, ist doch eine Milchmädchenrechnung. Rechnen Sie bitte richtig! Die S-Bahnfahrzeuge sind zum Zeitpunkt des Übergangsbetriebs abgeschrieben und somit viel billiger im Betrieb. Wollen Sie als Grüne diese Ersparnis nicht? Das gehört doch zu einer Gesamtrechnung dazu.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von den PIRATEN: War das denn Ihr Plan?]

Interessant ist auch Ihre Kritik an angeblich unzähligen komplizierten Vorgaben zu den neuen Zügen. Hätte der Senat die Standards gegen die Interessen der Fahrgäste niedrig halten sollen, nur damit die Industrie nicht allzu viel nachdenken muss, evtl. sogar auf den Standards aus den Dreißiger- und Achtzigerjahren von früheren Beschaffungen aufbauen sollen? – Sicher nicht! SPD und CDU wollen moderne, kunden- und umweltfreundliche S-Bahnen für Berlin, beispielsweise mit mehr Platz für Fahrräder und mit Klimaanlagen, kurz: hochwertige und sichere Züge, die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Wir haben unsere Ansprüche. Haben Sie keine?

Ich bin zuversichtlich, dass das von der S-Bahn Berlin vorgelegte Maßnahmenpaket zum Weiterbetrieb der Altbaureihen 480 und 485 über das Jahr 2017 hinaus bis zum Jahr 2023 wahrscheinlich umgesetzt wird. Der Senat hat dazu vor zwei Wochen im Hauptausschuss berichtet, und das zuständige Bundesministerium hat im September dem entsprechenden Antrag für den Weiterbetrieb zugestimmt. Ich hoffe, dass auch das Eisenbahnbundesamt dem rasch folgt.

Ein Wort am Ende zum aktuellen S-Bahnbetrieb: 2013 war die S-Bahn nur zu 93,5 Prozent pünktlich. Wenn auch die Probleme, wie sie 2009 und 2010 durch Missmanagement bei der Bahn zutage getreten sind, hinter uns liegen, muss die S-Bahnführung mit Unterstützung aller Bahntöchter noch härter daran arbeiten, den vereinbarten Betrieb anzubieten. Man muss ganz ehrlich sagen: Es nervt, heute sind wieder Weichen ausgefallen. Danke, DB Netz! Auch hier ist Verantwortung von der Bahn gefordert. Die Schienenbrüche auf der Stadtbahn: Bei so einer wichtigen Strecke darf so etwas nicht passieren. Hier erwarte ich eigentlich auch vom Senat, dass die DB Netz zum Rapport einbestellt wird. Es kann nicht sein, dass alle Fehler immer nur hier von der Bahn in Berlin gemacht werden.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Zum Schluss noch der Hinweis, den ich am Jahresende nicht versäumen möchte – und ich denke, da sind Sie alle mit mir der Meinung, dass wir den Beschäftigten der

(Stefan Gelbhaar)

Bahn zu danken haben, die dafür sorgen, dass unsere S-Bahn fährt, sauber und sicher ist. Wir, das ganze Haus und die Berlinerinnen und Berliner, danken es ihnen. Vielen Dank an die Beschäftigten der S-Bahn! – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD]

Dank auch Ihnen, Kollege Heinemann! – Aber jetzt hat noch mal das Wort zur Kurzintervention der Kollege Gelbhaar. – Bitte schön!

[Oliver Friederici (CDU): Jetzt ziehen Sie doch den Antrag endlich zurück!]

Herr Kollege Friederici! Sie sind ein Spaßvogel, aber das Ganze ist hier kein Karnevalsscherz. – Es ist eben nicht lustig, wenn man an der Bahnsteigkante steht und wartet, Herr Heinemann! Ich verstehe nicht, dass Sie sich nicht auf den Gedanken einlassen können, dass es eben schwierig ist, mit einem Monopolisten zu verhandeln. Vielleicht kommen Sie gleich nach vorne und erklären einfach, wie Sie das so gelernt haben, mal zu verhandeln, wenn man in einer Eins-zu-eins-Situation ist, oder ob es nicht doch besser ist, wenn man mehrere Anbieter hat, wo man dann auswählen kann, wo man die dann gegenseitig unter Druck setzen kann, dass sie eben bessere Angebote abgeben, was wir gemeinhin Marktwirtschaft nennen, wofür auch die SPD zumindest an mancher Stelle steht, vielleicht nicht hier im Haus, aber allgemein habe ich das schon mal so gehört. Ich verstehe Sie da wirklich gar nicht.

Wir sprechen hier auch im Abgeordnetenhaus nicht immer nur einmal Lob für irgendwelche Beschäftigten aus, sondern versuchen, Politik für und mit ihnen zu machen. Auch das lassen Sie hier absolut vermissen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Letzter Punkt: Sie haben schon im Wahlkampf alles andere gesagt, als Sie es jetzt gemacht haben. Sie haben gesagt, es funktioniert ohne Ausschreibung. Zum Schluss haben Sie eine gemacht. Sie sagen jetzt, landeseigener Fuhrpark ist eine dumme Idee.

[Daniel Buchholz (SPD): Haben wir schon immer gesagt!]

Wissen Sie, wer den landeseigenen Fuhrpark in Niedersachsen quasi erfunden und eingeführt hat? – Das war ein Parteifreund von Ihnen. Der ist später Bundeskanzler geworden und hieß Gerhard Schröder. Vielleicht gucken Sie sich mal genau an, was der so hingekriegt hat!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Herr Kollege Heinemann! Wollen Sie antworten? – Ich sehe, das wollen Sie, und erteile Ihnen das Wort.

Lieber Herr Gelbhaar! Ich hätte ja jetzt auf die Intervention verzichtet, aber wenn Sie hier mit Gerhard Schröder kommen, dann muss ich ja doch noch mal was sagen.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Sie können das niedersächsische System überhaupt nicht mit dem Berliner System vergleichen. Sie wissen, das ist eine Insellösung. Für das niedersächsische System können Sie Lokomotiven und Wagen bei zig Betreibern von der Stange kaufen, und die können Sie sofort kaufen, die können Sie mieten. Das ist ja genau das Problem, das wir hier in Berlin mit der S-Bahn haben. Hier ist sehr viel mehr Kompetenz erforderlich, und die erwarten wir auch von einem Betreiber. Dieses Risiko wollen wir auch nicht einseitig auf das Land abwälzen.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Und weil Sie gerade die vielen Fahrgäste angesprochen haben, ich fahre auch jeden Tag mindestens zweimal SBahn. Mir stinkt das genauso, wenn irgendwas nicht funktioniert. Aber Sie fordern heute hier, die Ausschreibung zu beenden und mit den Wagen noch mal auf null zu gehen. Sie wissen auch, wenn wir heute beenden, dann würde das alles mindestens zwei Jahre länger dauern, und das ist den Berlinerinnen und Berlinern überhaupt nicht zuzumuten.

[Beifall von Iris Spranger (SPD) – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Und hören Sie auf zu sagen, es gebe nur einen Anbieter, das wissen Sie nicht! Wir werden sehen, was an Angeboten nächstes Jahr im März abgegeben worden ist, und dann gucken wir mal. Selbst für den Fall, dass es so wäre, dass die Deutsche Bahn am Zuge wäre, dann wissen Sie auch, dass der, der diese Ausschreibung gewinnt, auch die Wagen beschaffen muss. Dabei wird es auf jeden Fall schon mal mehrere Anbieter geben, denn es gibt die Konkurrenz zwischen Siemens und Bombardier. Da haben Sie den Konkurrenzkampf, und seien Sie gewiss: Der neue Regierende Bürgermeister – das hat er auch schon öffentlich gesagt – wird sich von niemandem erpressen lassen. Das weiß auch die Bahn, dass sie die Preise nicht diktieren kann. Berlin ist selbstbewusst genug!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Kollege Harald Wolf das Wort. – Bitte sehr!

(Sven Heinemann)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Heinemann! Bei aller Notwendigkeit, dass Sie die Senatspolitik verteidigen, werden Sie zugeben müssen, dass diese Ausschreibung alles andere als eine Erfolgsgeschichte ist.

Sieht man sich die Ansprüche an, die der Senat selbst an diese Ausschreibung gestellt hat: Erstens wollte er die Deutsche Bahn im Verhandlungsverfahren über mehr Wettbewerb unter Druck setzen, und er wollte gleichzeitig neue und moderne Züge beschaffen. Das Ergebnis dieser Ausschreibung ist ganz offensichtlich – wir würden uns alle wundern, wenn es im Februar anders ist –, dass der Senat nicht im Wettbewerb verhandelt, sondern mit einem Monopolisten, nämlich allein mit der Deutschen Bahn, wie das schon immer war. Wir wissen alle aus der Vergangenheit, welch schwierige Konstellation es ist, mit der Deutschen Bahn das S-Bahnthema zu verhandeln.

Und was die Züge angeht, stellt man fest, die neuen Züge stehen nicht 2017 mit dem Auslaufen des Vertrags zur Verfügung, sondern sie werden, wenn alles gut läuft, erst 2023 vollständig zur Verfügung stehen. Und bis dahin muss die Deutsche Bahn bzw. die S-Bahn GmbH weiterhin mit alten, aufgemöbelten Zügen fahren, wobei noch nicht sicher ist, dass diese Überholung vom EisenbahnBundesamt genehmigt wird. Das alles ist das Resultat dieser Ausschreibung, und das ist alles andere als eine Erfolgsgeschichte.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Und die Ursache liegt zum einen darin, dass der Senat die Ausschreibung an die Beschaffung der Fahrzeuge gekoppelt hat. Dies hat dazu geführt, dass die Beauftragung erst nach Ende der Ausschreibung erfolgen kann – ich habe das schon zigmal hier erläutert und alle wissen es. Also erst ab 2015 kann die Bestellung herausgehen. Das führt dazu, dass die Züge erst viele Jahre nach dem Auslaufen des S-Bahnvertrages zur Verfügung stehen.

2010 haben sowohl ich als auch die damalige Verkehrssenatorin Junge-Reyer den Vorschlag gemacht, dass das Land Berlin die Fahrzeuge selbst bestellt. Dann wären sie nämlich 2017 da gewesen. Das ist aufgrund von Widerständen innerhalb SPD nicht umsetzbar gewesen. Natürlich ist das nicht risikofrei, aber es gibt die Kompetenzen für die Bestellung dieser Fahrzeuge, die man sich auf dem Markt einkaufen kann. Das ist nicht weniger risikobehaftet als die Ausschreibung oder die Vergabe dieser Fahrzeugbeschaffung an einen Dritten, an die Deutsche Bahn oder sonst wen, denn Sie wissen auch da nicht, was Sie geliefert bekommen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Tatsache, dass die Züge überhaupt erst 2023 vollständig eingesetzt werden können, führt unter anderem dazu, dass sich die Abschreibungszeiträume buchhalterisch deutlich verkürzen. Das wird der Erwerber der Züge dem Land Berlin in Rechnung stellen, weil sich damit seine Finanzierungskonditionen verschlechtern. Es kann mir keiner erzählen, dass das keine Auswirkungen auf den Preis hat. Und die Tatsache, dass wir für die Überholung der Fahrzeuge 100 bis 160 Millionen Euro zahlen müssen, da kann man zwar sagen: Wir fahren erst mal weiter mit abgeschriebenen Fahrzeugen. –, das ist ein bilanzieller Effekt, aber cash-mäßig müssen diese 100 bis 160 Millionen Euro gezahlt werden. Kommen Sie hier nicht mit Bilanztricks! Real müssen 100 bis 160 Millionen Euro bar auf den Tisch gelegt werden. Und das ist das Problem!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir haben schon Anfang 2012, zu Beginn dieser Legislaturperiode und schon zu unserer Regierungszeit, einen alternativen Vorschlag gemacht, nämlich gesagt, die Fahrzeuge sollen durch das Land Berlin bestellt werden und das Land Berlin soll ein kommunales Unternehmen aufbauen, das in der Lage ist, als Wettbewerber gegenüber der Deutschen Bahn aufzutreten.

Vonseiten der SPD-Fraktion wird immer wieder gefeiert, dass man mit Berlin-Energie in die Netzkonzessionsverfahren gegangen ist und damit einen wirklichen Wettbewerb hergestellt hat. Wären Sie dann in dieser Situation mit einem kommunalen Unternehmen in diese Auseinandersetzung gegangen und hätten möglicherweise auch mit der Deutschen Bahn in Verhandlung eintreten können, hätten Sie bessere Konditionen gehabt. Ich weiß, dass es für eine solche Position innerhalb der SPD-Fraktion große Sympathien gab. Sie haben sich nicht durchsetzen können. Insofern haben Sie jetzt Murks am Ende dieser Ausschreibung. Und da gilt an diesem Punkt der Satz von Adorno: „Es gibt keine richtiges Leben im falschen.“ Aus diesem Mist kommen Sie jetzt nicht mehr so einfach heraus.

Deshalb sage ich, wir werden im Februar oder März, wenn die Angebote endlich vorliegen, darüber diskutieren müssen, wie es mit der S-Bahn und den weiteren Teillosen weitergehen soll. Wir brauchen endlich ein vernünftiges Gesamtkonzept. Das zu wiederholen, was Sie mit dieser Teilausschreibung gemacht haben, halte ich für einen grandiosen Fehler. Hier muss eine Kurskorrektur stattfinden!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Stefan Gelbhaar (GRÜNE) und Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Friederici das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass jetzt Adorno schon für die Linkspartei herhalten muss, um ihre Argumente zu erläutern, das ist schon wirklich sehr bezeichnend. Ansonsten haben Sie ja wieder eine Vergangenheitsbewältigung versucht. Man fragt sich, warum Sie eigentlich bis 2011 zehn Jahre regiert und alles blockiert haben, was Ihr damaliger Koalitionspartner SPD mit uns jetzt erfolgreich umsetzt.

[Unruhe bei der LINKEN]

Hätten Sie das nicht getan, hätten wir heute schon neue Fahrzeuge, aber dazu waren Sie ja nicht willens, bereit und ideologisch in der Lage.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und den PIRATEN]