Wo Sie recht haben – wir werden das in den Haushaltsverhandlungen einfließen lassen – ist: Kinderschutz kostet Geld. Wir benötigen dieses Geld. Wir werden uns als Sprecher der Koalition darum bemühen, dieses in den Haushaltsverhandlungen entsprechend zu berücksichtigen.
Hier ein Bild zu zeichnen, in dem die Expertinnen und Experten in den Bezirken alleingelassen oder – wie sie gesagt haben – ins Feuer geschickt werden, kann ich nicht wahrnehmen. Ich kann Ihnen nur sagen: Das Netzwerk Kinderschutz arbeitet erfolgreich uns wird es auch weiter tun. Ich bitte dennoch – das habe ich von dieser Stelle schon mehrfach getan – alle Berlinerinnen und Berliner: Schauen Sie hin! Schauen Sie nicht weg! Melden Sie es den zuständigen Stellen, wenn Sie Kindesmisshandlungen mitbekommen! Nur gemeinsam werden wir es schaffen, diese zu verhindern. Der Staat wird diese Aufgabe nicht alleine zu 100 Prozent erfüllen können. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Danke, Herr Kollege Eggert! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Möller. – Bitte sehr!
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Eggert! Sie haben an einem Punkt recht: Der Senat arbeitet. Die Kritik, die Frau Burkert-Eulitz geäußert hat – und die ich übrigens teile – ist allerdings, dass Sie sich an diesen ganzen Prozessen, die über zweieinhalb Jahre laufen, als Koalitionsfraktionen nicht beteiligt haben. Da ist die Senatsverwaltung Ihnen tatsächlich in einigem voraus, z. B. wird gerade, was den RSD betrifft, ein Maßnahmenplan erarbeitet. Der ist sogar von den Berliner Kolleginnen und Kollegen auf dem Fachtag, der bundesweit stattgefunden hat, positiv erwähnt worden. Die Leute warten darauf, und ich hoffe, dass wir diesen Maßnahmenplan bald zu sehen bekommen. Dahinter können wir nicht mehr zurückfallen.
Ich möchte aber nochmal darauf eingehen, wie es dazu gekommen ist, dass der Senat jetzt handelt. Wir haben natürlich das Netzwerk Kinderschutz in der letzten Legislatur eingeführt, und nun muss es weiterentwickelt werden, aber stattdessen erleben wir in der Stadt eine ganz dramatische Entwicklung, die sich auch zuspitzt, stattdessen haben wir erlebt, dass die Mitarbeitenden des Regionalen Sozialpädagogischen Dienstes der Jugendämter, im Zentrum des Netzwerks Kinderschutz, weiße Fahnen der Kapitulation vor die Fenster hängen und vor der Senatsverwaltung demonstrieren. Freie Stellen können nicht besetzt werden. Dazu kommen ein hoher Krankenstand – das wurde schon beschrieben – und eine hohe Personalfluktuation. Die Folge davon sind Hunderte von Überlastungsanzeigen, denen nicht mehr abgeholfen werden kann. Berufsanfängerinnen und -anfänger bleiben nicht im Dienst, sondern suchen völlig überfordert das Weite. Die Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse und die Jugendamtsdirektoren schreiben Brandbriefe und offene Briefe am laufenden Meter. Kurzum: Es gibt in der Stadt massive und konzertierte Proteste. Das war notwendig,
damit die Senatsverwaltung gesagt hat: Okay, wir kommen nicht mehr umhin. Wir müssen handeln und agieren. – Das ist natürlich gut. Nichtsdestotrotz war das nicht Ihre eigene Idee.
Das Schlimme ist, dass gerade infolge der vielen Analysen der Kinderschutzfälle, der Kindertodesfälle, die wir im Land Berlin hatten, die Arbeitsverdichtung immer weiter wächst, weil mehr Aufgaben und Probleme dazukommen, die berücksichtigt werden müssen. Die Arbeitsbelastung wächst immer weiter und ist für die Leute nicht mehr zu ertragen. Und die guten Berliner Kinderschutzstandards sind nicht mehr einzuhalten. Darum geht es. Es geht dabei um mehr Geld. Es geht auch um mehr Stellen.
Aber es geht vor allem um ein vernünftiges Personalmanagement und um eine Auf- und Neubewertung dieser Stellen und der Arbeit. Dazu hatten wir als Linksfraktion auch einen Antrag mit Vorschlägen speziell für die regionalen Dienste gemacht. Der ist gestern im Hauptausschuss abgelehnt worden – genau wie dieser konstruktive Antrag der Grünen, der im Bildungsausschuss reflexhaft weggestimmt worden ist, ohne dass im Gegenzug ein Vorschlag der Regierungskoalition vorgelegt worden wäre oder auch nur eine halbwegs engagierte Debatte dazu stattgefunden hätte. Das finden wir schade.
Dabei sind wir alle hier in der Verantwortung, auch den Beschäftigten im Netzwerk Kinderschutz den Rücken zu stärken, anstatt das Feld irgendwelchen profilneurotischen Gerichtsmedizinern zu überlassen, die undifferenziert und ohne die Rahmenbedingungen zu betrachten das ganze System anprangern, um medienwirksam mal den freien Trägern der Jugendhilfe und mal den kommunalen Trägern – unseren Jugendämtern, wo unsere Beschäftigten arbeiten – die Schuld in die Schuhe zu schieben. Schuldzuweisungen helfen hier nicht. Es hilft nur, und das ist das, was wir hier machen müssen, das System zu verbessern und berlinweit einheitliche Standards zu schaffen und zu gucken, wer noch alles ins Boot muss.
In den Bezirken wird schon viel ausprobiert und verbessert. Da passiert viel. Zum Beispiel hat Pankow einen Kooperationsvertrag mit seinen Kitaträgern abgeschlossen. Diese sind bereit, in Kinderschutzfällen sofort einen Platz ohne Warteliste anzubieten. Wir haben auf der heutigen Tagesordnung – das wird nicht besprochen – auch einen Antrag, in dem wir vorschlagen, dieses Vorgehen auf ganz Berlin auszuweiten. Oder in Lichtenberg, wo die städtische Wohnungsbaugenossenschaft HOWOGE eng mit dem Jugendamt kooperiert, weil Menschen mit komplexen Problemlagen oft nicht von selbst um Hilfe bitten oder Angst vor Behörden haben. Da kann dann auch einmal der Vermieter gerne der erste Ansprechpartner sein.
Wir wissen, dass es viele Probleme zu bewältigen gibt. Das Netzwerk Kinderschutz muss ausgebaut werden. Es muss an den Schnittstellen gearbeitet werden. Das ist schwer messbare, schwer kontrollierbare Schnittstellenarbeit, die ressortübergreifend mit Kinderärzten, Hebammen, Kitas und Schulen geleistet werden muss. Diese Schnittstellenarbeit muss von qualifizierten Menschen geleistet und vom Jugendamt koordiniert werden. Dafür müssen sie in die Lage versetzt werden. Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen ihre Arbeit richtig machen können und dabei auch noch gesund und motiviert bleiben! In der Arbeit mit Menschen kann man nicht rationalisieren. Da dreht man sich in jedem Fall immer im Kreis.
Um das auch noch zu sagen: Obwohl wir das alles wissen, obwohl wir diesen ganzen Druck kennen, wird kein Bereich derart misstrauisch kontrolliert, tiefenanalysiert und wirksamkeitsgeprüft wie der Bereich Hilfen zur Erziehung. Das sind genau die, die sich um den Kinderschutz kümmern.
Der Bereich Hilfen zur Erziehung ist bis auf die Knochen durchleuchtet und ausgelutscht. Meine Kollegin Carola Bluhm hat es vorhin benannt. Hier ist die Zukunft des Mangels schon zu Hause. Das kann man für diesen Bereich tatsächlich sagen: Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.
Wir bitten an dieser Stelle den alten und neuen Finanzsenat, die Jugendverwaltung diskriminierungsfrei besser zu unterstützen und diesen Bereich auch zu stärken. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und bei den freien Trägern warten schon lange darauf, dass sie bessere Arbeitsbedingungen haben, und das geht nur mit mehr Geld. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute abschließend über den vorliegenden Antrag der Fraktion der Grünen „Netzwerk Kinderschutz weiterentwickeln“. Ich möchte zu Beginn aber doch die Kritik, die Frau Möller an den Abgeordneten der Koalition geäußert hat, deutlich zurückweisen. Dem liegt vielleicht ein unterschiedliches Verständnis oder eine Auslegung der Aufgabe von Abgeordneten zugrunde. Abgeordnete sind dazu da, Gesetze zu beschließen. Wir sind Gesetzgeber des Landes Berlin, und
wir kontrollieren die Verwaltung. Wenn wir nach Kontrolle der Verwaltung der Ansicht sind, dass die Verwaltung ganz wunderbar Dinge weiterentwickelt, Dinge auf dem Schirm hat und bearbeitet, weshalb sollen wir dann hier Papier bewegen und Anträge schreiben? Das sehe ich nicht. Im Übrigen darf ich auch sagen, dass wir uns sehr engagiert an der Anhörung, die es im Ausschuss im Mai dieses Jahres gab, beteiligt haben.
Das Thema Kinderschutz ist eines. Wir haben das im Plenum des Öfteren. Es ist auch gut so, dass wir das des Öfteren haben. Das ist sehr gut, denn Kinderschutz ist eine überaus wichtige und – wie auch alle Vorredner deutlich herausgestellt haben – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Bedeutung des Kinderschutzes sind sich die Fraktionen sehr wohl bewusst, Frau Möller. Wir haben schon im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir das Netzwerk Kinderschutz sichern und weiterentwickeln. Das haben wir im Haushalt 2014/2015 durch Taten untermauert.
Da haben wir gehandelt. Wir haben den Kinderschutz ordentlich finanziert, Herr Albers. – Der Senat arbeitet übrigens ständig an der Weiterentwicklung des Netzwerkes Kinderschutz. Unter anderem gibt es eine Arbeitsgruppe von zwei Senatsverwaltungen zur Erarbeitung eines Konzepts zur Etablierung von Kinderschutzambulanzen in Berlin. Eine Gewaltschutzambulanz, die sich auch um Kinderschutzfälle kümmert und die seit Februar 2014 arbeitet, hat die Koalition durch die Entscheidung zum aktuellen Doppelhaushalt ermöglicht. Schon diese Punkte machen deutlich, dass Ihr Antrag unnötig ist. Herr Eggert hat es formuliert: Er hat sich erledigt.
Vielen Dank, dass Sie das gestatten! – Ist Ihnen bewusst, dass die Anhörung im Ausschuss, nach welcher die Senatorin und auch die Staatssekretärin erstmals gesagt haben, dass sie den Bezirken Gespräche anbieten und dass sie das Problem zur Kenntnis nehmen, nachdem die Demonstrationen vor der Senatsverwaltung waren, erst im Mai dieses Jahres, also 2014 stattgefunden hat? Hatten Sie den Eindruck, dass sich bis dorthin besonders viel bewegt hat?
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sagen Sie einfach Nein! – Steffen Zillich (LINKE): Sagen Sie einfach Ja!]
Frau Kollegin Möller! Nein, Herr Dr. Albers! Ich werde Ihnen den Gefallen nicht tun und einfach Ja sagen. Frau Kollegin! Wie Sie wissen, haben wir eine ganz lange Unerledigtenliste im Ausschuss. Wir haben ganz viele Themen, die wir für sehr wichtig halten, dort auf der Unerledigtenliste. Ich kann demzufolge den zeitlichen Zusammenhang, den Sie hier darstellen, nicht so bestätigen.
Auch wenn man sich die Inhalte im Detail anguckt, kommt die CDU-Fraktion nicht zum Ergebnis, Ihrem Antrag zustimmen zu können. Wieso soll eigentlich ein Konzept für verbindliche Kooperationen zwischen denen mit Kinderschutz befassten Stellen und medizinischen Fachstellen sinnvoll sein? Das heißt doch nur, Papier beschreiben zu lassen. Mit Kinderschutz befasste Stellen brauchen die Telefonnummer der Gewaltschutzambulanz oder einen internetfähigen Rechner, um diese zu recherchieren. Wir sehen also, es geht auch einfacher als von Ihnen vorgeschlagen.
Sie haben jetzt genug zwischengebrüllt. Jetzt ist mal gut, Herr Dr. Albers! Disziplinieren Sie sich ein bisschen!
Sie fordern in vielen der von Ihnen aufgezählten Punkte mehr Ressourcen. Um es ganz deutlich zu sagen: Sie fordern, dass mehr Geld ausgegeben wird, zum Teil vom Land, zum Teil von den Bezirken. Wir befinden uns aber nicht in Haushaltsberatungen, und Kinderschutz ist – wie auch schon mehrfach gesagt – eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das möchte ich auch im Namen der CDUFraktion noch einmal betonen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Damen und Herren! Psychologische Erkrankungen der Elternteile, Schulverweigerung, Beziehungsprobleme, Überschuldung, Wohnungsprobleme, das sind alles Themen, mit denen Familien in Berlin heute immer mehr zu kämpfen haben. Dazu kommt die Angst vor Armut und Perspektivlosigkeit. Als Auswirkung sehen wir zunehmende Vernachlässigung von Kindern und die Angst, Hilfe vom Jugendamt in
Anspruch zu nehmen. Solidarische Netzwerke in der Nachbarschaft und bei den Verwandten wie z. B. Großeltern gibt es in der Großstadt immer weniger. Die Sorgeberechtigten und ihre Kinder bleiben mit ihren Problemen im Alltag alleine.
Durch zunehmende Berichterstattung der Medien, die veränderten Gesetzgebungen im Bund und die Einrichtung der Kinderschutzhotline ist die Sensibilisierung der Berlinerinnen und Berliner gestiegen. Das Meldeverhalten der Menschen hat sich geändert, und die Fallzahlen steigen. Weniger Fälle von Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gehen unter. Das ist auf jeden Fall schon einmal ein positives Zeichen. Damit steigen aber auch die Fallzahlen im Kinderschutz. Doch es kommt bei uns vermehrt vor, dass freie Träger stationäre Hilfen für Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung wurden, von sich aus abbrechen. Der Grund dafür: Die Fälle seien vermeintlich zu schwierig. Sie setzen deshalb die betroffenen jungen Menschen einfach vor die Tür.
Liebe Frau Kollegin! Haben Sie auch, wie der Kollege Simon gesagt hat, von den Protesten der regionalen sozialen Dienste, die demonstriert haben, erst Kenntnis erlangt, als wir zum Thema im Ausschuss gesprochen haben? Und die Brandbriefe der Jugendamtsdirektorinnen und -direktoren und der Jugendhilfeausschussvorsitzenden, konnten Sie als Abgeordnete keine Kenntnis davon nehmen, wie es scheinbar der Kollege Simon gemacht hat?
Meiner Meinung nach ist dieses Thema seit Anbeginn der Legislaturperiode auf dem Tisch und immer wieder, gerade was den Personalabbau in dem Bereich angeht, wird es mit aufs Tableau geholt. Von daher ist das nicht erst seit der Anhörung im Ausschuss gewesen.
Nun aber zur Folge für die jungen Menschen, die einfach vor die Heimtür gesetzt werden: Es beginnt eine Tour von Heim zu Heim, und das geht so einfach nicht weiter! Jedes Kind und jeder Jugendliche hat das Recht, in Notlagen unterstützt zu werden und eine Chance auf Teilhabe an der Gesellschaft zu bekommen. Der Wiedereinstieg in ein geordnetes Leben nach einer Traumatisierung oder