Protocol of the Session on October 2, 2014

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie haben sich insbesondere bei der Frage der freien Schulen aus meiner Sicht vollkommen verheddert. Wie kann man als Sozialdemokratin oder Sozialdemokrat ernsthaft sagen, dass arme Kinder nicht unterstützungsbedürftig sind, und zwar wirklich nur deshalb, weil sie auf eine Schule in freier Trägerschaft gehen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wie kann man dann auch noch behaupten, das sei denklogisch? Ich finde das absurd. Das ist absurd, und Sie spalten damit weiter die Bildungslandschaft. Sie tragen Unfrieden genau an die Stelle, wo wir endlich alle an einen Tisch kommen und überlegen sollten, was diesen Kindern wirklich hilft.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Aber zum Glück gibt es nicht nur einen Herrn Oberg in der SPD. Da gibt es auch eine Bildungsausschussvorsitzende Harant, die dann sagt: Okay! Wir geben zu, dass wir die freien Schulen einfach vergessen haben. Lassen Sie uns das reparieren! – Liebe Frau Harant! Ja, vielen Dank! Wir geben Ihnen gern hier und heute die Gelegenheit, unseren Anträgen zuzustimmen und diesen Fehler wettzumachen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber dann kommt wieder der bildungspolitische Sprecher der SPD, der eigentlich nie sprechen darf. Aber wenn er gesprochen hat, dann hat er gesagt: Na ja, einerseits, ja! Andererseits, na ja, na ja, ich weiß auch nicht! – Also, Herr Özışık, ich habe noch nicht ganz verstanden, was Sie wirklich wollten. Insofern bin ich ausgesprochen froh – bzw. ich bin nicht froh, weil er nicht da ist – – Auch ich wollte sagen, dass ich meine gesammelten Hoffnungen an dieser Stelle auf Raed Saleh setze. Denn Raed Saleh – man höre und staune – hat in seinem Grußwort zum Tag der freien Schulen am 14. September 2014, also vor knapp zwei Wochen, Folgendes geäußert. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin! Er hat gesagt, dass die freien Schulen von der Landespolitik nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit bedacht werden. Und er hat hinzugefügt, er hat sein Wort gegeben: „Diese Haltung können wir uns nicht länger leisten.“

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Guter Mann!]

(Joschka Langenbrinck)

Richtig, Herr Saleh! Die bisherige Haltung der Landespolitik den freien Schulen gegenüber können und dürfen wir uns nicht länger leisten. Ich darf sagen: Ihr Grußwort war ein Signal, das die Schulen gern gehört haben. Halten Sie Ihr Wort! Zeigen Sie durch Ihre Haltung zu diesem Antrag, nämlich die freien Schulen in das Bonusprogramm einzubeziehen, dass Ihr Wort etwas wert ist und dass wir uns endlich den wirklich wichtigsten bildungspolitischen Fragen im Land Berlin zuwenden können, nämlich wie wir den Kindern aus einkommensschwachen Haushalten, wie wir Kindern mit Benachteiligungen, wie wir Kindern mit Migrationshintergrund endlich die besseren, ja besten Bildungschancen geben können.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dazu abschließend eines: Nutzen Sie die Chance! Wir haben deshalb Sofortabstimmung gefordert. Hören Sie mir gut zu! Ihr Bonusprogramm: Wir können das eingehend im Ausschuss diskutieren. Ich sage Ihnen aber heute: Es liegen noch 6 Millionen Euro im Programm, wenn ich mich in den Ist-Listen nicht verguckt habe. Mit unserem Antrag geben wir Ihnen hier heute die Chance, dass dieses Geld bis zum Jahresende noch sinnvoll ausgegeben werden kann – im Sinne der armen und unterstützungsbedürftigen Kinder im Land Berlin. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Remlinger! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Herr Abgeordnete Oberg. – Bitte sehr!

[Zuruf: Wir wollen Saleh hören! – Weitere Zurufe]

Liebe Genossinnen und Genossen!

[Beifall von Regina Kittler (LINKE) – Heiterkeit – Zurufe]

Genau! Die Kakophonie soll ruhig weitergehen, denn schlechte Geräusche habe heute Abend ja Konjunktur. –

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Da haben Sie gerade noch gefehlt!]

Liebe Genossinnen und Genossen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass unser Fraktionsvorsitzender hier eine derart ungeteilte Zustimmung und Aufmerksamkeit erhält, denn Aufmerksamkeit ist etwas Gutes, und ich glaube, er hat die volle Unterstützung seiner Fraktion, wenn er sagt: Die privaten Schulen, die Schulen in freier Trägerschaft, verdienen mehr Aufmerksamkeit. – Was heißt aber „Aufmerksamkeit“?

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN: Ah!]

Ich glaube, dass die Währung von Aufmerksamkeit nicht der Euro ist, sondern die Währung von Aufmerksamkeit ist, dass man gemeinsam darüber diskutiert, was getan wird, was getan werden muss und was zurzeit nicht getan wird, aber getan werden sollte.

Jetzt lassen Sie uns doch mal unsere Aufmerksamkeit auf die Schulen in freier Trägerschaft richten und über ein paar Punkte reden!

[Martin Delius (PIRATEN): Ja, bitte!]

Reden wir doch mal über Vergleichsarbeiten! Wir alle oder zumindest die meisten hier sind sicherlich der Meinung, dass Vergleichsarbeiten eine ganz hervorragende Angelegenheit sind, um den Qualitätsmaßstab von Schulen zu überprüfen und einzelnen Schulen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden, wo sie stehen. Merkwürdigerweise machen alle bei diesen Vergleichsarbeiten mit, die privaten Schulen aber nicht.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN – Unruhe]

Ich glaube, wir sollten darüber reden, ob man das nicht vielleicht ändert.

Zweiter Punkt, Schulinspektionen – zum Thema Aufmerksamkeit: Schulinspektionen sind etwas, das wir alle gut finden. Es machen alle. Nur wer macht es nicht? – Die Schulen in freier Trägerschaft. – Frau Remlinger! Dann lassen Sie uns unsere Aufmerksamkeit auf die freien Schulen lenken und mit ihnen darüber diskutieren, warum sie eigentlich an dieser wichtigen Qualitätskontrolle nicht teilnehmen.

Aufmerksamkeit für die Lehrerinnen und Lehrer: Das kann man jetzt dann doch mal in Euro rechnen, nämlich: Wie sieht es eigentlich mit der Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer aus? – Ich finde, Lehrerinnen und Lehrer, die eine gute Arbeit machen, haben es, egal in welcher Schule, in welcher Schulart, verdient, vernünftig bezahlt zu werden. Merkwürdigerweise sind die Schulen in freier Trägerschaft nicht im normalen Bezahlungsmodus. Lassen Sie unsere Aufmerksamkeit darauf richten, darüber nachzudenken, wie man das ändern kann!

Wir stellen fest: Wir reden immer dann über freie Schulen, wenn es darum geht, mehr Geld zu bekommen. Ich kann diesen Wunsch extrem gut nachvollziehen. Er ist nämlich zutiefst menschlich. Aber lassen Sie uns doch bitte auch so ehrlich sein und die Debatte etwas breiter führen! Wenn wir wollen, dass Schulen auf allen Ebenen gleich behandelt werden, dann lassen Sie uns diese Gleichbehandlung konsequent durchziehen, auch in den hier genannten Punkten. Dann ist das die Form der

(Stefanie Remlinger)

Aufmerksamkeit, die mein Fraktionsvorsitzender gemeint hat. Ich freue mich auf die weitere Debatte, weil am Ende bessere Schulen dabei herauskommen. Das hilft dann allen. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Joachim Esser (GRÜNE): Kollege Oberg! Ob du es glaubst oder nicht: Der Sozialismus ist untergegangen!]

Vielen Dank, Herr Oberg! – Möchten Sie replizieren, Frau Remlinger? – Bitte!

Lieber Herr Oberg! Werte SPD! Ich möchte von Ihnen einfach nur wissen: Stehen Sie zu dem Wort Ihres Fraktionsvorsitzenden, oder tun Sie es nicht? Oder möchten Sie, dass er beim nächsten Tag der freien Schulen ein Grußwort schreibt, in dem er erklärt, was er unter Aufmerksamkeit versteht? – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Remlinger! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort die Abgeordnete Frau Bentele. – Bitte sehr!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was war der Sinn und Zweck des Bonusprogramms, das wir dank des Engagements von Herrn Saleh für dieses Jahr auflegen konnten?

[Steffen Zillich (LINKE): Darf die CDU schon mitstimmen bei den Entscheidungen der SPD?]

Sinn und Zweck war und ist, Schulen mit einem mehr als fünfzigprozentigen Anteil von Schülern, die von der Zuzahlung bei Lernmitteln befreit sind und in sozial benachteiligten Stadtquartieren wohnen, mit zusätzlichen Mittel in Höhe von bis zu 100 000 Euro pro Jahr unter die Arme zu greifen.

Bei der Diskussion um die Auswahl der Kriterien stand immer die soziale Situation der Schüler im Vordergrund und definitiv nicht die Trägerschaft der Schule. Nennen Sie mir einen Grund, inwiefern sich die Lage eines lmbSchülers aus Spandau, der in die staatliche Grundschule im Beerwinkel, die aus dem Bonus-Programm gefördert wird, geht von der eines lmb-Schülers an der 350 Metern entfernten freien Immanuel-Schule, die jetzt auf Teilnahme am Bonusprogramm klagt, unterscheidet.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dieser Vorgang zeigt uns, dass wir die oft vorherrschende Annahme, bei freien Schulen handele es sich um Privatschulen für Reiche, hinterfragen müssen. An zehn freien Schulen liegt der lmb-Anteil bei über 50 Prozent. Von diesen Schülern wird kein oder nur ein sehr geringes Schulgeld verlangt. Freie Schulen versorgen also auch eine Schülerklientel, die den Steuerzahler bei staatlichem Schulbesuch erheblich mehr kosten würde.

Freie Schulen bekommen nur 93 Prozent der Personalkosten erstattet. Die tatsächliche Refinanzierungsquote liegt um einiges darunter. Freie Schulen zeigen zunehmend Bereitschaft, auch in schwierige Stadtviertel zu gehen und Schüler aus diesen Einzugsgebieten aufzunehmen. Kurz: Es gibt freie Schulen – und das ist beispielsweise für konfessionelle Schulen auch nicht neu –, die versuchen, sich mit ihren speziellen pädagogischen Ansätzen um die klassischen bildungspolitischen Probleme in Brennpunkten zu kümmern. Damit treten sie auch in diesem Segment in – aus unserer Sicht – das Schulgeschäft belebende Konkurrenz mit den staatlichen Schulen. Mit ihrer Bewerbung um die Teilnahme am Programm zeigen die freien Schulen überdies, dass sie die Kriterien – so viel zur Kontrolle und zur Aufmerksamkeit – und damit verbundene Kontrollen akzeptieren. Freien Schulen werden Personalkosten erstattet. Die Mittel aus dem Bonusprogramm bieten sich insbesondere für Verstärkungen im Personalbereich an. Insofern gibt es doch viele gute Gründe, freie Schulen, die das entscheidende Kriterium des lmb-Anteils erfüllen, auch in das Programm aufzunehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Beifall bei den PIRATEN]

Ganz abgesehen davon bewerben sich auch staatliche Schulen – siehe Campus Rütli, der Geld von mindestens vier privaten Stiftungen bezieht – um private Mittel.

Deshalb möchte ich versuchen, meine Koalitionskollegen davon zu überzeugen, künftig auch freie Schulen, die die Kriterien erfüllen, an den Mitteln teilhaben zu lassen, die das Programm anbietet. Das Programm ist sehr offen. Schulen können je nach Entwicklung des lmb-Anteils hinein- und auch hinausrotieren. Im Kern geht es uns doch darum – ich glaube, da habe ich Herrn Saleh schon richtig verstanden –, die Bildungschancen von sozial benachteiligten Schülern zu verbessern. Diese Schüler – und das ist auch das Credo der CDU – sollten uns alle gleiche Unterstützung wert sein, egal, ob sie sich für das pädagogische Konzept einer staatlichen oder einer freien Schule entschieden haben.

[Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Lars Oberg)