Mietausgleich für betroffene Mieterinnen und Mieter nach Wegfall der Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau verbessern
Für die Beratung stehen den Fraktionen wiederum fünf Minuten zur Verfügung. Die Kollegin Lompscher beginnt für die Linksfraktion. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie es jemandem geht, der trotz Arbeit nicht einmal 1 000 Euro im Monat hat
und plötzlich mit einer Mieterhöhung auf z. B. 11 Euro pro m2 – um mehrere Hundert Euro – konfrontiert wird. Das ist keine Schwarzmalerei. Das passiert in dieser Stadt, deshalb müssen wir hier Hilfe organisieren, und zwar wirksame Hilfe.
Seit Anziehen des Berliner Wohnungsmarkts ist eine besorgniserregende Mietentwicklung in vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Sozialwohnungen vor allem in der Innenstadt festzustellen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatten 2010 nur 3,5 Prozent dieser Wohnungen eine Miethöhe unter 5 Euro, mehr als 7 Prozent hingegen liegen bei 7 Euro und darüber. Die meisten, nämlich 43 Prozent, sind in der Mietkategorie 5,50 Euro bis 6 Euro, wobei gesagt werden muss, dass für 30 Prozent dieser Wohnungen gar keine Angaben vorgelegen haben und wir also nicht wissen, wie teuer sie wirklich geworden sind.
Der Mietausgleich deckt aktuell im Durchschnitt lediglich rund 57 Prozent der tatsächlichen Mieterhöhungen, das heißt im Klartext, die Mieterinnen und Mieter, die es sich eigentlich nicht leisten können, sonst würden sie ja nicht in einer Sozialwohnung wohnen, müssen die klaffende Lücke selbst zahlen. Der aktuelle Marktmonitor des BBU zeigt zudem, dass sich der Mietanstieg generell beschleunigt hat, sodass es für Betroffene noch schwieriger wird, eine angemessene und bezahlbare Ersatzwohnung zu finden.
Um es vorwegzunehmen: Der Ausstieg aus der Anschlussförderung 2003 war und bleibt aus unserer Sicht richtig.
Das aberwitzige Berliner System der Wohnungsbauförderung hatte dazu geführt, dass die Berliner Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jede einzelne Wohnung mehrfach bezahlt haben, um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen. Für eine sozial verantwortliche Wohnungspolitik brauchen wir stattdessen einen starken gemeinwohlorientierten Wohnungssektor und eine umfassende mietdämpfende Politik auf Landes- und Bundesebene.
Mit dem Wohnraumgesetz, das vor dem Sommer beschlossen wurde, ist es zumindest gelungen – und zwar auf Druck der Linken –, in § 2 einen Rechtsanspruch auf Mietausgleich in Härtefällen zu verankern. Bisher galt dieser nur unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel. Die aktuellen Mietausgleichsvorschriften vom Oktober sind jedoch unzureichend. Das sieht auch der Berliner Mieterverein so. Zwar begrüßt er wie wir den Wegfall der bisherigen Dreijahresfrist, hält die vorgesehenen Zuschüsse aber für nicht geeignet, soziale Härten wirksam abzufedern.
Hier setzt unser Antrag an: So soll zum einen der vollständige Mietausgleich, nicht mehr nur sechs Monate, sondern bis zu zwölf Monate, in Ausnahmefällen auch länger, gezahlt werden. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass es immer schwieriger ist, angemessenen Ersatzwohnraum zu finden.
Apropos angemessen: Bisher gilt eine Wohnung als finanziell angemessen, wenn die Miete die für die Kosten der Unterkunft maßgeblichen Richtwerte der aktuell zu überarbeitenden AV Wohnen nicht übersteigt. Auch diese Regelung hat nichts mehr mit der Wirklichkeit in unserer Stadt zu tun und muss deshalb verändert werden.
Die unabhängige Mieterberatung soll aktiver als bisher unterstützen, und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen zur Unterbreitung von Angeboten verpflichtet werden. Zugleich halten wir die Begrenzung des anschließenden Mietausgleichs auf den Mietspiegelmittelwert für nicht sachgerecht und schlagen deshalb vor, hier den tatsächlichen Mietspiegelwert anzusetzen. Das bekannte Gegenargument, diesen kenne die zuständige Investitionsbank Berlin nicht, ist z. B. bei guter Kooperation mit der Mieterberatung leicht auszuräumen.
Mit den Mietausgleichsvorschriften 2011 erfolgt außerdem keine Anpassung an künftige neue Mietspiegel, weil der Mietausgleich des zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Mietspiegels drei Jahre unverändert bleiben soll.
Der Höchstbetrag des Mietausgleichs bemisst sich am Mittelwert der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem jeweils aktuellen Berliner Mietspiegel.
Aus unserer Sicht ist die weiterhin vorgesehene Degression des Mietausgleichs um 20 Prozent jährlich sozial unverträglich, und sie muss weg. Wie gesagt, wir begrüßen ausdrücklich, dass die unselige Dreijahresfrist mit der neuen Verwaltungsvorschrift abgeschafft worden ist. Aber davon können derzeit nur diejenigen Mieterinnen und Mieter profitieren, deren Miete sich aktuell erneut erhöht. Diese Ungleichbehandlung von sozial Benachteiligten wollen wir beenden und den Geltungsbereich der Vorschrift auf den gesamten Betroffenenkreis erweitern.
Der derzeitige Mietausgleich – das ist mein Fazit – verbessert die Lage der betroffenen Mieterinnen und Mieter nicht. Um ihnen in einer angespannten Wohnungsmarktsituation – das ist der Unterschied 2011 zu 2003 – zu helfen, muss Geld in die Hand genommen werden. Die nun notwendigen Haushaltsmittel waren mit dem Beschluss von 2003 übrigens vorgesehen. Von den damals vorgesehenen 30 Millionen sind nur 3 Millionen für Mietausgleich bis 2010 tatsächlich verausgabt; sage also niemand, für den Vorschlag der Linken fehle das Geld. – Vielen Dank!
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Lompscher! Sie haben ja bereits ein paar klare Worte gesagt. Auch ich möchte das am Anfang tun. Der Haushaltsgesetzgeber hat 2003 völlig zu Recht die Anschlussförderung eingestellt. Wir haben auch gesagt, dass das völlig richtig ist. Das haben wir gemeinsam gemacht. Damit wurde der politisch richtige Schritt gemacht, um nachhaltig Kosten für den Landeshaushalt zu sparen, ohne die Wohnraumversorgung zu gefährden.
Der Antrag, der von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Linken, kommt, ist uns nicht neu. Er ist nur etwas modifiziert. Herr Doering hat ihn ab und zu eingebracht, das heißt also, wir kennen ihn natürlich. Nur, man muss aufpassen. Deshalb möchte ich in meinem Redebeitrag noch einmal einiges korrigieren, was Sie gesagt haben.
Man muss aufpassen, dass man nicht bewusst suggeriert, dass wir im Land Berlin im Anschluss an die Anschlussförderung für die Mieterinnen und Mieter nichts mehr machen, sondern Härtefälle bewusst in Kauf nehmen. Das machen wir natürlich nicht! Wir haben als rot-roter Senat gemeinsam die Mietausgleichsvorschrift – die haben Sie schon genannt – am 20. September 2011 neu beschlossen. Da waren Sie Senatorin, ich war Staatssekretärin; das ist gemeinsam gemacht worden. Diese Mietausgleichsvorschrift ist gerade seit dem 1. Oktober in Kraft. Und das Berliner Wohnraumgesetz, das für den Mieterschutz eintritt – das haben Sie völlig richtig und zu Recht eingefordert –, ist in seinem Inhalt ausschließlich für die Mieterinnen und Mieter verbessert worden.
Deshalb lassen Sie mich einige Sachen, die Sie bewusst nicht gesagt haben, noch mal sagen. Wir haben das Zustimmungsrecht für Mieterhöhungen für die Mieterinnen und Mieter verbessert. Früher waren das 18 Tage, wir haben erhöht auf drei Monate. Der Kündigungsschutz ist bewusst von drei Monaten auf sechs Monate verlängert worden, zu alten Konditionen. Die Mietausgleichsvorschrift sieht Mietausgleichszahlungen für Härtefälle vor, um soziale Härten bei Mieterhöhungen abzufedern. Das Land Berlin – hier korrigiere ich Sie ungern, aber als ehemalige Haushaltsstaatssekretärin habe ich natürlich reingeschaut – hat bisher über 6 Millionen Euro in diesem damals geschaffenen Fonds für die Mieterinnen und Mieter gezahlt,
für Maßnahmen wie den Mietzuschuss oder Mietausgleich, der zwischen fünf bis acht Jahren gezahlt wird, bzw. für Umzüge, die einmalig bis zur Höhe von 3 000 Euro unterstützt werden können.
Wir haben im neuen Haushalt auch das gemeinsam mit Ihnen beschlossen, haben entsprechende Ansätze im Kapitel 12 95 drin. Das heißt, wir haben 2011 3,9 Millionen Euro im Ansatz gehabt; das Ist liegt bei 580 000 Euro. Da haben Sie, Frau Lompscher recht gehabt, bisher ist zu wenig an Ist ausgegeben worden. Aber wir haben 2012 und 2013 – das wird dieses Parlament in den Haushaltsberatungen entsprechend zu bewerten haben – 2,85 und 2,41 Millionen in diesen Titel eingesetzt. Warum geht das zurück? – Weil natürlich die Objekte, die infrage kommen, auch zurückgehen. Wir haben ganz klar das Augenmerk auf die Mieterinnen und Mieter gelegt. Das müssen wir gemeinsam bewerten, deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung mit der CDU darüber gesprochen, dass wir das Ganze evaluieren. Die Verwaltungsvorschrift ist nach Senatsbeschluss ins Parlament gekommen. Wir werden gemeinsam darüber zu reden haben. Wir werden uns um Einzelfälle kümmern müssen. Ich erwarte auch vom Senat, dass entsprechende Vorschläge an das Parlament herangetragen werden. Und wenn es dort etwas zu korrigieren gibt, dann werden wir das auch tun. Aber man darf nicht suggerieren, dass wir
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lompscher! Das war jetzt sozusagen der rot-rote Redebeitrag von Ihnen und von der Kollegin Spranger. Besonders bei Ihnen habe ich mich gefragt: Sie sind bis vor Kurzem Mitglied des Senats gewesen. Man kann ja, wenn man aus dem Senat weg ist, Sachen anders sehen. Es gibt ein Grundrecht auf Meinungsänderung. Aber ich finde, das muss man dann auch schon mal erklären. Man muss erklären, wieso z. B. im Mai dieses Jahres uns die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – über die Umsetzung und Folgen der Einstellung der Anschlussförderung vorgelegt wurde. Daraus haben Sie sogar ein paar Zahlen zitiert. Darin steht der Satz als Bewertung des Senats:
Jetzt ist die Frage, ob sich das seitdem geändert hat und ob man glauben darf, was Sie uns damals mitgeteilt haben. Ich finde, aus Ihrer Sicht müsste so was mal erklärt werden.
Sie müssten uns auch erklären, wieso Sie einem Wohnraumgesetz zugestimmt haben, das hier im Schweiße der Wahlkampfaktivitäten vor dem Sommer durchs Parlament geprügelt wurde, einem Gesetz, wovon wir alle wissen, dass es sehr große Mängel hat und in dem die Gefahr enthalten ist, dass es mehr Schaden anrichtet, als dass es nützt. Wir haben als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht, die haben Sie als Rot-Rot alle abgelehnt. Wir haben Ihnen vorgeschlagen: Überlegen Sie sich doch etwas zur Kostenmiete! – Wir haben über eine Richtsatzmiete diskutiert. Das hätte man in dem Gesetz regeln können. Wir haben den Vorschlag eines Ankaufmodells gemacht: Kaufen Sie Objekte des sozialen Wohnungsbaus an, wenn die sich in Insolvenzverfahren befinden! Schicken Sie den Finanzsenator dahin! Das wäre nicht nur wohnungspolitisch, sondern auch finanzpolitisch sehr sinnvoll gewesen. Ich glaube, wir hätten viel Geld damit gespart.
All das wollten Sie nicht. Sie wollten auch nicht die Umwandlung von ehemaligen Sozialwohnungen in Eigentumswohnungen unterbinden. Auch das haben wir hier vorgeschlagen, und Sie haben das abgelehnt. Rot-Rot hat alle diese Vorschläge verworfen. Sie wussten es besser. Und heute kriegen wir diesen Antrag.
Ich will jetzt aber nicht nur mit der Linkspartei hart ins Gericht gehen, sondern natürlich auch die anderen ansprechen. Die SPD etwa hat im Fanny-Hensel-Kiez – Sie entsinnen sich alle an dieses schlimme Beispiel hier in der Nähe – im Wahlkampf plakatiert: Mieter und Schutz. SPD. – Ich sage Ihnen was: Die Leute haben sich da von Ihnen verhöhnt gefühlt, weil Sie die Leute hängenlassen haben, weil die alle raus mussten – und dann wurden sie noch mit Plakaten erfreut und verhöhnt.
Der Koalitionsvertrag bietet zu dem Thema Sozialwohnungsbau nichts. Wir haben das hier neulich schon diskutiert. Da hat der Kollege Brauner gesagt, da müsse man ja erst mal abwarten, das Gesetz ist ja neu und wird bis 2013 überprüft. Der Koalitionsvertrag sagt dazu nichts. Die Frage ist: Wie groß ist die Not? Wie viele Fälle gibt es? – Da bin ich wieder bei Frau Lompscher; die müssten Sie ja vielleicht aus ihrer Senatstätigkeit auch noch benennen können. – Um wie viele Leute geht es? Um wie viele Leute geht es bei Ihrem Vorschlag? Und natürlich auch die Frage: Was kostet der? Verlangen Sie jetzt alles für alle? Haben Sie die Linie haushaltspolitischer Vernunft verlassen, die die Linkspartei im Senat auch ausgezeichnet hat, oder worum geht es hier eigentlich? Auch das halte ich für erklärungsbedürftig.
Wir stehen doch bei diesem Thema sozialer Wohnungsbau alter Westberliner Prägung, einer Erfindung von SPD und CDU, vor der Frage, ob viele Tausend Gebäude, in die Milliarden öffentlicher Mittel geflossen sind, langfristig für eine soziale Wohnraumversorgung überhaupt noch zur Verfügung stehen. Diese Frage muss hier beantwortet werden.