Protocol of the Session on June 5, 2014

Und das Flughafengebäude Tempelhof? – Auch hier – vielleicht interessant für die Haushälter – ist es höchste Eisenbahn, dass wir endlich über ein vernünftiges Sanierungs- und Nachnutzungskonzept reden, denn wenn wir bei dem heutigen Tempo bleiben, dann ist das Gebäude in 1 192 Jahren vollständig saniert. Ich vermute, bis dahin leben die meisten von uns nicht mehr.

Deshalb – meine Redezeit ist leider abgelaufen – sage ich: Freuen wir uns auf die Debatte über unseren Antrag im Ausschuss. Dort können wir gern über das Flughafengebäude, über die ZLB, über die Beteiligungsverfahren und natürlich auch über die Frage reden, wie wir zu einem Freiraumkonzept kommen. Ich glaube, Sie haben hierbei endlich die Chance zu sagen: Wir haben das Signal verstanden, wir übernehmen die Verantwortung,

[Torsten Schneider (SPD): Die Grünen schlagen sich wieder in die Büsche!]

wir tragen nicht länger unsere parteiinternen Machtkämpfe auf dem Rücken dieser Stadt aus! – Dann haben wir vielleicht irgendwann auch wieder die Chance, gemeinsam mehr Vertrauen in die Politik zu gewinnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Sehr taktisch!]

Danke, Frau Kollegin Kapek! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Kollegin Haußdörfer das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Ergebnis des Volksentscheids am 25. Mai haben wir alle etwas gewonnen, aber auch alle etwas verloren: Gewonnen haben wir in der Beteiligung und in der Diskussion über Politik. Noch ist unklar, ob es eine klare Sachentscheidung, ein Denkzettel für uns alle, Misstrauen zu markanten Aussagen oder Zeitplänen, die Zentral- und Landesbibliothek oder auch der Zeitpunkt war, nämlich in der Mitte einer Legislaturperiode – oder die Europawahl. Positiv ist aber, dass die Diskussion in Foren und in Gruppen stattfand, die sich bisher scheinbar

(Antje Kapek)

wenig für Stadtentwicklung oder Politik im Allgemeinen interessiert haben.

Bemerkenswert ist aber auch, dass alle Bezirke mehrheitlich für „100 Prozent Tempelhofer Feld“ und mehrheitlich auch gegen den Entwurf des Berliner Abgeordnetenhauses gestimmt haben. Liebe Antje! Ein NeinstimmenQuorum kenne ich bis heute nicht. Aber das hatten wir schon mal diskutiert, das ist also auch eine interessante neue Form, ein Neinstimmen-Quorum aufzustellen.

[Torsten Schneider (SPD): Bei Nein kennen sich die Grünen aus!]

Das will ich gar nicht beurteilen.

Auch wenn mich das Ergebnis persönlich sehr schmerzt, so ist es doch positiv, wie klar und eindeutig das Ergebnis ist. Wir werden es selbstverständlich respektieren. Und das Gesetz in seiner Klarheit ist auch nicht wegzudiskutieren. Es gilt jetzt 100 Prozent Gesetz. Dabei werden Juristinnen und Juristen ihre helle Freude haben, da im Gesetz und im Begründungstext Interpretationsspielräume eng begrenzt sind. So sind nach Gesetz Gräber bzw. Grabstellen möglich, aber das Friedhofsgesetz erlaubt das so hoppladihopp nicht. Fliegende Bauten sind erlaubt, aber temporäre Bauten mit Verankerung nicht. Deshalb muss jetzt überprüft werden, welche Nutzungen ermöglicht werden können.

Eine weitere Konsequenz wird die Evaluation der bisherigen Instrumente und Zeitabläufe der Partizipation sein. Viele Instrumente wurden gerade hier in Tempelhof angewendet und ausprobiert, und vermutlich gibt es keine Verwaltung, die mehr dazu publiziert hat – online und gedruckt – als die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.

Allerdings gibt es zwei Kritikpunkte: der Zeitpunkt sowie die Tatsache, dass das Gefühl des Beteiligt- und Ernstgenommenwerdens nicht zeitnah realisiert werden konnte. Ich selbst habe bis heute keinen Königsweg gefunden, wie die einzelnen, individuellen und auch teilweise sehr gegensätzlichen Interessen so gebündelt werden können, dass eine Entscheidung gefunden, vertreten und vor allem realisiert werden kann. Konsequenterweise muss jedoch der bisherige Park- und Nutzerbeirat konzeptionell neu gedacht und eingesetzt werden. Viele neue Herausforderungen liegen nach dem Volksentscheid vor uns. Wir müssen gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern Diskussionen führen und diese auch zu Ergebnissen bringen. Für diese Stadt brauchen wir ein neues Forum vor dem Hintergrund der wachsenden Metropole, um über die neuen Anforderungen an Wohnen, Leben, Bildung, Mobilität, Kultur, Arbeiten, Sport und vor allem auch dem sozialen Miteinander zu diskutieren. Wir müssen stadtpolitisch eine Antwort auf die „Nimbies“ finden, die zwar grundsätzlich kein Problem mit Entwicklung haben, aber bitte nicht in ihrem Kiez. Deshalb ist ein Weg die frühzeitige Einbeziehung. Es ist nicht oft möglich, aber da, wo

es vielleicht nur um ein Ja oder Nein geht, könnte man proaktive Befragungen durchführen. Wo es um Varianten geht, zum Beispiel in der Bauleitplanung, müssen an Ende auch Ergebnisse stehen. Da wird es dann schon so sein, dass sich eine Mehrheit gegen eine Minderheit durchsetzt. Das wird so sein, selbst wenn Sie noch so viele Verfahren durchführen. Am Ende muss es ein Ergebnis geben, sonst wird hier nämlich nichts mehr entschieden.

Es ist schade, dass sich unsere Vorstellung einer sozial durchmischten Stadt mit Wohnen, Sport, Kultur, Bildung und Arbeiten an diesem stadtentwicklungspolitisch so spannenden Ort nicht durchgesetzt hat. Jetzt muss der Fokus auf die Zukunft gerichtet werden, denn die Problematik der bezahlbaren Mieten interessiert die Menschen weiterhin. Der Druck auf die städtischen Flächen im Innenbereich wird wachsen, und wir werden weiterhin über Dichte und Bauabläufe diskutieren. Die Wohnungsbaugesellschaften werden weiterhin ertüchtigt. Umbau und Sanierung gehören weiterhin zu unseren Kernprojekten. Bisher sehe ich leider auch kaum in den Medien, dass unsere Gesellschaften immerhin schon 18 000 Wohnungen gekauft haben. Da bleiben wir weiter dran!

Für die Zukunft wird es aber nicht reichen, den Bestand zu sichern, sondern wir müssen bauen. Das gilt für alle zwölf Bezirke, auch für Kreuzberg, Pankow und Zehlendorf, denn auch das gehört zur Beförderung des gesellschaftlichen Interessenausgleichs.

Unsere gemeinsame Aufgabe wird es sein, die wachsende Stadt proaktiv anzugehen, denn diese braucht Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft und Konsequenzen aus dem Volksentscheid. Das wollen wir gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern tun. Es kann auch ein Weg sein, Bürgerinnen und Bürger proaktiv zu den Vorhaben in der Stadt zu befragen. Abschließen möchte ich mit einem Zitat aus einem Leserbrief einer großen Berliner Zeitung:

Berlin braucht keine Ideen für das 22. Jahrhundert, sondern Lösungen für das Hier und Jetzt.

Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin Haußdörfer! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Lompscher. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Ich finde es nur konsequent, dass, wenn Sie in der Aktuellen Stunde nicht darüber reden wollten, sich Ihr Interesse an der Debatte

(Ellen Haußdörfer)

jetzt in Grenzen hält, aber die, die jetzt nicht da sind, können es ja im Protokoll nachlesen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das Votum zum Tempelhofer Feld – das wurde schon mehrfach gesagt – ist eindeutig, und zwar nicht nur in der Sache, sondern auch als Zwischenzeugnis für Senat und Koalition. Die SPD versteht Berlin nicht mehr, und die CDU macht sich unsichtbar. Es ist einerseits richtig, das Ergebnis genau zu analysieren und Schnellschüsse zu vermeiden, es gibt aber dennoch viel zu tun, und es gilt, keine Zeit zu verlieren. Das Volksgesetz gilt nach Veröffentlichung – selbstverständlich, wer wollte das bezweifeln –, und es fordert vom Senat aktive Maßnahmen und von der Politik ein Weiterdenken und kein Schmollen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es geht ums Feld, um die Neuausrichtung der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik, es geht um echte Partizipation auch bei anderen stadtpolitischen Vorhaben, und es geht um die Weiterentwicklung der direkten Demokratie. Diese hat sich nicht nur als funktionierende, sondern als notwendige Ergänzung des politischen Systems erwiesen. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst der Linken, die sich seit Langem dafür stark macht.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

So haben wir vor zwei Jahren einen obligatorischen Volksentscheid bei Privatisierungsvorhaben vorgeschlagen, und wir sind gespannt, ob die Koalition nun endlich ihre Blockade und die CDU ihren Widerstand aufgeben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Saleh! Noch einmal zur Klarstellung: Wenn man Monate und Jahre später das Gleiche fordert, ist es noch immer nicht die eigene Idee.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Jetzt kurz zum Feld: Der Senat muss sich aktiv für dessen Schutz und Erhalt einsetzen. Der Status der Fläche muss neu bestimmt werden. Konsequenzen für Vermögenszuordnung, Parkordnung, Bewirtschaftung usw. müssen in einem transparenten Verfahren entschieden und umgesetzt werden. Unabhängig vom Gesetz ist jetzt auch über die Zukunft des Flughafengebäudes eine neue Verständigung herbeizuführen. Der Regierende Bürgermeister hat verkündet, nun würden alle Planungen eingestellt. Das stimmt aber nur für Überlegungen zur Bebauung. Das Gesetz fordert unter anderem die unverzügliche und partizipative Aufstellung eines Pflege- und Entwicklungsplans. Für die Partizipation muss der Senat praktikable Umsetzungsvorschläge unterbreiten. Apropos: Der derzeit bestehende Nutzerbeirat bei der Grün Berlin GmbH taugt dabei nur bedingt als Vorbild. Ich empfehle einen

Blick ins Internet. Dort findet sich nur ein Protokoll. Mitglieder, die Satzung, Termine oder Gesprächsinhalte sind nicht abrufbar. Nicht nur derzeitige Nutzerinnen und Nutzer, sondern auch angrenzende Bezirke, Anwohnerinnen und Anwohner, Nutzungsinteressierte und gesellschaftliche Gruppen sowie Politik und Verwaltung, alle zusammen müssen neu Anlauf nehmen für eine gemeinsame Entwicklung des Feldes.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE) – und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Etwas ist wichtig, wenn wir über Partizipation reden: Ein solches Gremium muss öffentlich arbeiten, und es muss wirklichen Einfluss auf administratives Handeln haben, sonst können wir uns das sparen. Dafür braucht es eine garantierte Grundausstattung für die Arbeitsfähigkeit, und dazu gehört im Übrigen auch ein Ort. Das ist Gegenstand unseres Antrags – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

[Beifall bei der LINKEN]

Die geplante Wohnbebauung am Rand des Tempelhofer Felds war und ist nicht die Schicksalsfrage für die Lösung des Wohnungsproblems in Berlin. Das haben die Berlinerinnen und Berliner erkannt und damit mehr Realitätssinn bewiesen als Senat und Koalition. Der Wohnungsbau krankte früher nicht an fehlenden Flächen, sondern an fehlender Nachfrage. Bezahlbarer Wohnraum entsteht nicht vorrangig im Neubau, aber da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Gerade weil es stimmt, dass es innerhalb des S-Bahnrings inzwischen zu wenig landeseigene Flächen gibt, braucht Berlin eine strategische Flächenvorsorge – nicht nur, aber vor allem für den Wohnungsbau.

Nicht nur, aber gerade Berlin tut sich schwer mit Großprojekten. Dabei wollen die Menschen – das haben sie schon öfter klargemacht –, dass ihre Stadt funktioniert. Sie wollen, dass Berlin nicht auf Verschleiß gefahren wird, und sie wollen, dass Berlin die Finger von zweifelhaften Vorhaben und Großprojekten lässt, zum Beispiel von Olympia.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Stadtpolitik von oben ist passé. Bürgerbeteiligung ist keine Propaganda. Politik und Verwaltung sollen durchaus ihre eigenen Vorhaben erklären. Sie sollen dafür werben. Sie müssen aber lernen und durch geeignete Instrumente dazu gebracht werden, Bürgermeinungen ernst zu nehmen, gemeinsam zu entscheiden und eigene Macht abzugeben. Das ist nicht nur anstrengend, sondern eine wirklich andere Politik. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Stefan Evers. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, auch von unserer Seite ist Respekt an dieser Stelle für den Erfolg der Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ angebracht. 740 000 Stimmen haben diesem Volksentscheid zum Erfolg verholfen. Das ist ein kraftvolles Votum. Dieses Votum gibt zu denken. Kein weg führt daran vorbei: Es ist ein Stück Zäsur für die Stadtentwicklungspolitik in Berlin, denn das gab es so noch nicht.

[Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und den Piraten]

Im Blick zurück ist es nicht gelungen, die Menschen von der Notwendigkeit einer Randbebauung am Tempelhofer Feld zu überzeugen. Es ist vor allem nicht gelungen, eine gemeinsame Vision von dem zu erzeugen, wohin sich dieses Tempelhofer Feld entwickeln soll, von der sich die Berlinerinnen und Berliner hätten begeistern lassen. Damit – daran halte ich fest – ist eine Chance für die Stadt vertan. Natürlich müssen und werden wir uns im Rückblick kritisch damit auseinandersetzen müssen, woran es gefehlt hat. Aber: Das Tempelhofer Feld ist und bleibt ein Zukunftsthema. Deswegen gehört der Blick vor allem nach vorn gerichtet. Das neue Volksgesetz erlaubt einerseits nicht viel, aber es bietet durchaus gewisse Möglichkeiten, das Feld weiter zu entwickeln. Das haben die Träger des Volksbegehrens immer betont. Ich finde, man sollte sie beim Wort nehmen. Der Senat ist gefordert, rasch auf die Vertreter der Initiative zuzugehen und auf der Grundlage des Volksgesetzes gemeinsam zu besprechen, welche Entwicklung auf dem Tempelhofer Feld nun noch möglich sein kann und möglich sein soll und wie diese Möglichkeiten in einem von breiter Bürgerbeteiligung getragenen Verfahren genutzt werden können. Da stehen wir am Anfang. Auch das ist ein Lernprozess. Auch dieser wird seine Chancen bieten, die wir nutzen sollten.

Gemeinsam sind wir außerdem gefordert, in der Wohnungspolitik nun alle Anstrengungen zu unternehmen, den Ausfall des auf dem Tempelhofer Feld geplanten Wohnungsbaus zu kompensieren. Das ist kein Leichtes, so sehr Sie das auch immer tun und so sehr Sie es behaupten. Der Verlust ist ein herber Rückschlag für die Mietenpolitik in Berlin. Gleichzeitig fangen wir dennoch nicht bei Null an. Die Koalition hat an vielen Stellen die Weichen gestellt, um Wohnungsmangel und steigenden Mieten in Berlin entgegenzuwirken. Zum Schlechtreden gibt es wirklich keinen Anlass. SPD und CDU können zu Recht stolz auf das sein, was sie an Kraftanstrengungen in der Wohnungspolitik in dieser Legislaturperiode schon

unternommen haben. Weitere werden folgen. Dessen können Sie sicher sein.