Herr Kollege Brauer! Die Kollegin Harant hat auch noch eine Frage. Ich sage noch mal ausdrücklich: Das wird nicht auf die Redezeit angerechnet.
[Renate Harant (SPD): Ich wollte etwas dazu sagen, weil ich angesprochen worden bin! – Weitere Zurufe]
Frau Kollegin Harant hat das Wort zu einer Kurzintervention. – Ich schlage vor, dass wir danach auch Frau Kollegin Kapek die Möglichkeit geben, ihre Frage zu stellen, denn die Zwischenfrage wurde vorhin in dem Glauben abgewiesen, das würde auf die Redezeit angerechnet. – Bitte schön!
Herr Brauer! Sie haben mich persönlich angesprochen, und ich habe das so verstanden, dass Fahrbibliotheken und Schulbibliotheken unter Ihrer Würde sind und Sie diese bei einem Bibliothekskonzept gar nicht einbeziehen wollen, weil das alles nicht so wichtig ist. Ich finde aber, dass genau diese Basisarbeit das Entscheidende bei Bibliotheken ist.
Wir wollen alle erreichen. Wir wollen die Schulkinder erreichen, und wir wollen auch die Menschen erreichen, die nicht so mobil sind und die gerade über Fahrbibliotheken die Möglichkeit haben, an Bücher zu kommen. Ich bitte Sie doch, in diesem Punkt Ihre Grundeinstellung etwas zu revidieren, oder habe ich Sie falsch verstanden?
Bitte schön, Herr Kollege Brauer, Sie können replizieren und anschließend auch noch die Frage von Frau Kapek entgegennehmen. – Bitte schön!
Kurze Frage, kurze Antwort: Sie haben mich gründlich falsch verstanden, Frau Harant. Ich argumentiere nicht gegen Fahrbibliotheken. Ich argumentiere nicht gegen Schulbibliotheken. Ich bin aber strikt dagegen, in der Argumentation und Diskussion eines schrumpfenden Bibliotheksnetzes in der Stadt auszuweichen und gewissermaßen mit Fahrbibliotheken und Schulbibliotheken, die völlig andere Strukturen und Aufgaben haben, eine Ersatzdebatte zu forcieren. Mit derselben Konsequenz könnte man die Axt an die Stämme unserer künstlerischen Hochschulen legen und sagen: Ja, bitte, geht doch zur Malschule Klax! – Das spricht nicht gegen die Malschule Klax.
Ich wollte Ihnen doch noch mal die Möglichkeit geben, zu den ZLB-Plänen kurz Stellung zu nehmen, denn Sie sind ja einer der wenigen flammenden Verfechter eines ZLB-Neubaus in der Opposition.
Deshalb an Sie die entscheidende Frage: Wie stehen Sie denn zur Kosten-, Flächen- und Bedarfsprogrammentwicklung? Tragen Sie die mit, egal, was der Regierende Bürgermeister so vorlegt, oder haben Sie irgendwo doch einen Kostendeckel bzw. schließen Sie sich unserer Forderung an, dass die betreffenden Forderungen des Rechnungshofs erfüllt werden müssen?
Frau Kapek! Auch hier ein kurze Antwort: Ich bin und bleibe glühender Verfechter eines Neubaus eines Zentralstandortes für diese Bibliothek. Wer in den letzten Jahren einmal versucht hat, diese Bibliothek einigermaßen ernsthaft zu benutzen und das vielleicht noch mit einem interdisziplinären Anspruch, wird wissen, wovon ich rede. Sie ist augenblicklich absolut suboptimal aufgestellt, was die Nutzungsbedingungen angeht. Um einen Neubau kommen wir nicht herum.
Und was den Kostendeckel anbelangt: Ich bin auch für einen Kostendeckel, wenn ich weiß, was eine einigermaßen verlässliche Bau- und Kostenplanung ist. Die gibt es noch nicht. Wir wissen nur von einem Wert so in etwa ab 250 Millionen Euro bis hin zu 500 Millionen Euro. Irgendwo dazwischen werden sich die Kosten vielleicht bewegen. Bisher ist alles Pi mal Daumen mal Fensterkreuz gerechnet. Wir brauchen verlässliche Planungen, und dann können wir sagen: Okay, hier ziehen wir jetzt den Deckel ein! – Aber vorher bitte nicht! Erst mal rechnen! Und da stimme ich Ihnen zu: Erst mal zeichnen, prüfen, rechnen! – Da sollte man sich ein bisschen Zeit lassen. Das stimmt auch. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Torsten Schneider (SPD): Große Einigkeit bei der Opposition! – Wolfgang Brauer (LINKE): Das ist keine Oppositionsfrage, Herr Schneider! Das ist eine Frage von Verstand!]
Danke schön, Kollege Brauer! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Schlede das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun weiß ich nicht, Herr Brauer, ob wir uns dann auf der Eisscholle in tausend Jahren wiederbegegnen – in Bezug auf die Planung des Bibliothekswesens im Land Berlin.
Aber in einem gebe ich Ihnen recht: Als diese beiden Themen jetzt zusammengeworfen wurden, hatte ich den Eindruck, als ob der zweite dringliche Antrag den ersten sozusagen ersetzen bzw. überflüssig machen soll.
Ich fange aber doch mal bei dem an, was wir uns eigentlich vorgenommen hatten, nämlich bei der Frage, wie wir auf Ihren Antrag hin – den der Grünen – reagieren, und zwar was die Bildungs- und Kultureinrichtungen in den Bezirken angeht. Ich stimme den Grünen zu, dass Bibliotheken unverzichtbare Bildungs- und Kultureinrichtungen sind. Ich stimme nicht zu, dass wir unbedingt erneut ein aktuelles Bibliothekskonzept brauchen, und zwar aus dem folgenden, relativ einfachen Grund: Ich muss noch mal unterstreichen, was auch Frau Harant gesagt hat. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, in irgendeiner Weise Fahrbibliotheken, aber auch Schulbibliotheken im Rahmen des Gesamtkonzepts – hier wird ja immer von Konzept gesprochen – abzuwerten.
Ich will Ihnen einige Beispiele nennen: Ich habe in Zehlendorf als damaliger Stadtrat für Kultur einen Standort schließen müssen – in der Argentinischen Allee –, weil sowohl in Relation zum Personal wie zur Nutzung dieser Standort sich nicht mehr rechnete. Was haben wir stattdessen gemacht? – Wir haben in die Fahrbibliothek diverse weitere Standorte einbezogen, u. a. viele Schulen und Senioreneinrichtungen, die jetzt weit besser bedient werden, als es vorher durch den ursprünglichen Standort gedacht war. Das ist ein Zukunftskonzept, und wenn wir mittlerweile in Berlin zehn Fahrbibliotheken haben, ist das Teil eines Konzepts in zehn von zwölf Bezirken, wenn ich das richtig sehe – von Schulbibliotheken mal ganz abgesehen. Es gibt übrigens auch noch ehrenamtliche Bibliotheken.
Die Bibliotheken sind die meistgenutzten Kultureinrichtungen in dieser Stadt. Ich finde es etwas einseitig, das, was sich in den letzten Jahren auch unter dem Gesichtspunkt der zweistufigen Verwaltung entwickelt hat, dem Senat anzulasten. Es hat immerhin eine Konzentration – ich will es mal ganz bewusst Konzentration nennen – im Bereich der Standorte gegeben: 1994 waren es 220, und 2014 sind es noch 80 Bibliotheken, aber mit einer völlig anderen Qualität und mit völlig anderen Medienange
boten – im Kleinen das, was eine ZLB im Großen darstellen soll. Wenn ich die Anzahl der Medien sehe, wenn ich die Grundbedürftigkeit bezüglich der Entwicklung von Lesekompetenz in diesen Stadtbibliotheken sehe, dann sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg.
Ich will noch eines hinzufügen: Im Gegensatz zur damaligen Zeit, als ich eine Filiale schließen musste, kann man heute 24 Stunden lang an sieben Tagen der Woche jedes Medium in seine Stadtbibliothek bestellen und sich sogar nach Hause liefern lassen. Ich glaube, besser geht es nicht. Das ist ein gewaltiger Fortschritt, den wir hier haben.
Wir haben natürlich auch die Herausforderungen. Die Herausforderungen bestehen beispielsweise in Bezug auf Digitalisierung, auf Kundenmonitoring, Zentralisierung des Mahnwesens, und damit bin ich jetzt bei der ZLB. Nach meinem Dafürhalten ist die ZLB nur mit den Bibliotheken in den Bezirken zusammen zu sehen. Sie ist sozusagen der Kopf des Ganzen, und ich glaube, dieses wird nicht ganz zu Unrecht vorangetrieben und so auch in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU vereinbart. Die muss kommen.
Das Problem, das jetzt erneut aufgedeckt worden ist durch den Rechnungshof, ist die Frage der Finanzierung und die Frage des Standortes. Nun haben Sie gerade gesagt, Herr Brauer, Sie sind ein glühender Verfechter, und ich sah auch gerade die zustimmende anerkennende Bemerkung vom Regierenden Bürgermeister für den Standort und für den Neubau. Wir haben nichts gegen einen Neubau. Wir haben auch nichts gegen den Standort, aber bitte dann zu verlässlichen Konditionen. 270 Millionen Euro sind einmal im Jahr 2008 in den Raum geworfen worden, und der Regierende hat bei der Vorstellung der Gewinnermodelle auf dem Flughafen Tempelhof im Februar dieses Jahres sehr deutlich gesagt: Eine Kostenüberschreitung, unabhängig von dem Fortschritt der Maßnahme, –
Nein! Im Moment nicht, ich bin nämlich gleich zu Ende. – unabhängig von den normalen Raten, die man hinzurechnen muss in den letzten sechs Jahren, 2008 bis 2014, käme eine weitere Kostenexplosion auch für ihn nicht in Betracht. Aber er hat auch gesagt, und das sollten wir zur Kenntnis nehmen, eine weitere Reduzierung der Angebotsfläche sei für ihn auch ausgeschlossen, weil dann die Zentralbibliothek keine Zentralbibliothek mehr sei und ihrer Funktion nicht mehr gerecht werden kann.
Es muss sicherlich, und darum bitten wir ausdrücklich, in relativ kurzer Zeit eine erneute, sehr intensive Prüfung
bezüglich des geeigneten Standorts stattfinden. Ich will darauf hinweisen, zwei Standorte waren relativ ähnlich bewertet, nämlich sowohl der Neubau als auch die Amerika-Gedenkbibliothek. Die unterschieden sich bei der Bewertung um etwa ein bis zwei Punkte nach den vorgelegten Kriterien. Dieses muss berücksichtigt werden, und die Kosten müssen endlich angemessen in den Raum gestellt werden. – Frau Lüscher hat in der Sitzung in Tempelhof gesagt: Na ja, es handele sich um einen Betrag plus/minus 30 Prozent. – Ich kenne keinen öffentlichen Bau in Berlin, der mit einem Minus von 30 Prozent fertiggestellt worden ist. Das erwarte ich übrigens auch nicht von einer ZLB. Wahrscheinlicher ist dann doch wohl, dass es 350 Millionen Euro werden, nämlich diese 30 Prozent draufgelegt.
Wir stehen für eine Zentralbibliothek als sachlich notwendige Einrichtung, und zwar möglichst noch in dieser Legislaturperiode begonnen. – Schönen Dank!
Vielen Dank, Herr Schlede! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Magalski. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz oder gerade wegen des Siegeszugs der Informationstechnik, die neue Medien und insbesondere das Internet bieten, sind und bleiben Bibliotheken unverzichtbare Bildungs- und Kultureinrichtungen auch und gerade in Berlin. Darüber dürfte in diesem Hause Konsens bestehen. Dissens scheint allerdings noch darüber zu herrschen, wie wir der Aufgabe gerecht werden wollen, die Bibliotheken so aufzustellen, dass sie ihrer besonderen Bedeutung für und den Ansprüchen an eine moderne Informations- und Wissensgesellschaft gerecht werden können. Daraus folgt, dass die Bibliotheken in ihrer Struktur mit ihrer zukünftigen technischen und räumlichen Ausstattung angemessen und vor allem mit ausreichendem Personal ausgestattet werden müssen.
Dazu sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Verunsicherung in den Bezirken, was die Zukunft der Stadtteilbibliotheken angeht, zunehmend in aktiven Widerstand umschlägt. So haben beispielsweise in FriedrichshainKreuzberg Anwohner über 2 000 Unterschriften gesammelt, um einen Einwohnerantrag gegen die von der Schließung bedrohten Bona-Peiser-Bibliothek zu erwirken. Chapeau!
Aber dass es dazu kommen muss, ist nicht nur für die Bundeshauptstadt erbärmlich, dass es überhaupt dazu kommen muss, dass die Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen müssen, um Schließungen in den Bezirken zu verhindern. Das heißt, es ist immer noch ein sehr aktuelles Thema, Herr Kollege Schlede. Nicht nur Sie standen damals vor der Entscheidung, gegebenenfalls eine Bibliothek schließen zu müssen, auch jetzt sind Bibliotheken in den Stadtteilen akut bedroht, und es sind ja schon einige verschwunden, unter anderem in Pankow und anderswo.
Der hier vorliegende Antrag für ein aktuelles Bibliothekskonzept geht mit seinen Forderungen in die richtige Richtung, denn es ist nicht erst seit der kürzlich im Kulturausschuss erfolgten Anhörung bekannt, dass die Situation und Entwicklung der Bezirksbibliotheken offensichtlich eine miserable ist, dass es neue Konzepte im Land Berlin braucht. Ob aber die Aufforderung an den Senat, eine Kommission zu bilden, wirklich hilfreich sein kann und zum Erfolg führen wird, darf doch mehr als fraglich sein, denn für das Bibliothekssterben hat der Regierende Bürgermeister in besagter Anhörung die Verantwortung weit von sich gewiesen. Er hat sie allein den Bezirken in ihrer Verantwortlichkeit zugestanden, obwohl der Senat selbstverständlich durch die Rahmenbedingungen mit diversen Etat- und Personalkürzungen sowie verordneten Maßnahmen wie der Kosten- und Leistungsrechnung Einflüsse und Zuständigkeiten hat, auf die er Einfluss nehmen kann. Die Zuständigkeit wird beispielsweise immer dann in Anspruch genommen, wenn es darum geht, neue Gebühren einzuführen oder zu erhöhen, wie bei den Leseausweisen, oder dann, wenn flächendeckend neue Technologien wie RFID eingeführt werden, ist der Senat auf einmal zuständig. Rechtssicherheit wird aus unserer Sicht schließlich nur dann gewährleistet werden, wenn es eine gesetzliche Verankerung und Förderung der Berliner Bibliotheken geben wird. Ob jene aus dieser parlamentarischen Initiative entstehen wird, das wird sich noch zeigen.
Wir werden dies auf jeden Fall im Kulturausschuss diskutieren und beraten und schauen, was dann weitergehend damit passiert. Der Beschlussempfehlung zur ZLB werden wir hinsichtlich der Maßgaben der jüngsten Berichte des Rechnungshofes zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Magalski! – Nun hat der Regierende Bürgermeister in dieser Angelegenheit um das Wort gebeten. – Bitte sehr!
Eine neue Rederunde stört den Senat nicht! – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens möchte ich mich bedanken, dass alle Fraktionen den Wert und die Wichtigkeit von Bibliotheken uneingeschränkt erklärt haben. Ich möchte für den Senat sagen, es gibt keinen Widerspruch zwischen bezirklichen oder lokalen Einrichtungen zu einer zentralen Landesbibliothek. Beides gehört zusammen, und beide profitieren davon. Es wäre eine zentrale Landesbibliothek nicht denkbar ohne die dezentralen Strukturen, und umgekehrt wissen unsere bezirklichen Einrichtungen sehr wohl, welchen Nutzen für sie eine zentrale Landesbibliothek hat, die Leistungen erbringen kann, die ein einzelner vor Ort nicht erbringen kann, und dementsprechend im Bibliotheksverbund eine riesige Aufgabe wahrnimmt.
Diese Aufgabe wird wahrgenommen. Man muss nur zur Amerika-Gedenkbibliothek hingehen, um zu sehen, wie von den kleinen Kindern bis hin zu den Seniorinnen und Senioren eine breite Schicht der Bevölkerung auf die Leistung angewiesen ist. Und sie nehmen diese Leistung dort wahr – die Medienausleihe und die Präsenz sind immer wieder steigend. Das ist ein riesiger Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis an ihre Leistungsgrenze gehen müssen, um diese Nachfrage zu erfüllen.
Das bedeutet auch, dass man sich, wenn man eine verantwortliche Bibliothekspolitik machen will, natürlich den Zustand der zentralen Landesbibliothek mit den unterschiedlichen Standorten, die wir jetzt haben, angucken muss. Herr Brauer hat die Debatte lange mitgemacht; das ist ja nicht irgendwie die verrückte Idee eines durchgeknallten Regierenden Bürgermeisters, der auf einmal eine neue zentrale Landesbibliothek haben will. Es gab den breiten Konsens, dort dringend etwas für das Bildungsangebot in dieser Stadt zu tun, und dementsprechend auch die Zusammenführung. Selbstverständlich ist dies eine Notwendigkeit, den Leuten mit modernster Technik, mit der neuen Mediensituation ein Angebot zu machen.