Protocol of the Session on May 8, 2014

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Aber morgen!]

Wie wir in der Anhörung im letzten Kulturausschuss erfahren konnten, werden positive Budgetergebnisse in der Regel von den Bezirken kassiert und verschwinden in anderen Verwaltungsbereichen. Wir alle wissen, dass das auch tatsächlich so in den Bezirken ist. Defizite müssen die Bibliotheken selber ausgleichen.

Es liegen genug Erkenntnisse vor, wie die Bibliotheken gesichert werden könnten. Bis 2010 wurde auf allen Ebenen versucht, dies auch umzusetzen. Es gab den Bericht der Expertenkommission. Es gab das sogenannte Olympiamodell. Leider ist dies am Widerstand des Rates der Bürgermeister und der Bezirke gescheitert.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Das ist an Wowereit gescheitert! – Weitere Zurufe]

Wie wir wissen, sind die Möglichkeiten des Landes aufgrund der Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung beschränkt – vielleicht ist das immer noch nicht bei Ihnen angekommen –, die Reform der öffentlichen Bibliotheken umzusetzen, die sich ja in der Trägerschaft der Bezirke befinden.

Nichtsdestotrotz ist die inhaltliche Struktur unserer bezirklichen Bibliotheken sehr gut, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen herausragende Arbeit.

[Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Ja, das finde ich auch einen Beifall wert. – Angefangen von den Stadtteilbibliotheken, in denen Kitagruppen erste Kontakte aufnehmen können, über die Schulbibliotheken zu den Stadtbibliotheken werden Hausaufgabenhilfen und Arbeitsplätze angeboten. Es gibt die Ausleihe von Medien, Ausstellungen und vieles mehr. Und wenn es um das

Lernen in der Oberstufe geht, um Ausbildung oder lebenslanges Lernen oder um Internationalität, dann brauchen wir die Zentral- und Landesbibliothek, dann kommen die Datenbanken und Archive der ZLB zum Zuge, die die gesamte Stadt mit Informationen versorgen. Dadurch wird klar: Wir brauchen dieses gut strukturierte Bibliothekssystem. Wir brauchen die Kiezbibliotheken, und wir brauchen die Zentral- und Landesbibliothek.

[Beifall von Renate Harant (SPD)]

Nun zum Bericht des Rechnungshofes. Offensichtlich hat der Rechnungshof den aktuellen Stand der Dinge nicht beachtet. Ich will nur auf einige Vorwürfe eingehen. Wie aus der ZLB zu hören ist, war bis heute niemand aus dem Rechnungshof in der ZLB, um sich mal genauer zu informieren. Die Feststellung des notwendigen Flächenbedarfs hat im Rahmen der Bedarfsprogrammerstellung im Jahr 2012/2013 stattgefunden und stellt für den geplanten Neubau eine grundsätzlich wirtschaftliche Planung fest. Die vergleichende Untersuchung der Standortvarianten kann aus der Nutzwertanalyse entnommen werden. Darin sind die Varianten systematisch geprüft. Und eigentlich muss man sich fragen, wie oft denn noch geprüft werden soll – das ist ja eigentlich das Unwirtschaftlichste.

Ich will ein weiteres Beispiel nennen: Der Rechnungshof nennt in seinem Bericht die Zahl von 56 000 Quadratmetern verfügbarer Fläche für den Standort Breite Straße. Die Breite Straße verfügt über 26 500 Quadratmeter. Wie der Rechnungshof mit den 4 000 Quadratmetern im Humboldt-Forum auf 56 000 Quadratmeter kommt, ist das Geheimnis des Rechnungshofs. Selbst wenn wir wollten, dass die Hanns-Eisler-Hochschule auszieht – was wir natürlich nicht wollen –, kämen wir nicht auf 56 000 Quadratmeter. Das allein zeigt schon, dass die Berechnungen, zumindest in Teilen, unseriös sind. Da muss der Rechnungshof noch einmal nachrechnen.

Wir investieren weiter in Bildung. Das ist gut angelegtes Geld für die ZLB. Wir brauchen die Bezirksbibliotheken und die ZLB. Wir wollen das politisch, und wir werden das auch schaffen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Stefan Schlede (CDU) und Joachim Luchterhand (CDU)]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Der Kollege Birk hatte um eine Kurzintervention gebeten, und ich erteile ihm das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Lange! Ich wollte nur die Geschichtsklitterung, die Sie hier betreiben, widerlegen. Ich kann mich sehr gut an die Beratungen im Ausschuss zum Olympiamodell für die Bezirksbiblio

(Brigitte Lange)

theken erinnern. Und es war der Regierende Bürgermeister, der wörtlich sagte: Ich gebe doch den Bezirken kein Geld dafür, dass sie ihren Aufwuchs für die Bezirksbibliotheken finanzieren. – Das Olympiamodell sah aber vor, dass es ein Fördermodell geben sollte, dass die Bezirke, die sich anstrengen, ihr Angebot zu erweitern, obendrauf gestaffelt Gelder vom Senat kriegen sollten. Dazu war der Regierende nicht bereit. Und daraufhin haben die Bezirke gesagt: Wenn das Olympiamodell von Senatsseite nicht eingelöst wird, dann können wir es von Bezirksseite auch nicht erfüllen. – Damit war das Olympiamodell tot. So war die Geschichte und nicht so, wie Sie sie dargestellt haben.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Frau Kollegin Lange! Sie haben das Recht zu erwidern. – Bitte schön!

Es ist richtig, dass wir diese Frage diskutiert haben. Aber, Herr Birk, Sie wissen doch genau, wie die Bezirke an ihren Bereichen festhalten, dass sie überhaupt nicht wollen, dass die Bezirksbibliotheken in eine andere Trägerschaft kommen. Wir haben ja alles versucht!

[Thomas Birk (GRÜNE): Wir haben es nicht versucht!]

Wir werden es auch weiter versuchen. Es ist nicht am Votum des Regierenden gescheitert, sondern am Rat der Bürgermeister, die die Bibliotheken in ihrer Obhut halten wollen. Wir haben ja noch weiter diskutiert. Wir haben über Eigenbetriebe diskutiert. Wir haben über Stiftungen diskutiert. Es war alles nicht möglich gegen den Rat der Bürgermeister.

[Beifall von Karlheinz Nolte (SPD)]

Danke schön, Frau Kollegin Lange! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Kollege Brauer. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lange! Frau Kapek! Es gab in den vergangenen Jahren eine ziemlich unheilige Täterallianz bei dem Versuch, die gehabten Strukturen möglichst zu erhalten und jeglicher Veränderung aus dem Weg zu gehen. Ich wäre da jetzt sehr vorsichtig mit einer sehr einseitigen und sehr eindimensionalen Ursachenzuweisung.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das waren mehrere, und wir können das so allgemein feststellen und durchaus eine lange Liste von Namen aufmachen: Die Ignoranz den öffentlichen Bibliotheken

Berlins gegenüber war und ist teilweise ziemlich parteiübergreifend.

Frau Kapek! Ich hatte es übrigens geahnt: Sie melden hier eine Diskussion zum Bibliothekskonzept an und wollen eigentlich über die ZLB reden.

[Antje Kapek (GRÜNE): Zwei Anträge!]

Richtig, aber Sie haben hauptsächlich über die ZLB geredet, und Sie haben auch noch erklärt, eigentlich wollen Sie nicht Äpfel und Birnen vermischen – und schmeißen dann noch Kartoffeln in die Obstpampe. Das fand ich ein bisschen merkwürdig.

Ich fange jetzt mal wirklich mit dem Bibliothekskonzept an. Ihr Antrag, den Sie eingereicht haben, erscheint uns ziemlich vernünftig. Er ist aber einigermaßen illusionär, denn wer die letzte Kulturausschusssitzung erlebt hat, wird wissen, dass diese Koalition und ihr Kultursenator – mit Verlaub, Herr Regierender Bürgermeister – im Moment an allem Möglichen interessiert sind, aber nicht daran, Empfehlungen von Expertenkommissionen umzusetzen. Erst recht nicht, wenn diese Empfehlungen sich mit Bibliotheksfragen befassen, und vor allem auch dann nicht, wenn damit in der Folge Arbeit, Abkehr vom gewohnten Trott und eventuell noch Ärger mit kommunalen Mandarinen der eigenen Parteien verbunden ist. Das will man dann gar nicht.

Und dann wird tatsächlich – pardon, aber ich bin dessen ziemlich überdrüssig, Frau Lange – die Endlosschleife der Zuständigkeitsdebatte gezogen. Der Bezirk sagt: Wir können nichts machen. Gebt uns mehr Geld! – Der Senat sagt: Wir sind ja gar nicht zuständig. Das ist der Bezirk! – Und so geht das immer hin und her. Wahrscheinlich werden wir dann irgendwann, selbst nach dem nächsten Gletscher, der sich in ein paar Tausend Jahren über diese Stadt schieben wird, wenn mal wieder eine Kaltperiode kommt, immer noch auf so einer Eisscholle sitzen und darüber reden, wer das Problem denn eigentlich lösen muss.

Ich meine, es bedarf dazu keiner zusätzlichen, neuen Kommission, sondern es würde ausreichen, den Bericht der Expertenkommission aus dem Jahr 2005 aus den Archiven zu holen, ihn noch einmal zu lesen und endlich ernst zu nehmen. Wir könnten dann Folgendes feststellen:

Erstens: Zusätzliche Finanzmittel müssten nicht in Größenordnungen in das System eingespeist werden. Es reicht, wenn die vorhandenen optimal gebündelt werden könnten.

Zweitens: Noch ist die in den Bibliothekseinrichtungen des Landes Berlin vorhandene Sach- und Fachkompetenz in Gestalt gut qualifizierten Personals vorhanden, aber diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten künftig nicht mehr zur Bedienung zweifelhafter Personaleinsparungsvorgaben missbraucht werden.

(Thomas Birk)

[Beifall bei der LINKEN]

Drittens: Es muss gewährleistet werden – und das betrifft jetzt die Bibliotheken und anderen Einrichtungen ähnlich wie Feuerwehr, Polizei, Justizvollzug und Lehrerschaft –, dass bei altersbedingtem Ausscheiden hinreichend qualifizierter Ersatz eingestellt werden kann.

[Beifall bei der LINKEN]

Dann würde man feststellen, dass das Netz der öffentlichen Bibliotheken Berlins – ich rede jetzt nicht von Fahrbibliotheken oder Schulbibliotheken, Frau Harant, das ist eine ganz andere Spielklasse. Hauen Sie das bitte auch nicht immer durcheinander! – zukunftsträchtig gestaltet werden kann auf der Grundlage solcher Empfehlungen. Bitte schön! Aber dann kommt man um Veränderungen in der Organisationsstruktur nicht herum, Herr Wowereit. Dann muss man das anfassen, allerdings sicherlich nicht par ordre du mufti. Das sind dann langwierige Kommunikationsprozesse, mit denen man beginnen muss. Wenn man dann einen Vorschlag macht – Sie waren ja schon mal fast an der Schwelle, diese Tür zu betreten – z. B. in Richtung eines gemeinsam getragenen – ich betone: gemeinsam getragenen und auch gemeinsam finanzierten – Bibliotheksbetriebes von Land und Bezirken, dann wäre da eventuell ein bisschen mehr Bewegung.

[Antje Kapek (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kapek?

Nein! Ich habe jetzt noch 30 Sekunden Redezeit. Frau Kapek! Das machen wir jetzt mal nicht. – Dann könnte man ein zukunftsträchtiges Modell entwickeln.

[Renate Harant (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ich wollte eigentlich noch einen Satz zur ZLB sagen, Frau Kapek, und das geht jetzt nicht nur an Sie: Ich finde es bemerkenswert, mit welcher Konsequenz in den letzten Monaten auch in diesem Hause eines der wichtigsten Zukunftsprojekte dieser Stadt systematisch zerschossen und versenkt wird. Ich finde, das ist eine Schande – eine Schande für den Senat, aber nicht unbedingt nur für ihn allein.

[Beifall bei der LINKEN]

Das ist auch eine Schande für dieses Haus. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Kollege Brauer! Die Kollegin Harant hat auch noch eine Frage. Ich sage noch mal ausdrücklich: Das wird nicht auf die Redezeit angerechnet.