Protocol of the Session on May 8, 2014

Das bedeutet auch, dass man sich, wenn man eine verantwortliche Bibliothekspolitik machen will, natürlich den Zustand der zentralen Landesbibliothek mit den unterschiedlichen Standorten, die wir jetzt haben, angucken muss. Herr Brauer hat die Debatte lange mitgemacht; das ist ja nicht irgendwie die verrückte Idee eines durchgeknallten Regierenden Bürgermeisters, der auf einmal eine neue zentrale Landesbibliothek haben will. Es gab den breiten Konsens, dort dringend etwas für das Bildungsangebot in dieser Stadt zu tun, und dementsprechend auch die Zusammenführung. Selbstverständlich ist dies eine Notwendigkeit, den Leuten mit modernster Technik, mit der neuen Mediensituation ein Angebot zu machen.

Es gibt viele Menschen in dieser Stadt, die darauf angewiesen sind, weil sie sich nicht eine Zeitung oder eine Zeitschrift im Abonnement leisten können. Sie sind darauf angewiesen, weil sie selbst nicht die IT-Ausstattung für sich zu Hause haben, sondern in die Bibliothek gehen, um das zu nutzen. Sie sind darauf angewiesen, weil sie sich ihre Fachliteratur nicht einfach kaufen oder bestellen und nach Hause liefern lassen können. Dafür sind Bibliotheken da, und natürlich auch für die Kinder- und Jugendbildungsarbeit.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Dies muss verantwortlich gemacht werden. Verantwortung bedeutet, auch dort Verantwortung wahrzunehmen,

(Philipp Magalski)

wo sie von der Verfassung hingegeben worden ist. Jetzt kann man sich darüber streiten, ob das sinnvoll ist. Der Senat hat zur Kenntnis zu nehmen, dass wir eine Verfassung von Berlin haben, aber nicht im Maßstab eines „L’État, c’est moi“, sondern darin, dass Bibliotheken originär wie die Volkshoch- und Musikschulen in die Zuständigkeit der Bezirke gehören. Und im Rahmen der Globalsumme bekommen sie nicht vom Senat oder vom Regierenden Bürgermeister, sondern letztendlich mit dem Haushaltsgesetz, das Sie hier beschließen, die Zuwendungen. Die Zuweisung der Globalsumme bedeutet, dass sie das vor Ort selbst verwalten können. Deshalb ist es richtig, wenn Leute protestieren, wenn eine bezirkliche Einrichtung geschlossen wird. Ja! Sie müssen sich mit dem Bezirksamt, mit der BVV auseinandersetzen. Dort ist die Verantwortung, und dort muss sie auch wahrgenommen werden. Oder wir ändern hier gemeinsam die Verfassung und zentralisieren die Angelegenheit. Dann kann man das machen, dann stelle ich mich auch dieser Verantwortung, und dann bin ich verantwortlich dafür, ob eine Filiale geschlossen wird oder nicht. Aber solange die Verantwortung beim Bezirk liegt, müssen es der Bezirksbürgermeister oder die Bezirksbürgermeisterin und die Parteien machen, die das zu vertreten haben. – Das ist nun einmal die Realität in unserer Stadt, und daran führt kein Weg vorbei.

[Beifall bei der SPD – Zuruf von den GRÜNEN]

Ich habe auch als Fachpolitiker keine Bedenken dagegen, wenn Sie die Globalsumme erhöhen und vor allen Dingen noch eine Zuweisung und eine Festschreibung machen, dass das nur für die Bibliotheken ausgegeben werden darf. Damit habe ich überhaupt kein Problem. – Der Kollege Czaja nickt schon. Für seine Bereiche würde er das auch gerne haben. – Aber dann sprengen Sie Ihr Globalsummensystem, das wir hier eingeführt haben, und man muss sagen: Ok, wir geben es auf! – Bitte! Das wäre die Entmachtung der Bezirke; und das kann man haben, wenn man das so will. Mich wundert nur, dass gerade die Grünen das so fordern. Das wundert mich, und das ist eben diese Pharisäerhaftigkeit, hier zu sagen, es müsse zentralisiert werden, und sich im Bezirk gegen alles zu sträuben, was vom Senat vorgegeben wird.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Birk?

Bitte!

Bitte, Herr Birk!

Herr Wowereit! Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Festschreibung der Vollzeitäquivalente für die Bezirke auf 20 000 hier von der rot-schwarzen Mehrheit beschlossen wurde und in den Bezirken Bibliotheksstandorte wie zum Beispiel in Kreuzberg geschlossen werden müssen, weil das Personal abgebaut werden muss, obwohl teilweise das Geld vorhanden ist?

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Birk, dass der Bezirk im Rahmen der Globalsumme oder der Beschlusslagen dieses Abgeordnetenhauses seine Entscheidungsfreiheit hat!

Das ist genau dasselbe wie hier: Auch hier können wir keinen Wunschhaushalt aufstellen. Das ist doch die Auseinandersetzung bei Haushaltsberatungen: Wo geht das Geld hin? – Wenn wir das nach den Anmeldungen der Fachressorts machen würden, hätten wir nicht nur 22 Milliarden Euro Etat, sondern 42 Milliarden Euro. Diese Auseinandersetzung führen wir hier mit einer lebhaften Debatte, und die muss im Bezirk genauso geführt werden. Ich war elf Jahre lang zuständig für eine Stadtbibliothek in Tempelhof und habe dafür gekämpft und gesorgt, dass es dieser Bibliothek gut gegangen ist. Das habe ich auf meine Kappe genommen, und das musste ich verantworten. Ich habe es gerne verantwortet, und insofern weiß ich auch, wovon ich hier spreche. Den Mut, Prioritäten zu setzen, muss jemand vor Ort haben, und man darf nicht immerzu schreien: Der Senat oder das Abgeordnetenhaus geben uns nicht genug Geld! – Dieses Spiel ist in Berlin zwar populär, aber es funktioniert nicht.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Zu unserer Verantwortung gehört es natürlich, dass wir, wenn wir die Entscheidung getroffen haben – und ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Brauer, dass er zu dieser Entscheidung steht –, uns klar zu einem Neubau der zentralen Landesbibliothek bekennen. Dies ist hier Konsens gewesen. Frau Kapek hat gesagt, es sei ja unglaublich, was wir hier bauten. Anschließend aber hat sie gesagt, wir sollten im Kostenrahmen bauen. Also, was wollen Sie nun eigentlich? Wollen Sie eine zentrale Landesbibliothek als Neubau haben, oder wollen Sie sie nicht haben? – Das habe ich bei Ihrer Rede nicht verstanden, auch nicht, was Sie zur Frage Tempelhof insgesamt gesagt haben. Damit kann man sich auch durchwursteln, aber das ist keine klare Positionierung!

[Beifall bei der SPD]

Der Senat und die Mehrheit in diesem Haus haben sich eindeutig für einen Neubau ausgesprochen. Der Senat hat sich für einen Standort entschieden. Ich kann auch verstehen, dass manche gern einen anderen Standort haben

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

würden, und ich bin immer dabei gewesen zu sagen: Wenn ich einen Neubau mache, kann ich ihn auch an anderer Stelle als der jetzt vorgesehenen machen. – Die Frage ist nur, ob das sinnvoll ist, und nach der Abwägung haben wir uns für den Standort in Tempelhof entschieden, weil er sehr gut erreichbar ist und die Voraussetzungen schafft, um das umzusetzen, was – auch unter einem erheblichen Mitteleinsatz – eine neue Bibliothek leisten soll. Dies ist auch hin und her abgewogen worden. Es wird hier so getan, als ob alle nach dem Rechnungshofbericht aus den Wolken fielen. Nein! Wir haben das in mehreren Ausschusssitzungen und im Plenum über Jahre miteinander diskutiert. Die Forderung des Rechnungshofs, eine verlässliche Kostenplanung abzugeben, können Sie erst erfüllen, wenn Sie einen Architekten und einen Entwurf haben. Dann können Sie eine verlässliche Kostenplanung abgeben, und, wie wir wissen, ist dann auch das noch nicht endgültig verlässlich. Aber in diesem Stadium sind wir überhaupt noch nicht, und deshalb sind die 270 Millionen Euro immer eine grobe Schätzung der zuständigen Fachverwaltung, nicht der Kulturverwaltung gewesen. Sie berechnet sich immer nach angenommenen Quadratmeterpreisen, und entsprechend hängt sie mit der Quadratmeterzahl zusammen, die sich dann daraus ergibt. Wenn Sie die Berechnungen gesehen haben, haben Sie festgestellt, dass sie fast immer gleich waren, weil man ja nicht weiß, wie die Architektur eines Baus an anderer Stelle ist, beispielsweise der Umbau eines Bestandsgebäudes oder am jetzigen Standort. Deswegen kommen Sie auf diese ähnlichen Schätzungen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ich glaube, das wird dann zu lang! – Wir haben jetzt die Situation, dass die Bibliothek ein Bedarfsprogramm abgegeben hat. Selbstverständlich geht sie dabei nach ihren Bedingungen und Voraussetzungen. Ich unterstelle auch erst einmal, dass eine Bibliothek nicht so herangeht und sagt: Wenn wir schon so einen Riesenneubau bekommen, dann machen wir alles ganz klein-klein und verschlechtern uns im Vergleich. – Deshalb sind der Bestand, wie er vorhanden ist, und die Analyse, was ich brauche, entscheidend für das Bedarfsprogramm. Da hat es zwei Veränderungen gegeben: einerseits die 4 000 Quadratmeter, die im Humboldt-Forum neu geschaffen werden. Die müssen natürlich von dem Bedarf abgezogen werden. Und es hat in der Tat nach der Analyse der Kostensituation den Wunsch der Fachabteilung, die ihn bauen soll, gegeben, das Bedarfsprogramm zu reduzieren. Da ist die Bibliothek herangegangen und hat die Quadratmeter reduziert und noch einmal geguckt, wie das geht. Das kann man ihnen, glaube ich, nicht vorwerfen, und das ist auch kein Chaos, sondern dem Gedanken geschuldet, was wir jetzt als Beitrag tun können.

Trotzdem sage ich an dieser Stelle, was ich schon im Ausschuss gesagt habe und was auch schon zitiert wurde: Da gibt es natürlich Grenzen; sonst macht dieser Neubau keinen Sinn. Wenn das schlechter als bisher wird, dann brauchen wir ihn tatsächlich nicht. Wenn aber der Architekt X, der den Zuschlag bekommen wird, tolle Lösungen hat und Flächen schafft, die nicht viel Geld kosten, dann ist das wunderbar. Dann reduzieren sich die Aufwendungen. Das kann heute keiner wissen oder keiner verlässlich sagen. Dementsprechend wird dann eine Betrachtung insgesamt des Kostenrahmens und der Kostenschätzung an dem konkreten Modell kommen müssen. Soweit sind wir überhaupt noch gar nicht. Wir haben dort noch zwei Architekten, die gerade dabei sind, ihre Entwürfe zu überarbeiten und dann zu präsentieren. Dann muss eine Entscheidung getroffen werden. Keiner im Senat hat ein Interesse daran, daraus ein Millionengrab zu machen oder hier Kostensteigerungen ohne Ende haben zu wollen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das war beim Flughafen auch so!]

Aus Sicht einer Fachverwaltung sage ich Ihnen einmal: Wir sind nicht in der Lage, dies zu beurteilen. Das müssen uns die Fachleute sagen. Wenn Sie uns sagen, dass es aufgrund der Vorschriften so oder so ist und die und die Maßnahmen vorgenommen werden müssen – es geht ja nicht um Bibliotheksregale, sondern um harte Vorschriften mit Sprinkleranlage und ähnlichem –

[Christopher Lauer (PIRATEN): Brandschutz!]

Entrauchungen beispielsweise, Brandschutz TGA. Wir wollen hoffen, dass es nicht brennt. Es kann aber natürlich geschehen. Insofern gibt es Vorgaben, die auch eine Fachverwaltung nicht einfach beiseiteschieben kann. Daraus ergibt sich ein Kostenrahmen für eine Bibliothek in diesem Maßstab mit diesem Flächenbedarf.

Dann muss natürlich der Haushaltsgesetzgeber entscheiden – nicht der Regierende Bürgermeister, nicht die Kulturverwaltung oder Herr Heller von der ZLB allein entscheidet, was solch ein Ding kosten kann, und dann wird es jenseits von allen Beschlusslagen gebaut –, auch in Abwägung zu anderen Maßnahmen muss er seine Prioritäten setzen und seine Entscheidungen treffen. Diese Entscheidung wird noch kommen. Diese Mittel sind im Haushaltsplan überhaupt noch nicht vorgesehen, sondern in der Finanzplanung. Das kann man uns nicht vorwerfen. Es wird nachweisbar sein.

Wir haben ein großes Interesse daran, dass sich die Kosten im Rahmen bewegen. Wir haben aber auch ein Interesse und ein klares Bekenntnis zu der Grundidee, dass die ZLB einer dringenden Verbesserung bedarf, und zwar nicht, um irgendeinen Prestigebau zu produzieren, sondern für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, und zwar für alle Einkommensschichten, die es dringend notwendig haben, ein Bildungsangebot für alle vorzufinden.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Beifall bei der SPD – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Nach § 64 Abs. 7 Satz 1 hat nun jede Fraktion noch einmal die Möglichkeit, bis zu fünf Minuten zu reden. Es würde die Fraktion der Grünen beginnen. – Bitte sehr, Frau Kapek!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich tue gern etwas für Ihre Bildung, Herr Regierender Bürgermeister!

[Unruhe bei der SPD]

Das mache ich gern. Sie haben das gerade eingefordert: Es soll auch Bildung für die Einkommensärmeren geben.

Ich erläutere Ihnen gern unsere Position noch einmal. Sie besteht erstens darin, dass wir für eine Zusammenführung der ZLB-Standorte in Berlin an einem Standort sind. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zweitens muss ich Sie nicht über Ihre Rahmenkompetenzen aufklären. Selbstverständlich liegen die Bezirksbibliotheken in den Kompetenzbereichen der Bezirke. Aber Sie haben doch eine Rahmenkompetenz.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Herr Wowereit! Hören Sie doch einmal zu!]

So lange Ihr Lieblingsprojekt ZLB bis heute nicht in einem Verhältnis zu den Bezirksbibliotheken definiert ist, können Sie sich doch hier nicht einen so schlanken Fuß machen und so tun, als würde Sie das gar nichts angehen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich komme einmal zum Wesentlichen: Es geht nicht darum, dass Berlin keine neue Bibliothek bauen kann. Es geht darum, dass man sich zunächst überlegt, was benötigt wird, wohin es gebaut wird, wie groß es sein und vor allem, was es kosten soll, wenn man ein solches Projekt angeht. Ganz ehrlich, Herr Wowereit, ich habe heute eines verstanden. Ich habe verstanden, warum es am BER nichts werden kann, wenn Sie der Meinung sind, dass die Architekten den Preis bestimmen und nicht derjenige, der das Haus baut. Dann kann das nichts werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Ich hab vorhin den Vergleich zu dem Hausmann, der sich den Anzug kaufen will, angestellt. Vielleicht war das zu weit gegriffen. Ich mache es einfacher. Wenn eine Person ein Haus bauen will, überlegt sie sich erst einmal, wie viel Geld sie hat. Dann holt sie sich Angebote ein, wie viel von diesem Geld realisiert werden kann – und nicht umgekehrt. Ihre Antwort im letzten Kulturausschuss: Wir

wissen nicht, was es kostet. Wir haben auch keine Unterlagen. Wir haben noch nicht einmal Entwürfe. Am Ende müssen wir warten, bis das Haus gebaut ist, dann können wir sagen, was es kostet. Das zeigt, warum Berlin international an Ruf verloren hat und warum das hier finanziell den Bach hinunter geht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich glaube, es ist der ZLB auch nicht vorzuwerfen. Im Gegenteil, es ist sogar vernünftig, dass sie sich endlich einmal überlegt, welches Bedarfsprogramm sie überhaupt braucht. Dass aber die Fläche reduziert wird, zunächst von 67 000 auf 60 000 Quadratmeter und dann noch einmal um 10 000 Quadratmeter, sich aber am Preis überhaupt nichts ändert, das ist der Punkt, der nicht nachvollziehbar ist.

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Doch!]