Protocol of the Session on March 20, 2014

[Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) und Dr. Manuela Schmidt (LINKE) – Weitere Zurufe von den LINKEN]

Ja, wir müssen gemeinsam mit allen Bundesländern die Diskussion über eine Fortentwicklung der diagnoseorientierten Fallpauschalen führen, die Herr Albers zu Recht von ihrer Wirkung her skizziert hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Ich gestatte überhaupt keine Zwischenfragen! – Die Fallpauschalen ermöglichen ja inzwischen, dass man mit der Krankenversorgung Geld verdienen kann. Sie erwirken ein Kostensparen auf Kosten der Beschäftigten. Um dem entgegenzuwirken, fehlen derzeit Leitplanken im Bereich der Pflege.

Ich darf daran erinnern, dass der Organisationsgrad der Beschäftigten in der Altenpflege nur bei 5 Prozent liegt. Nur 20 Prozent der Pflegefachkräfte sind gewerkschaftlich organisiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren in den Einrichtungen des Gesundheitswesens! Die SPD appelliert an Sie: Treten Sie in die Gewerkschaften ein! Machen Sie mit

[Zurufe von der LINKEN]

bei der Durchsetzung Ihrer legitimen Interessen, und spiegeln Sie die Debatte hier im Parlament mit dem, was Sie tariflich vereinbaren können, wenn Sie sich organisieren. Da, wo tarifrechtliche Regelungen nicht so leicht möglich sind wie im Bereich der kirchlichen und konfessionellen Einrichtungen, da sind wir ebenfalls auf ihrer Seite, um Ihre Interessen dort zu stärken. Machen Sie mit für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der LINKEN]

Natürlich könnte man im Rahmen von tarifrechtlichen Regelungen ebenfalls Personalbemessungsregelungen kodifizieren. Aber ich sage ganz klar: Solch einen Flickenteppich wollte die SPD auch nicht. Eben weil es dort ein Manko der Ausgestaltung lediglich durch Tarifverträge gibt,

[Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

brauchen wir hier die Schutzmacht der Parlamentarierinnen und Parlamentarier

[Christopher Lauer (PIRATEN): Schutzmacht? NATO-Einsatz! – Zurufe von der LINKEN]

für die Patientinnen und Patienten und auch für die Beschäftigten.

Ganz klar, die DRGs müssen qualifiziert werden, und der Bundeskoalitionsvertrag sieht diesen Weg vor. Darin ist auch vorgesehen, sich über Notfallvorhaltekosten zu unterhalten, über die besondere Betrachtung derjenigen Patientinnen und Patienten, die multimorbid sind.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Multimoabit?]

Da gibt es Mehraufwand, der ist abzubilden, schon jetzt in den Fallpauschalen. Krankenhäuser, die das dann nicht umsetzen mit dem so ermittelten Personal, müssten dann auch sanktioniert werden. Es kann nicht sein, dass die Krankenhäuser von den Krankenkassen das gleiche Geld bekommen unabhängig von der Frage, ob sie soziale Standards oder ob sie Pflegestandards im Bereich der Personalbemessung umsetzen. Die SPD und die Union auf Bundesebene wollen das ändern und das als Bewertungsgrundlage bei den Vergütungsverhandlungen einführen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ja, und wir werden als SPD sehen, ob das reicht. Ich bin pessimistisch. Wir werden diesen Weg versuchen müssen zu gehen. Vielleicht ist es ja schon der erste Schritt. Aber ich stimme Ihnen zu, wir werden auch – das ist Beschlusslage der SPD auf Bundesebene – über weitergehende gesetzliche Regelungen bei der Personalbemessung nachdenken müssen. Aber das in den jetzigen vergütungsorientierten Fallpauschalen sanktionsfähig zu

machen, muss der erste Schritt sein. Wir brauchen eine neue Relevanz des Personals, der Humanität in den Krankenhäusern. Auf Kosten der Beschäftigten ist kein gutes Gesundheitswesen zu machen. Die SPD ist bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen und bei den Patienten. Beide brauchen einander. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt dem Kollegen Thomas das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe auch einige Zahlen vorbereitet. Die spare ich mir. Herr Albers! Ich will Ihre Zahlen unterstützen. Ich will darüber hinaus deutlich machen, was wir aber auch tun: Wir haben vor anderthalb Jahren eine Auseinandersetzung über einen vermeintlichen Skandal an der Charité, in der Neonatologie, gehabt. Ich war dort, habe damals mit den Pflegekräften gesprochen. Ich habe total verunsicherte Pflegekräfte vorgefunden, die eine Wand eingerichtet hatten, die hieß „Mutmachwand“. Dort hatten sie die positiven Reaktionen von Müttern und Vätern, die gesagt haben: Leute, ihr macht einen guten Job! Wir brauchen das! – angepinnt. Ich glaube, wir müssen nicht nur in Richtung Bund gucken, sondern wir müssen uns noch intensiver Zeit nehmen, müssen auch nach Berlin gucken. Dafür tragen wir Verantwortung, auch wir in diesem Abgeordnetenhaus Wir Gesundheitspolitiker haben dort agiert. Ich glaube, es ging noch, aber wir müssen da sehr dringend aufpassen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Fakt ist aber: Die Leidensfähigkeit der Pflegenden grenzt an Selbstaufgabe. Ein „Es ist noch immer gut gegangen“ darf es aus meiner Sicht in der Pflege nicht mehr länger geben. Deshalb, Herr Albers: Ja! Ihr Antrag ist richtig. Er ist ein willkommener Anlass, über diese Frage zu diskutieren. Aber das, was ich bisher gehört habe, lieber Kollege Isenberg, Herr Albers, das reicht mir in diesem Parlament nicht. Auch wenn wir hier manchmal vielleicht sehr allgemein reden – das reicht nicht.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Lassen Sie uns ein bisschen konkreter werden! Herr Albers! Sie haben einen Antrag vorgelegt, der den Weg Ihrer Bundestagsfraktion vorschlägt. Aber er ist bewusst viel später gekommen und auch deutlich vager, weil Sie genau wissen, dass das, was Sie vorschlagen, extrem lange dauern wird. Auch wird er tatsächlich eher Probleme schaffen. Ich sage nicht, dass da keine Ideen drin seien und dass wir nicht irgendwann dahin kommen müssten. Wir sollten uns aber ein bisschen mehr Zeit für

die Frage nehmen, was unsere Vorschläge sind und womit Herr Czaja in den Bundesrat gehen soll. Und da sage ich: Ich bin überhaupt noch nicht fest entschieden, was der richtige Weg ist. Ich würde aber gerne beispielsweise darüber nachdenken, ob die alte Pflegebedarfsregelung, – die 1994 das letzte Mal angepasst und danach abgeschafft worden ist, aber sehr wohl noch Relevanz hat, weil sie immer noch in vielen Krankenhäusern die Grundlage der Budgetierung ist – sehr schnell noch einmal angepasst werden sollte, und zwar auf einem Niveau, das tatsächlich die Situation der Pflege in den Krankenhäusern widerspiegelt. Aber ich bin sehr offen in der Diskussion, und insofern bin ich sehr daran interessiert, was wir im Ausschuss noch zu diskutieren haben.

Wir werden dem Antrag zustimmen. Es ist aber so, wie die Kollegin Breitenbach immer sagt: Er ist von zeitloser Schönheit, und er geht in die richtige Richtung. – Insofern werden wir ihm folgen. Aber das wird nicht reichen. Ich will ein paar Stichpunkte nennen, über die in der Berliner Situation zu reden wir uns Zeit nehmen müssen: Wir brauchen beispielsweise die Verankerung der Patienten und des Patientenpflegemanagements in der Person der Pflegedirektorin im Vorstand der Charité. Was hindert uns daran? Die Intensivierung der Pflegewissenschaft in Berlin – niemand hindert uns daran. Auch wenn es beispielsweise durch Strukturveränderungen in der Rettungsstelle der Charité – Sie haben es angedeutet – tatsächlich mit Pflegekräften zu einer besseren Versorgung und zu Einsparungen gekommen ist, sind die Mittel nicht bei den Pflegekräften angekommen. Das sind alles Sachen, die uns interessieren.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir werden intensiver als bisher über eine Pflegekammer in Berlin diskutieren müssen. Wir brauchen Klarheit in der Pflegeausbildung. Ich bin dafür, eine durchlässige, modulare, zeitgeneralisierte Ausbildung zu organisieren.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich bin der Meinung, wir brauchen 20 Prozent akademisch ausgebildete Pflegekräfte, wie uns das der Wissenschaftsrat empfohlen hat. Was wir garantiert nicht brauchen, Herr Czaja, sind noch mehr Hochglanzbroschüren und ganzseitige Anzeigen. Im Arbeitszeugnis steht sonst der Satz: Er bemühte sich redlich und kam stets pünktlich. – Das reicht nicht!

Ich will die Zeit aber auch nutzen, denn heute und morgen verabschieden wir die alte Pflegedirektorin an der Charité, Frau Francois-Kettner. Ich kann nur sagen: Ich bedaure es sehr, wie ihre momentane Stimmung, ihre momentane Einschätzung ihrer geleisteten Arbeit ist. Aus meiner Sicht hat sie einen guten Job gemacht. Die Probleme, die sie hatte, sind alle hausgemacht und zu einem Großteil hier im Haus entschieden worden. Ich danke ihr auf jeden Fall herzlich und aufrichtig für ihre Arbeit, freue mich aber auch auf die Zusammenarbeit mit Frau

(Thomas Isenberg)

Möhlenkamp, die aus meiner Sicht einen guten Ansatz hat, den wir als Grüne sehr unterstützen werden.

Herr Isenberg! Nicht nur Ihre Fraktion und Partei steht an der Seite der Pflegenden. Seien Sie sicher – wir auch.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Kollege Thomas! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Ludewig das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem man so vielen Worten von Herrn Dr. Albers zuhören durfte, hätte man einen Antrag erwartet, der wenigstens ein differenziertes oder konkretes Lösungskonzept enthält. Vielleicht hatten nicht alle Kollegen die Gelegenheit, diesen Antrag zu lesen. Deshalb zitiere ich kurz:

Der Senat wird angesichts der aktuellen Tarifauseinandersetzung an der Charité aufgefordert, sich auf der Bundesebene umgehend für eine gesetzliche Regelung zur personellen Mindestbesetzung auf den Stationen in den Krankenhäusern einzusetzen.

Das war es schon! Ich kann Ihnen nur sagen: Im Bereich Schaufensterantrag, Populismus und Propaganda können Sie damit vielleicht durchkommen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Einer Opposition täte es aber ganz gut, wenn sie wenigstens ein differenziertes Lösungskonzept präsentieren würde. Ein-Satz-Anträge helfen unserer Stadt und bei diesem Problem nicht weiter. Was diese Stadt und das Gesundheitswesen brauchen, sind keine Schaufensteranträge, sondern reale Lösungsansätze.

[Uwe Doering (LINKE): Dann machen Sie mal!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Grundsätzlich keine! – Die Grundintention Ihres EinSatz-Antrages teilen wir ja. Aber Ihr Antrag kommt zu spät und ist inhaltlich, bei aller Liebe, nichtssagend. Die komplexen Diskussionen – und das wissen Sie, Herr Dr. Albers – in dieser Materie laufen bereits, und wir unterstützen die ersten Schritte auf Bundes- wie auf Landesebene nachdrücklich.

Drei Beispiele: Erstens, Finanzierung: Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene hebt hervor, dass eine stärkere Berücksichtigung der Personalkosten insbesondere im Bereich Pflege bei der Kalkulation erfolgt. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Krankenhäuser ihr Personal aufbauen und bezahlen können.

Zweitens, Personalausstattung: Mit der neuen Koalition auf Bundesebene wird das Thema endlich im Gleichklang mit den Ländern angegangen. Eine Bund-LänderKommission – und wenn Sie, Herr Albers, die Zeitung lesen oder sich auf Bundesebene umhören würden, wüssten Sie das – wird genau in diesen Wochen unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Ziel eingesetzt, eine Lösung für die Krankenhausfinanzierung und für die Personalzumessung zu finden.

Drittens, Landesebene – Herr Dr. Albers, vielleicht hören Sie einmal zu, bevor Sie Ihre Kurzintervention anmelden –:

[Zurufe von der LINKEN]

Auch auf der Landesebene gibt es bereits Vorgaben zur quantitativen und qualitativen Personalausstattung. So wird der Versorgungsauftrag abteilungsbezogen an die Erfüllung des Facharztstandards geknüpft. Auch bei der Erarbeitung des Krankenhausplans 2016 sind Arbeitsgruppen eingesetzt, die weitere Möglichkeiten der Festlegung der Personalausstattung, beispielsweise in der Notfallversorgung, Intensivmedizin oder Geriatrie prüfen.