Protocol of the Session on February 20, 2014

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Radziwill! Wenn man die halbe Parlamentsdokumentation vorliest, dann provoziert man natürlich Fragen wie die von Herrn Herberg nach dem, was im Hauptausschuss passiert ist. Damit muss man dann leben. Aber ich finde es eigentlich viel schlimmer, dass die CDU heute zu diesem Thema gar nicht reden will, sich wegduckt, wo es sich doch offen

sichtlich um eine Wahlprogrammforderung dieser Partei zu handeln scheint. Dafür fehlt mir eine Erklärung. Ich würde sagen, melden Sie sich noch, und sagen Sie etwas dazu. Dazu sind wir hier.

Mobilität, das ist eine Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Das gilt gerade in einer Metropole wie Berlin. SPD und CDU ist das anscheinend nicht wichtig. Es ist ihnen nicht wichtig, ob Menschen, die ALG II beziehen, ihr Grundrecht auf Mobilität und Teilhabe tatsächlich wahrnehmen können. Anders ist nicht zu erklären, dass der Senat die letzte Preiserhöhung für das Sozialticket bewilligt hat und dass die Koalition hier im Hause dem auch noch zugestimmt hat. Das ist und das bleibt falsch.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Zugestimmt hat die Koalition aus SPD und CDU, obwohl die BVG von dieser Preiserhöhung noch nicht einmal profitiert hat. Die hat nichts davon, nur der Senat selbst kann etwas in seinem Staatssäckel behalten, denn der Senat muss durch die Erhöhung des Preises beim Sozialticket weniger Zuschüsse an die BVG leisten. Das nenne ich Kosten sparen auf dem Rücken der Menschen, für die 2,50 Euro eben doch den Unterschied machen. Das ist nicht der richtige Weg für Berlin. Aus diesem Grund ist es gut, dass wir heute hier dank des Antrags der Piratenfraktion erneut über das Thema soziale Mobilität reden.

Der Antrag benennt schon im Titel klar das Problem, nämlich dass Berlin ein Sozialticket braucht, das den Namen auch verdient. Mit der Forderung eines bezahlbaren Preises geht der Antrag auch in die richtige Richtung. Aus das sei ganz klar gesagt. Es kann nämlich nicht sein, dass das Sozialticket über 10 Euro mehr kostet, als im Regelsatz für ALG-II-Empfänger für Mobilität zur Verfügung steht.

Über diese richtige Erkenntnis hinaus benennt der Antrag einen weiteren wichtigen Punkt: Wir brauchen valide Daten. Das ist eine wichtige Forderung, denn wir halten es z. B. durchaus für denkbar und vernünftig, Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld einen Anspruch auf vergünstigte Tarife bieten zu können. Dazu muss jedoch bekannt sein, welche Kosten auf die Verkehrsbetriebe und auf das Land Berlin zukommen.

Allerdings wirft der Antrag an anderer Stelle mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Es ist von Frau Radziwill schon angedeutet worden. Der geforderte Preis scheint sich z. B. nur am Preis von vor zehn Jahren zu orientieren. Das passt, ehrlich gesagt, nicht zum Rest des Antrags. Und das Sozialticket soll bei geringeren Einkommen greifen. Was das aber genau meint, das wurde im Antrag nicht definiert und ist auch leider in den Beratungen nicht nachgearbeitet worden.

Daher werden wir uns heute hier zu diesem letztlich unausgereiften Antrag enthalten und einen eigenen

Vorschlag vorbereiten und ausarbeiten, denn – und das sei abschließend gesagt – das Thema Mobilität für alle, bezahlbare Mobilität, bleibt in dieser Stadt nach wie vor ungelöst. Daran sollten wir, daran sollte aber insbesondere der Senat endlich arbeiten, statt sich im Halbjahrestakt für Fahrpreiserhöhungen stark zu machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Gelbhaar! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Zu dem Antrag empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Piraten bei Enthaltung von Grünen und Linke die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Das sind Linke und Grüne. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die Tagesordnungspunkte 15 bis 18 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe jetzt auf

lfd. Nr. 19:

Stadtentwicklungsplan Wohnen – qualifiziert und sozial

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt vom 29. Januar 2014 Drucksache 17/1439

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0269

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Für die Grünen spricht die Kollegin Schmidberger. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich anfange, würde doch darum bitten, dass der Stadtentwicklungssenator hier anwesend ist. Der StEP Wohnen ist eigentlich sein Projekt, insofern fände ich das sehr nett.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich sehe schon den Senatssprecher mit Riesenschritten davoneilen.

Der Senator hat soeben den Saal betreten. Jetzt können Sie loslegen, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Müller! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schnell, schnell, schnell, das war das Motto des Senats beim Erstellen des StEPs Wohnen. So schnell wie möglich sollte der neue Stadtentwicklungsplan Wohnen fertig werden, damit die Wohnungswirtschaft endlich Planungssicherheit bekommt. Mit diesem Totschlagargument wurde jede Forderung nach einer umfassenden Erarbeitung dieses Planungsinstruments abgeschmettert. Und genau mit diesem Argument haben Sie unseren Antrag abgelehnt. Ich frage Sie aber: Wo ist er denn nun, Ihr StEP Wohnen? Es gab keine einzige Sitzung des Begleitkreises zum StEP, in der man nicht betonte, dass man spätestens, allerspätestens im Dezember 2013 den Beschluss bräuchte, damit es endlich losgehen könne mit dem Wohnungsbau. – Dafür hätten Sie aber spätestens im Herbst des vergangenen Jahres dem Abgeordnetenhaus etwas vorlegen müssen. Haben Sie aber nicht. Stattdessen sind wir ein halbes Jahr weiter, und Herr Müller ist weiterhin allein zu Haus.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben jetzt Ende Februar 2014, und da fragen wir uns natürlich alle, was aus diesem Plan geworden ist. Wo ist der StEP Wohnen? Warum liegt er nun nicht vor? Man hört ja so: Der Herr Finanzsenator könne sich nicht entschließen, dem StEP Wohnen seine Mitzeichnung zu geben. Aber wer macht denn hier eigentlich die Stadtentwicklungspolitik im Land Berlin?

[Michael Schäfer (GRÜNE): Keiner! – Ramona Pop (GRÜNE): Nußbaum!]

Wir hätten uns den Zeitdruck doch sparen können und in Ruhe einen StEP erarbeiten können, von dem die Stadt wirklich profitiert, einen StEP, der mehr als reine Ankündigungspolitik ist. Wir hätten einen StEP Wohnen erarbeiten können, der ein verlässliches Instrument zur Umsetzung von Wohnungsbau in Verbindung mit mietrechtlichen und städtebaulichen Maßnahmen ist und mehr leistet, als nur den Status quo zu beschreiben, der auch aus den Schwächen der vorherigen Stadtentwicklungsplänen lernt und vor allem eine Evaluation beinhaltet. Nichts davon, wir hatten ja keine Zeit! Deshalb haben Sie auch keine genauen Potenzialanalysen von Bauflächen erstellt. Auch haben Sie die Chance verpasst, eine detaillierte Abstimmung mit allen Bezirken vorzunehmen. Auch dafür gab es ja offenbar keine Zeit. Gerade die Bezirke hätten aber Ihren StEP Wohnen noch qualifizieren können. Sie haben nämlich teilweise ganz andere Flächen für den Wohnungsbau benannt. Und ein StEP Wohnen muss doch von den Bezirken getragen werden, damit er überhaupt eine Chance hat, umgesetzt zu werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

(Stefan Gelbhaar)

Vielleicht wären dann mehr als 150 000 Wohnungen in der Innenstadt an Potenzial entdeckt worden. Wenn wir doch eigentlich mehr Potenzial in der Stadt haben, wäre das doch eine Chance, die für den Klimaschutz notwendigen Grün- und Freiflächen dauerhaft zu erhalten, statt sie immer mehr platt zu machen. Aber wie Staatssekretär Gothe schon sagte: Wir haben genug Flächen für Wohnungsbau, wir müssen uns darüber keine Gedanken machen. Eine wirkliche Priorisierung sieht anders aus.

Außerdem geht es doch um mehr als nur um die Anzahl an Wohnungen. Es geht auch um das, wie gebaut wird und wer welche Wohnungen braucht. Es geht um die Qualität unserer Stadt, denn wir müssen die nächsten hundert Jahre damit leben, was heute geplant wird. Wir brauchen keine neuen Wohngettos mit Investorenretorten, sondern lebendige Quartiere, in denen die Menschen gerne leben und sich auch die bisherigen Bewohner gerne aufhalten. Die neuen Wohnungen entstehen nicht im luftleeren Raum, nein, wir müssen überlegen, was die existierenden Quartiere benötigen und was die neuen dazu beitragen können. Und wir benötigen vor allem eine soziale Mischung in den neuen Quartieren. Dazu stehen bisher nur Allgemeinplätze und Prüfaufträge im Entwurf. Das wird der Mieterstadt Berlin wirklich nicht gerecht.

Also frage ich den Senat noch einmal: Wann kommt jetzt endlich der StEP Wohnen? Wenn wir noch länger warten müssen, lieber Herr Müller, dann lohnt sich doch noch ein Blick in unseren Antrag. So hätten Sie die Chance, aus einem zahnlosen Tiger doch noch ein wirkungsvolles Instrument zu machen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das nächste Mal vielleicht ein bisschen weniger schnell, schnell und dafür mit Substanz, dann klappt es auch mit den Anwohnern. Und Herr Müller! Es wäre übrigens auch ein guter Ansatz für Sie für Tempelhof. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Herzlichen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort die Kollegin Haußdörfer. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal scheine ich in einer Art Paralleluniversum zu leben, vielleicht nicht nur heute nach der dritten schlaflosen Nacht mit einem kranken Kind, sondern ich frage mich manchmal, ob wir überhaupt im gleichen Gremium gesessen haben, weil wir das, was Sie gerade

eingefordert haben, dort gemacht haben. Sie sagen: Schnell, schnell, schnell. – Und dann hieß es doch: Mensch, wir sind aber langsam – weil wir uns die Zeit nehmen, Zeit für öffentliche Veranstaltungen, Zeit für die Expertengremien und Zeit auch dafür, das alles konstruktiv zu diskutieren. Gerade auf Grundlage der neuen Bevölkerungsprognose für Berlin hat sich ein enormer Handlungsbedarf ergeben, und er wird sich auch weiterhin ergeben. Wir haben uns die Zeit genommen, auf die unterschiedlichen Segmente zu schauen, den Wohnraum instand zu setzen, neu zu planen, neu zu bauen und zu prüfen, welche Flächenpotenziale es in der Stadt gibt. Dazu wurden umfangreiche Flächen identifiziert und gerade auch in Abstimmung mit den Bezirken diskutiert. Nicht umsonst hat es ja Anpassungen bei der Karte des StEPs Wohnen gegeben.

Insgesamt stehen nach derzeitigem Kenntnisstand in Berlin Flächen für ca. 220 000 neue Wohnungen zur Verfügung. Ein Teil davon bereits kurzfristig, andere Teile mittelfristig in vier bis acht Jahren. Weitere Flächen sollten erst langfristig bebaut werden. Hier gab es z. B. Raum, auf die Kritik aus den Bezirken einzugehen, wie es im Bereich – zugegebenermaßen – meines Bezirks in Treptow-Köpenick mit den Kleingartenanlagen möglich war.

Ich weiß auch, dass es nach der Erstellung des StEPs zu weiteren Beratungen kommt und er Diskussionen auslösen wird. Mittlerweile gibt es ja gegen jedes Bauprojekt eine Bürgerinitiative; auch ich bekomme Post von Marzahn-Hellersdorf bis Spandau, von Gegnern einer Kita bis zur Eigentumswohnung, dass es keine Veränderungen geben darf. Und überhaupt: Man darf bauen, aber bitte nicht vor unserer Haustür! – Da heißt es, auf jeden Fall noch einige gehörige Bretter zu bohren und die Akzeptanz von Bauprojekten zu erhöhen.

Letztendlich revidiere ich meine Meinung aus der ersten Lesung Ihres Antrages, nämlich zum Vorschlag von Frau Lompscher, zur Erarbeitung einen Runden Tisch, analog zum StEP Verkehr, durchzuführen. Das hat die Debatte doch enorm bereichert und mich auch positiv überrascht. Das war übrigens auch fraktionsübergreifend der Tenor in der Runde, weil wir alles einbringen konnten, was uns auf den Nägeln brannte. Im Prozess tagte regelmäßig der Begleitkreis mit einer umfassenden Bandbreite der Wohnungsmarktakteure, von den großen Verbänden der Wohnungsbauunternehmen über die Berliner Mieterorganisation, die Umweltverbände bis hin zu den im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen. Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass auch die Berliner Quartiersräte mitmachten und die Naturschutzverbände dazukamen – auch das hat die Diskussion erheblich bereichert.

Ein Kreis in einer handhabbaren Größe mit durchaus divergierenden Interessen, aber einer grundsätzlich – das muss ich wirklich betonen – positiven Bereitschaft hat

(Katrin Schmidberger)

nicht nur mir, sondern, glaube ich, auch Ihnen sehr viele Impulse gegeben und auch den Entwurf zum StEP Wohnen qualifiziert.

Der StEP Wohnen, der demnächst dieses Haus erreicht, muss in konkrete Handlungen und Anleitungen gemünzt werden. Abgeschlossen ist der Prozess mitnichten, um gerade das verlässliche Instrument zu sein, das Sie einfordern.

Letzter Satz, bitte!

Wir werden sicherlich noch häufiger über den StEP Wohnen reden, Empfehlungen auf den Prüfstand stellen und die Realisierung kritisch begleiten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Danke, Kollegin Haußdörfer, und alles Gute für Ihr kleines Kind, dass es wieder gesund wird! – Für die Fraktion Die Linke hat Frau Lompscher das Wort. – Bitte sehr!