Protocol of the Session on January 30, 2014

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Breitenbach?

Bitte!

Sie haben eben gesagt, die Hilfesuchenden werden sich melden. Können Sie bitte sagen, wo sich die Hilfesuchenden melden sollen?

Ich habe es gerade gesagt: Bei den zuständigen Beratungsstellen, zum Beispiel beim IQ-Netzwerk, bei den Erstberatungsstellen.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Die Beratungen sind im Dialog, und dann gibt es da Möglichkeiten.

Für die rasche Umsetzung des Gesetzes an sich ist es jedoch nicht erforderlich, diese Mittel einzustellen. Sollte sich herausstellen, dass Anpassungskosten dazu führen, dass Weiterqualifizierung unterbleibt, dann werden wir, als erfolgreiche Koalition, die wir sind, nachjustieren. Darauf haben wir uns bereits verständigt. So habe ich auch Senatorin Kolat und Staatssekretär Rackles kürzlich im Arbeitsausschuss verstanden, die sich beide wohlwollend dazu äußerten und in der Lage sind, Mittel flexibel zur Verfügung zu stellen. Das können Sie im Protokoll dieses Ausschusses nachlesen. Ich werde beide beim Wort nehmen, wenn eine Nachsteuerung erforderlich werden sollte.

Die amtliche Statistik von Bund und Ländern veröffentlicht jährlich Daten zum Anerkennungsgesetz. Daher müssen wir auch keine jährliche Evaluierung im Gesetz festschreiben. Wir werden die Daten auswerten und gegebenenfalls weiteren Handlungsbedarf prüfen.

Das Gesetz steht und fällt mit einer guten Umsetzung. Dazu sind zwei Dinge wichtig, die wir eng begleiten werden: Zum einen muss das Anerkennungsgesetz gezielt beworben werden. Ich gehe davon aus, dass das geschieht, wollen doch Wirtschaft, Sozialpartner, Jobcenter sowie die Arbeitsagenturen den Erfolg bei der Integration dieser Fachkräfte. Da werden wir nachhalten.

Zum anderen müssen gute Angebote für Nachqualifizierungen und Ausgleichsmaßnahmen unterbreitet werden, wenn die Anpassung nicht sofort gelingen kann. Das bleibt noch ein spannendes Thema.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Das Anerkennungsgesetz in Berlin wird eine Erfolgsgeschichte werden. Wir stärken die Aufstiegskultur und Integrationsmöglichkeiten. Dafür steht die SPD seit 150 Jahren, und dafür steht die rot-schwarze Koalition im Land Berlin, die wieder einmal zeigt, wie handlungsfähig sie ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das zu beschließende Anerkennungsgesetz für Berlin ist die Grundlage für einen arbeitsmarkt- und integrationspolitischen Meilenstein. Von den gut ausgebildeten Fachkräften profitieren die Berliner Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung. Die Zuwanderer profitieren davon, weil wir ihre beruflichen Abschlüsse, Erwerbsbiografien und Bildungsleistungen anerkennen und sie im erlernten Beruf arbeiten können.

Ich freue mich, dass unser Tun und Handeln auch bei der Opposition Anklang findet. Es zeigt, dass wir uns einem wichtigen gesamtgesellschaftlichen Anliegen erfolgreich gewidmet haben. Ich bitte Sie daher: Stimmen Sie alle für unser Gesetz mit Ja, so wie wir es im Arbeitsausschuss getan haben! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Becker! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kahlefeld. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Anklang hält es sich ziemlich in Grenzen. Das Berliner Gesetz zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse kommt nicht nur spät, sondern es geht auch an der Zielgruppe vorbei, die es erreichen sollte. Berlin war verpflichtet, das Bundesgesetz umzusetzen, und hat das getan wie eine faule Schülerin, die ihre Hausaufgaben macht – nur das Nötigste und natürlich auf den letzten Drücker.

[Oliver Friederici (CDU): Was haben Sie gegen Schülerinnen?]

Für die meisten Berufe gilt das Gesetz in Berlin nämlich weiterhin nicht. Berufe, für die das neue Anerkennungsgesetz gilt, lassen sich an einer Hand abzählen. Wenn Sie es durchblättern, werden Sie sehen – ist ausgeschlossen, ist ausgeschlossen, ist ausgeschlossen. Wir haben damit einen völlig unübersichtlichen Flickenteppich an Zuständigkeiten und Geltungsbereichen. Am ärgerlichsten aber ist, dass das Berliner Gesetz für die Menschen, die unter ihrer Qualifikation arbeiten und durch die Anerkennung der mitgebrachten Berufsabschlüsse eine neue Perspektive bekommen sollten, überhaupt nicht ausgelegt ist. Der Berliner Senat hat ein Gesetz nur für Menschen im Leistungsbezug vorgelegt. Die vielzitierten Reinigungskräfte,

Taxifahrer, Kassiererinnen, sie alle müssen die mit ihrer Anerkennung verbundenen Kosten inklusive Verdienstausfall während einer Nachqualifikation alleine tragen. Wer soll das schaffen? Wer lässt sich darauf ein, wenn eine Familie vom Einkommen abhängig ist, wenn am Ende der Anerkennung vielleicht nur ein Jöbchen als Vertretungslehrerin auf der Basis von PKB-Mitteln steht? – Da kann man doch nur abraten.

Die Arbeitssenatorin hat uns im Ausschuss erklärt, dass bisher überwiegend Menschen aus dem Leistungsbezug Anträge auf Anerkennung gestellt haben. Das mag sein. Das wird aber vor allen Dingen auch so bleiben, da es in Berlin, anders als in Hamburg, kein Stipendienprogramm für Antragstellerinnen und Antragsteller gibt, die schon berufstätig sind. Sie werden in Berlin weiter von Menschen, die in der Türkei Biolehrer waren, ihr Essen serviert bekommen, und Ihr Taxi wird von einer brasilianischen Diplomlinguistin gefahren werden. Unter der Idee, dass Sie irgendwie den Bedarf von Leuten mitbekommen, die nicht im Leistungsbezug stehen und trotzdem ihre Qualifikation anerkannt bekommen möchten, kann ich mir überhaupt nichts vorstellen. Menschen, die jetzt schon arbeiten, die es geschafft haben, ihren Lebensunterhalt hier zu verdienen, werden sich, bevor sie in das Anerkennungsverfahren gehen, sehr genau überlegen, ob sie sich das leisten können. Die werden sich das durchrechnen, die werden von Anfang an gar nicht ankommen. Die sind doch nicht dumm und laufen da hin und stellen dann fest: Oh, Mist! Das wird ja teuer, das lass ich lieber bleiben. – Was Sie gemacht haben, ist: Sie stellen keine Gelder zur Verfügung, die Menschen werden keine Anträge stellen, und Sie werden sich in vier Jahren hinstellen können und sagen, es kommen nur Leute im Leistungsbezug, wir brauchen kein Stipendienprogramm.

Die Gelder für dieses Stipendienprogramm sind nirgendwo eingestellt. Wie wollen Sie nachsteuern, wenn sich doch jemand traut zu kommen und sagt: Ich will zwar, ich kann es mir aber nicht leisten. Sorgen Sie mal dafür! – Wer macht das, und wie wollen Sie das bezahlen?

[Torsten Schneider (SPD): Wie werden Sie denn abstimmen?]

Die Evaluation für das Gesetz ist erst in vier Jahren vorgesehen. Mit Zeit geht der Senat großzügig um, das haben wir schon bei der Vorlage des Gesetzes gesehen. Vor allen Dingen dann, wenn es um die Zeit der anderen geht. Die Zeit der Betriebe, die auf Fachkräfte warten, die Zeit der Schulen, die auf Lehrer warten, die Zeit der möglichen Antragsteller und Antragstellerinnen.

Wir werden daher von Anfang an und kontinuierlich nachfragen, wie es mit der Umsetzung aussieht, denn zu dem halbherzigen Gesetz kommt offenbar eine Verwaltung, die dann auch noch ab und zu in Ihrem Sinne nachsteuert. Menschen, die ihren Abschluss als Lehrerin, als Lehrer anerkannt haben wollten, mussten bisher in Berlin als Voraussetzung für die Antragstellung einen Auf

(Franziska Becker)

enthaltstitel für zwei Jahre nachweisen. Das war im Gesetz so nicht vorgesehen. Diese Verwaltungspraxis muss nun korrigiert werden, nachdem wir das im Ausschuss moniert haben. Hier waren irgendjemandem die Regelungen offensichtlich nicht strikt genug gewesen – oder wie erklärt sich sonst eine solche vom Gesetz abweichende Praxis?

Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass sie ihre Verwaltungen anhalten, Gesetze ihrem Sinn entsprechend umzusetzen. Alles in allem: Kein toller Start in Berlin für das Anerkennungsgesetz, aber immerhin liegt jetzt etwas vor. Wir werden zustimmen im Sinne derjenigen, die sich nun endlich auf den Weg machen können, Anträge auf Anerkennung zu stellen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Dr. Kahlefeld! – Für die CDUFraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Dregger. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Integrationspolitik der Berliner Koalition aus CDU und SPD verfolgt zwei Ziele. Erstens: Wir wollen die Aufstiegschancen der Menschen verbessern. Zweitens: Wir wollen die Grundwerte und den Zusammenhalt unseres Landes stärken. Das erreichen wir nur, wenn sich unsere Zuwanderer in unserem Lande zu Hause fühlen, wenn sie sich mit unserem Land identifizieren, wenn sie in unserem Land alle Chancen für einen selbstbestimmten Leistungsaufstieg finden. Diesem Ziel dient das von uns heute zur Abstimmung gestellte Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Mit diesem Gesetz wollen wir den Schatz der Qualifikationen vieler Zuwanderer heben. Das ist im Interesse der Betroffenen, denn sie können endlich zeigen, was sie können. Es liegt genauso im Gemeinwohlinteresse unseres Landes, denn es stärkt den deutschen Arbeitsmarkt und die deutsche Wirtschaft, die Bedarf an qualifizierten Kräften haben.

Liebe Frau Dr. Kahlefeld! Ihre Kritik in allen Ehren! Dass das funktioniert, hat bereits das von der CDU geführten Bundesregierung vorgelegte Bundesgesetz unter Beweis gestellt. Das Anerkennungsgesetz des Bundes hat schon jetzt durchschlagende Erfolge erzielt. In der kurzen Zeit zwischen dem 1. August 2012 und dem 30. September 2013 wurden über 15 000 Personen in den IQBeratungsstelen beraten. Davon endeten in der kurzen Zeit, in der das Gesetz überhaupt gültig ist, 82 Prozent der Verfahren, das sind 12 360 Menschen, mit der Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation. Das sind 12 360 Menschen, die endlich in ihrem erlernten Beruf arbeiten und aufsteigen können.

Das große Interesse belegen auch die Zugriffszahlen auf das Onlineportal „Anerkennung in Deutschland“. Seit seiner Freischaltung im April 2012 bis zum Jahresende letzten Jahres konnte es 816 000 Besuche mit 5,6 Millionen Seitenaufrufen verzeichnen. Interessant, dass 40 Prozent der Aufrufe aus dem Ausland erfolgten. Das Interesse an unserem Arbeitsmarkt ist also offensichtlich.

Die Ratsuchenden kamen aus 153 verschiedenen Ländern. Die meisten, die Anträge gestellt haben, kamen aus der Russischen Föderation, Polen, Ukraine und der Türkei. Betroffen sind vor allem Menschen im Alter von 25 bis 44 Jahren, also Menschen, die im besten Alter für einen beruflichen Aufstieg stehen.

All diese Erkenntnisse zeigen uns doch, dass das ein ganz wichtiges Thema ist, um den Zuwanderern mit Qualifikation einen Leistungsaufstieg in unserem Land zu ermöglichen. Ich sage Ihnen voraus: Das Gesetz, das wir heute verabschieden werden, wird einen ebenso durchschlagenden Erfolg haben wie das Bundesgesetz. Wir leisten damit einen bedeutsamen Beitrag für die Integration qualifizierter Zuwanderer in unsere Arbeitswelt, für die Stärkung unserer Volkswirtschaft mit qualifizierten Fachkräften und besonders für das individuelle Glück Zehntausender Menschen, die in Zukunft ihre Fähigkeiten und Talente einsetzen können, die erfahren werden, dass ihre Fähigkeiten wertgeschätzt werden, die ihre Fähigkeiten in höhere Einkommen ummünzen können und die Deutschland als das Land ihrer freien Entfaltung, als ihre neue Heimat annehmen. Und diese Identifikation ist das Wichtigste für eine Integrationspolitik, die auf Gemeinsinn und Zusammenhalt ausgerichtet ist.

Zusammenfassend fordere ich Sie alle auf: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf von SPD und CDU zu! Verfolgen Sie mit uns die Kernziele der Integrationspolitik! Verbessern wir gemeinsam die Aufstiegschancen der Menschen in unserem Land, und stärken wir ihren Zusammenhalt und ihre Identifikation mit unserem Land! Denn das ist der Weg der Vernunft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort – – Verzeihung, bitte! Dann hat jetzt das Wort zu einer Kurzintervention die Frau Dr. Kahlefeld. – Bitte sehr!

Ja, ich wollte nur kurz bemerken, dass ich es ganz erstaunlich finde, wie hier Gemeinsinn in Anspruch genommen wird oder an den Gemeinsinn appelliert wird, aber kosten darf es nichts. Ich habe dargelegt, dass die Leute, die in das Anerkennungsverfahren gehen wollen, die Kosten dafür selber tragen müssen, dass sie z. T. ihre

Jobs für eine Weile aufgeben müssen, wenn sie Nachqualifikation machen müssen. Und ich höre danach eine Rede, wo es nur um Gemeinsinn geht, diesen Gemeinsinn, der einen nichts kostet. Was nichts kosten darf, ist auch nichts wert. Ich finde, das sind Allgemeinplätze. Davon kann sich niemand was kaufen. Davon wird kein einziger Taxifahrer sich in dieses teure Verfahren begeben.

[Zurufe von Torsten Schneider (SPD) und Franziska Becker (SPD)]

Möchten Sie replizieren? – Bitte sehr!

Verehrte Frau Kollegin Dr. Kahlefeld! Ich glaube, was Sie sagen, entbehrt jeglicher Grundlage, denn alle Erfahrungen, die wir mit dem Bundesgesetz bisher gezogen haben, zeigen, dass es einen erheblichen Bedarf an diesen Verfahren gibt und dass das Thema der Stipendien überhaupt kein Thema war. Ich bin aber offen für das Thema, das Sie anbringen. Ich bin offen dafür, und die Koalition – ich glaube, ich kann das auch im Namen der SPD sagen – ist auch offen dafür, hier auf der Grundlage von harten Fakten zu überlegen, wie man auch Menschen, die gar keine Leistungsbezieher sind, unterstützen kann, wenn das ein Problem ist. Und das Problem, das Sie hier großschreiben, ist möglicherweise kein Problem.

Deswegen empfehle ich, dass wir zunächst einmal Erfahrungswerte mit dem Gesetz sammeln, das in diesem Jahr in Kraft treten wird, und dass wir die Lage analysieren. Das können wir auch vor Ablauf der Evaluationsfrist selbstverständlich jederzeit tun. Wir sind die Letzten, die diejenigen, die leistungsfähig und leistungswillig sind, nicht fördern und befähigen werden, ihren Leistungsaufstieg zu nehmen. Aber wir geben das Geld nicht sinnlos aus. Wir wollen klare Zahlen und Fakten. Und dann werden wir uns daran orientieren und dann entscheiden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Dann hat jetzt für die Linksfraktion das Wort die Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, zum wievielten Mal wir jetzt über das Landesanerkennungsgesetz reden.

[Zuruf von den PIRATEN: Steht in Pardok!]

Es ist auch niemand viel mehr Neues eingefallen, übrigens auch mir nicht, aber ich sage Ihnen mal was: Wenn Sie jetzt hier sagen, jetzt geht es in die große Erfolgsgeschichte, ja, dieses Gesetz ermöglicht vielen Menschen, ihre im Ausland erworbene Qualifikation als gleichwertig anerkennen zu lassen. Das ist ein Erfolg, auch beim Bundesgesetz.