Protocol of the Session on October 24, 2013

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Dann schauen Sie doch mal, ob Ihre Überzeugungskraft nicht auch reicht, um die Kolleginnen und Kollegen im

Senat und in den jeweiligen Regierungsfraktionen zu überzeugen! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Frau Kollegin Bayram! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Kollegen Lehmann das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde heißt ja Integrations- und Flüchtlingspolitik. Lassen Sie mich aus diesem Grunde an dieser Stelle einen Bogen schlagen, denn wenn ich die letzten zwölf Jahre betrachte – und so viel kann ich in diesem Haus Revue passieren lassen –, muss ich sagen, dass wir in der Integrationspolitik Riesenschritte nach vorn gemacht haben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von den GRÜNEN: Beifall, ha! – Lachen bei den GRÜNEN]

Das geht schon damit los, dass mittlerweile alle demokratischen Parteien hier erkannt haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und dass Zuwanderer herzlich willkommen und ein Gewinn für unsere Gesellschaft sind.

[Beifall bei der SPD]

Viele Schwierigkeiten, mit denen Zuwanderer, Asylsuchende aus humanitären Gründen und Geduldete täglich zu kämpfen haben, sind aber immer noch nicht aus der Welt geschafft, und das liegt nicht an der Politik des Senats.

[Elke Breitenbach (LINKE): Ach!]

Ich erinnere hierbei nur an das Entstehen des Integrationskonzepts I im Jahr 2005, wo es zunächst um das Zusammentragen aller Projekte im Integrationsbereich ging, die Fortführung mit dem Integrationskonzept II im Jahr 2007,

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

wo es um eine effektive Modifizierung der Zusammenarbeit der Projekte ging, bis hin zur Schaffung des Partizipations- und Integrationsgesetzes, das bis dahin einmalig in der Bundesrepublik war.

[Udo Wolf (LINKE): Ja!]

Lieber Herr Kollege Lehmann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Bundestagsabgeordneten Mutlu?

[Heiterkeit]

(Canan Bayram)

Nein, ich möchte gerne im Zusammenhang formulieren. – So kann man beispielsweise erfahren, wenn man mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Bundesländer in den integrationspolitischen Austausch tritt, wie weit Berlin in dieser Entwicklung modellmäßig voraus ist.

Nach der gesamten Auswertung der eben von mir genannten integrationspolitischen Maßnahmen ist es richtig, jetzt weiter voranzugehen. Dazu gehört auch, dass die Integrationsprojekte evaluiert werden. Ich denke, das versteht auch jeder, dass von Zeit zu Zeit hingeschaut wird, was sich bewährt hat, welche neuen Anforderungen, Ideen es gibt und welche Fragen sich vielleicht überlebt haben. Das ist ein ganz normaler Prozess. Trotzdem muss ein solcher meiner Meinung nach mit Fingerspitzengefühl und unter Einbeziehung der Betroffenen erfolgen, denn nur so kann auch in Zukunft eine hervorragende Arbeit gesichert werden.

Schon früh muss Alltagsrassismus bekämpft werden. Auch das ist eine Facette. Berlin hat z. B. bei der Einführung des Ethikunterrichts in den Schulen auf Aufklärung und auf den Austausch der Kulturen gesetzt. Auch hier gibt es noch Handlungsbedarf. Wenn sich in Schulen und an Universitäten jeweils ein Viertel der Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten mit familiärem Zuwanderungshintergrund gemobbt fühlen, ist das noch kein Ruhmesblatt für unsere Gesellschaft. Diskriminierung und Rassismus entstehen oft aus Unwissenheit und sozialer Unsicherheit im Umgang. Diese Punkte sind leider häufig Ausgangspunkt und Nährboden für Rassismus. Deshalb ist die Weiterentwicklung der Landesprogramme und der Landeskonzeption sehr wichtig und auf gutem Weg. Dazu gehört natürlich auch die Präventionsarbeit, die Jugendarbeit ebenfalls, denn Toleranz und Respekt müssen früh erlernt werden. Berlin hat mit Landesmitteln Programme gegen Rechtsextremismus aufgestockt. Diese sind aber bedauerlicherweise häufig vom Bund eingekürzt worden, was meines Erachtens ein falsches Signal war.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es wird eine Aufgabe auf Bundesebene sein, diese Programme dauerhaft zu unterstützen. Hierbei muss es auch zu einer institutionellen Unterstützung kommen. Hierzu gehören auch Aussteigerprogramme. Der Schutz der Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus dürfen finanziell nicht allein bei den Ländern bleiben.

Immer noch erfahren Menschen mit Zuwanderungshintergrund bei der Arbeit- und Wohnungssuche, aber auch bei einigen Behörden Diskriminierung. Ihnen zu helfen und ihnen Würde zu geben, muss politische Aufgabe sein. Deshalb ist es wichtig, zu einer neuen, besseren Anerkennungskultur zu kommen. Dies hat sich die Koalition auf ihre Fahnen und in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir müssen den Rassismus in den Köpfen

durch Aufklärung in der Schule, am Arbeitsplatz, aber auch in den Vereinen bekämpfen. Wegschauen ist hier der falsche Weg. Eine interkulturelle Sensibilisierung muss vorangetrieben werden.

[Beifall bei der SPD]

Es tut sich hier schon eine gewaltige Menge, was beispielsweise die interkulturelle Öffnung der Verwaltung angeht. Hier hat Berlin eine Vorreiterrolle und wird deshalb von vielen Städten und Kommunen angefragt. Ein Einwanderungsland muss sich auch weiterentwickeln. Jeder Mensch, egal welcher Herkunft, welcher Religion, welchen Geschlechts oder welcher geschlechtlichen Orientierung, ist bei uns willkommen. Eine gleichberechtigte Teilhabe aller an der Gesellschaft ist unser Anspruch. Der Kampf für soziale Gerechtigkeit und für eine gerechte Verteilung der Ressourcen ist der beste Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.

Flüchtlinge sind in Berlin willkommen. Wir bekennen uns klar zum grundgesetzlich verbrieften Recht auf Asyl. Menschen verlassen nicht einfach so ihr Heimatland. Das war schon immer so, das wird auch immer so bleiben. Sie haben oft Schreckliches in ihren Heimatländern erlebt und müssen deshalb fliehen. Sie haben das Recht auf unseren Schutz und unsere Hilfe. Es ist schlimm, dass ihnen an manchen Orten Berlins von politischen Extremisten befeuerte Ablehnung und Hass entgegenschlägt.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Alle Demokratinnen und Demokraten sind zu Widerspruch und Solidarität mit den Flüchtlingen aufgerufen.

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Ich rufe den Berlinerinnen und Berlinern zu: Schauen Sie nicht weg bei rechtsradikalen Tendenzen! Sprechen Sie Probleme offen an, und setzen Sie sich damit auseinander!

[Beifall bei der SPD]

Die Hetze der Rechtsextremisten darf aber den Blick auf die eigentlichen Herausforderungen nicht einschränken. Die Flüchtlingszahlen steigen im ganzen Bundesgebiet und damit auch in Berlin. Nach dem Königsteiner Schlüssel nimmt Berlin 5 Prozent aller Asylsuchenden auf, und dies tun wir gern. Die Flüchtlinge haben ein Recht auf eine menschenwürdige Unterbringung. Dafür setzen wir uns ein. Ich erinnere an dieser Stelle an die ausführliche Diskussion hier in unserem Hause im August dieses Jahres.

In den Haushaltsberatungen haben wir bereits beschlossen, dass es zu einer personellen Verstärkung des Landesamts für Gesundheit und Soziales kommt, um die Unterstützung für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Mit rund 8 000 Personen lebt bereits jetzt schon ein großer Teil der etwa 14 500 Anspruchsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in eigener Wohnung. Etwa ein Viertel

aller Personen erhält seit vier oder mehr Jahren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Trotz des angespannten Wohnungsmarkts wurde die Anzahl der Wohnungen für Flüchtlinge in den letzten Jahren verstärkt. In Kooperation mit den Bezirken und dem LAGeSo werden weitere Kapazitäten in Berlin geschaffen. Die Bezirke beteiligen sich mit sehr unterschiedlichem Engagement an dieser Aufgabe, für Flüchtlinge Unterkünfte bereitzustellen. Auch darüber haben wir an dieser Stelle schon gesprochen.

Für mich als integrationspolitischen Sprecher meiner Fraktion gibt es ganz klaren Handlungsbedarf auf Bundesebene, was den zukünftigen Umgang mit Flüchtlingen angeht. Da unterscheiden wir uns von unserem Koalitionspartner. Ich erwarte, dass sich der eine oder andere Punkt in den möglichen Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene löst. Erstens: Die Zeiten der Arbeitsaufnahme von Menschen im Asylverfahren müssen radikal verkürzt werden, damit sie möglichst rasch beginnen können, für sich selbst zu sorgen. Dazu gehört natürlich ein frühes Angebot an Sprach- und Integrationskursen.

[Beifall bei der SPD]

Zweitens: Die Residenzpflicht gehört abgeschafft, damit die Menschen flexibler sein können.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Drittens: Eine ordentliche Bleiberechtsregelung, weg von jahrzehntelangen Kettenduldungen, ist längst vonnöten, damit die Menschen eine Perspektive haben und die teilweise mittlerweile hier geborenen Kinder eine gleichwertige Startchance bekommen.

[Beifall bei der SPD]

Berlin wird handeln. Was Sprachkurse für Flüchtlinge angeht, haben wir eine erhebliche Summe in den neuen Doppelhaushalt eingestellt und gehen somit – wie andere Bundesländer auch – in Vorleistung des Bundes, damit diese Menschen schnell befähigt werden, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

[Beifall bei der SPD]

Immer wieder kommt es zu Protestaktionen von Flüchtlingen in unserer Stadt, wie beispielsweise auch vor einigen Tagen. Obwohl diese Flüchtlinge nicht zum sogenannten Berliner Kontingent gehören, ist es aus meiner Sicht richtig, ihnen aus humanitären Gründen zu helfen.

Seit vielen Jahren engagiere ich mich im „Arbeitskreis Bleiberecht“ der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz für eine bessere Regelung. Ich möchte an dieser Stelle der Evangelischen Kirche danken, dass sie die Flüchtlinge vom Brandenburger Tor bis Mitte Januar beherbergt. – Herzlichen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Die europäische Flüchtlingskatastrophe, die sich auf Lampedusa widerspiegelt, ist längst auch in Berlin ange

kommen. Hier ist gerade auch die neue Bundesregierung in der Pflicht, die Bundesländer solidarisch zu unterstützen, um eine gemeinsame europäische Lösung zu finden.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]