Wollen Sie, dass jetzt sofort darüber abgestimmt wird? – Dann können wir das ausnahmsweise vorziehen. Die Dringlichkeiten zu diesem Tagesordnungspunkt – welcher ist das jetzt?
[Joachim Esser (GRÜNE): Alle neun nicht gültig, Herr Präsident! – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Das kann jeder Ortsverband besser!]
Trotzdem lasse ich abstimmen. Wer diesen Vorlagen die Dringlichkeit geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Piraten, soweit ich sehe alle, die Grünen und die Linkspartei. Ersteres war die Mehrheit.
[Michael Schäfer (GRÜNE): Was interessieren Sie Minderheitenrechte! – Weitere Zurufe von den Grünen]
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade nach der Gegenrede des Kollegen Schneider beantrage ich hiermit die sofortige Unterbrechung der Sitzung und die sofortige Einberufung des Ältestenrats.
Es geht um die Tagesordnung und letztendlich um die Frage, ob Beschlussempfehlungen hier ordnungsgemäß eingebracht wurden oder nicht und ob Verfahren, die im Hauptausschuss einstimmig beschlossen wurden, mit einfacher Mehrheit durchbrochen werden können. Deshalb beantrage ich die sofortige Unterbrechung und Einberufung des Ältestenrates.
Ich denke, darüber brauchen wir nicht abstimmen. Ich unterbreche die Sitzung und berufe den Ältestenrat ein in Raum 320.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Der Ältestenrat hat getagt. Ich teile Ihnen mit, dass wir jetzt fortfahren werden. Wir werden nachher beim Aufruf der Prioritäten bei 4.1 bis 4.3 allerdings die Abstimmung zu den Dringlichkeiten einzeln wiederholen, nicht en bloc, damit das auch zu jeder einzelnen Drucksache festgestellt werden kann.
Wir kommen nun zu Entschuldigung von Senatsmitgliedern für die heutige Sitzung: Der Regierende Bürgermeister ist ganztägig abwesend. Grund ist die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in Heidelberg vom 24. bis 25. Oktober. Frau Senatorin Kolat ist abwesend ab ca. 18.00 Uhr. Grund ist die Teilnahme an der A-LänderKoordinierungsrunde. Herr Senator Czaja ist abwesend ab ca. 18.00 Uhr. Grund: Anlässlich einer festlichen Ausstellungseröffnung bei der Aventis Deutschland GmbH
spricht er ein Grußwort. Ich sage an dieser Stelle, das ist im Ältestenrat durchaus kontrovers diskutiert worden. Wir haben das auch dem anwesenden Senatsmitglied mitgeteilt.
Ich werde das zum Anlass nehmen, auch dem Regierenden Bürgermeister einen Brief zu schreiben, dass die Entschuldigungen für das Plenum vom Senat sehr eng auszulegen sind.
Das sollten wir betonen. Ich fand, dass wir hier immer sehr konstruktiv mit dem Senat umgehen, aber es hat seine Grenzen.
1. Wie bewertet der Senat die Entscheidung des Landessozialgerichts von Nordrhein-Westfalen, das einer aus Rumänien zugewanderten Familie Hartz-IV-Leistungen zugesprochen hat?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Langenbrinck! Ich denke, dass es mir genauso ging wie Ihnen. Ich war sehr überrascht, als ich von dem Urteil des Landesgerichts Nordrhein-Westfalen gehört habe. Ich denke, dass
die Auslegung der Gesetzeslage dieses Gerichts spontan nicht einfach nachzuvollziehen war. Uns liegt eine Pressemitteilung vor. Danach begründet das Gericht einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II damit, dass eine langfristige erfolglose Arbeitsuche, wie es in diesem Fall der Familie gewesen ist, zum Verlust des Status als arbeitsuchend im Sinn des Freizügigkeitsgesetzes EU führt. Damit ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 zweite Alternative Aufenthalt zum Zwecke der Arbeitsuche nicht mehr erfüllt und SGB-II-Leistungen können erbracht werden.
Eine wichtige Frage, die sich mit diesem Beschluss aufdrängt, ist, wie diese Auslegung des Gerichts mit der Freizügigkeitsberechtigung im Einklang zu bringen ist, weil diese ja tatsächlich auf diesen Status, den die Familie dort verloren hat, abstellt. Unionsbürgerinnen und Unionsbürger aus Südosteuropa können wie alle anderen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger auch unter den Voraussetzungen des § 7 SGB II einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben, soweit sie nicht von den Ausschlussgründen erfasst sind wie z. B. Aufenthalt nur zum Zwecke der Arbeitsuche. Ausländerinnen und Ausländer sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Ausschluss gilt über die drei Monate hinaus, soweit sich das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Besteht neben der Arbeitssuche ein weiterer Aufenthaltsgrund, greift der Ausschlussgrund nicht mehr. Aufenthaltsrechte können aus dem Freizügigkeitsgesetz der EU folgen oder aus dem Schutzbereich des Artikels 6 Grundgesetz, Schutz von Ehe und Familie, resultieren. Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II greift im Übrigen auch dann generell nicht, wenn Ausländerinnen und Ausländer Arbeitnehmerstatus haben oder selbstständig tätig sind. Aus Berlin kann ich berichten, Herr Abgeordneter, dass wir auch diese Fälle haben.
Nun zur Beantwortung Ihrer konkreten Frage 1: Die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2013 liegt uns bisher nur in Form einer Pressemitteilung vor, ohne eine umfassende Begründung. Eine rechtliche Bewertung, so wie Sie das wünschen, ist daher derzeit nicht möglich. Hierzu müssten die Entscheidungsgründe nach deren Vorliegen erst umfassend ausgewertet werden. Das Landessozialgericht NordrheinWestfalen hat die Revision gegen das Urteil zugelassen. Deshalb bleibt abzuwarten, ob der weitere Rechtsweg bestritten und auf diesem Weg höchstrichterliche Entscheidung des Bundessozialgerichts herbeigeführt wird. Presseberichten zufolge hat jedoch das betroffene Jobcenter bereits angekündigt, eine Revision beim Bundessozialgericht einzulegen.
Zu Ihrer Frage 2: Ob das Urteil rechtsverbindlich wird, kann derzeit nicht beurteilt werden bzw. bleibt abzuwarten. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und
Frauen kann sich deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausführlich und konkret zu den Auswirkungen äußern. Integrationspolitisch wissen wir, dass ab dem 1. Januar 2014 auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit für diese Gruppe der EU-Bürgerinnen und -Bürger eintreten wird. Ich erhoffe mir, dass dann mehr Menschen aus diesen Ländern eventuell auch einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen können, was sicher die Integration befördert. Finanzpolitische Auswirkungen können wir zurzeit aufgrund der von mir dargelegten Argumente nicht liefern. Ich informiere Sie, Herr Abgeordneter, gern, wenn die Rechtsverbindlichkeit für das Land Berlin geklärt ist.
Vielen Dank, Frau Senatorin, für Ihre Ausführungen! – Verstehe ich Sie richtig, dass EU-Zuwanderer ab Januar 2014, wenn die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeitsrichtlinie uneingeschränkt gilt, wie Sie es gerade dargestellt haben, Anspruch auf Sozialleistungen haben – egal, ob sie arbeitssuchend sind oder nicht? Sind Sie auch der Auffassung, dass es ab Januar zu einer deutlichen Zunahme der Armutseinwanderung insbesondere aus Bulgarien und Rumänien in unsere Stadt kommen wird? Und wenn ja: Welche Vorkehrungen sind aus landesrechtlicher Sicht zur Vermeidung möglich? – Danke!
Das waren zwar zwei Fragen, aber ich lasse sie mal zu. Frau Senatorin! Sie können sie in einem Wortbeitrag zusammenfassen. – Bitte sehr!
Sehr gern fasse ich beide Komplexe zusammen. – Herr Abgeordneter! Wir müssen erst mal die Rechtsverbindlichkeit abwarten, um klarstellen zu können, dass das auch in Berlin für viele Unions-Bürgerinnen und Bürger zutreffen würde, wenn sie länger als ein Jahr arbeitssuchend sind. Dass sie dann aus dem Status des Arbeitssuchenden rausfallen, sehe ich für Berlin noch nicht. Ich würde jetzt tatsächlich abwarten wollen, ob diese Auslegung der Gesetze auch höchstrichterlich Bestand haben wird. Wenn Sie nach meiner persönlichen Meinung fragen: Ich kann noch nicht nachvollziehen, was das Gericht dort ausgelegt hat.
Zu Ihrer Frage, was dann ab 1. Januar 2014 passiert: Natürlich ist es schwierig, hier eine verbindliche Prog