Protocol of the Session on September 12, 2013

In diesem Fall möchte der Senat nicht einmal seine eigenen Beschlüsse – wohlgemerkt: Beschlüsse – offenlegen, und zwar mit einer doch recht bemerkenswerten Begründung. Er muss zugeben, dass die Nichtherausgabe von Beschlüssen mit dem Informationsfreiheitsgesetz nicht vereinbar ist, weil man sich, wenn dem keine weiteren Schutzgründe entgegenstehen, nicht einfach mit dem Hinweis auf den Schutz der internen Beratungen aus der Affäre ziehen kann. Es folgt dann aber die bemerkenswerte Äußerung, es wäre nicht möglich, die Beschlüsse herauszugeben, weil es keine trennscharfe Abgrenzung zwischen Beschluss und Protokolltext gibt. Mit anderen Worten: Der Senat behauptet, seine eigenen Beschlüsse gar nicht als eigene Texte vorliegen zu haben.

[Sven Kohlmeier (SPD): Knaller – das hat der Senat erkannt! – Zuruf von den GRÜNEN: Spitze! – Zurufe von den PIRATEN]

Wenn jetzt an anderer Stelle, und zwar in Bezug auf das Transparenzgesetz, davon die Rede ist, dass der Senat den Anforderungen eines solchen Gesetzes bereits jetzt im Ansatz entsprechen würde – vielleicht ist das ja auch ein sehr kleiner Ansatz –, hat das eine gewisse, unfreiwillige Komik.

(Uwe Doering)

Ich freue mich jedenfalls auf eine ausführliche und konstruktive Beratung dieses Datenschutzberichts im Ausschuss, sodass wir dann zu gegebener Zeit hier noch einmal über entsprechende Ergebnisse reden können, und ich wünsche Herrn Dr. Dix ein erfolgreiches nächstes Jahr. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Weiß!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Herr Dr. Dix! Auch ich danke Ihnen im Namen des gesamten Hauses für Ihre geleistete Arbeit.

[Allgemeiner Beifall]

Einvernehmlich wird empfohlen, die Vorlage bzw. den Jahresbericht an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit zu überweisen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Nun kommen wir zur

lfd. Nr. 5:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.1:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 28

Berlin braucht endlich eine Gewaltschutzambulanz und Rechtsmedizinische Untersuchungsstelle zur Versorgung von kindlichen und erwachsenen Gewaltopfern – Voraussetzungen für eine anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten schaffen

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1161

Auch hier haben die Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion, und der Kollege Lauer hat das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass gerade bei der Koalition mehr Abgeordnete da wären, aber es hat ja auch sein Gutes, denn wenn man eine sofortige Abstimmung beantragt, könnte man vielleicht den Antrag

direkt annehmen, wenn die Opposition dann an einem Strang zieht.

Was ist eine Gewaltschutzambulanz für die Opfer von Sexualstraftaten? – Es ist eine Ambulanz, die in Berlin eingerichtet werden müsste, damit die Opfer von Sexualstraftaten die Möglichkeit haben, diese Straftaten erst mal anonym sichern zu lassen, denn wir haben im Moment in Berlin das Problem – was man in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Hamburg nicht hat –, dass Sie die Spuren einer Sexualstraftat nur dann gerichtsfest sichern können, wenn das auch gleichzeitig mit einer Anzeige verbunden ist. Diese Spuren müssen relativ schnell gesichert werden, nämlich spätestens 72 Stunden nach der Tat, und Sie haben bei der Art dieser Straftaten das Problem, dass die davon Betroffenen in der Regel nicht in der Lage sind, 72 Stunden nach einer solchen Tat diese anzuzeigen, und zwar insbesondere auch deshalb, weil Sie bei den Tätern eine Struktur haben, dass es oft Menschen aus dem Bekanntenkreis oder sogar aus der eigenen Familie sind, die dafür verantwortlich sind, dass jemandem so etwas widerfährt. Es ist leider – leider in Anführungszeichen – nicht immer der finstere Typ, der beim Joggen hinter einem Gebüsch hervorgesprungen kommt und dann Dinge tut.

Viele sind nach der Tat nicht in der Lage, eine solche Anzeige zu erstatten, und mit diesem Antrag würde ein weiterer Missstand in Berlin aufgehoben: Die betroffenen Personen bekämen dann auch in Berlin in dieser Gewaltschutzambulanz die Behandlung, die sie bekommen würden, wenn sie eine Anzeige erstatten würden, und u. a. gehört dazu die Aidsprophylaxe. Es gibt Medikamente, die sie direkt nach einem solchen Vorfall bekommen können, die dafür sorgen können, dass sie sich im Zweifelsfall nicht mit HIV anstecken. Die Medikamente bekommen sie aber nur, wenn sie sagen: Ich wurde vergewaltigt. Ich habe Anzeige erstattet. Eine Gewaltschutzambulanz in Berlin würde es ermöglichen, solche Straftaten 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche gerichtsfest zu sichern und die anonyme Sicherung dieser Spuren zu ermöglichen. Die Kosten betrügen 1,2 Millionen Euro im Jahr – und hier kommen wir zum Problem: Im aktuellen Gesundheitshaushaltsplan sind nur 110 000 Euro für eine solche Gewaltschutzambulanz eingestellt. Nach der Kalkulation der Charité brauchen Sie schon allein für 1,2 Ärzte und 1,2 Sekretärinnen für die Koordination dort 158 000 Euro im Jahr.

Vielleicht wird später der Hinweis darauf kommen: Der Gesundheitshaushalt wird ja schon nächste Woche beschlossen. – Ich glaube, die Haushaltspolitiker sehen das meistens anders. Ich sehe da noch Spielraum, wenn dass alles spätestens in der zweiten Lesung im Oktober geschehen wird. Ich würde mich freuen, wenn wir – auch fraktionsübergreifend – in der Lage wären, diese 1,2 Millionen Euro für die Opferschutzambulanz aufzubringen. Es lässt sich nicht erklären, warum es in Städten

(Dr. Simon Weiß)

wie Hamburg möglich ist, warum es in Ländern wie NRW flächendeckend möglich ist und es in Berlin noch immer keine Gewaltschutzambulanz für die Opfer von Sexualstraftaten gibt.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Das Traurige an der Stelle ist: Wenn man sich mit der Rechtsmedizin in der Charité unterhält, sagen sie: Wir brauchten eigentlich vier solcher Gewaltschutzambulanzen in Berlin. – Wir haben noch nicht mal eine.

Wenn wir die 1,2 Millionen Euro innerhalb der Haushaltsberatungen zusammenbekämen, würde ich mich sehr freuen. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Kohlmeier das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass es eine ernsthafte rechtspolitische Initiative der Piraten gibt, über die es lohnt, hier in diesem Hause zu beraten. Die Piraten fordern eine Gewaltschutzambulanz, um allen Betroffenen von sexualisierter Gewalt, häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung eine zentrale Stelle insbesondere für die anonyme Spurensicherung zu bieten.

In Berlin ist die momentane Situation so, dass Spuren von Gewalttaten erst nach einer Strafanzeige gesichert werden. Teilweise sind Spuren von sexualisierter oder häuslicher Gewalt jedoch nicht besonders lange haltbar und nach 24 bis 72 Stunden auch nicht mehr ergiebig. Polizeiliche Erfahrungen zeigen uns, dass es eine hohe Hemmschwelle gibt, solche Delikte unmittelbar nach dem Vorfall anzuzeigen. Bei vielen Betroffenen überwiegt das Schamgefühl. Deshalb – und das schreiben Sie in der Begründung auch zutreffend – muss möglichst zeitnah nach der Tat die Gelegenheit eingeräumt werden, alle Spuren und Verletzungen gerichtsfest zu dokumentieren.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es werden sich also viele in diesem Haus einig sein: Berlin braucht eine solche Gewaltschutzambulanz.

Nun gibt es das Spiel – das es in der Politik oft gibt – von dem Hasen und dem Igel: Wer war mit der Idee eigentlich zuerst da?

[Ach ja! von der LINKEN]

Von dem von mir sehr geschätzten Senator Heilmann wurde bereits Anfang des Jahres festgestellt, dass es in Berlin – anders als in anderen Bundesländern, wie z. B.

Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern oder NordrheinWestfalen – bisher keine Gewaltschutzambulanz gibt. Auch für Kinder gibt es bisher keine ambulante Möglichkeit der interdisziplinären medizinischen und psychologischen Abklärung bei Verdacht auf Kindesmisshandlung und sexualisierte Gewalt. Senator Heilmann schlägt daher ein Modellvorhaben bei der Charité vor. Es soll ein diskreter Zugang gewährleistet werden und eine Trennung von Patientenversorgung und Versorgung von Gewaltopfern sichergestellt werden.

Und da unser Justizsenator nicht nur ideenreich ist, sondern auch zielorientiert vorgeht, finden Sie im aktuellen Haushaltsplan der Justizverwaltung auf Seite 19 die Position ‚Zuwendung an die Charité „Opferschutzambulanz“‘. Dafür sind 110 000 Euro für das Modellprojekt eingestellt. Weitere 110 000 Euro sind im Gesundheitsbereich eingestellt worden, sodass für das Modellprojekt – wenn denn der Haushalt von diesem Haus beschlossen würde – 220 000 Euro zur Verfügung gestellt werden. So gesehen ist der Justizsenator der Igel, der schon da ist, und Sie sind der Hase, der zu spät kommt.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Der Justizsenator ist natürlich nicht der Spiritus rector einer Opferschutzambulanz, sondern hat bestimmt einen Blick über unsere Landesgrenzen in andere Bundesländer geworfen – was in diesem Fall sehr erfolgreich war.

Die SPD-Fraktion unterstützt das Signal einer Opferschutzambulanz, egal von wem diese Idee letztendlich kommt. Ich freue mich, wenn die Piratenfraktion in den Haushaltsberatungen dann Farbe bekennen und dem Haushaltsplan ihre Zustimmung geben wird, damit die Opferschutzambulanz im nächsten Jahr finanziell abgesichert wird.

Zunächst also steht die finanzielle Absicherung der Opferschutzambulanz an. Ich bin mir sicher, dass Justizsenator Heilmann wie auch in der Vergangenheit den Rechtsausschuss über neue Konzepte für eine Opferschutzambulanz aus seinem Hause informieren wird. In diesem Rahmen können wir dann auch diskutieren, wie eine solche Ambulanz ausgestattet werden soll und wie sie funktioniert.

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Ich bedanke mich, dass Sie die Koalitionsfraktionen bei der Einrichtung einer Opferschutzambulanz unterstützen. Herzlichen Dank!

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!

(Christopher Lauer)

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kohlmeier! Wenn wir am Ende des Tages eine mit jährlich 1,2 Millionen Euro ausgestattete Opferschutzambulanz bekommen, bin ich auch später bereit zu behaupten, dass es eine Idee der Koalition war, weil es mir darum geht, dass wir das durchbekommen.