Protocol of the Session on August 29, 2013

Ich komme noch mal zurück zu dem Antrag, weil es ja eigentlich nicht um Verfahrensfragen geht. Sie hätten ihn ja auch hier ausführlich begründen können. Wir haben auch darauf gewartet. Der Verkehrsverbund organisiert sich eben nicht nur im Land Berlin, sondern auch im Land Brandenburg und seinen Kommunen, und die sind eben auch bei Tarifmaßnahmen mit zu beraten.

[Zuruf von Alexander Spies (PIRATEN)]

Hören Sie doch mal auf! – Diese tariflichen Mitentscheidungsrechte kann man nicht einfach wegwischen. Damit hat sich der Antrag eben auch nicht befasst.

Ich würde gern noch mal auf die Frage der Kosten zurückkommen. Wir haben eben gerade die erste Lesung des Haushalts gemacht. Ich kann mich an den letzten Haushalt erinnern. Da haben wir eine Menge diskutiert. Letztlich: Egal, was wir beschlossen haben, und auch egal, was wir beschlossen hätten: Die Opposition hat es abgelehnt – im Ausschuss und auch im Plenum. Also frage ich mich: Wenn Sie nicht mehr für den ÖPNV wollen und das ablehnen, wie wollen Sie dann diese Fahrpreiserhöhung tatsächlich finanzieren? Denn entweder organisieren Sie das über den Landeshaushalt oder Sie organisieren das über die Fahrgastbeiträge. Wenn Sie das

über die Fahrgastbeiträge organisieren wollen, sagen ich Ihnen: Das Ende der Fahnenstange ist bei den Fahrgastbeiträgen eigentlich schon erreicht, und wir können es eigentlich nicht mehr machen, über Gebühr unsere Fahrgäste zu belangen.

[Zuruf von den PIRATEN: Keine Gebührenerhöhung, ja?]

Aber wenn die Piraten das tatsächlich wollen, dann sollen Sie es auch so schreiben.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Claus-Brunner?

Das verzögert das jetzt alles noch. Wir können gern auch mal privat reden, wenn Sie noch mehr Fragen haben. Ich erkläre es Ihnen aber gern, Herr Brunner!

Ehrlich gesagt rede ich mit Ihnen lieber unter Zeugen. Das ist, glaube ich, günstiger.

Das schützt mich auch, danke!

Ihre Frage, bitte!

Die Frage ist folgende: Sie haben offensichtlich den Antrag auch nicht ganz durchgelesen, weil dort unter anderem drinsteht, dass wir den Verkehrsverbund BerlinBrandenburg in seiner Gesamtheit in diesem Zusammenhang berücksichtigen wollen. Wir haben auch weiterhin begründet, dass wir keine weiteren Fahrpreiserhöhungen haben wollen.

Herr Kollege, Ihre Frage bitte!

Also: Wollen Sie, Herr Kreins, Fahrpreiserhöhung im VBB ohne Serviceverbesserung? Der richtungsunabhängige Einzelfahrschein wäre eine Serviceverbesserung. Ich frage sie: Wollen Sie es, ja oder nein? Warten Sie nicht auf die Übersetzung!

Mit der Annahme der Fragestellung beginnt die Unterwerfung. – Natürlich wollen wir einen leistungsfähigen und bezahlbaren ÖPNV in dieser Stadt haben. Ich glaube, das ist unstrittig und in diesem Haus auch unstrittig. Die Frage ist nur, wie man ihn finanziert. Sie haben eben keinen seriösen Vorschlag gemacht, wie Sie diesen richtungsunabhängigen Fahrschein finanzieren wollen. Insofern können wir dem an dieser Stelle nicht zustimmen. Ich glaube, die Debatte ist jetzt ausführlich geführt worden.

Ich hatte eigentlich nur eine Frage, die mich ein bisschen auf die Programmatik von Piraten bringt: Haben Sie nicht versprochen, überhaupt den fahrscheinlosen ÖPNV zu organisieren? In welches Glied stellt sich denn ein richtungsunabhängiger Fahrschein, wenn man eigentlich einen fahrscheinlosen ÖPNV haben will?

[Alexander Spies (PIRATEN): In die richtige Richtung! – Zuruf von den PIRATEN: Schon mal ein Fahrschein weniger!]

Das erschließt sich mir auch nicht. Ich beende jetzt die Rede, und ich bedanke mich, dass die Piraten so aufmerksam gewesen sind.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von dem Kollegen Reinhardt?

Natürlich, gern!

Bitte!

Herr Kreins! Ich höre jetzt zum wiederholten Mal Ihre Logik: Wenn man Ihre Anträge ablehnt, ist man gegen alles, was mit diesem Thema zu tun hat, und ich versuche gerade, das ein wenig nachzuvollziehen: Heißt das jetzt tatsächlich in Ihrer Logik, dass wenn ich irgendeinen Ihrer ÖPNV-Anträge ablehne, ich die gesamte S-Bahn, die gesamte U-Bahn in Berlin abschaffen möchte? Das ist jetzt die Logik, die Sie soeben angewandt haben.

Ich erkläre es Ihnen noch mal, denn Sie sitzen ja nicht im Verkehrsausschuss. Wir finanzieren den ÖPNV über den Landeshaushalt, und das machen wir per Haushaltsbeschluss. Und diesem Haushaltsbeschluss liegt eine

Mehrheit in diesem Haus zugrunde, und eine Minderheit hat diesen Haushaltsbeschluss abgelehnt. Genauso, wie Sie mir vorwerfen, dass wir nicht mehr möchten, sagen ich Ihnen, dass Sie den ÖPNV gar nicht möchten, so lange Sie nicht dem Haushalt zustimmen. – Danke!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Was war das denn eben für eine Logik?]

Vielen Dank, Herr Kreins! – Für die Fraktion Bündnis 90/die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Gelbhaar.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es hier im Haus ein wenig später wird, dann neigen die Debatten dazu, interessant zu werden. Ich fand das gerade eine Mischung aus lustig und peinlich. Ich freue mich, dass wir dies quasi in geschlossener Hütte machen.

Jetzt mal ehrlich: Es geht hier um ein Thema, ein ernsthaftes Thema. Ich finde es gut, dass sich die Piraten mit Tarifgestaltung konkret auseinandersetzen. Klar, kann man die Forderung des fahrscheinlosen Verkehrs weiter vorantreiben. Ich finde, das ist angesichts dessen, was da mit dem mobilen Ticket noch auf uns zukommt, auch durchaus eine richtige Richtung.

Aber ganz konkret jetzt zu dem Thema: Wir als Bündnisgrüne unterstützen die Forderung nach der Wiedereinführung des richtungsunabhängigen Fahrscheins, und wir beurteilen auch die am 1. April 2004 eingeführte Richtungsabhängigkeit einfach als einen Fehler, und diesen sollten wir beheben.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich möchte das kurz begründen. Ich denke, dass der richtungsunabhängige Fahrschein unseren ÖPNV schlicht und ergreifend attraktiver macht. Umsteigen, ohne über die Fahrtrichtung nachdenken zu müssen, eine Station zurückfahren zu können, nicht mit dem Kontrolleur oder der Kontrolleurin über diese oder diese Route diskutieren zu müssen, das sind unbestreitbare Vorteile. Das sehen wir, glaube ich, auch alle im Hause so. Wir wollen auch für die Menschen, die nur kurz mal hin- und zurückfahren wollen, ein attraktives Angebot haben, denn ein attraktiver ÖPNV ist auch ein Ziel grüner Mobilitätspolitik.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reinhardt?

Herr Kollege Gelbhaar! Jetzt nur mal aus Interesse, weil wir von dem Kollegen Kreins gerade gehört haben, wer dem Haushalt nicht zustimmt, der ist gegen alle Erhöhungen und auch gegen alle Gelder an den ÖPNV: Teilen Sie die Meinung des Kollegen Kreins, dass, wer den Haushalt ablehnt, ein Feind des ÖPNV in Berlin ist?

[Lars Oberg (SPD): Ja!]

Wie sagte Herr Kreins eben so schön: Die Annahme der Fragestellung ist der erste Akt der Unterwerfung. Ich glaube, die Frage – – Also: Nein, ich teile diese Meinung nicht!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich will aber hier fortfahren, denn zu den Finanzen und zu den Zahlen komme ich auch.

Was könnte man eigentlich gegen den richtungsunabhängigen Fahrschein haben? – Der Senat hat in einer Kleinen Anfrage geantwortet und bringt unbezifferte Gegenargumente. Es wird irgendwie kolportiert, dass das 21 Millionen Euro kosten würde. Das ist allerdings eine absolute Mondzahl, weil sie bislang in sämtlichen Gesprächen durch nichts untersetzt werden konnte. Deswegen wurde das dann auch in der Kleinen Anfrage umdefiniert und umgetauft als Verlustpotenzial. Wir wissen alle, dass ein Potenzial eine unbestimmte Größenordnung ist. Sie kann sich realisieren, man weiß es aber nicht genau. Deswegen sind wir dort genauso schlau wie zuvor. Auch BVG und S-Bahn konnten hier nicht weiterhelfen, konnten nicht sagen, welche konkreten finanziellen Auswirkungen das hätte. Damit fehlt eigentlich das entscheidende Argument. Man muss klar sagen: Hier wollen SPD und CDU durchentscheiden. Sie wollen es so beibehalten, wie es ist. Aber eine richtige Begründung gibt es da nicht.

Zudem: Bei der Abschaffung wurde damals der Preis zugleich um 20 Cent abgesenkt. Diese Absenkung ist inzwischen vielfach obsolet. Im Gegenteil ist der Preis für den Fahrschein um ein Vielfaches höher geworden, damit gilt auch das Argument von damals schlicht und ergreifend nicht mehr. Spätestens mit der Erhöhung zum 1. August – um 30 Cent ging es da nach oben – wäre die Richtungsunabhängigkeit auch wieder einführbar gewesen.

Ein weiteres Argument: In jedem Land gibt es Varianten, um Touristinnen und Touristen zu neppen. In Berlin heißt diese Variante der richtungsabhängige Fahrschein. Der taugt eben nicht nur für positive Urlaubserinnerungen.

(Ole Kreins)

Derartige Kontrollerfahrungen, Abkassierung, obwohl die Betroffenen ordnungsgemäß fahren wollten, ist das ganze Gegenteil. Das ist jetzt auch keine Ausnahme. Das gibt es regelmäßig in Berlin. Wir freuen uns doch, dass viele Touristinnen und Touristen kommen, aber bei dieser Erfahrung gehen sie nach Hause und berichten darüber auch. Kein Mensch gilt gern als Schwarzfahrer oder Schwarzfahrerin. Ich denke, Berlin sollte hier seine Weltoffenheit ganz konkret beweisen. Damit könnte die ungewollte Schwarzfahrt in der Tat entfallen, und Transparenz kann in der Verkehrs- und Preispolitik nur guttun.

Das sind die guten Argumente für einen richtungsunabhängigen Fahrschein, und deswegen sollten wir dem Antrag zustimmen. Wir als Gründe werden das tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Gelbhaar! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Friederici. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht können wir nach dem Klamauk der Opposition mal wieder zur Sachpolitik zurückkommen.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

2004 ist der richtungsunabhängige Fahrschein wieder abgeschafft worden, und kaum neun Jahre später diskutiert eine Oppositionsfraktion mit dem Blick auf den 22. September 2013 und den bekannten Bundestagswahltermin schon wieder das gleiche Thema, ohne dass die Piraten überhaupt mit den Berliner und Brandenburger Verkehrsunternehmen gesprochen hätten, ohne dass die Piraten mit den Fahrgästen darüber gesprochen hätten und auch ohne eine klare Aussage der Piraten, dass eine solcher Fahrschein deutlich mehr kosten würde als das klassische Einzelticket bei Bus und Bahn bisher.