Protocol of the Session on June 13, 2013

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Senat ernsthaft mit dem Gedanken spielt, aus politischem Kalkül den Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu erschweren. Und vor allem kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der Senat ernsthaft glauben könnte, dass zwei Urnengänge für ihn von politischem Nutzen wären. Wir glauben zwar nicht, dass ein getrennter Urnengang den Ausgang des Volksentscheids verändern wird, aber die Möglichkeit besteht zumindest. Jetzt stellen Sie sich mal vor, wie der Senat dastehen würde, wenn sich bei einem abgetrennten Volksentscheid eine Mehrheit für das Gesetz des Energietisches ergibt, aber die Abstimmung knapp am Quorum scheitert. Die politische Atmosphäre in Berlin um das Thema Stadtwerke wäre dauerhaft vergiftet.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Das wäre umso bedauerlicher, da ja die Position des Energietisches und der Koalition ja gar nicht so weit auseinanderliegen. Es geht beim Volksentscheid ja nicht darum, ob es ein Stadtwerk geben wird oder nicht – das ist ja längst beschlossene Sache. Worum es beim Volksentscheid geht, ist zunächst die Frage, wie transparent und bürgernah ein zukünftiges Stadtwerk sein wird.

Letztlich geht es aber um die Frage, ob das Stadtwerk einfach ein weiteres, von der Regierung hingestelltes landeseigenes Unternehmen sein wird oder ob wir ein Stadtwerk bekommen, das durch den Willen der Berliner errichtet und von den Bürgern der Stadt getragen wird. Eine solche politische Gelegenhit kann man sich doch nicht entgehen lassen!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Und wenn Sie, liebe Koalition, der Meinung sind, dass Ihr Gesetz für ein Stadtwerk das bessere ist, dann legen Sie Ihren Entwurf doch einfach am Wahltag mit vor und überzeugen Sie die Wähler, für Ihr Gesetz zu stimmen!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Bürgermeister Henkel! Sie haben jetzt die seltene Gelegenheit, uns hier eine unwürdige Debatte um eine Selbstverständlichkeit zu ersparen. Nehmen Sie mir bitte nicht den Glauben daran, dass auch auf der Senatsbank gelegentlich Vernunft und Anstand regieren!

[Oh! von der SPD und der CDU]

Versichern Sie uns, dass es keine zwei Urnengänge geben wird und Sie allein die Vorstellung davon ebenso absurd finden wie wohl die meisten Berliner! – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse nun abstimmen und zwar zunächst über den Antrag der CDU. Wer diesem Thema „Zensus 2011“ zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Grünen. Gegenstimmen? – Die Linke und Teile der Piraten. Enthaltungen? – Beim anderen Teil der Piraten.

[Zuruf von der SPD]

Somit rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.

Für die heutige Sitzung liegen folgende Entschuldigungen von Senatsmitgliedern vor: Der Regierende Bürgermeister ist bis ca. 18.00 Uhr entschuldigt. Grund ist die Teilnahme an der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sowie der anschließend stattfindenden Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs. Frau Senatorin Kolat wird von ca. 18.30 Uhr bis 21.00 Uhr abwesend sein. Grund ist die Teilnahme an einem Treffen der A-Länder-Minister für Arbeit. Senator Heilmann ist ganztägig abwesend. Grund: Teilnahme an der Justizministerkonferenz in Perl-Nenning vom 12. bis 13. Juni.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Mündliche Anfragen

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Drucksache 17/MA33

(Pavel Mayer)

Die erste Mündliche Anfrage, die von der Frau Abgeordneten Monteiro gestellt wurde, wird von Frau Kollegin Franziska Becker vorgelesen. Sie hat das Thema:

Berlin braucht dich!

Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage den Senat: 1. Welche Chancen ergeben sich aus dem neuen Teilprojekt der Kampagne „Berlin braucht dich!“ jetzt auch „in der Metall- und Elektroindustrie“, zu dem Frau Senatorin Kolat am 12. Juni 2013 den Startschuss gab?

2. Welche Unternehmen und weitere Partner konnten zur Mitwirkung an „Berlin braucht dich!“ jetzt auch „in der Metall- und Elektroindustrie“ gewonnen werden?

[Uwe Doering (LINKE): Alle Partner vorlesen?]

Danke schön! – Es antwortet Frau Senatorin Kolat. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Becker! Ich beantworte Ihre beiden Fragen wie folgt: Gestern in der Produktionsstätte von MAN Diesel & Turbo SE wurde der Startschuss für die Erweiterung des erfolgreichen Konzepts „Berlin braucht dich!“ in Richtung Metall- und Elektroindustrie gegeben. Es ist aus arbeitsmarkt- und integrationspolitischer Sicht sehr wichtig, dass diese erfolgreiche Kampagne erweitert wird.

Zu der Kampagne „Berlin braucht dich!“ brauche ich diesem Parlament nicht sehr viel zu berichten. Die Ergebnisse kennen Sie. Es handelt sich um eine Kampagne, die wir seit vielen Jahren in Berlin durchführen und in der es darum geht, den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst und landeseigenen Unternehmen zu erhöhen. So haben wir es geschafft, diesen Anteil von 8,6 Prozent auf 20 Prozent zu erhöhen. Ganz gut dabei ist die Polizei. Einige Bezirke beschäftigen schon über 50 Prozent oder über 30 Prozent Jugendliche mit Migrationshintergrund. Das ist eine Erfolgsgeschichte.

Ich freue mich, dass sich diesem Netzwerk von 45 Betrieben und 32 Schulen nun auch Unternehmen aus der Privatwirtschaft speziell aus der Metall- und Elektroindustrie anschließen. Gestern haben wir den Startschuss dafür gegeben. Ich denke, dass wir damit Folgendes er

reichen werden – Sie haben ja nach den Chancen gefragt –: Es werden viele Unternehmen mitmachen und damit auch dazu beitragen, dass sie eigene Fachkräfte rekrutieren können, denn viele Branchen in Berlin haben Fachkräftebedarf und haben jetzt erkannt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund ein Potenzial bieten. Jugendliche mit Migrationshintergrund machen zurzeit 40 Prozent der Jugendlichen aus, das heißt, in Zukunft wird man an ihnen ohnehin nicht vorbei kommen. Dass die Metall- und Elektrobranche dies erkannt haben und diese Jugendlichen für ihre Branche erreichen wollen, ist wirklich sehr positiv. Ich freue mich sehr, dass jetzt mehr Unternehmen mitmachen.

Sie haben nach den Unternehmen gefragt. Die jetzige Liste lautet wir folgt: BMW AG, KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH, MAN Diesel & Turbo SE, Mercedes Benz, OSRAM, PUK-WERKE KG, Siemens AG, ZF Friedrichshafen AG sowie das ABB Trainingscenter. Es laufen weitere Verhandlungen. Ich hoffe, dass dadurch viele Jugendliche mit Migrationshintergrund eine neue berufliche Chance bekommen, denn Integration ist Teilhabe und berufliche Bildung. Ich hoffe, dass sie anschließend hochwertige Arbeitsplätze bekommen.

Ich will anmerken, dass es sich um ein Ereignis handelt, das nicht jeden Tag vorkommt: Privatwirtschaft lernt von Verwaltung. Das zeigt, hier haben wir etwas Gutes gemacht. Dass die Privatwirtschaft hier partnerschaftlich mitarbeitet, freut mich sehr!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Frau Becker, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön!

Frau Kolat! Gehen Sie davon aus, dass die von Ihnen benannten Unternehmen in ihre Branche so ausstrahlen, dass noch weitere Unternehmen gewonnen werden können?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Ja, ich gehe davon aus, dass sich noch andere Unternehmen aus der Metall und Elektrobranche anschließen werden. Er freut mich aber, dass bereits so viele Unternehmen von Beginn an mitmachen. Unser BQN-Netzwerk ist auch im Rahmen der Berufsorientierung Modell. Das haben die Metall- und Elektroindustrie so erkannt. Es ist

(Präsident Ralf Wieland)

ein Netzwerk von Unternehmen und Schulen. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, ihre Stärken und Interessen zu entdecken, und vor allem werden Möglichkeiten der Begegnung mit Betrieben sichergestellt. Das ist gut für die Unternehmen, die in diesem Netzwerk vorhanden sind. Ich gehe fest davon aus, dass sich andere Unternehmen aus der Metall- und Elektrobranche dem Netzwerk anschließen werden. Aber eigentlich ist meine Hoffnung, Frau Becker, dass auch andere Branchen erkennen, dass diese Zielgruppe ein Potenzial ist und sich auch andere Branchen unserem erfolgreichen Konzept „Berlin braucht dich!“ anschließen.

Vielen Dank! – Zur nächsten Nachfrage Frau Kollegin Bangert – bitte schön!

Frau Senatorin Kolat! „Berlin braucht dich!“ gibt es jetzt seit 2006. Wie erklären Sie Ihre Erfolgsgeschichte bei „Berlin braucht dich!“ angesichts mit der Tatsache, dass im gleichen Zeitraum bei sämtlichen Berliner Unternehmen die Ausbildungsquote um 1,3 Prozent gesunken ist, und zwar von 5,6 Prozent im Jahr 2006 auf 4,3 Prozent aktuell. Wie passt es mit Ihrer Erfolgsgeschichte zusammen, dass Unternehmen unterdurchschnittlich ausbilden?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Bangert! Dass ich mit der Ausbildungsquote und der Ausbildungsbetriebsquote im Land Berlin nicht zufrieden bin, habe ich – denke ich – hier im Parlament bereits mehrfach angesprochen. Mein Appell an die Privatwirtschaft im Land Berlin, an viele einzelne Unternehmen, die Ausbildungsbemühungen zu erhöhen, ist sicher auch bei Ihnen angekommen. Auch ich beobachte die Entwicklung der Anzahl der Betriebe, die ausbilden, und die Zahl der Ausbildungsplätze im Land Berlin mit Sorge und denke, dies steht nicht im Einklang mit dem Fachkräftebedarf, der offensichtlich da ist – in bestimmten Branchen akuter als in anderen.

Die Kampagne „Berlin braucht dich!“ zielt nicht in erster Linie darauf ab, dass mehr ausgebildet wird – die Verantwortung dafür liegt eindeutig bei der Wirtschaft –, sondern darauf, dass der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei der Besetzung der Ausbildungsplätze erhöht wird. Wir haben vor vielen Jahren festgestellt – so sind wir gestartet mit der Kampagne „Berlin braucht dich!“ –, dass der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst und bei landeseigenen Unternehmen unterrepräsentiert

ist. Deshalb haben wir diese Kampagne gestartet. Wir haben jetzt Erfolgszahlen. Und diesem Modell folgt jetzt eine Privatbranche, sage ich mal, der Privatwirtschaft. Ich denke, im Zuge der Fachkräftedebatte werden sich auch andere Branchen anschließen, denn heute haben 40 Prozent der Jugendlichen Migrationshintergrund. Dieser Anteil wird in Zukunft steigen. Bisher hat man die Jugendlichen mit Migrationshintergrund eher in niedrig qualifizierten Berufsbereichen als Nischenfüller gesehen. Ich freue mich insbesondere, dass Metall und Elektro sich jetzt dieser Bemühung anschließen, weil es auch um hochwertige Ausbildungsplätze geht, wo die Ausbildungsvergütung hoch ist und auch die Verdienstmöglichkeiten sehr gut sind. Deswegen denke ich, dass diese Kampagne erfolgreich sein wird, weil das Ziel, mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund in Ausbildung zu bringen, hiermit ja nachweisbar erreicht worden ist.

Vielen Dank!

Dann kommen wir zur Anfrage Nr. 2 des Kollegen Burkard Dregger von der CDU-Fraktion zum Thema

Rote Hilfe