Protocol of the Session on June 13, 2013

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Statt sich jetzt wegzuducken, über Statistiken zu reden, könnte Frau Scheeres vielleicht als Wissenschaftssena

(Sven Rissmann)

torin noch einen Beitrag leisten, über die statistischen Abweichungen und wie sie am besten wissenschaftlich zu begründen sind, stattdessen wollen wir heute über einen Kassensturz mit Ihnen debattieren, und zwar über einen ehrlichen Kassensturz und eine solide Finanzplanung für die nächsten Jahre. Vermutlich wird sich dann ja auch zeigen, dass die kommunizierten Einbußen von 470 Millionen Euro jährlich jedenfalls zu hoch angesetzt wurden, denn was hier die letzten Tage betrieben worden ist, war nichts als Zahlensalat und ein Verwirrspiel, und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE) – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Und Ihnen wird das Lachen noch vergehen, Herr Schneider, keine Sorge! – Natürlich bleibt der Zensus nicht ohne haushaltspolitische Folgen. Darüber würden wir gerne mit Ihnen diskutieren. Wenn keine unterschlagenen Mehreinnahmen mehr da sind, heißt das für alle noch nicht im Haushaltsentwurf abgesicherten Projekte, dass sie bei Ihnen auf der Kippe stehen. Wenn diese Projekte wie z. B. die Wohnungsbauförderung, die Erhöhung der Beamtenbesoldung auf Eis gelegt werden, bedeutet das jahrelangen Stillstand für Schlüsselaufgaben hier in der Stadt. Das kann hier, glaube ich, keiner wollen. Dass meine Fraktion Investitionsausgaben von neuen Projekten, wie dem Neubau der ZLB, so radikal wie möglich entschlacken will, um Platz für die dringend notwendigen und ökologischen Investitionen in die Substanz zu gewinnen, das ist, glaube ich, auch klar.

Wir, das Parlament – da sind Sie alle gefragt –, müssen sorgfältig abwägen, welche politischen Prioritäten für die nächsten Jahre gesetzt werden und welche langfristigen Bindungen man mit diesem Haushalt tatsächlich eingeht. Meine Damen und Herren von der Koalition! Nach zehn harten Jahren der Haushaltskonsolidierung sollte man nicht so tun, als ob alles wieder von vorne losgeht. Die Verschleierungstaktik muss ein Ende haben. Die Zahlen müssen auf den Tisch, denn die Prioritäten für die nächsten Jahre gehören in die parlamentarische Beratung – hierhin – und nicht in irgendwelche Hinterzimmer.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Herr Kollege Wolf – bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Pop hat es schon gesagt: Auch ganz aktuell ist, dass über ein Viertelmillion Menschen für das Volksbegehren Energie unterschrieben haben. Das ist

großartig, und auch wir wollen allen danken, die zu diesem großartigen Erfolg beigetragen haben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Noch vor wenigen Wochen wurde hier von der Koalition orakelt, dass das Volksbegehren scheitern wird. Sie sind wie so oft von der Wirklichkeit widerlegt worden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es gibt nun einen Volksentscheid, und wir erwarten – wie Grüne und Piraten auch –, dass er zusammen mit der Bundestagswahl stattfindet. Und weil Sie ja bekanntlich zum Tricksen neigen, haben wir gemeinsam einen Antrag eingebracht.

[Zurufe von der SPD]

Den werden wir heute als Priorität aufrufen. Stimmen Sie nachher dem Antrag zu, Herr Saleh! Alles andere wäre schäbig!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sie haben das Energiethema verbaselt. Jetzt haben glücklicherweise die Wählerinnen und Wähler das Wort. Jetzt, Herr Saleh, müssen Sie Farbe bekennen: Wenn Sie wirklich Stadtwerk und Netze in öffentlicher Hand haben wollen, werben Sie für ein Ja beim Volksentscheid!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Im Übrigen: Wenn wir den Volksentscheid zusammen mit den Bundestagwahlen machen, sparen wir dem Land fast 2 Millionen Euro Mehrkosten. Das ist die geschmeidige Überleitung zu der von uns beantragten, nicht minder Aktuellen Stunde.

Seit der Zensus die Erkenntnis gebracht hat, dass Berlin Geld an den Länderfinanzausgleich zurückzahlen muss, haben wir eine Menge aus den Reihen der Koalition gehört – leider kaum etwas Ernstzunehmendes. Der Finanzsenator sieht einen „Schwarzen Freitag“. Der Regierende sagt kurz darauf, dass sei aber keine Katastrophe. Tatsächlich: Der Schwarze Freitag, den ich kenne, da haben sich Leute aus den Fenstern der Börse gestürzt, und er führte auch in eine wirkliche Katastrophe. Wenn es für Berlin nur annähernd so schlimm gekommen wäre, wie am Anfang die Reaktionen aus Senat und Koalition waren, dann wäre in der Tat heute eine Regierungserklärung das Mindeste gewesen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Ramona Pop)

Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Sie haben ja zuletzt allen alles versprochen, dann kam der Zensus, und plötzlich jagt ein Streichvorschlag den anderen. Da wird eine ganz harte Ausgabenlinie angekündigt, und nach einer Woche wilden Geflatters bleiben dann irgendwie doch nur die Steuererhöhungspläne von Herrn Saleh übrig? Nicht der Zensus, nein, was die Koalition den Berlinerinnen und Berlinern hier zumutet, ist eine Katastrophe: Da wird der Beschluss des Haushaltsplanes verschoben. Der Finanzsenator droht mit Haushaltssperre, will die Senatsverwaltungen zwingen, den Gürtel noch mal enger zu schnallen. Was für eine alberne Showveranstaltung!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Nichts anderes ist es, Herr Nußbaum: Wir wissen beide, das Geld ist da. Wir haben Ihnen schon für den Haushalt 2012/2013 nachgewiesen, dass Sie gern mit großen Bunkern arbeiten.

[Zurufe von der SPD]

Da wurden auch fix über 400 Millionen Euro für die Flughafenmehrkosten gefunden.

Und mal ehrlich: Es ist schon einfach nur lächerlich, wenn man auf der Senats-PK einräumen muss, dass man vergessen hat, die Steuereinnahmen im laufenden Jahr bei der Bestimmung des Handlungsbedarfs zu berücksichtigen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der Zensus ist keine gute Nachricht, aber es gibt keinen Grund für wilde Streichkonzerte in der Stadt – Frau Schmidt wird Ihnen das nachher noch mal alles genau erklären.

Darüber hinaus ist es nicht wirklich entscheidend, ob Berlin schon 2015 oder erst 2016 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Selbst die Schuldenbremse lässt uns Zeit bis 2020. Was Berlin braucht, sind sinnvolle Investitionen. Ob öffentlicher Dienst, Bezirke, Wohnungspolitik, Bildung – es gibt viele Bereiche, wo dringend Geld in die Hand genommen werden muss, damit die Stadt auch in Zukunft funktionieren kann.

Die Haushaltsberatungen kommen nach der Sommerpause. Da wird auch über Prioritäten zu reden sein. Das hat aber – wenn Sie sich ehrlich machen – mit den Zensusfolgen ganz wenig zu tun.

[Beifall bei der LINKEN]

Es war wahrlich nicht leicht, die Finanzen der Stadt einigermaßen in Ordnung zu bringen und gleichzeitig Berlin wirtschaftlich und kulturell zu modernisieren. Dafür war manche schmerzhafte Entscheidung in der Vergangenheit

notwendig. Jetzt hat Berlin eine prosperierende Wirtschaft, und der Zensus widerspricht nicht dem Befund, dass die Stadt weiter wächst. Berlin jetzt auf Verschleiß zu fahren, nur damit der Finanzsenator an seinem kleinen Denkmal basteln kann, ist keine kluge Idee.

Darüber wollen wir heute und werden wir auch heute in der Aktuellen Stunde reden. Jetzt haben wir erfahren, dass für den Senat heute Herr Henkel reden soll – zum Melderecht. Und weder der Regierende noch der Finanzsenator erklären sich zu den Zensusfolgen. Wenn das zutrifft, haben Sie selbst ein vernichtendes Urteil über Ihre eigene Seriosität getroffen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion Herr Kollege Mayer!

Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Wir würden aus aktuellem Anlass heute gern über die weiteren Schritte reden, die sich aus dem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stattfindenden Volksentscheid „Neue Energie für Berlin“ ergeben. Und obwohl sich hier im Haus eine Mehrheit für ein anderes Thema abzeichnet, werden wir wohl dennoch das zweifelhafte Vergnügen haben, im Rahmen des gemeinsamen Oppositionsantrags darüber zu sprechen.

Da wir aber heute einen sehr sportlichen Zeitplan haben, möchte ich meine Begründung dazu nutzen, uns vielleicht eine halbe Stunde Sitzungszeit zu ersparen, denn offen gesagt kann ich mir gar nicht vorstellen, dass dieser Senat ernsthaft erwägen könnte, den Urnengang zur Bundestagswahl nicht mit dem Volksentscheid zusammenzulegen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich weigere mich auch, den Gerüchten zu glauben, der Senat könnte aus politischem Kalkül so verantwortungslos mit dem Geld und der Zeit der Bürger umgehen und innerhalb weniger Wochen zwei Urnengänge veranstalten. Das ist einfach absurd!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Rund 3 Millionen Euro, so hört man, kostet ein Urnengang den Landeshaushalt. Wenn Sie noch den Zeitaufwand der Berlinerinnen und Berliner in Geld umrechnen, können Sie noch ein Vielfaches hiervon dazurechnen. Ich mag auch nicht glauben, dass der Berliner Senat sich

(Udo Wolf)

ernsthaft anders entscheiden könnte als der Hamburger Senat, der ein ähnliches Volksbegehren ebenfalls auf den Tag der Bundestagswahl gelegt hat.

Schließlich sieht die Verfassung von Berlin aus gutem Grund sogar die Möglichkeit vor, einen Volksentscheid nach hinten zu verschieben, um ihn mit Wahlen zusammenzulegen. Den absurden Fall zu regeln, dass eine Wahl nicht für einen gleichzeitig anstehenden Volksentscheid benutzt wird, darauf hat der Verfassungsgeber verständlicher weise verzichtet.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Senat ernsthaft mit dem Gedanken spielt, aus politischem Kalkül den Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte zu erschweren. Und vor allem kann ich mir auch nicht vorstellen, dass der Senat ernsthaft glauben könnte, dass zwei Urnengänge für ihn von politischem Nutzen wären. Wir glauben zwar nicht, dass ein getrennter Urnengang den Ausgang des Volksentscheids verändern wird, aber die Möglichkeit besteht zumindest. Jetzt stellen Sie sich mal vor, wie der Senat dastehen würde, wenn sich bei einem abgetrennten Volksentscheid eine Mehrheit für das Gesetz des Energietisches ergibt, aber die Abstimmung knapp am Quorum scheitert. Die politische Atmosphäre in Berlin um das Thema Stadtwerke wäre dauerhaft vergiftet.