Mit anderen Worten: Es geht ums Verkaufen. Es geht bei Scientology immer nur ums Geld – auch hier danke für die Klarstellung!
Wie alle Sekten benutzt Scientology ein eigenes Sprachsystem. Das von Scientology ist unserer Kenntnis nach sogar das komplizierteste. Es werden Begriffe umgedeutet und völlig neu besetzt. Durch diese Sprachmanipulationen wird das Denken der Personen systematisch verändert und an die Zielsetzung der Gruppe angeglichen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Begriff der Ethik: Zwar wird er innerhalb von Scientology auch im üblichen Sinne gebraucht, gleichzeitig aber auch im bereits geschilderten. Dadurch wird das Denken des Scientologen dahin gehend geprägt, dass ethisch korrektes Handeln darin besteht, im Einklang mit der Gruppe zu agieren, um individuelle Interessen, die als „Fremdabsichten“ bezeichnet werden, auszuschließen. Die individuelle Verantwortlichkeit für eigene Entscheidungen, die einen selbständigen Menschen auszeichnet, wird ausgeschaltet, und sämtliches Denken und Handeln darauf ausgerichtet, dass es dem Überleben von Scientology dient.
So sind Scientologinnen und Scientologen permanent dazu angehalten, zu produzieren und entweder Kurse zu belegen oder Arbeiten für die Organisation zu verrichten. Hubbard schreibt in „Einführung in die Ethik der Scientology“ über „produzierende und anständige Leute“. Scientology betreibt Anlagen, in denen Kinder vollzeit komplett ohne Lohn arbeiten – offenbar nicht in Berlin, aber genau wissen wir das leider auch nicht. Erwachsene Mitglieder arbeiten oft bis zu 52 Stunden in der Woche für unter 280 Euro – das ist sogar weniger, als Hartz-IVAufstocker pro Stunde erhalten.
Konditioniert werden Menschen mit sogenannten Trainingsroutinen. Dabei handelt es sich um wirksame Techniken, mit denen die Scientology wirbt, Menschen zu helfen. Die Teilnehmer erlangen dabei Fähigkeiten, merken aber nicht, dass sie gleichzeitig empfänglich für Befehle werden. Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Trainingsroutinen über Stunden, sogar Tage hinziehen können, bis das gewünschte Resultat vom Kursleiter bestätigt wird. Wer kennt nicht das Kinderspiel „Wer zuerst blinzelt, hat verloren?“ – So fängt es an, jedoch nicht als Spiel, sondern als Trainingsroutine, und bei weitem nicht so harmlos. Allein die Vorstellung, mehrere Stunden regungslos mit einem auf einen Punkt fokussierten Blick dazuzusitzen, lässt erahnen, dass dabei tranceähnliche Zustände hervorgerufen werden. Nun ist das Erlernen von Selbstkontrolle ja durchaus positiv zu bewerten. Allerdings setzt gleichzeitig ein gefährlicher schleichender Prozess ein: Der Teilnehmer lernt auch, zu gehorchen und Dinge nicht in Frage zu stellen. Durch
Gruppenbestätigung und Belohnung beginnt er, die Scientology positiv wahrzunehmen und zu rechtfertigen. Vor allem wird ihm suggeriert, dass die Techniken, die da benutzt werden, funktionieren, weil er Bestätigung und Fortschritt im Kurssystem erfährt.
Dies ist es, womit die Implementierung der Gedankenkontrolle beginnt. Durch Verwendung der konkreten Stimulus-Response wird eine Konditionierung erreicht – das klingt jetzt ein bisschen technisch, aber zuhören hilft an dieser Stelle wirklich. Die Audit genannten Sitzungen, die ein Scientologe kostenpflichtig in Anspruch nimmt, gleichen vom Aufbau her einem Verhör und sind subtile Gehirnwäsche und Psychoterror. Sie werden übrigens nicht von Ärzten durchgeführt. Im Gegensatz zur Beichte gibt es leider kein Beichtgeheimnis – im Gegenteil: Die Aussagen werden protokolliert, dauerhaft gespeichert und dazu benutzt, um noch mehr Kontrolle über die Betroffenen auszuüben.
Eines der wichtigsten Verfahren, die die ScientologyOrganisation verwendet, um ihre Mitglieder zu halten, ist die sogenannte Disconnect Policy. Wer der Kirche beitritt, wird gezwungen, sich von allen Freunden und Familienmitgliedern, die Scientology nicht befürworten, zu entfernen und alle Kontakte zu ihnen abzubrechen. Jeder, der die Methoden von Scientology nicht befürwortet oder sich sogar gegen die Scientology-Organisation ausspricht, wird zur sogenannten Sopressive Person ernannt. Jeder, der Kontakt zu einer solchen Person hat, ist eine PTS, eine Possible Trouble Source, übersetzt ein möglicher Unruhestifter. Wenn jemand Scientology aus irgendeinem Grund verlässt, wird er meist direkt zur SP ernannt. Umgehend muss jede Person, die sie innerhalb der Kirche kannte, jeglichen Kontakt abbrechen. Wenn man also die Kirche verlässt, wird man meisten jegliche bekannte Bezugsperson verlieren.
Menschen, die in die Fänge von Scientology geraten, sind all dem ausgesetzt. Und wie es bei Sekten so oft ist, kommen nur die wenigsten aus eigener Kraft aus diesem schwarzen Loch heraus. Falsche Versprechungen, Gehirnwäsche, finanzielle Ausnutzung, Zwangsarbeit, Denunziantentum, Informationskontrolle und gezielte Desinformation – das ist das System Scientology. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte klar und deutlich aussprechen,
was Scientology ist: Es ist ein übelriechendes Wirtschaftsunternehmen mit religiösem Anstrich – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Wir haben von den Piraten eine Große Anfrage auf den Weg bekommen, wo man sich fragt, was dieses WünschDir-Was aus Fragen aus dem Internet zum einen soll, und was zum anderen die seminaristische Art und Weise soll, dem Plenum mitzuteilen, was Scientology eigentlich ist. – Herr Höfinghoff! Ich muss Ihnen deutlich sagen: Wir waren damals, als das Thema Scientology in Berlin ankam und auf der Tagesordnung war, viel, viel weiter als das, was Sie uns hier als Replik vorgetragen haben.
Ich möchte klar und deutlich sagen, dass sich Scientology in Berlin in einem gewissen Abwicklungsprozess befindet. Der Senator hat auf die Mitgliederzahlen hingewiesen, die dramatisch abnehmen. Selbst bei der Mitarbeiterstärke in der Otto-Suhr-Allee kann man es deutlich sehen: Da ist viel heiße Luft und nicht wirklich etwas. Wir als SPD haben damals, 2007, eine ganz klare Strategie gehabt. Uns war die Strategie der Aufklärung und Wachsamkeit wichtig. Dabei spielt die Aufklärung die größere Rolle als die Wachsamkeit. Der Senator hat schon deutlich gemacht, was bisher geleistet wurde, und ich möchte lieber nicht auf das eingehen, was man bei Wikipedia zu Scientology findet, sondern auf das, was der Senat und wir hier in Berlin wirklich geleistet haben.
Auf der einen Seite gab es organisatorische Maßnahmen, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit. Bei den organisatorischen Maßnahmen muss man deutlich machen, dass wir damals unter Rot-Rot die Leitstelle für Sektenfragen eingerichtet haben. Das war genau der richtige Akzent und genau der richtige Punkt. Wir haben bis zum heutigen Tag jährlich zirka 800 Anfragen bei der Leitstelle zu allgemeinen Themen, aber auch zu Scientology. Des Weiteren ist das Land Berlin im Verbund „Berlin gegen Sekten“ mit dabei. Das ist auch ein wesentlicher Punkt bei der Frage der Netzwerkbildung.
Ein nächster Bereich ist die Prävention. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Bereich, denn wir wollen ja eben nicht, dass junge Menschen oder Menschen, die schon etwas älter sind, in die Fänge der Scientologen geraten. Die gezielte Prävention an den Berliner Schulen, an den Freizeiteinrichtungen hier in dieser Stadt durch Vorträge oder Betreuung von Projekttagen, aber eben auch durch Schulung von Ethik-Lehrern trägt ihre Früchte.
Und wir haben – und darauf können wir auch ein bisschen stolz sein – zu einen die sogenannte ScientologySchutzerklärung bei öffentlichen Aufträgen im Land Berlin, und zum anderen – der Innensenator hat darauf verwiesen – haben wir im Verfassungsschutzbericht Scientology aufgeführt. Das heißt, wir schreiben die Wachsamkeit weiterhin groß. Ich möchte auch daran erinnern, dass die Scientologen natürlich versuchen, sich
auf der einen Seite als Religionsgemeinschaft darzustellen und mehrfach versucht haben, am Dialog der Religionen teilzunehmen. Aber auch dort wurde ihnen eine klare und deutliche Absage erteilt.
Zum anderen ist die Öffentlichkeitsarbeit ein ganz wichtiger Punkt. Der Senator hat schon gesagt, dass wir gerade bei den Gesprächsangeboten von Scientology klar und deutlich machen, dass der Senat, der Religionsbeauftragte oder die Leitstelle für Sektenfragen eine klare Linie fährt. Ich kann das mit Zahlen deutlich machen: Beim Informationsmaterial – und das ist letztlich der Bildungs- und Jugendverwaltung gutzuschreiben – haben wir bei der Broschüre „Scientology incognito“ eine Auflage von 7 000 Stück, die nächste Auflage von „Die ScientologyOrganisation“ umfasst 7 400 Stück. Bei Flyern, Plakaten und einer sogenannten Sektencheckliste haben wir eine Auflage von 40 000 seit 2007 in dieser Stadt verteilt. Das sind ordentliche Zahlen. Das macht sehr deutlich, dass wir an den jungen Leuten dran sind, dass wir das Thema Aufklärung nicht nur groß schreiben, sondern es tatsächlich umsetzen.
Ich möchte auch noch einmal die Widerlichkeit dieser Sekte deutlich machen. Am 29. April kam eine E-Mail aus München, aus dem sogenannten Menschenrechtsbüro von Scientology. Sie können es sich gar nicht vorstellen: Die Scientologen versuchen, im Zusammenhang mit den NSU-Morden Profit zu erringen. Sie machen in ihrer E-Mail, die ich auch hier habe, deutlich: Sie sind Opfer der Willkür des Verfassungsschutzes, so ähnlich wie die Opfer des NSU. Ich finde, da ist wirklich eine Grenze erreicht, sich mit dem einen und den anderen zu vergleichen. Aber es macht sehr deutlich, auf welche perfide Art und Weise sie unterwegs sind.
Fazit: Die Berliner Scientology ist in einem finanziell schlechten Zustand. Zweitens: Wir haben einen stetigen Rückgang der Infostände in Berlin. Drittens: Sie haben es nicht geschafft, in der Wirtschaft und in den Behörden Fuß zu fassen bzw. sie zu unterwandern. Der letzte und wichtigste Punkt: Die Expansion ist gescheitert.
Ich möchte mich ausdrücklich bei der Jugendverwaltung bedanken, bei der Leitstelle für Sektenfragen, für die hervorragende Arbeit der letzten Jahre. Wir sind im Land Berlin bei dem Thema sehr gut aufgestellt. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Kollege Schreiber! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Bangert. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst an die Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, insbesondere an Herrn Höfinghoff: Ich finde es bemerkenswert, wie Sie eine Kleine Anfrage zur Großen hochstilisieren und damit Scientology noch Öffentlichkeit verschaffen.
Die Gefahren, die von dem Psychokonzern ausgehen, dürfen nicht unterschätzt werden. Wer wie Scientology mit dem Clear-Planet-Konzept ankündigt, unseren ganzen Planeten zu säubern, stellt sicherlich eine Bedrohung dar, und die darf nicht unterschätzt werden. Deshalb braucht es verstärkt Aufklärung über die Organisation Scientology und deren Machenschaften. Nur mit einer umfassenden Aufklärung kann verhindert werden, dass Jugendliche und Menschen in Lebenskrisen in die Fänge der Scientologen geraten.
Ein zentraler Punkt, wo unsere Wachsamkeit gefordert ist, bleibt in Ihrer Anfrage völlig außen vor: Extrem gefährlich ist, dass Scientology verstärkt auf dem Nachhilfe- und Bildungssektor mit Weiterbildungs- und Coachingangeboten aktiv wird. Auch in der psychologischen Beratung und der Drogenberatung gibt es Angebote von Scientology. Der Innensenator hat es eben schon gesagt. Dieses von Scientology betriebene Bildungsnetzwerk muss konsequent bekämpft werden, damit nicht Kinder, Eltern oder Menschen in Notsituationen gutgläubig in die Hände dieser Gruppierung geraten.
Um die Aktivitäten von Scientology ins Leere laufen zu lassen, hilft nur Aufklärung und Bildung. Hier wären die richtigen Fragen gewesen: Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Situation in Berlin? Gibt es z. B. Hinweise auf Aktivitäten von Scientologen an Berliner Schulen? Wie werden Eltern, Lehrkräfte und Schulleitungen sowie Schülerinnen und Schüler differenziert über die Aktivitäten von Scientology im Bildungsbereich informiert? Welche Unterstützung gibt es für Ausstiegswillige? Gibt es hierfür besonders geschulte und sensibilisierte Polizeikräfte, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte? Denn häufig befinden sich die Betroffenen in akuten Bedrohungssituationen.
Herr Schreiber hat dankenswerterweise die Aktivitäten des Senats noch einmal dargestellt. Wir wissen auch, dass es Scientology nicht gelungen ist, Berlin zur Zentrale Deutschlands aufzubauen. Deshalb sind wir mit den Aktivitäten, die ergriffen wurden, auf einem guten Weg. Dennoch muss die Wachsamkeit bleiben.
Aber Ihnen, liebe Piraten, muss ich leider sagen: Mit Ihrer Großen Anfrage haben Sie das Thema verfehlt, wie
Vielen Dank, Frau Kollegin Bangert! – Jetzt ist eine Kurzintervention vom Kollegen Höfinghoff angekündigt worden. – Sie haben natürlich das Wort!
Was ist denn das hier? – Auf der eine Seite wird uns erzählt, wir müssten bei Scientology total wachsam sein. Auf der anderen Seite versuchten uns sowohl die Kollegin Bangert als auch der Kollege Schreiber zu erzählen: Das ist eine totale Randerscheinung. Wir müssen im Plenum gar nicht darüber reden, weil es denen viel zu viel Aufmerksamkeit verschafft. – Für einen Weg müssen Sie sich entscheiden. Mir hier auf der einen Seite zu erzählen, Kollege Schreiber, ich würde hier seminarartige Vorträge halten, um uns dann seminarartig über die Erfolge des Senats in dieser Stadt im Kampf gegen Scientology aufzuklären, das ist großartig gemacht. Bigott wie immer!
Kollegin Bangert! Was war denn jetzt? Wollten Sie jetzt im Bereich Scientology alarmierend tätig sein, oder wollten sie uns erzählen, dass wir das als Piraten alles total blöd gemacht hätten und Sie es als Grüne, wenn Sie es denn gemacht hätten, total besser gemacht hätten?
Vielen Dank! – Sie dürfen erwidern, Frau Kollegin Bangert. Ich erteile Ihnen das Wort! – Bitte sehr!
Lieber Herr Höfinghoff! In diesem Parlament setzen wir uns schon seit Jahren mit Scientology auseinander, und
Die Sachen, die Sie uns erzählt haben, sind uns allen bekannt. Sie können uns glauben, wir haben uns, als Scientology nach Charlottenburg gezogen ist, in diesem Parlament intensiv mit dem Thema befasst. Daraufhin sind auch Angebote gemacht worden mit der Sektenleitstelle etc. Es ist nicht so, dass wir aus dem Mustopf kommen, sondern Sie hinken in dieser Debatte hinterher.