Das zweite Argument: Es gäbe ja schon eine Regelung im Telekommunikationsgesetz zur Netzneutralität. – Das ist insoweit richtig, als es im Telekommunikationsgesetz einen Paragrafen mit der Überschrift „Netzneutralität“ gibt. Darüber hinaus ist es allerdings nicht richtig. Denn dieser gibt der Bundesregierung zwar die Kompetenz, eine Verordnung zur Netzneutralität zu erlassen, lässt aber erstens den Begriff Netzneutralität in seinen Grundzügen völlig undefiniert, und zweitens ist von dieser Verordnungskompetenz – trotz der schon angesprochenen Missstände – bis heute kein Gebrauch gemacht wurde.
Unserer Ansicht nach braucht es daher eine eindeutige gesetzliche Regelung, die die Netzneutralität in ihren Grundsätzen festschreibt.
Die einzelnen Punkte unserer Antrags beschreiben, wie eine solche Regelung umfassend und technikneutral formuliert gestaltet werden kann. Wir gehen dabei ein auf die Definition der Netzneutralität, auf die technischen Komplikationen, die die Frage aufwerfen, welche ausnahmsweisen Netzwerkeingriffe zugelassen werden müssen, auf die Notwendigkeit einer wirksamen Aufsicht und auf das Erfordernis, auch im Mobilbereich eine wirksame Regelung zu finden. Wir fordern den Senat damit auf, sich auf Bundesebene für die Netzneutralität einzusetzen, wie es übrigens auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Nach über 30 Jahren und Netzneutralitätsgesetzen in mehreren anderen Ländern wird es Zeit, dass sich auch hierzulande etwas bewegt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dr. Weiß! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Kohlmeier. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Weiß! Sie haben recht: Zur heutigen Hauptversammlung der Deutschen Telekom in Köln gab es Demonstrationen von verschiedenen Verbänden. „Netzneutralität sichern!“, „Echtes Netz jetzt!“, wurde dort von den Demonstranten gefordert. Organisiert wurde das von verschiedenen Verbänden. Die „Drosselkom“ wird die Deutsche Telekom im Internet nur noch genannt, nachdem die Drosselpläne, also die Volumenbegrenzung des Internets, bekannt wurden. Der hier vorliegende Antrag, den Sie eingereicht haben, kommt deshalb zum richtigen Zeitpunkt, um das Thema hier im Haus zu diskutieren.
Wenn Sie heute die Internetseite der Deutschen Telekom ansurfen, lächelt Ihnen ein versicherungsvertreterähnlicher, junger Mann entgegen, der auf einem Banner sagt: Ein leistungsstarkes Internet für alle! – Die Telekom rechtfertigt sich auf ihrer Internetseite, nachdem sie bekannt gegeben hat, dass sie zukünftig keine echten Flatrates mehr anbieten möchte, sondern zusätzlich abkassieren will. Wer ein Volumen verbraucht hat, soll für zusätzliches Internet bezahlen. Ich finde, dass wir hier nicht zu diskutieren haben, ob die unternehmerische Entscheidung der Telekom, ihre Preise so festzusetzen, richtig ist. Es gibt genügend Alternativen auf dem Telekommunikationsmarkt. Da kann man den Verbrauchern nur zurufen: Schaut euch um, und wechselt gegebenenfalls zu einem anderen Anbieter! – Aber diese unternehmerische Entscheidung ist eben nicht nur eine unternehmerische, sonder sie hat auch eine politische Dimension, denn die Telekom will zukünftig die eigenen Dienste vor fremden Diensten und Inhalten bevorzugen. Und damit geht es im Kern um nicht mehr und nicht weniger als um die Netzneutralität, also den barrierefreien Zugang zum Internet. Ja, lieber Kollege Weiß, der Begriff ist bisher nicht einheitlich definiert. Es gibt zwar nach dem Telekommunikationsgesetz die Ermächtigung, durch eine Verordnung die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreien Datenübermittlung und einen diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Diensten festzuschreiben, davon hat aber der Gesetzgeber bisher keinen Gebrauch gemacht.
In der Enquetekommission des Deutschen Bundestages sind an diesem Punkt Differenzen zwischen SPD, Grünen und Linksfraktion auf der einen Seite und CDU/CSU und FDP auf der anderen Seite deutlich geworden. Während unsere Fraktion Netzneutralität so versteht, es als Regulierungsziel im Telekommunikationsgesetz aufnehmen zu wollen, setzen die konservativen Parteien im Bundestag eher auf eine Selbstverpflichtung.
Wozu eine solche Selbstverpflichtung führt, sieht man aktuell bei der „Drosselkom“. Auf der Internetseite wird großspurig ein „leistungsstarkes Internet für alle“ angekündigt. Faktisch gibt es aber kein leistungsstarkes Internet für alle, sondern nur für diejenigen, die extra zahlen. Alle anderen dürfen dann zukünftig mit Modemgeschwindigkeit surfen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht nicht.
Ich bin daher dankbar, dass der Kulturstaatsminister Neumann auf der CDU-Media-Night vor zwei Tagen hier in Berlin die
bezeichnet hat. Auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer von der CDU hat sich sehr deutlich engagiert. Sie möchte ich ebenfalls hier zitieren:
Die Netzneutralität brauchen wir, damit die Bürger überall in dieser Republik freien Zugang zu Inhalten haben.
Dem müssen nun Taten folgen. Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben eigene Initiativen für den Bundesrat angekündigt. Auch wir in Berlin werden uns das überlegen müssen, und aufgrund des Antrags haben wir einen Anlass dazu zu schauen, ob wir gesetzgeberisch tätig werden sollten oder nicht.
Der Antrag passt außerdem hervorragend zu einem weiteren Tagesordnungspunkt, der heute auf der Tagesordnung steht, nämlich zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen unter Tagesordnungspunkt 22, das Prinzip „Löschen statt Sperren“ festzuschreiben. Diese SPD-CDU-Koalition bekennt sich damit deutlich, gegen Netzsperren zu sein. Ich freue mich auf die Beratung mit Ihnen im Ausschuss über Netzneutralität und gegen Netzsperren. Ich habe den Eindruck, dass wir hier inhaltlich nah beieinander sind. Ich freue mich, wenn aus Berlin, der Stadt der kreativen und IT-Unternehmer, das Signal ausgeht: Wir sind für eine Festschreibung der Netzneutralität und gegen Netzsperren. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Gelbhaar. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Internet, so wie wir es kennen, steht am Scheideweg, denn die Telekom will mit ihren neuen Tarifen unterscheiden in die Nutzerinnen und Nutzer eigener Dienste und die anderen. Die einen dürfen beliebig viel und lange surfen, die anderen werden nach einem bestimmten Downloadvolumen gedrosselt. Und das ist nichts anderes als ein Systembruch. Und gegen diese „Drosselkom“Pläne gibt es zu Recht erste und vehemente Proteste. Diesen grundlegenden Verstoß gegen die sogenannte Netzneutralität lehnen wir als Bündnisgrüne ab. Wir wollen kein Zwei-Klassen-Internet.
Die Bevorzugung von eigenen Diensten ist ein klarer Verstoß gegen diese Regel, dass alle im Netz transportierten Daten eben gleich zu behandeln sind. Diese Gleichbehandlung ist – das wurde schon gesagt – bislang nicht durch ein Gesetz gesichert worden. Werden die Pläne der Telekom realisiert, dann werden die Daten derjenigen bevorzugt, die mehr bezahlen können und wollen. Und wir Bündnisgrünen fordern daher, und zwar schon seit einiger Zeit: Das Prinzip der Netzneutralität muss endlich gesetzlich festgeschrieben werden!
Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat bislang immer alles auf den alles regulierenden Markt verwiesen. An dieser Stelle wird dann gerne mal die eine oder andere verkehrspolitische Metapher herangezogen und gesagt, ja, die Ampel, das regelt ja auch nicht der Markt. – Das stimmt, aber das greift zu kurz. Es geht hier nicht nur um den Markt, denn die Wissens- und Informationsgesellschaft basiert zu ganz wesentlichen Teilen auf dem freien Netz, das heißt, Aufklärung, demokratische Errungenschaften durch das Internet basieren auf der sogenannten Netzneutralität. Und mit Selbstverpflichtungen ist es eben nicht getan. Das zeigt die Entwicklung der letzten Wochen deutlich auf.
Noch ein anderer Punkt, gerade in Berlin: Die Berliner Kreativwirtschaft braucht genauso ein neutrales und freies Netz. Berlin wird ein übler Bärendienst erwiesen durch das Unternehmen aus Bonn und die Bundesregierung. Warum? – Nun, wir beschwören – und Herr Kohlmeier hat es gerade eben auch wieder getan – hier im Hause gerne die kreative Netzszene in dieser Stadt, und das tun wir auch zu Recht. Die Abschaffung der Netzneutralität wäre aber ein verheerendes Signal genau an den Kreativstandort Berlin. Wieso? – Nun, neue Angebote sind darauf angewiesen, ein schnelles Internet zur Verfügung zu haben. Und solche neuen Angebote werden eben gerade in Berlin kreiert. Das Ende des neutralen Netzes wäre demzufolge ein erheblicher Rückschritt für Berlin. Deswegen sollten wir hier im Hause, gerade im Interesse aller Berlinerinnen und Berliner, ein ganz klares Signal
Die Pläne bedrohen aber zudem auch noch den weiteren Netzausbau, und zwar deutschlandweit, denn die künstliche Drosselung des Bedarfs an Datenvolumen lässt natürlich gleichzeitig auch den Druck sinken, das Netz leistungsfähiger zu machen, das heißt auszubauen. Und wir wissen, schon bei uns an der Stadtgrenze hier in Berlin haben wir kein Breitband in ausreichender Stärke zur Verfügung. Das ist natürlich ein Problem. Die Stärkung der Infrastruktur ist bei Schwarz-Gelb in der Tat nie besonders gut aufgehoben. Dort wird immer zuallererst an Beton und Autobahn gedacht. Und das Problem bei den digitalen Autobahnen ist schlicht und ergreifend: Da gibt es keine roten Bändchen zu durchzuschneiden. Vielleicht sollten wir das ändern, damit Schwarz und Gelb endlich mehr Interesse zeigen.
Wir Bündnisgrünen machen seit Jahren auf das Problem aufmerksam, im Bundestag vor allem, weil es dort hingehört. Gemeinsam mit allen Oppositionsfraktionen haben wir im Bundestag eine gesetzliche Regelung angemahnt. Wir haben vor über zwei Jahren einen Antrag gegen das Zwei-Klassen-Internet eingebracht. Und im Zug der Reform des Telekommunikationsgesetzes haben wir sogar einen ganz konkreten Gesetzesentwurf eingebracht und vorgeschlagen, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern.
Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag bewegte sich nicht. Die Bundesregierung tat nichts. Frau Merkel und ihre Minister haben mit ihren Händen erst abgewinkt und sie dann verschränkt und in den Schoß gelegt. Das rächt sich heute. Die schwarz-gelbe Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag immerhin angekündigt einzuschreiten, wenn es ein Problem gibt, wenn es notwendig wird. Das hat sie nicht getan. Was es gibt, sind jetzt Krokodilstränen wie bei der CDU-Media-Night, offene Briefe von Herrn Rösler oder von Herrn Neumann, der eine angeblich netzaffin, der andere ganz erkennbar nicht. Das soll alles nur das Nichtstun kaschieren. Das reicht nicht. Wir müssen die Koalition aus CDU/CSU und FPD mit Nachdruck an ihre Verpflichtung erinnern und sie auffordern, endlich die Augen zu öffnen.
Wir werden den Antrag in den Ausschüssen beraten, also auch darüber beraten, ob wir eine Bundesratsinitiative zur Netzneutralität brauchen.
Ja, letzter Satz: Ich meine, dass wir als Berliner Volksvertretung auf Bundesebene ganz klar die Forderung Berlins aufzeigen sollten. Ich würde mich freuen, wenn wir das im Rahmen der Ausschussberatungen hinbekommen, eine Initiative, mit der Berlin ganz klar die gesetzliche Sicherstellung der Netzneutralität fordert. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Gelbhaar! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Dregger – bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte der Piratenfraktion zunächst einmal für diesen Antrag danken. Ich möchte ihr auch danken für die Sachlichkeit, in der sie ihn eingereicht und begründet hat. Das hat nämlich erkennbar nichts mit Wahlkampf, sondern mit der Sache zu tun. Das steht Ihnen gut zu Gesicht.
Wenn ich die Einlassungen der Grünen, die ich gerade vernehmen durfte, höre, kann ich dieses Lob nicht loswerden, denn Sie haben ausschließlich polemisiert und sich nicht an der Sache orientiert.
Deswegen verdient der Antrag der Piratenfraktion auch eine sachliche Bewertung und nicht eine unsachliche.
Das Internet verdankt seine Attraktivität und Innovationskraft dem offenen und vergleichsweise einfachen Zugang für Nutzer und Anbieter und der freien Übermittlung von Daten und Datenpaketen ohne Unterscheidung und unabhängig davon, wer der Sender, wer der Empfänger, was der Inhalt oder die Anwendung ist.
Das rein technische Netzwerkmanagement hingegen, das sich gegen Viren, Spam und temporäre Kapazitätsengpässe richtet, sehen wir nicht als Verstoß gegen die Netzneutralität. Es ist das Ziel der Koalition aus SPD und CDU, das Prinzip der Netzneutralität zur Förderung der digitalen Vielfalt zu sichern. Netzneutralität, verstanden als Gleichberechtigung der Datenübertragung, unab
hängig von Inhalt oder Anbieter, ist ein wesentliches Element für die Innovationskraft des Internets.
Bisher haben wir keinen Bedarf für eine gesetzliche Regelung gesehen, weil es in der Vergangenheit keine nennenswerten Verstöße gegen die Netzneutralität gegeben hat, die sich nicht auf andere Weise – nämlich der Selbstregulierung – hätten lösen können. Auch wir sehen den Vorstoß der Telekom, der jetzt stattfindet, kritisch. Deswegen sage ich Ihnen zu, dass wir Ihren Antrag im Fachausschuss sehr konstruktiv prüfen werden
ja, so ist es, wie immer – und dann entscheiden werden, wie wir dem Vorstoß der Telekom in geeigneter Weise begegnen werden. – Vielen Dank!