Protocol of the Session on April 18, 2013

insbesondere dann, wenn das Angebot nicht schlechter werden soll. Durch Preissteigerungen bei Energie- und Personalkosten müssen die Verkehrsunternehmen – und auch die BVG – für bestimmte Leistungen tiefer in die Tasche greifen. Das macht Fahrpreiserhöhungen notwendig, auch wenn sie individuell immer bitter sind. Die vorgeschlagene Tarifanpassung im VBB für die verschiedenen Angebote sind vertretbar. Die Planungen sehen hier eine durchschnittliche Erhöhung von 2,8 Prozent vor.

Bei den für 2013 vorgesehenen Tariferhöhungen wird weiter das wichtige Ziel verfolgt, die Anzahl der Stammkunden zu steigern. Deshalb werden die Preise der Zeitkarten anders als die Preise der Einzelfahrkarten erhöht. Wenn man sich immer auf das Beispiel der Einzelfahrkarten zurückzieht, dann ist das eine hohe prozentuale Steigerung, aber wenn ich Ihnen entgegenhalte, die Fahrkarte im Tarifbereich AB wird im Monat von 77 auf 78 Euro teurer, und wenn ich Ihnen entgegenhalte, dass die Monatskarte im Abo für den gesamten Tarifbereich ABC um 2 Euro teurer wird, und Sie das auf die Woche und auf den Tag herunterrechnen, kommen Sie zu Centbeträgen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, dass die Tarife unterschiedlich stark steigen. Sie haben gerade das Beispiel Hamburg genannt. In Hamburg reden sie nicht von 2,8 Prozent, sondern von 3,5 Prozent Tarifsteigerung insgesamt. Das sollte man dabei bedenken.

Die Anzahl der Fahrgäste hat sich im letzten Jahr um 12 000 Abonnenten erhöht. Das sind diejenigen, die im Monat ein Abo haben und auch mit diesem Abo fahren. Sie sind von diesen Fahrpreisentwicklungen von 2,8 Prozent weniger betroffen. Das ist, obwohl wir im letzten Jahr eine Tarifsteigerung hatten, auch so geschehen. Und so rechnen auch immer mehr Berlinerinnen und Berliner.

Wenn ich mir den Vergleich zu Fahrpreiserhöhungen des rot-roten Senats anschaue oder wenn ich mir anschaue, wie Berlin derzeit im bundesweiten Vergleich dasteht – in Stuttgart steigen die Preise um 2,9 Prozent, in Bremen um 3,2 Prozent, in Freiburg um 5 Prozent –,

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

da ist so mancher grüne Oberbürgermeister und Verkehrssenator dabei. Zuletzt sind im Rhein-Ruhr-Gebiet die Fahrpreise um 3,9 Prozent, in München um 3,7 Prozent und in Hamburg – das habe ich schon gesagt; das Beispiel Hamburg hinkt ein wenig – um 3,5 Prozent gestiegen.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Überall wurden die Fahrpreise stärker angehoben. Die Netze – bis auf Rhein-Ruhr – sind natürlich kleiner. Wenn Sie mal in Hamburg gewesen sind: Sie haben ein

ganz anderes Nachtnetz. Da werden sie nachts nicht in dieser Exklusivität bedient wie wir hier. Darauf können wir stolz sein.

Wenn wir die Fahrpreise nicht erhöhen – da gebe Ihnen recht, dass man da nicht nur auf die BVG schauen soll –, schaden wir vor allen Dingen der BVG. Sie ist das Unternehmen mit einem Defizit. Sie hat zwar über die Maßnahmen, die Sie gerade beschrieben haben – Steigerung der Fahrgastzahlen, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, technische und energetische Effizienzsteigerung – ihre Bilanzergebnisse in den letzten Jahren um 30 Millionen Euro verbessert, aber es reicht nicht. Und wir treffen mit dieser Tariferhöhung auch S-Bahnkunden, die derzeit mit dem Angebot, das die S-Bahn liefert, nicht zufrieden sein können. Auch das verstehe ich. Aber man muss dazu sagen, die S-Bahnkunden sind nur ein Drittel derjenigen, die in dieser Stadt den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Zwei Drittel fahren mit der BVG. Zwei Drittel der Leistungen werden durch die BVG erbracht und ein Drittel durch die S-Bahn. Deswegen muss man der Deutschen Bahn ein klares Signal geben, ihre Fahrgäste zu entschädigen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Denn die Leistung, die wir sehen, ist keine, auf die man stolz sein kann. Ich will jetzt nicht von den Ausfällen reden, die mal passieren können. Wir können darüber reden, dass es im gesamten Winter zu massiven Ausfällen aufgrund von Infrastrukturdefiziten – Weichenstörungen – gekommen ist und dass immer noch ganze Linien – S 85 – nicht bedient werden. Auch darüber muss geredet werden. Aber ich muss auch ganz ehrlich sagen: Das ist Kulanz von der Deutschen Bahn, und es wäre nicht ehrlich zu behaupten, dass der Finanzsenator sich nicht ausreichend dahintergeklemmt habe. Da müssen Gespräche geführt werden, und die Deutsche Bahn muss sich bewegen.

Abgesehen von der Sicherheit, die Sie schon genannt haben, möchte ich noch an zwei weitere Dinge erinnern, die wir mit dem ÖPNV verbinden. Neben der Sicherheit auf den Bahnsteigen finanzieren wir auch ein Aufzugsprogramm; wir gestalten unsere Bahnhöfe barrierefrei. Das sind bis zum Jahr 2020 65 Millionen Euro, jährlich 10 Millionen Euro, die die BVG finanzieren muss. Wenn wir nicht bereit sind, das aus dem Haushalt zu finanzieren oder in dem Maße aus dem Haushalt zu finanzieren, wie Sie es glauben, dann muss es über die Fahrpreisentwicklung geschehen. Das ist an der Stelle das Argument.

Die nächste Begründung werden Sie sehen, wenn wir über die Infrastruktur sprechen. Die BVG hat ein Finanzierungsdefizit bei der Infrastruktur. Das ist anerkannt, da brauchen wir uns nicht zu streiten. Das gilt sowohl für den Fuhrpark als auch für die Schienen. Damit uns mit der BVG nicht das Gleiche passiert, wie mit der S-Bahn passiert ist, müssen wir der BVG ausreichend Mittel zur

Verfügung stellen. Und dazu gehört auch eine Tarifanpassung.

Wenn man keine jährliche Tarifanpassung will, dann muss man sich in diesem Haushalt ehrlich machen und dafür mehr Geld einsetzen. Wenn ich mir anschaue, wer im letzten Haushalt zugestimmt hat, dann waren es eben nicht die Oppositionsfraktionen, sondern die Regierungsfraktionen, die den Haushalt getragen haben. Ich sage Ihnen: Sie haben der BVG keinen Gefallen damit getan, die BVG-Ausfinanzierung nicht zu unterstützen.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Der letzte Punkt, den man hier noch nennen sollte: Natürlich hat es Tarifsteigerungen bei der BVG gegeben, nämlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den 11 000 Beschäftigen. Das sind auch Berlinerinnen und Berliner. Und wenn Sie die Lohntüte für die 11 000 Beschäftigten in der BVG zurückdrehen wollen, dann sagen Sie es laut,

[Uwe Doering (LINKE): Die Lohntüte zurückdrehen?]

dann können Sie auch gut argumentieren.

Ich komme zum nächsten Anspruch, den wir an die eierlegende Wollmilchsau haben. Das ist die Frage des Strombezugs für die BVG. Sie soll mit Ökostrom fahren, am besten atomstromfrei und möglichst CO2-neutral. Auch wenn wir das finanzieren, haben wir einen Mehrbedarf.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Diese Mehrbedarfe sind unstrittig, auch bei den Grünen, es wird nur dann strittig, wenn man bereit sein soll, das zu bezahlen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Nichts verstanden!]

Glauben Sie das tatsächlich?

Die S-Bahnkrise – und die S-Bahn ist im Verkehrsverbund beteiligt – hat bei den Kunden für Empörung gesorgt. Ich kann das durchaus nachvollziehen, insbesondere, weil die Krise nicht nur ein Jahr oder anderthalb Jahre gedauert hat, sondern drei, vier, fünf Jahre dauert und sich in der S-Bahn trotz hohem Mitteleinsatz nicht abzeichnet, dass wir bis zur nächsten Wintersaison einen optimalen und auch zuverlässigen ÖPNV bekommen.

Es ist sehr einfach zu sagen, dass wir keine Fahrpreiserhöhungen haben wollen. Ich verstehe diejenigen Berlinerinnen und Berliner, die das für sich und ihren Geldbeutel für schwierig halten. Aber andererseits haben wir eben diese Aufgaben, die ich schon benannt habe, von der Sicherheit über die Barrierefreiheit, über die Investitionen in den Fuhrpark und die Infrastruktur, die es notwendig machen, die BVG ausreichend auszufinanzieren. An der Stelle bitte ich die Berlinerinnen und Berliner um ihr Verständnis. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kreins! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Gelbhaar das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verkehrverbund Berlin-Brandenburg plant die nächste Preiserhöhung, obwohl erst im August 2012 die Preise erhöht worden sind, damals auch schon über der Inflationsrate, nämlich um 2,8 Prozent.

Erinnern wir uns kurz: 1995 konnte man in Berlin für ungefähr 1,90 Euro zwei Stunden lang hin- und herfahren. 2011 kostete dieses Ticket 2,30 Euro – man durfte damit nur noch in eine Richtung fahren – und jetzt soll es auf 2,60 Euro erhöht werden. Für Hin- und Rückfahrt kommen wir damit auf über 5 Euro. Ich glaube, damit ist für viele Fahrgäste eine finanzielle Schmerzgrenze überschritten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Nach unserer Bewertung sind deswegen die angekündigten Fahrpreiserhöhungen bei BVG und S-Bahn schlicht dreist und ungerechtfertigt. Deshalb bringen wir dazu heute einen Antrag ein. Wir erwarten, dass der Senat die beantragte Fahrpreiserhöhung klar und deutlich ablehnt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber das reicht uns nicht, denn die Schulden bei der BVG sind allen hier im Haus bekannt. Deswegen erwarten wir vom Senat mehr. Wir erwarten, dass er endlich ein nachhaltiges Entschuldungs- und Finanzierungskonzept vorlegt und vereinbart. Wir alle wissen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei BVG und S-Bahn ausgezeichnete Arbeit leisten. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute im Rahmen der Aktuellen Stunde herausarbeiten, wer eigentlich ein Interesse an den Preissteigerungen hat.

[Uwe Doering (LINKE): Haben wir doch gerade gehört! Dein Vorredner!]

Erinnern wir uns: Der Senat hat im letzten Jahr erneut über 10 Millionen Euro bei der S-Bahn wegen der S-Bahnkrise einbehalten, und zwar, weil er selbst das Angebot der S-Bahn als mangelhaft bewertet hat. Deswegen hat sich dem Vernehmen nach die S-Bahn selbst bei der Frage im VBB: Wollen wir eine Preiserhöhung oder nicht? – wohl enthalten. Das ist richtig so. Offenbar hat die S-Bahn selbst mehr Fingerspitzengefühl als der Senat, denn die Leistung hat den Senat ja nicht überzeugt. Warum dann aber die Fahrgäste genau für diese Leistung ihr

Portemonnaie öffnen sollen, ist unverständlich. Es ist doch geradezu janusköpfig, zum einen wegen der mangelnden Leistung das Geld zu kürzen, zum anderen aber trotz dieser Leistung die Fahrpreise zu erhöhen.

Ich möchte ein zweites Mal sagen: Erinnern wir uns! Die letzte Fahrpreiserhöhung liegt gerade einmal neun Monate zurück. Begründet wurde sie damals mit den steigenden Energie- und Personalkosten. In diesem Jahr ist die Begründung – die gleiche. Da fragt man sich, mit welcher Vorausschau hier Verkehrspolitik betrieben wird, mit welchen Energielieferanten man zusammenarbeitet und wie die Energielieferverträge strukturiert sind.

[Torsten Schneider (SPD): Erneuerbare Energie! Ökostrom!]

Das scheint alles wenig überzeugend zu sein.

Uns als Bündnis 90/Die Grünen – ich glaube, hier für die gesamte Opposition sprechen zu können – ist der öffentliche Personennahverkehr enorm wichtig, denn er entlastet eben nicht nur die Umwelt. Ein gut angenommener ÖPNV ist das beste Mittel, um Verkehrspolitik zu machen, ist das beste Mittel – das sage ich an die CDU gewandt – gegen Stau. Die Menschen nutzen den ÖPNV aber nur dann, wenn sie mit dem Angebot zufrieden sind. Bei dieser Abwägung spielt der Preis eine gewichtige Rolle.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE) und Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Ich habe es schon gesagt: Mit der Erhöhung wird für viele Berlinerinnen und Berliner die Schmerzgrenze überschritten, denn die Frage: Welcher Preis ist angemessen? Welchen Preis kann ich als Nutzer des ÖPNV bezahlen? –, ist auch eine der sozialen Gerechtigkeit. Wir denken, dass diese Fahrpreiserhöhung der falsche Weg ist. Mit einem solchen Vorgehen wird das offizielle – das offizielle! – Ziel des Senats, den Anteil am ÖPNV auszubauen, konterkariert. Es schadet auch der Wirtschaftlichkeit der BVG. Statt durch eine erneute Preiserhöhung die Kundinnen und Kunden dauerhaft zu verprellen, sollten wir lieber das Bündel von Maßnahmen, das wir mit unserem Antrag aufzeigen, umsetzen, um eine zügige Entschuldung der BVG voranzutreiben.

Wir wollen die Wirtschaftlichkeit des ÖPNV durch steigende Nutzerzahlen erhöhen. Deswegen ist es wichtig, nicht in immer kürzeren Intervallen an der Preisschraube zu drehen. Der rot-schwarze Senat – das muss man ganz klar sagen – stellt hier eine deutliche Verschlechterung zur letzten Legislaturperiode dar.

[Udo Wolf (LINKE): Da hat er recht!]

Muss man sagen! – Die Finanzsituation im ÖPNV und gerade bei der BVG muss anders in den Griff bekommen werden. Dazu haben wir einige Rahmenbedingungen in unserem Antrag aufgeführt. Umweltfreundliches Fahren

in Berlin ist vieles, aber nicht zu billig. Die guten Reserven liegen eindeutig in einem effektiveren Betrieb. Dazu möchte ich einige Stichworte nennen. Stichwort ÖPNVBeschleunigung: Wir müssen uns endlich konsequent daran machen, die Metro- und Expresslinien der BVG zu beschleunigen. Dadurch generieren wir zusätzliche Einnahmen. Ich glaube, es ist das Ziel, die BVG wirtschaftlich zu stärken. Wenn wir nur die Beschleunigungspotenziale bei Bus und Bahn in diesem Jahr ausgenutzt hätten, müssten wir heute über eine Preiserhöhung schlicht und ergreifend nicht diskutieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Müller! Ganz konkret an Sie: In Sachen Trambeschleunigung lassen Sie sich von jemand auf der Nase herumtanzen. Dieser jemand hat einen Namen, das ist die Verkehrslenkung Berlin. Die boykottiert die Tram- und die Busbeschleunigung. Ein Beispiel dafür ist die Greifswalder Straße: fünf Kilometer für viele Millionen Euro. Jetzt wurde die Trambeschleunigung wieder ausgeschaltet. Der jährliche Schaden für die BVG beträgt 300 000 Euro. Das sind Ihre Hausaufgaben, und die sind bis jetzt grob unerfüllt.