Protocol of the Session on April 18, 2013

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Otto und Renate!]

Vielen Dank! – Die Fragestunde ist damit für heute beendet.

[Och! von allen Fraktionen]

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

SPD und CDU machen Bus und Bahn unattraktiv – Fahrpreiserhöhung ist unsozial

(auf Antrag der Fraktion Die Linke)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 22:

Fahrpreiserhöhungen für BVG und S-Bahn ablehnen – nachhaltiges Entschuldungs- und Finanzierungskonzept für BVG vereinbaren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0886

Für die Besprechung bzw. Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. – Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Harald Wolf. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am letzten Donnerstag hat der VBB innerhalb eines Jahres die zweite Tariferhöhung für den öffentlichen Personennahverkehr beschlossen. Offiziell heißt es, dass es sich um eine moderate Tariferhöhung handelt. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, dass es sich um zwei Tariferhöhungen innerhalb eines Jahres handelt und dies als Gesamtmaßnahme betrachtet, stellt man fest, dass sich beispielsweise der Einzelfahrschein von 2,30 Euro auf 2,60 Euro verteuert hat – das ist eine Verteuerung um mehr als zehn Prozent innerhalb eines Jahres – und dass sich die Monatskarte von 74 Euro auf 78 Euro verteuert hat. Das sind mehr als fünf Prozent innerhalb eines Jahres. Das sollen nur zwei Beispiele sein. Deshalb sind wir der Meinung,

dass es nicht eine moderate oder angemessene Tariferhöhung ist. Sie ist sowohl verkehrspolitisch als auch sozialpolitisch nicht verträglich.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das sage ich vor dem Hintergrund, dass die S-Bahn, die auch von dieser Fahrpreiserhöhung profitiert, nach wie vor nicht die vertraglich vereinbarte Leistung erbringt, der Senat aus gutem Grund für diese Minderleistung – um nicht zu sagen: Schlechtleistung – Fahrgelder der S-Bahn einbehält und gleichzeitig aber offensichtlich zustimmen will, dass der S-Bahn durch die Fahrpreiserhöhung weitere Mehreinnahmen zufließen. Das ist nicht wirklich nachvollziehbar. Auf der einen Seiten gibt es zu Recht Strafzahlungen der S-Bahn für die Minderleistungen, auf der anderen Seite zahlen die Fahrgäste mehr für ein verschlechtertes Angebot. Auch das halten wir für nicht akzeptabel.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Ich will an dieser Stelle einmal daran erinnern, dass – es war, so glaube ich, bei der Großen Anfrage der Grünen zum Thema S-Bahn vor einiger Zeit – vonseiten des sozialdemokratischen Redners mit Verve angekündigt wurde, die S-Bahn müsse Entschädigungsleistungen zahlen. Bis heute warten wir auf diese erneuten Entschädigungsleistungen. Statt der Entschädigung werden die Fahrgäste durch die Fahrpreiserhöhungen weiter geschädigt. Dass ist an dieser Stelle nicht konsequent.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die BVG argumentiert, dass sie das Geld benötigt, wenn 2016 die Situation geschaffen werden soll, dass es keine weitere Verschuldung gibt. Das ist richtig. Die BVG braucht das Geld. Die Frage ist nur, woher das Geld kommt und wie Kosten bei der BVG minimiert werden. Wir sagen, dass es nicht sein kann, dass allein die Fahrgäste für den Finanzbedarf, den die BVG unbestritten hat, aufkommen müssen.

Wir müssen uns doch die Frage stellen, welche Aufgaben der Senat zu leisten hat und wie weitere Effektivierungen bei der BVG stattfinden können und zugleich, was auch an Zahlungen an die BVG geleistet werden muss. An der Stelle erinnere ich nur daran, dass das Land Berlin seit 2010 die Verpflichtung hat, mit der BVG über die Revision des Verkehrsvertrags zu verhandeln. Die finanziellen Zuweisungen aus dem Verkehrsvertrag sind damals, als der Verkehrsvertrag abgeschlossen wurde, durchaus bewusst knapp gehalten worden, nicht nur wegen der finanziellen Knappheit des Landes Berlin, sondern auch, um Druck auf die BVG für weitere Effektivierungen auszuüben.

Weil wir das auch alles wussten, war fest verabredet, dass nach zwei Jahren, im Jahr 2010, eine Revision stattfindet

und gegebenenfalls Kompensationszahlungen erfolgen. Nun hat die BVG seitdem eine Reihe von Mehraufgaben und Mehrausgaben zu leisten gehabt. Ich erwähne beispielsweise nur die politisch gewollten und völlig richtigen Mehrausgaben für Sicherheitsmaßnahmen innerhalb des öffentlichen Personennahverkehrs oder den seitdem stattgefundenen Tariferhöhungen.

Diese können den Fahrgästen nicht einfach nur angelastet werden, sondern hier muss auch das Land Berlin zu seiner Verantwortung stehen. Seit Jahren wird mit der BVG über diese Revision mit Unterbrechungen, aber ohne Ergebnis gesprochen. Vonseiten der BVG liegen Mehrforderungen aufgrund der Mehrleistungen und Kostensteigerungen in Höhe von 40 Millionen Euro pro Jahr auf dem Tisch.

Nun muss man nicht alles, was das Verkehrsunternehmen an Mehrforderungen stellt, kritiklos übernehmen. Das wissen wir. Aber dass es seit Jahren zu keinem Ergebnis kommt und dass wir Mehrleistungen von dem Unternehmen verlangt haben, die dann auch mehr kosten, denn wer mehr bestellt, muss auch mehr zahlen, ist ziemlich offensichtlich. Man muss sich nur noch über die Höhe verständigen. Es wird aber höchste Zeit, dass dies endlich einmal geschieht.

[Beifall bei der LINKEN]

Zweiter Punkt: Die BVG hat eine Verschuldung von etwa 800 Millionen Euro. Diese Verschuldung resultiert entgegen dem, was manchmal öffentlich diskutiert wird, nicht daraus, dass sich das Unternehmen permanent verschuldet, weil es zu dusselig ist oder schlecht arbeitet, sondern weil das Unternehmen aufgrund der historischen Entwicklung eine ganze Reihe von Altlasten hat und das Land Berlin in der Vergangenheit aufgrund seiner Finanzknappheit hier auch bewusst das Unternehmen in die Verschuldung hat fahren lassen, weil es diese Schulden nicht über Mehrausgaben im Landeshaushalt und damit auch nicht als Verschuldung im Haushalt ausweisen wollte.

[Oliver Friederici (CDU): Sie waren immer dabei!]

Natürlich, wir waren alle dabei. Das war unter der großen Koalition in den Neunzigerjahren schon so. Dort ist eine große Menge dieser Verschuldung aufgebaut worden. Unter Rot-Rot war das auch so. Man soll aber nicht so tun, als ob man das nicht wüsste. Immer nur zu sagen, dass es die anderen waren, bringt auch nicht weiter. Bis auf die Piraten waren alle dabei; alle waren irgendwann einmal dabei und haben das mitgemacht.

Es stellt sich doch jetzt die Frage, wie wir damit umgehen. Es ist eine Tatsache, dass hier in erheblichem Maß Zinszahlungen anfallen, die das Ergebnis der BVG belasten, die aber daraus resultieren, dass in der Vergangenheit auch zu wenig Leistungen vonseiten des Landes an die BVG gegangen sind. Auch dafür muss es zumindest so etwas wie eine Teilkompensation geben. Das

Ergebnis kann nicht sein, dass wir jetzt eine Politik betreiben und jährlich kontinuierlich – wie auch schon mal angedacht wurde – in einem Automatismus Tariferhöhungen durchführen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, bei dem auch Tarifmaßnahmen eine Rolle spielen könnten. Zunächst aber muss das Land Berlin seine Hausaufgaben machen und seiner Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und damit auch gegenüber den Fahrgästen gerecht werden.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Wir haben auch eine Diskussion über die Frage der Tarifstruktur. Ich kann mich daran erinnern, dass 2006 oder 2007 die damalige Verkehrssenatorin Junge-Reyer gesagt hat, dass auch immer die Tarifstruktur diskutiert werden muss. Es sind jetzt auch ein paar Sachen passiert. Eine wirkliche Erfolgsgeschichte ist das Seniorenticket, das der BVG mehr Fahrgäste gebracht hat und gleichzeitig auch eine sozial vernünftige Maßnahme war.

Ich möchte an dieser Stelle einmal ein Beispiel nennen, weil an anderer Stelle immer wieder gesagt wird, dass andere Verkehrsverbünde noch teurer als in Berlin sind. Ich habe mir den Hamburger Verkehrsverbund einmal angeschaut. Dort gibt es ein System, das einerseits einen Einzelfahrschein enthält, aber auch einen sogenannten Nahbereich und eine Kurzstrecke. Der Nahbereich wird begründet, dass er abgegrenzt ist und innerhalb dieses Nahbereichs wichtige Versorgungs- und Einkaufszentren erreicht werden können. Es ist bewusst nicht das Berliner Konzept genommen worden, das die Zahl der Haltestellen abzählt. Vielmehr gibt es die Nahbereiche, die danach abgegrenzt sind, dass alle notwendigen Versorgungseinrichtungen innerhalb dieses Nahbereichs erreicht werden können.

Wenn ich mir nun eine Rentnerin anschaue, die mit ihrer Rente knapp oberhalb der Grundsicherung liegt und einmal wöchentlich einen Arztbesuch machen muss und einmal wöchentlich Verwandte oder die Enkelin besucht und auch mal in den Zoo fährt, so muss diese im Monat mit der gegenwärtigen Tarifstruktur etwa 40 Euro zahlen. Das sind vermutlich mehr als zehn Prozent ihres nach Miete verfügbaren Einkommens.

In Hamburg kostet dieser Nahbereich 1,90 Euro, während es in Berlin 2,60 Euro für die Kurzstrecke sind.

[Oliver Friederici (CDU): Das sind die Kosten für einen Einzelfahrschein!]

Über solche Themen müssen wir auch einmal wieder diskutieren. Wie kann eine vernünftige Tarifstruktur aussehen, die einerseits dazu führt, dass wir mehr Fahrgäste bekommen und gleichzeitig mehr Einnahmen bei der BVG erhalten, ohne dass mehr Verkehrsleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen?

[Beifall bei der LINKEN]

Ich sage noch einen letzten Punkt, weil ich das jetzt nicht ausführen kann. Wir haben die Situation, dass die Stadt wächst. Damit gibt es potenziell mehr Fahrgäste, aber auch die Notwendigkeit von mehr Verkehrsleistungen für die BVG: Wir wissen gleichzeitig, dass diese Zuwanderung übrigens nicht alles die hoch Verdienenden sind, wenn man sich das einmal genauer anschaut. Zweitens: Wir wissen, dass die S-Bahn aufgrund des Dilemmas mit den fehlenden Fahrzeugen ab 2015/2016 wieder Fahrzeuge aus dem System herausnehmen und deshalb ihre Fahrleistung noch weiter reduzieren muss und dass wahrscheinlich erst ab 2020/2021 die Chance besteht, dass sie auf das alte Niveau kommt.

Sie müssen, bitte, zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss. – Das muss – zumindest teilweise – durch die BVG aufgefangen werden. In dieser Situation über Angebotskürzungen zu diskutieren, statt eine Konzeption zu diskutieren und bereits jetzt vorzubereiten – denn viel Zeit haben wir nicht mehr, da muss investiert, da müssen neue Fahrzeuge bestellt werden –, wie diese Zukunftsherausforderung bewältigt werden kann – dem muss man sich stellen, und durch ideenlose jährliche Fahrpreiserhöhungen wird man sich diesem Problem nicht stellen können.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreins das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hochgeschätzter Kollege Wolf! Wir haben in Berlin und Brandenburg ein sehr gutes öffentliches Personennahverkehrssystem, manche sagen, das beste in Deutschland und in Europa: ein großes Netz, umfangreiche Nachtverkehre, enge Takte, eine gute Erreichbarkeit und ein hohes Maß an Barrierefreiheit. Wir sind uns in diesem Haus sicherlich einig, dass wir dieses Angebot künftig erhalten und weiter verbessern wollen. Und das kostet Geld.

Der Grund dieser Aktuellen Stunde ist ein durchaus sinnvoller, nämlich die Frage der Fahrpreiserhöhungen mit den sozialen Disparitäten in dieser Stadt in Einklang zu bringen und zusammen zu diskutieren. Aber jeder in dieser Stadt weiß sicherlich auch, dass die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs durch das Land Berlin und durch die Fahrgäste – sowohl durch das eine als auch

durch das andere – vonstatten geht. Beide müssen ihren Beitrag dazu leisten,

[Uwe Doering (LINKE): Richtig! Beide!]