Das sage ich doch hier nicht! – Ob ich Berlin selbst dazu gratulieren kann, darüber muss ich mir erst noch klarwerden.
Die neue Koalition steuert, wohin es mit Berlin gehen soll. Der Koalitionsvertrag ist so etwas wie die Roadmap, die darstellen soll, wohin es gehen soll. Wir haben ihn in der Piratenfraktion gelesen, aber er löst eher Skepsis aus. Zur Wohnungspolitik heißt es lapidar:
Die wachsende Metropole Berlin bedarf in der nächsten Legislaturperiode verstärkt privater und öffentlicher Neubauvorhaben. Ziel ist deshalb, dass in der Legislaturperiode 30 000 neue Wohnungen (durchschnittlich 6 000 pro Jahr) errichtet werden.
Die ersten Fragen konnten wir Herrn Wowereit schon am Dienstag bei unserer Fraktionssitzung stellen. Wirklich konkret ist er da aber auch nicht geworden.
Wie bitte sollen denn 6 000 neue Wohnungen pro Jahr eine Entspannung auf dem Mietmarkt bringen? Noch dazu, wenn sie in Teilen durch private Vorhaben ausgeführt werden sollen und wenn wir davon ausgehen, dass gemäß der erfolgten Berechnungen ein Kaltmietpreis von unter 9 Euro pro qm2 nicht möglich wäre. Die im Koalitionsvertrag erwähnte angemessene Beteiligung des Senats kann alles zwischen „Privat kann es besser“ – das haben wir schon einmal gehört – und „Wir machen das schon“ bedeuten. Wie wäre es denn mit einem klaren Statement des Senats zu einem sozialen Wohnungsbau in allen Bezirken Berlins, anstelle die Einwohner mit geringem Einkommen in die Randbezirke zu verbannen?
Genau dieses Verhalten, sozialen Wohnungsbau nur in wenig attraktiven Gegenden zu betreiben, führt zu Entwicklungen, wie wir sie von Paris kennen.
Die Zustände in den Pariser Banlieues sind seit den Aufständen dort weithin bekannt. Wer die Geringverdiener der Stadt gettoisiert, der braucht sich hinterher nicht zu wundern, wenn er es plötzlich mit neuen sozialen Brennpunkten zu tun hat. Es bleibt für gewöhnlich nicht dabei, dass Plattenbauten an sich als unsozial angesehen werden. Meistens kommt noch eine mangelhafte Infrastruktur dazu, die dann ganze Viertel verfallen lässt. Der einzige Schutz davor ist eine vernünftige soziale Durchmischung in allen Kiezen. Die garantiert auch eine gleichmäßig ausgebaute Infrastruktur.
Ich hoffe sehr, dass unser neuer Senat diese Punkte berücksichtigen wird. Anderenfalls wird es mir, wird es meiner Fraktion – und ich denke, auch anderen Abgeordneten – eine Freude sein, Sie immer wieder daran zu erinnern und auch in die entsprechende Richtung zu treiben. – Das soll es erst einmal von meiner Seite aus gewesen sein. Wir haben sicher noch mehr Redebedarf. – Danke!
Es wird die Überweisung des Antrags an den künftig für Bauen zuständigen Ausschuss und an den künftigen Hauptausschuss vorgeschlagen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Das ist die Priorität der Linken unter Tagesordnungspunkt 4. – Ich eröffne die erste Lesung hinsichtlich des Gesetzesantrags. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Frau Matuschek hat das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten ja schon in der vergangenen Plenarsitzung das Thema Mindestlohn angesprochen. Wir haben heute unsere Anträge eingebracht.
Ich habe auf diesen Zwischenruf gewartet, Herr Oberg! Ich wollte dann darauf reagieren oder es auch selbst ansprechen. Wahrscheinlich sind Sie so stolz darauf, dass Sie ganz lange, bis in die letzte Runde hinein, darüber verhandelt haben und dann so etwas Tolles hinbekommen haben, wie es jetzt dort zu lesen ist, nämlich der schöne Satz:
Der im Vergabegesetz festgeschriebene Mindestlohn für öffentliche Aufträge wird durch den neuen Senat auf 8,50 Euro angehoben.
[Beifall bei der SPD – Lars Oberg (SPD): Das ist genau das, was Sie beim letzten Mal gefordert haben!]
In Ihrem Wahlprogramm stand noch ein bisschen mehr. Dort stand nämlich drin: Wir werden in der nächsten Legislaturperiode das Berliner Vergabegesetz entsprechend anpassen. – Das ist richtig. – Aber es hieß auch noch: Bundesweit fordern wir den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. – Davon steht in der Koalitionsvereinbarung aber nichts mehr drin.
Lieber Herr Oberg! Das ist das Problem. Sie haben lange verhandelt. Ich will jetzt die Anerkennung dafür, dass dort 8,50 Euro drinstehen, nicht schmälern, aber dort steht nicht drin, wann das Berliner Vergabegesetz für diese 8,50 Euro entsprechend angepasst wird, und es steht auch nicht drin, wie das geschehen soll – ob per Verordnung oder per Gesetzesverfahren. Das müssten sie uns mal erklären. Wir haben Ihnen aber schon vor Wochen und vor Monaten gesagt, dass Sie es längst mit Rot-Rot haben könnten. Sie hätten dafür die CDU gar nicht gebraucht, sondern Sie hätten nur die Verordnung, die in den Senatsverwaltungen bereits vorliegt, umzusetzen brauchen. Dort steht bereits der Betrag von 8,50 Euro drin. Sie brauchen nicht noch die letzte Schleife zu drehen, sondern Sie können es sofort machen, noch in diesem Jahr.
Dann komme ich noch zu den weiteren Punkten: Hinsichtlich der gesamten Debatte um den Mindestlohn haben Sie in Ihren Koalitionsverhandlungen offensichtlich keine Regelung finden können, wie Sie sie in Ihrem Wahlprogramm versprochen haben, nämlich bundesweit für einen Mindestlohn von 8,50 Euro einzutreten. Daran werden wir Sie aber messen. Stattdessen kommen die schönen Diskussionen, wonach ein Mindestlohn Arbeitsplätze vernichten würde und so weiter. Dabei kommt diese komische Wackelposition der CDU irgendwo immer wieder durch. Inzwischen hat die Bundesregierung längst Studien von ihren Lieblingsinstituten bekommen, wonach ein Mindestlohn keine Arbeitsplätze vernichtet. Wir werden Sie daran messen, inwieweit Sie als Koalition und insbesondere Sie von der SPD auch auf Bundesebene für einen gesetzlichen Mindestlohn eintreten, damit wir ihn in der gesamten Bundesrepublik haben.
Nun kommen wir zu dem anderen Thema, das wir auch in unserem Antrag angesprochen haben, nämlich zur Kontrolle. Ja, im jetzigen Vergabegesetz ist eine KannRegelung dazu enthalten – da konnten wir uns nicht genügend durchsetzen –, wie kontrolliert wird, dass 8,50 Euro auch tatsächlich gezahlt werden. In Ihrer Koalitionsvereinbarung steht jetzt: Ein jährlicher Bericht dazu, ob 8,50 Euro auch angemessen sind! – Toll! Nach diesem jährlichen Bericht des zuständigen Senators oder der zuständigen Senatorin kann das ja auch mal in die andere Richtung gehen. Das ist also mehr Blabla und Wischiwaschi. Wir werden Sie in diesem Punkt aus der Verantwortung nicht herausnehmen.
Und noch etwas: Im Berliner Vergabegesetz steht nicht nur der Betrag von 8,50 Euro, sondern dort stehen auch
Kriterien drin – soziale, ökologische und sonstige Kriterien. Davon ist in Ihrer Koalitionsvereinbarung nun auch nichts mehr enthalten. Darin geht es nur um die 8,50 Euro. Ich will die Anerkennung für diese 8,50 Euro nicht schmälern, aber das Vergabegesetz nennt auch andere Kriterien dafür, wie öffentliche Aufträge in diesem Land vergeben werden. Auch daran werden wir Sie messen.
Da wir noch in der ersten richtigen Debatte sind, kann ich mir eine launige Bemerkung nicht verkneifen. Alexander von Humboldt hat mal gesagt, Berlin sei für ihn eine moralische Sandwüste, umgeben von Kartoffeläckern. Da wollen wir doch mal sehen, ob die Kartoffeln im sandigen Acker der großen Koalition zu Blüten werden oder verfaulen.
Ich kann Ihnen sagen: Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Halten Sie Ihre neu installierte Regierung dazu an, die entsprechende Verordnung zu den 8,50 Euro jetzt sofort umzusetzen! Dann können wir vielleicht auch mal richtig Bravo rufen.