Protocol of the Session on November 24, 2011

Ich gratuliere Ihnen, auch wenn Sie sich in die letzte Reihe verzogen haben, Herr Wowereit, alles Gute!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Volksmund kennt den Spruch: Jeder hat drei Versuche, beim dritten muss es dann aber besser werden. Insofern hoffen wir, dass die neue Regierung von Herrn Wowereit in vielen Themen das für die Stadt leistet, was sie in ihrem Koalitionsvertrag andeutet.

Wer den Koalitionsvertrag liest, stellt fest: ein Hort von Prüfaufträgen – nichts Konkretes. Sie haben ein paar Themen angesprochen, aber das Allermeiste bleibt im Nebel. Wenn wir dann der Presse entnehmen und von den Kollegen von der SPD hören, dass es ein besonders sozialdemokratisch gefärbter Vertrag sei, dann fragen wir uns schon: Sie regieren hier seit vielen, vielen Jahren – seit zehn Jahren in den Ressorts und insbesondere im Ressorts Stadtentwicklung, in dem die Wohnungspolitik enthalten ist –, warum ist dann so wenig Konkretes in dem Vertrag? Haben Sie keine Informationen? Sie können doch nicht so tun, als ob Sie heute bei null anfangen. Sie sind schon sehr lange in der Verantwortung, und –

Herr Müller, da spreche ich Sie persönlich an – wir erwarten da mehr!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir erwarten mehr in der Stadtentwicklung und insbesondere in der Wohnungspolitik für diese Stadt. Es ist gut, dass wir dieses wichtige Thema als erstes nach der Wahl des Regierenden Bürgermeisters diskutieren. Wenn man sich erinnert, so fällt einem bei wohnungspolitischen Großtaten eventuell noch der Börsengang der GSW ein, aber viel mehr auch nicht, was in den letzten Jahren hier geschehen ist. Da muss mehr passieren.

Wenn wir – wie im September – viele Tausend Mieterinnen und Mieter auf einer Demonstration haben, dann hat das Ursachen. Dann hat das Ursachen in einer verfehlten Politik und hat zur Folge, dass wir fordern: Tun Sie etwas gegen Segregation in dieser Stadt! Tun Sie etwas, damit Leute ihre Miete bezahlen können! Tun Sie etwas, damit die Leute, die aus den Sozialwohnungen gekündigt werden, eine andere Wohnung bekommen! So einfach ist das!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir haben Indizien dafür, dass sich die Stadt in Arm und Reich teilt. Schauen Sie auf den Sozialstrukturatlas oder schauen Sie auf die diese Woche veröffentlichte Schuldneruntersuchung von „Creditreform“! Die Anzahl der überschuldeten Menschen sinkt etwa in Friedrichshain und Prenzlauer Berg, und sie steigt stark in Reinickendorf, Hohenschönhausen oder Spandau. Das deutet darauf hin, dass es Wanderungsbewegungen gibt, die viele vorhergesagt haben und die tatsächlich stattfinden. Wir wollen nicht Pariser Verhältnisse, wir könnten sie aber bekommen. Das wollen wir verhindern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Sie schreiben zu den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, dass sie differenzierte Mieten nehmen sollen. Das ist eine schwierige Sache. Ich darf daran erinnern: Bisher konnte uns der Senat nicht einmal mitteilen, wer eigentlich dort wohnt, welche Einkommensgruppen, wie viele Kinder, Familienstand, Bildung, usw. Das konnten Sie bisher nicht beantworten. Jetzt wollen Sie sozialdifferenzierte Mieten schaffen, wissen aber nicht wie.

Wir haben hier im vergangenen Jahr beschlossen, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sich bei Neuvermietungen nach dem Mietspiegel richten mögen.

[Zuruf von der SPD: Richtig!]

Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Gerade haben wir einen zweiten Zwischenbericht bekommen, in dem steht, man brauche erst einmal noch bis Ende März 2012 Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.

[Uwe Doering (LINKE): Genau!]

Wenn das bei Ihnen alles so langsam geht, lieber Herr Müller, dann ist das schlecht, und dann brauchen wir dringend Beschleunigung in diesem Ressort.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben hier im letzten Jahr heftig über den sozialen Wohnungsbau diskutiert. Sie haben ein Wohnraumgesetz vorgelegt. Das hat auch die CDU scharf kritisiert. Ich bin sehr verwundert oder auch enttäuscht, dass wir dazu im Koalitionsvertrag nichts finden. Sie haben sich offenbar damit abgefunden, dass dieses verfehlte Gesetz weiter gelten soll. Sie haben sich bei einem anderen Gesetz – da ich Herrn Czaja gerade sehe –, dem Straßenausbaubeitragsgesetz, durchgesetzt, was Ihre Klientel in Ihrem Wahlkreis, was insbesondere Leute mit einem Eigenheim bedient. Sie machen weiter mit der wohnungspolitischen Umverteilung von Geld hin zu den Leuten, die ein Eigenheim haben, und weg von denen, die im Geschosswohnungsbau leben, in der Platte oder anderswo. Denn wir werden alle das bezahlen müssen, womit Sie jetzt Leute entlastet haben, die dem VDN nahe stehen. Das ist falsch, und das muss man an dieser Stelle auch erwähnen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Ich will noch etwas zum Mietrecht sagen. Wir haben nun eine andere Situation. Bisher hieß es immer: Die SPD ist in der Bundesregierung nicht vertreten. Da könne man nichts machen. Die Bundesratsinitiative ist versandet. – Das ist jetzt anders. Jetzt haben wir die CDU im Boot. Jetzt kommt die CDU in die Pflicht: Sie müssen auf der Bundesebene etwas tun. Sie müssen etwas dafür tun, dass die Modernisierungsumlage gesenkt wird und dass sie vor allem auf wirklich wichtige Modernisierungen fokussiert wird – das sind die energetische Komponente und die Barrierefreiheit. Da müssen Sie jetzt was tun. Da muss die CDU jetzt etwas bringen. Wir hoffen und erwarten, dass Sie sich in die bundespolitische Mietrechtsdebatte qualifiziert einbringen, und werden Sie daran hier sehr oft erinnern. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Als nächstes hat für die SPD-Fraktion der Kollege Arndt das Wort.

[Uwe Doering (LINKE): Was sagst du denn zu dem Prüfauftrag?]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Otto! Liebe Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen! Man kann den Einstieg auch anders wählen, gerade wenn man im Glashaus sitzt.

Wenn man sich Ihren Antrag ansieht, so steht vieles Richtige drin. Er zeigt auch, dass der Wahlkampf vorbei ist und die ehemals schrillen Töne von der Berliner Wohnungsnot durch eine realitätsnahe Beschreibung ersetzt wurden. In der Tat benötig Berlin angesichts eines enger werdenden Wohnungsmarktes eine umfassende und zukunftsorientierte Wohnungspolitik, damit Wohnen für die Menschen in dieser Stadt bezahlbar bleibt und zugleich der Wohnungsbestand den Herausforderungen der Zukunft angepasst wird. Diese Herausforderung ist nicht neu. Die SPD-Fraktion hat sich schon in den letzten Jahren dieser Herausforderung gestellt. In der alten Koalition von SPD und Die Linke wurden neue Pflöcke geschlagen und Weichen gestellt. In den nächsten Jahren wird hier anzuknüpfen sein.

[Zuruf von den GRÜNEN: Wie denn?]

Ich möchte diese Gelegenheit deshalb nutzen, mich an Herrn Doering und seine Kollegen von der Fraktion Die Linke zu wenden. – Herr Doering! Wir wissen beide, wie schwierig die letzten fünf Jahre in der Mieten- und Wohnungspolitik waren, neue Akzente zu setzen, so in der Liegenschaftspolitik, in der Neuaufstellung der städtischen Gesellschaften von der Bestands- zur Neubaupolitik sowie in der Bestands- und Mietenpolitik. Sie wissen um diesen schwierigen Prozess, der viele aus unser beider Fraktionen hat ungeduldig werden lassen. Es hat lange gedauert, bis alles eine Form und funktionale Zuordnung gefunden hat. Ihre Spuren, Ihr Wirken sind in der neuen Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU enthalten,

[Uwe Doering (LINKE): Oh! Danke, liebe SPD!]

und sie entsprechen in vielen Punkten dem Maßnahmenpaket des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Wir werden darauf achten, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ihre preisdämpfende und sozialintegrierende Funktion sowohl im Sinne einer sozialverträglichen Entwicklung von Bestandsmieten als auch bei der Neuvermietung konsequent wahrnehmen und laufend an eventuelle Wohnungssuchende in den einzelnen Wohnanlagen und -quartieren anpassen. Hierbei sollen sich mögliche Mieterhöhungen im Bestand – das ist ganz wichtig – an den realen Erhöhungen der Lebenshaltungskosten ausrichten. Bei Modernisierungsmaßnahmen soll sich eine Umlage der Kosten an der ortsüblichen Vergleichsmiete und der Mietenstruktur ausrichten.

Bei den angesprochenen energetischen Modernisierungen soll die zu erwartende Betriebskostensenkung als Orientierungsmaßstab zur Erhöhung der Nettokaltmiete dienen. Diese Maßgabe soll auch bei Neuvermietungen nach einer Modernisierungsmaßnahme gelten. Energetische Modernisierungen sollen Vorrang vor anderen Modernisierungen haben. Das sind alles Ergebnisse, die in die Koalitionsvereinbarung Eingang gefunden haben. Das sind Dinge, bei denen Die Linke und auch Bündnis

90/Die Grünen mit ihren Anträgen Akzente gesetzt haben, die wir in diese Koalitionsvereinbarung eingeflochten haben und die wir in den nächsten fünf Jahren umsetzen werden. Das ist nicht gering zu schätzen.

[Beifall bei der SPD]

Eine preisdämpfende Mietenpolitik der städtischen Gesellschaften oder andere angesprochene Maßnahmen sowie ein Mehr an Mietenregulierung greifen in dieser Situation allerdings zu kurz. Knappheiten werden hiermit nicht behoben. Berlin bedarf in der nächsten Legislaturperiode verstärkt privater und öffentlicher Neubauvorhaben. Es bedarf eines neuen Verhältnisses in der Bestands- und Erweiterungspolitik auf dem Berliner Wohnungsmarkt mit dem Ziel, die bestehenden Engpässe aufzugreifen und anzugehen, damit in dieser Stadt auch morgen noch die Mieten auch für die einkommensschwächeren Haushalte bezahlbar bleiben.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei der Senatorin Ingeborg Junge-Reyer für die Zusammenarbeit in den letzten fünf Jahren zu bedanken.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Dieser Dank gilt auch der Staatsekretärin Hella DungerLöper. Beide haben in den letzten Jahren für die Bau- und Wohnungswirtschaft sowie für die Stadt Hervorragendes geleistet, und zwar als Frauen.

[Allgemeines Lachen]

Ja! Das darf man nicht unterschätzen. Dagegen gab es große Kritik. Das war in diesem männlich-paternalistisch dominierten Ressort nicht einfach. – Ich danke Ihnen noch einmal, dass Sie Hervorragendes geleistet haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Lompscher das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle mich Ihnen in meiner neuen Funktion als stadtentwicklungs-, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linken vor. Herr Doering und ich sind jetzt ein neues Dreamteam.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass wir dieses Thema am Anfang der Legislaturperiode diskutieren. Ich bin mir sicher, wir werden es nicht nur heute hier im Parlament

diskutieren. Berlin braucht zweifellos endlich eine wohnungspolitische Strategie, die bezahlbare Mieten und eine soziale Mischung in allen Teilen der Stadt sichert. Die Linke sieht darin eine der zentralen Aufgaben der Legislaturperiode. Das sage ich ganz klar.

[Beifall bei der LINKEN]

Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geht in die richtige Richtung. Er führt viele – vielleicht zu viele – richtige Handlungsfelder auf, ohne allerdings hinreichend konkret zu werden. Zu sagen, dass Die Linke in der Regierungsverantwortung wohnungspolitisch nicht alle ihre Ziele erreicht hat, gehört natürlich zur Ehrlichkeit. Sie wird in der Opposition bekannte und neue Forderungen formulieren, die sie in der Koalition mit der SPD nicht durchsetzen konnte. Es ist aber vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die in diesem Prozess gewonnen worden sind, und der Erfahrungen mit den konkreten Berliner Bedingungen notwendig, genauere Ziele und Vorgaben zu definieren und den neuen Senat konkreter in die Verantwortung zu nehmen, als es die Grünen in ihrem Antrag tun.

Wesentliche Bausteine einer neuen wohnungspolitischen Strategie sind die Steuerung der städtischen Wohnungsgesellschaften, die Kooperation mit Genossenschaften, Mieterinitiativen, die Nutzung landesrechtlicher Instrumente zur Mietdämpfung – einschließlich der Anpassung der Kosten der Unterkunft – und ein anderer Umgang mit Liegenschaften. Das ist unbestritten.

Zentral sind dabei die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Hier brauchen wir klare Vorgaben. Das liegt auf der Hand. Wir haben derzeit 15 Prozent städtische Wohnungen. Diese müssen viel konsequenter und zielgerichteter als bisher zur wohnungspolitischen Steuerung genutzt werden. Dabei kann übrigens an zwei Beschlüsse dieses Hauses aus der letzten Legislaturperiode angeknüpft werden. Die rot-rote Koalition hat seinerzeit – übrigens auf Druck der Linken und nicht der SPD – zwei Vorgaben gemacht, und zwar mit mehr oder weniger Erfolg. Anfang 2008 gab es den Beschluss, dass die landeseigenen Gesellschaften bei der Bestimmung von Bestandsmieten ausschließlich den Mietspiegel heranziehen dürfen. Daran erinnern Sie sich sicher noch.