Protocol of the Session on February 21, 2013

herigen Tätigkeit als Pharmalobbyistin das eine oder andere abendfüllend hier berichten. Da werden Ärzte mit der gesamten Familie in Luxushotels eingeladen. Da werden exorbitante Honorare für Vorträge über nur ein Medikament gezahlt. Da werden großzügig Musterpackungen verteilt, gewissermaßen zum Anfixen. Da wird die Anwendungsbeobachtung von Medikamenten, von speziellen Medikamenten selbstverständlich, fürstlich bezahlt. Und da erfolgen Krankenhauseinweisungen gegen Prämien. Das sind nur einige Beispiele.

Der Bundesgerichtshof hat nun im März 2012 entschieden, dass dieses sämtliche Verhalten für niedergelassene Ärzte straffrei ist und überraschend deutlich eine gesetzgeberische Initiative angemahnt. Die Ärztepartei FDP hat allerdings bisher auf Bundesebene jegliche Initiative vermissen lassen, hier tätig zu werden. Die Ärztelobby, zuletzt Herr Montgomery, hat aufgeschrieen, als die Bundestagsfraktion der SPD Anfang dieses Jahres zu einer härteren Gangart, nämlich zu der Forderung, die wir auch in diesem Antrag erheben, das unter Strafe zu stellen, entschlossen hat.

Nun gehören wir Grünen nicht zu denjenigen, die ständig nach neuen und schärferen Gesetzen rufen.

[Ah! bei der CDU – Zuruf von der CDU: Ganz neu!]

Hier ist allerdings wegen der besonderen Strafwürdigkeit des Verhaltens, das zum einen aus dem besonderen Vertrauensverhältnis Arzt-Patient folgt, das wir erhalten wollen, und zum anderen wegen der großen Finanzvolumina, um die es hier geht und die eine erhebliche Belastung des Gesundheitssystems darstellen, ein Handeln dringend geboten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Hinzu kommt, dass die Organe der ärztlichen Selbstverwaltung bisher nicht hinreichend gewillt oder aber in der Lage waren, das vielfältige Bestechen von Ärzten abzustellen. Immerhin widerspricht das Schmieren von Ärzten heute bereits dem ärztlichen Berufsrecht und auch § 128 SGB V. Strafrechtlich lösen ließe sich das Problem, indem die Ärzte entweder in die Bestechungsvorschriften für Amtsträger aufgenommen werden oder aber indem § 299 Strafgesetz, die Bestechung im geschäftlichen Verkehr, um Ärzte erweitert wird. Ein Sondertatbestand für Ärzte, wie von einigen, insbesondere Ärztevertretern, befürchtet und abgelehnt wird, wollen wir jedenfalls nicht. Stattdessen ist auch im Interesse der vielen ehrlichen Ärztinnen und Ärzte, die sich seit vielen Jahren gegen die dreisten Einflussnahmeversuche der Pharmalobby wehren, eine gesetzliche Initiative angezeigt.

Positiv zu erwähnen ist die Ärzteinitiative „Mein Essen zahle ich selbst“, die sich seit 2007 gegen diese Einflussnahmeversuche wehrt

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

und unter anderem die Pharmareferenten regelmäßig aus den Arztpraxen hinauswirft. Diese Ärzte und alle anderen – das ist hier noch mal deutlich zu erwähnen –, die ordnungsgemäß ihrem Amt nachkommen und die ordnungsgemäß das Vertrauensverhältnis Patient-Arzt erhalten, die haben durchaus die Erwartung an uns, also an die Politik, dass diese Praktiken, die ich eingangs beschrieben habe, nicht nur als unethisch verworfen werden, sondern dass sie mit den Mitteln des Strafrechts abgestellt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir Grüne wollen den Ruch des Bösen von der Ärzteschaft nehmen. Wir wollen, dass die Patientinnen und Patienten ihren Ärzten weiter und wieder vertrauen können und dass nicht Pharmalobbyisten bestimmen, was in den Arztpraxen verschrieben wird. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Behrendt! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Isenberg. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Patientinnen und Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass sie im Gesundheitssystem diejenigen Leistungen bekommen, die sie brauchen, und nicht die, an denen die jeweiligen Leistungserbringer am meisten verdienen können.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Thomas! Herr Behrendt! Deswegen begrüßen wir Ihre Initiative, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben. Sie haben es zu Recht dargestellt, dieser ist auch zu Teilen Beschlusslage der SPD-Bundestagsfraktion. Sie haben recht: Die Länder können diese Energie aufgreifen und hier mehr tun als in der Vergangenheit. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag greift zu kurz.

Das von Ihnen skizzierte Handlungsfeld ist richtig, aber nicht ausreichend. Ja, es kann nicht sein, dass angestellte Ärztinnen und Ärzte bei solchen Maßnahmen verurteilt werden, aber der freiberuflich tätige Arzt nicht Gegenstand des Strafgesetzbuches ist. Hier ist eine Regelungslücke, die aufgegriffen werden muss. Die Ärzte sind Sachwalter öffentlicher Gelder der gesetzlichen Krankenversicherungen und dürfen hier nicht weiter so handeln können, bei den wenigen schwarzen Schafen – das muss man aber auch sagen –, die wir da haben.

Aber der Antrag greift zu kurz, eben weil er nicht die Fälle beinhaltet, die sonst noch vorkommen. Ich darf

erinnern: Wir haben Fehlabrechnungen im Bereich der Krankenhäuser. Wir haben ein großes System von physiotherapeutischen Praxen, welche sich Leistungen bei Heimbesuchern erschleichen, in anderen Bereichen sich vorab Unterschriften geben lassen, ohne die Leistungen zu verordnen. Es finden nachträgliche Manipulationen bei Heilmittelerbringern statt, und wir haben das große Problem, dass Unterschriften auch im Bereich Fitness gefälscht werden und auch Teilabrechnungen bei den Apotheken falsch sind – in einigen Fällen, wo schwarze Schafe am Werke sind. Diese schwarzen Schafe insgesamt zu identifizieren und das Gesundheitssystem dort zu verbessern, ist unsere Aufgabe. Korruption schadet den Patientinnen und Patienten und all denjenigen, der großen Mehrzahl der Leistungserbringerinnen und -erbringer, die einfach nur seriös und gut ihrer Tätigkeit nachkommen wollen.

Eben deswegen ist es nötig, dass, wenn wir Ihren Antrag im Gesundheitsausschuss erörtern und uns auch mit der Frage befassen, wie die Sanktionen verbessert werden können. Welche Bundesländer haben beispielsweise jetzt schon Staatsanwaltschaften, die mit Schwerpunkten ausgestattet sind, um Abrechnungsbetrug, Manipulationen im Gesundheitssystem überhaupt auf die Schliche kommen zu können?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schillhaneck?

Nein, keine Zwischenfragen! – Welche Krankenkassen tun hier mehr als andere? Wir haben Berichte vorliegen, dass die Kassen, die hier Geld in die Hand nehmen, um Abrechnungsmanipulationen aufzudecken, nach einigen Jahren bereits ihre Investitionen wieder hereinspielen, dadurch dass sie Regresse aussprechen und sich das Geld zurückholen können in den jeweiligen, bis hin zu Verurteilungen gehenden Fällen.

Wir müssen uns darüber unterhalten, wie Meldesysteme ausgebaut werden können, dass auch Hinweise aus dem Gesundheitssystem an die Staatsanwaltschaften leichter als bisher kommen können, ohne dass die Beschäftigen Angst haben müssen, aufgrund dieser Hinweise ihren Job zu verlieren. Schließlich wäre es lohnend, darüber nachzudenken, wie auch die Senatsgesundheitsverwaltung ihr bisher lobenswertes Engagement ausbauen kann und einen Runden Tisch zu diesen notwendigen Thema auch in Berlin einrichtet.

Insofern, meine sehr verehrte Damen und Herren von den Grünen: Vielen Dank für Ihre Initiative! Sie ist wesentlich zu kurz gesprungen, aber bietet gutes Material. Die Koalition wird das Thema aufgreifen und fachlich solide

ausarbeiten und dann hier einen entsprechenden Antrag einbringen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Isenberg! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Kollege Dr. Albers das Wort, und das erteile ich ihm jetzt. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich war noch nie in der freien Praxis tätig, insofern verhandele ich hier nicht meine eigene Sache. Dieser Antrag der Grünen beansprucht auch keine besondere Originalität. Schon vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 hatte eine entsprechende Debatte begonnen. So hat die SPD-Fraktion im Bundestag bereits 2010 einen entsprechenden Antrag eingebracht.

Um gar kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Jeder Fall von Korruption ist ein Fall zu viel und gehört bestraft. Korruption – Herr Isenberg hat darauf hingewiesen – hat viele Facetten, und warum hier ein einziger Berufsstand in den Fokus eines Sondergesetzes – das tun Sie, Herr Behrendt – gerückt wird, wäre zumindest erläuterungsbedürftig. Da wird der Inhalt Ihres Antrags auch dem Anspruch im Titel nicht gerecht. Der Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes reicht mir da nicht. Als ob es eine spezielle Korruption wäre, wenn Mediziner unerlaubt Geld nehmen. Gleiche Regeln gelten auch für andere freie Berufe wie Architekten, Bauplaner, Anwälte, Journalisten.

Aber wenn wir schon gesondert über Korruption im Gesundheitswesen sprechen, dann müssen wir auch darüber reden – und da waren Sie nicht ganz unbeteiligt –, dass gerade durch die Reforminflation der letzten zwei Jahrzehnte im Gesundheitswesen viele rechtliche Grauzonen geschaffen wurden, die korrupte Strukturen befördert haben. Ich zitiere den verstorbenen Ärztekammerpräsidenten Hoppe – linker Positionen völlig unverdächtig:

Die Daseinsvorsorge des Staates ist den Kassen, vor allem aber den sogenannten Leistungserbringern im festen Rahmen eines ruinösen Preiswettbewerbs überlassen worden. Infolgedessen bedrohen Kommerzialisierung und Renditedenken die Freiberuflichkeit und das ärztliche Ethos. Begrifflichkeiten und Methoden von Industrie und Dienstleistungsbereich finden immer häufiger Eingang in Denken und Handeln bei den im Gesundheitswesen Tätigen. … Patienten sind keine Kunden und Ärzte keine Händler der Ware „Gesundheit“. Wir wollen keinen Geschäftsgegenstand „Krankheit“ … Jede mit dem Wesen des Arztberufs nicht vereinbare Handlung und Ent

wicklung schadet, ja ruiniert die Vertrauenswürdigkeit unseres gesamten Berufsstands.

Und dann heißt es in dem schon erwähnten Antrag der SPD-Bundestagsfraktion – in Ihrem Antrag heißt es ja ähnlich:

Die Patienten müssen sicher sein, das ausschließlich medizinische und nicht monetäre Gründe für den Arzt wichtig sind, wenn er ein bestimmtes Arzneimittel verschreibt.

Entschuldigung, aber wer hat denn durch seine Gesetzgebung überall im Gesundheitswesen finanzielle Anreize gesetzt und macht sie sogar ganz bewusst – das ist politisch gewollt – zum eigentlichen Antriebselement seiner Entwicklung? Korrumpieren z. B. fallzahlorientierte Bonuszahlungen an Chefärzte etwa nicht?

Und was ist mit den begehrten Drittmitteln, die wir alle verlangen, die von der Industrie eingeworben werden sollen? Heute gehört es zu den Qualifikationen bei der Einstellung eines Klinikchefs, Drittmittel zu akquirieren. An den Universitäten ist eine Habilitation ohne die Erbringung von möglichst hohen Drittmitteln kaum noch möglich. Die Fakultäten werben sogar oft genug mit der Höhe ihrer Drittmitteleinerbung. Dass diese Drittmittel aber nicht umsonst fließen, dürfte jedem klar sein. Zahlreiche Karrieren hängen an diesem Drittmitteln, die selbstverständlich eine lebenslange Nähe z. B. zur Pharmaindustrie begründen, und diese weiß diese sehr sorgfältig zu pflegen und auszunutzen. Keine monetäre Beeinflussung medizinischer Entscheidung?

Anderes Beispiel: Die politisch allseits gewünschte engere Zusammenarbeit von Vertrags- und Krankenhausärzten: Wo hört die legitime Vergütung auf, und wo fängt die Korruption an, wenn es z. B. um das Einreiseverhalten des Niedergelassenen in einem solchen Fall geht? Und wir sollten uns auch ehrlich machen. Keine Korruption, nur Lobbyismus? Eine Positivliste von Medikamenten mit nachgewiesener Wirkung wird seit Jahrzehnten von der Pharmalobby politisch verhindert, gleichzeitig werden aber 15 000 Pharmareferenten über die Höfe gejagt und besuchen 20 Millionen mal im Jahr deutsche Ärzte und Kliniken. Jedem dürfte klar sein, dass die Industrie kaum in eine solche Armada von Pharmareferenten investieren würde, wenn sie sich davon nichts verspräche. Schätzungsweise 2,5 Milliarden Euro pro Jahr gibt die Pharmaindustrie für Marketing aus. Das ist doppelt so viel wie für Forschung und Entwicklung. Und warum? Weil es gilt, das eigene Produkt zu verkaufen, obwohl es mit zig anderen Medikamenten auf dem Markt identisch ist.

Allein mit schönen Worten? Wie naiv wollen wir uns diesem Thema eigentlich nähern? Wer über die Korruption im Gesundheitswesen spricht, der muss auch über seine Ökonomisierung sprechen. Das können wir in der

Debatte über diesen Antrag im Ausschuss dann sehr gern tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Ludewig. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Korruption – wen wundert es? – lehnen wir selbstverständlich alle ab.

[Beifall bei der CDU]

Dabei ist der wirtschaftliche Schaden das eine. Besonders schmerzlich aber trifft es selbstverständlich das besonders sensible Arzt-Patienten-Verhältnis. Das können wir nicht hinnehmen. Patienten müssen sich sicher sein, dass ihr Arzt das Medikament verschreibt, welches für den speziellen Krankheitsfall die beste Wirkung verspricht und eben nicht die beste Provision.

Insofern irritiert – und das hat Kollege Behrendt ja richtig zusammengefasst – das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 auf den ersten Blick. In diesem wird festgestellt, dass korruptives Verhalten von niedergelassenen Vertragsärzten nach dem geltenden Strafrecht nicht strafbar sei. Kollege Behrendt hat aber ein bisschen unterschlagen, dass ein solches Verhalten trotzdem bereits heute geahndet wird – eben nach § 128 SGB V. Dort wird vorgeschrieben – ich zitiere –:

Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen...

Und weiter:

Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße gegen die Verbote... geahndet werden.

Klargestellt wird weiterhin:

Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.