Protocol of the Session on February 21, 2013

Für den Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.

Dass wir uns alle noch striktere und noch bessere und noch zielgenauere Regelungen wünschen, ist sicherlich richtig. Und es fällt mir nicht ganz leicht – normalerweise führe ich ja eher strittige Diskussionen mit dem Kollegen Dr. Albers –, ihm in diesem Punkt leider zu Teilen recht zu geben. Ganz so trivial, wie sich die Grünen das vor

stellen – die Einführung eines Straftatbestands –, ist es eben in der Praxis nicht.

Wenn man den Antrag liest, stellt sich zum einen die Frage: Warum eigentlich nur niedergelassene Vertragsärzte? Stehen die jetzt unter ganz besonderem Generalverdacht der Grünen-Fraktion? – Es trifft nur die niedergelassenen Vertragsärzte. Ich empfehle jedem der Kollegen, sich mal den Antrag durchzulesen. Was ist eigentlich mit anderen Leistungserbringern? Was ist eigentlich mit dem Krankenhaus etc.? Warum – und da hat Kollege Dr. Albers recht – nur Ärzte? Was ist mit Architekten, Bauträgern, Journalisten und vielen anderen, die in ähnlichen Situationen sind?

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Die sind nicht im Gesundheitswesen!]

Und was ist eigentlich im differenzierten Bereich, wenn man sich anschaut, dass wir uns natürlich ein stärkeres Zusammengehen von ambulantem und stationärem Bereich im Gesundheitswesen wünschen, und gleichzeitig Kollege Behrendt auch schon gesagt hat, die Überweisung von Patienten an ein bestimmtes Krankenhaus könnte dann möglicherweise auch unter Korruption fallen?

Das sind alles Fragen! Wir können es kurz machen, es ist ja schon ein bisschen spät heute: Dieser Antrag der Grünen greift deutlich zu kurz und versucht ein äußerst komplexes Problem, einen äußerst komplexen Sachverhalt mal eben mit drei Zeilen zu lösen. Das misslingt offensichtlich und das auch noch zulasten einer einzelnen Gruppe. Insofern freue ich mich, dass wir mit den Grünen diesen Antrag und die Fortentwicklung dieses Antrags im Ausschuss diskutieren können und versuchen können, zielgenauere und auch effektive Lösungen für das beschriebene Problem zu finden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Kowalewski. – Wenn Sie sich entscheiden können, ob mit oder ohne Laptop! – Bitte schön! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Vielen Dank! – Ganz kurz!

[Heiterkeit – Zurufe von der CDU]

Ja, Entschuldigung! Geht ja von meiner Zeit ab.

[Zuruf von der CDU]

Absolut frei! Die Notizen sind nur zur Hilfe.

Wir haben in diesem Hause schon darüber gesprochen, dass Abgeordnetenbestechung in Deutschland grundsätzlich legal ist, solange man nicht direkt Geld für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten ausbezahlt. Jetzt haben wir dank des BGH erfahren, dass bei freiberuflichen Ärzten sogar das legal ist. Verschreibungen direkt mit Cash einkaufen – klasse! Oder falls es ein Arzt etwas subtiler mag: Schöne Reisen als Bonusprogramm ausloben! – Nicht nur die Pharmafirmen wedeln hier mit dem Geldscheinbündel, auch Rehazentren und Kliniken bedanken sich mit vergoldeten Fangprämien für Patienten.

Wir lesen das in der Presse und können es kaum fassen. Sollte nicht das Wohl des Patienten der hauptsächliche Incentive der Ärzte sein? Reichen die Vergütungssätze nicht aus? – Die Frage müssen wir uns tatsächlich auch stellen. Sollte es wirklich zulässig sein, dass der Wettbewerb im Gesundheitswesen nicht über die Qualität oder die Preise der Medikamente, Hilfsmittel und Dienstleister geführt wird, sondern um die attraktivsten Kick-Backs? Ich unterstelle dem Gesetzgeber an dieser Stelle wohlwollend, dass dies keine absichtliche Regelungslücke ist, sondern einfach der Undurchsichtigkeit des Dschungels namens Gesundheitssystem geschuldet ist.

Ich würde ja jetzt eigentlich bei unserer Bundestagsfraktion anrufen, damit die da was macht, aber die gibt es momentan noch nicht.

[Heiterkeit]

Deswegen unterstützen wir bis dahin den Grünen-Antrag auf Einbringung der Bundesratsinitiative. Die Maßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch V, die Kollege Ludewig erwähnt hat, sind leider – und das zeigt die Praxis – ein stumpfes Schwert. Würden die so gut greifen, wie Sie sich das vielleicht wünschen, dann hätten wir die heutige Debatte nicht und dann würde auch der Bundesgerichtshof nicht eine gesetzliche Regelung an dieser Stelle anmahnen.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wenn angestellte Ärzte sich in der Klinik die Tasche füllen, ist das ohnehin schon illegal – zumindest grundsätzlich. Auch auf die Fallzahlen-Boni sollten wir in dieser Debatte einen Blick werfen. Eine Ausfüllung des Arztberufes ist aber auch ohne Bakschisch möglich. Das sieht man an der Stelle ja. Brauchen wir also das Recht auf legale Bestechung, um Ärzten die freiberufliche Tätigkeit schmackhaft zu machen? Und – das ist wichtig – ich unterstelle weder den Ärzten noch den Abgeordneten grundsätzlich eine solche extrinsische Motivation. Aber dass es in beiden Lagern eben ein paar gibt, die sich durch solche Maßnahmen scheinbar leiten lassen, ist schwer erträglich – vor allem aufgrund des dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Schadens.

Transparency International schätzt den jährlichen Schaden, der im deutschen Gesundheitssystem durch Betrug, Verschwendung und Korruption entsteht, auf ca.

6 Prozent des Gesamtbudgets. Das European Healthcare Fraud and Corruption Network schätzt, dass durch Korruption, Betrug und Falschabrechnung jährlich 3 bis 10 Prozent der Gesundheitsausgaben verlorengehen. Auf Deutschland umgerechnet wären das allein für die gesetzlichen Krankenkassen 5 bis 18 Milliarden Euro. Geht es unserem Gesundheitssystem wirklich so gut, dass wir so viele Milliarden an die Korruption verlieren können?

Ich möchte – mit Ihrer Erlaubnis – noch kurz aus der Pressemitteilung des GKV-Spitzenverbandes zu der Studie „Unzulässige Zusammenarbeit im Gesundheitswesen durch ‚Zuweisung gegen Entgelt’“ des Economy & Crime Research Center der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg vom September 2012 zitieren:

Fangprämien sind im deutschen Gesundheitswesen keine Ausnahme, sondern gängige Praxis, so beschreiben niedergelassene Ärzte, leitende Angestellte von stationären Einrichtungen sowie nichtärztliche Leistungserbringer die aktuelle Versorgungspraxis im Rahmen einer repräsentativen Studie im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes. Statt medizinischer Argumente entscheiden offenbar oft Prämiengelder oder Sachleistungen, zu welchem Arzt, zu welcher Klinik oder welchem Hilfsmittelerbringer Patienten gelenkt werden.

Würden wir das in unserem Land erwarten? – Nein! Aber glücklicherweise werden wir ja alle diesem Antrag beipflichten. Es haben sich in der Aussprache ja auch alle mehr oder weniger klar entsprechend geäußert. Transparenz und Leistungsgerechtigkeit sind allen Fraktionen in diesem Hause wichtig – gerade der SPD, deren Bundestagesfraktion unter der Drucksachennummer 17/12213 im Bundestag den Antrag „Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen“ gestellt hat.

Wir Piraten haben in einem Positionspapier die Forderung auf ein Zurückdrängen der Manipulationsmöglichkeiten durch die pharmazeutische Industrie beschlossen. Die FDP sehe ich hier nicht. Außerdem geht es diesmal ja im Gegensatz zu der letzten Korruptionsdebatte nicht um Ihre eigene Brieftasche. Niedergelassene Ärzte haben wir hier nicht. – Gut! Dann ab in den Ausschuss!

[Beifall bei den PIRATEN]

Danke, Herr Kollege Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an – kurz gesagt – Rechtsausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 24 war auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 24 A:

Tarifvertrag für angestellte Lehrerinnen und Lehrer

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0827

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen. Dann verfahren wir so. Für die Fraktion Die Linke beginnt die Kollegin Kittler mit einer Redezeit von fünf Minuten. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 18. Februar zeigten 5 000 angestellte Pädagogen der Berliner Schulen der Stadt Berlin, welche Macht sie haben. Sie legten nicht nur Teile der Innenstadt, sondern auch weite Teile des Unterrichts lahm, um für einen gerechteren Lohn zu kämpfen und endlich auch die Eingruppierung angestellter Lehrkräfte per Tarifvertrag zu regeln. Ihnen gehört unsere Solidarität und Unterstützung.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Sie legten die Arbeit nieder, weil ihnen die öffentlichen Dienstherren auch in der zweiten Verhandlungsrunde zu keiner der gewerkschaftlichen Forderungen ein Angebot machten.

Die zweite Verhandlungsrunde war also keine wirkliche Verhandlung und schon gar nicht in sachlicher Atmosphäre, wie von Verhandlungsführer Bullerjahn, SPDFinanzminister von Sachsen-Anhalt, gesagt wurde. Nein! Bisher ging es an der Sache weit vorbei. Seit 2006 stehen die Arbeitgeber im Wort, dass endlich die vordemokratischen Zustände beendet werden, indem sie einseitig die Eingruppierung von angestellten Lehrkräften ohne jede Verhandlung mit einer Gewerkschaft bestimmen können.

Wenn – und das macht diesen Antrag auch so dringlich – in der dritten Verhandlungsrunde im März wieder kein Angebot vonseiten der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder gemacht wird, bekommen wir hier in Berlin einen heißen Frühling. Die angestellten Pädagogen sind kampfentschlossen. Das haben sie eindrucksvoll am Montag demonstriert.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie wollen doch unbedingt Schulfrieden. Jetzt können Sie einen Beitrag dazu leisten. Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass die Lehrkräfte bundesweit eine Eingruppierung bekommen, die auf ihre Tätigkeit und Ausbildung bezogen und schulformunabhängig ist! Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, dass endlich im 23. Jahr der deutschen Einheit diese Eingruppierung nicht mehr von der Herkunft aus Ost oder West abhängig ist!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Nun mögen manche meinen, wir können uns doch nicht in laufende Tarifverhandlungen einmischen. Dazu sage ich: Aber wir sollten eine Richtung vorgeben, und zwar unserem Senat. Berlin ist seit diesem Jahr endlich wieder in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückgekehrt und hat aus dem Grund, dass wir unsere Lehrkräfte grundsätzlich im Angestelltenstatus einstellen, eine besondere Verantwortung, aber auch zusammen mit MecklenburgVorpommern und Sachsen eine besondere Verhandlungsmacht.

Die vom Berliner Senat unter Rot-Rot veranlasste Regelung, ab dem 1. August 2009 angestellte Lehrerinnen und Lehrer mit der höchsten Erfahrungsstufe 5 zu vergüten, war notwendig und politisch gewollt, um im Rahmen bestehender Möglichkeiten die Unterschiede in den Nettoeinkommen gegenüber verbeamteten Lehrkräften zu verringern. Dies kann so jedoch keine dauerhafte Lösung sein. Auch mit einer Verlängerung dieser Regelung ist sie keine Absicherung für die Zukunft. Nur mit einer tariflichen Regelung gibt es für angestellte Lehrerinnen und Lehrer eine verlässliche Perspektive, die nicht wieder aufkündbar ist. Berlin sollte deshalb sein Interesse an einer über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder geregelten Eingruppierung der Lehrkräfte aller Bundesländer nachdrücklich betonen und damit die Attraktivität des Angestelltenstatus für Lehrkräfte in Berlin bundesweit stärken. Wer Schulfrieden will, sollte diesem Antrag seine Zustimmung geben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke, Frau Kollegin Kittler! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Kollege Özışık. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema angestellte Lehrkräfte beschäftigt die SPD-Fraktion seit geraumer Zeit und ist aktueller denn je. Am vergangenen Montag haben Tausende Angestellte gestreikt und dafür gesorgt, dass ein regulärer Unterrichtsbetrieb an vielen Schulen nicht möglich war. In Berlin arbeiten mittlerweile 8 000 Lehrer im Angestelltenverhältnis. Es kommen jährlich aufgrund der hohen Anzahl von Pensionierungen 1 500 hinzu. Diese Tatsache führt dazu, dass angestellte Lehrkräfte die Zukunft dieser Stadt sein werden, denn im Koalitionsvertrag wurde gemeinsam mit der CDU festgelegt, dass eine Verbeamtung von Lehrkräften weiterhin nicht stattfindet. Dazu steht die SPD nach wie vor. Umso dringlicher erscheint es aber, auch in Bezug auf den bundesweiten Konkurrenzkampf um junge Lehrkräfte die Attraktivität des Lehrberufes in Berlin zu erhöhen.

Die Gespräche mit den Betroffenen und allen voran mit der Initiative „Bildet Berlin!“ zeigen, dass die SPDFraktion das Thema sehr ernst nimmt. Anders als oft behauptet, streben viele angestellte Lehrkräfte jedoch gar nicht explizit die Beschäftigung als Beamte an. Sie wollen – das konnte ich in persönlichen Gesprächen erfahren – gerecht behandelt werden. Eine bemängelte Ungerechtigkeit dabei ist, dass junge Lehrkräfte für einige Zeit in ein anderes Bundesland gehen, sich dort verbeamten lassen und dann als Beamte in die Berliner Lehrerzimmer zurückkehren. Dabei dürfen sie ihren Beamtenstatus behalten. Gleichzeitig werden die eigenen Nachwuchskräfte nicht verbeamtet und haben damit erhebliche Gehaltsunterschiede hinzunehmen.

Wir als SPD und – allen voran – die Bildungssenatorin haben dieser sogenannten Drehtürverbeamtung einen Riegel vorgeschoben. Wir nehmen das Ungerechtigkeitsempfinden der Angestellten wahr und haben gezeigt, dass wir dementsprechend auch handeln. Der Antrag der Linksfraktion – Tarifvertrag für angestellte Lehrerinnen und Lehrer – verweist auf eine Tatsache, derer sich die SPD längst angenommen hat. Ihr Antrag stellt nichts Neues dar.

[Uwe Doering (LINKE): Was?]

Es ist unbestritten, dass die angestellten Lehrkräfte ein Anrecht besitzen, tarifvertraglich bezahlt zu werden.