Frau Radziwill! Sie haben eben ein paar sehr schöne Willensbekundungen abgegeben. Nur: Wenn ich mir diese Koalition angucke, scheint der bekundete Wille einer SPD in Berlin offensichtlich nicht allzu viel Wirkung zu entfalten.
Herr Juhnke! Wenn denn ein so breiter Konsens über die Sinnhaftigkeit einer Residenzpflicht besteht – was läuft in Deutschland falsch? Was läuft in den anderen europäischen Ländern falsch, dass sie so etwas nicht brauchen? Warum braucht man in Deutschland eine Residenzpflicht und in den anderen Mitgliedsländern der EU nicht? Die Antwort auf diese Frage bleiben Sie uns schon seit gefühlten Ewigkeiten schuldig.
Wir haben im Januar bereits über den notwendigen Antrag zum Winterabschiebestopp gesprochen. So langsam geht uns hier der Winter dafür aus. Wir haben jetzt Februar. Im Januar haben wir diesen Antrag gestellt. Machen wir uns nichts vor: Die, denen nicht geholfen wurde, sind wahrscheinlich bereits über die Klinge gesprungen. – Frau Radziwill! Wenn es nicht so wahnsinnig traurig wäre, müsste ich laut lachen bei Ihrer Benutzung des Begriffes „Panikmache der Opposition“.
Wir als Abgeordnetenhaus von Berlin hätten an dieser Stelle schnell und wirksam Menschen helfen können, die in ihren Herkunftsländern auf das Heftigste diskriminiert werden, Menschen, die im Europa des 21. Jahrhunderts in Baracken leben müssen. Ich habe Bilder von Familien gesehen, die quasi ohne Heizung in Holzverschlägen leben müssen, die noch eben notdürftigst mit einem bisschen Plane abgedichtet werden. Menschen, die aus solchen Zuständen fliehen, werden von SPD und CDU abwertend als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet.
In Serbien leben nach Angaben der serbischen Regierung 450 000 Sinti und Roma. Besonders im Winter ist die Lage der Sinti und Roma prekär. Bereits 2011 stieg zum Herbstbeginn die Zahl der Asylsuchenden aus diesen Ländern an. Auch in diesem Jahr ist die Entwicklung zu
beobachten. Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl, sagte in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“: „Sie fliehen vor dem nahenden Winter und versuchen, hier zu überleben.“
Angela Merkel sagte neulich bei einer Einweihungsfeier, Deutschland werde sich in der EU für die Rechte von Sinti und Roma einsetzen. Ich zitiere auch hier: Es ist
eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer und innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben.
Stattdessen läuft es folgendermaßen: Wer aus einem der Kandidatenländer Serbien und Mazedonien kommt, genießt seine Freiheit zu Westreisen nur noch auf Probe. Steigt die Zahl der Asylanträge von Bewerbern aus einem der beiden Länder um 60 Prozent, können Länder des Schengen-Raums bei der EU-Kommission eine Notsituation geltend machen – Notsituation! Bestätigt sich die Zahl, wird die Reisefreiheit für ein Jahr ausgesetzt. Nach Ende des Jahres kann die Visumspflicht auch endgültig wieder eingeführt werden. Von diversen Kollegen aus der CDU hören wir immer wieder – wie auch gerade –, es sei keine Lösung, einfach alle hereinzulassen, sondern man müsse den Menschen vor Ort helfen. Wie diese Hilfe aussieht, zeigt sich dann allerdings erst vor Ort in Mazedonien. Den Grenzbeamten steht dort eine Handreichung zur Verfügung, nach der sie potenzielle Asylsuchende erkennen können. Wer eine auffällig dunkle Hautfarbe hat oder sonst wie ein Roma erscheint, wird an der Grenze aufgefordert, Reisegeld oder eine Kreditkarte vorzuzeigen und eine Adresse zu nennen, zu der er reisen will. Wer einer Person hilft, in einem EU- oder SchengenLand Ansprüche geltend zu machen, wird in Mazedonien schon seit Juli 2011 mit Gefängnis nicht unter vier Jahren bestraft. Die mazedonische Botschafterin in Berlin, Kornelija Utevska Gligorovska, sagte der „Badischen Zeitung“ – ich zitiere auch hier noch mal –:
Den Text des Gesetzes haben wir selber geschrieben. … Von der EU haben wir als Vorgabe bekommen: Tut etwas!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre nett, wenn die Gespräche, die unbedingt geführt werden müssen, draußen geführt werden. Ich würde dann auch bitten, dass die
Danke schön! – Das einzige Ziel der CDU scheint an der Stelle zu sein, Flucht und Asyl zu einem PaL zu machen, zu einem Problem anderer Leute. Das ist nationalprotektionistisch und rassistisch.
Menschenrechte sind nicht das Ergebnis von Leistung oder Verdienst, denn alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie stehen demnach jedem Menschen zu, allein weil er oder sie ein Mensch ist. Jeder Flüchtling in Deutschland hätte im Sinne dieser Universalität die gleichen Rechte wie ein Mensch, der in Deutschland geboren wurde. So sieht das die Piratenpartei, und da herrscht Einigkeit in der Opposition. Leider ist es nur in der Theorie so.
Ich schließe mit einem Zitat aus dem Schreiben des Päpstlichen Rates Cor Unum und des Päpstlichen Rates für die Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs des Heiligen Vaters Johannes Paul II. vom 2. Oktober 1992:
Eine überaus genaue und gewissenhafte Beachtung des Prinzips der Freiwilligkeit der Rückkehr ist eine nicht verhandelbare Grundvoraussetzung für jede Verfahrensweise den Flüchtlingen gegenüber. Niemand darf in ein Land zurückgeschickt werden, wo er oder sie diskriminierende Handlungen oder ernste lebensbedrohende Situationen zu befürchten hat. In den Fällen, in denen die zuständigen Behörden eines Landes beschließen, Asylbewerber nicht anzuerkennen, weil sie keine echten Flüchtlinge seien, sind sie moralisch verpflichtet sicherzustellen, dass den Betroffenen eine sichere und freie Existenz anderswo garantiert wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zu dem Antrag auf Drucksache 17/0191 – Stichworte: Residenzpflicht abschaffen – empfiehlt der Innenausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung auch mit neuem Berichtsdatum. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Piraten, die Grünen und Die Linke. Gegenstimmen? –
Zu dem Antrag auf Drucksache 17/0757 – Stichwort: Winterabschiebestopp – empfiehlt der Innenausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind ebenfalls Piraten, Die Linke und die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 15. November 2012 Drucksache 17/0809
zum Antrag der Piratenfraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0528
Dazu gibt es einen Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0528-1 und einen Änderungsantrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/0528-2. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Der Kollege Magalski hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gemeinde! Wir haben uns hier versammelt, um gemeinsam dem drohenden Ende der Kirche von Unten zu begegnen. Noch vor wenigen Tagen bekam ich den Segen des Erzbischofs auf seinem Neujahrsempfang. Ich befürchte allerdings, dass dies wohl nichts nutzen wird und das nicht, weil die Kirche von Unten einen evangelischen Träger hat. Der vorliegende Antrag betrifft die Zukunft der Kirche von Unten. Die KvU ist ein für die wiedervereinigte Stadt Berlin nicht nur historisch und kulturell bedeutender Ort von herausragender Stellung, sondern auch für die Jugendsozialarbeit, die dort bezirksübergreifend geleistet wird.
1987 gegründet und zunächst in der Elisabethstraße angesiedelt, fanden hier im damaligen Ostberlin oppositionelle Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen offene Räume für ihr Zusammenkommen und zur Ausgestaltung politischer und kultureller Aktivitäten. Diese Räume wurden bald zu einer der wichtigsten Aktivitätszentralen der DDR-Oppositionsbewegung. So wurden hier beispielsweise die Ergebnisse der unabhängigen Stimmauszählung bei der Kommunalwahl der DDR im Jahr 1989 zusammengetragen, ausgewertet und bekanntgemacht.
Viele Mitglieder der KvU engagierten sich in der DDROpposition, so auch Reinhart Schult, Gründungsmitglied der Bürgerbewegung Neues Forum und von 1991 bis 1995 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, so auch die Kollegin Marion Seelig, Mitglied dieses Hauses, der Historiker Dr. Dirk Molt, der von Neonazis totgeschlagene Silvio Meier, die Pädagogin Silke Ahrens, der Autor Uwe Kulisch, der Sozialarbeiter Jörg Zickler, die Managerin der Liedermacherin Bettina Wegner, Katharina Harich, der Pazifist Herbert Mißlitz und die Autoren Dietmar Wolf und Dirk Teschner, die als Redakteure für den „telegraph“, eines der wenigen bis Dezember 1989 unabhängigen Medien in der DDR, über die friedliche Revolution berichteten.
Die KvU wird daher und durch ihre gute Vernetzung innerhalb der DDR zu den Gruppen gezählt, die einen maßgeblichen Einfluss auf die friedliche Revolution in der DDR und damit letztlich auch auf die Einheit Berlins hatten. Die Kirche von Unten ist bis heute ein ihren Wurzeln verpflichtetes Jugendkulturzentrum, in dem Jugendsozialarbeit sowie kulturelle und politische Bildung erfolgen. Nach der Verdrängung des „Knaack“ und der Schließung des „Klubs der Republik“ verbleiben immer weniger Freiräume für Jugendkultur in der Mitte Berlins und im Prenzlauer Berg, die nur beispielhaft für andere Bezirke stehen. Es droht hier nun ganz akut einer weiteren soziokulturellen Institution, die zudem immens wichtige Aufgaben der Jugendhilfe wahrnimmt, das Ende.
Einstimmig über alle Fraktionen hinweg haben die BVVen in Mitte und Pankow ihren Willen bekundet, die Kirche von Unten zu erhalten. Sie haben vieles, was auf Bezirksebene möglich war, versucht, um sie an ihrem Standort zu retten. Die SPD-Fraktion in Mitte wirbt selbst auf ihrer Homepage für den Erhalt, doch alle Mühen waren bis jetzt vergebens. So war weder die Wiener Immowert-Gruppe bereit, über eine Vertragsverlängerung im Haus an der Kremmener Straße zu verhandeln, noch sind die bis jetzt erwogenen Ersatzräumlichkeiten im ehemaligen Kulturhaus Peter Edel in Weißensee oder im Theater unterm Dach in Prenzlauer Berg geeignet.
Der Senat sollte ursprünglich auch hier, wie es beim „Schokoladen“ ja schon erfolgreich geschehen ist, in Verhandlungen mit den Eigentümern treten. Davon nehmen wir jetzt Abstand, da dies nun nach Ablauf der Jahresfrist und der wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr möglich ist. Wir fordern deshalb den Senat auf, dem Wunsch der eigenen Bezirksfraktion zu folgen und endlich über einen unerklärbaren Schatten zu springen und ein soziales Zeichen für unbürokratische Hilfe zu setzen.
Die vielgepriesene „neue Liegenschaftspolitik“ kann jetzt endlich in die Praxis umgesetzt werden und mit ihr der KvU ein geeignetes und bezahlbares Ausweichquartier angeboten werden. Selbst der geschätzte Kollege Be
zirksstadtrat a. D. Stefan Schlede meinte im Ausschuss, man könne den Antrag mittragen, wenn er dahingehend geändert würde, dass nicht mehr ein Verbleib am Standort gefordert werde. Diese Änderung haben wir jetzt im Antragstext. Ich zitiere den Kollegen Schlede:
Zitat Ende. – Herrn Senator Müller ist erst vor wenigen Tagen eine Bittschrift aus der Stadtgesellschaft – jetzt ist er gerade nicht da – in dieser Sache zugegangen, die unter anderem von der ehemaligen Bundesbeauftragten Marianne Birthler unterzeichnet wurde. Sollte auch dies womöglich seine Wirkung verfehlen, sich der historischen und sozialen Verantwortung bewusst zu werden, die man gegenüber dieser Institution hat, rufe ich dem Senat und den Fraktionen in diesem Hause zu: Es tut niemandem weh, aber vielen gut. Stimmen Sie gemeinsam mit uns für diesen Antrag! – Amen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Magalski! Es ist von Ihnen von der Piratenfraktion im Ausschuss und auch hier eben wieder dargelegt, wie wichtig die Kirche von Unten als Kulturprojekt ist. Wir haben das – den Teil aus dem Protokoll haben Sie nicht vorgelesen – nicht infrage gestellt. Auch stellt der Senat dieses Projekt nicht infrage. Die Kirche von Unten leistet wichtige Kinder- und Jugendarbeit. Dass das Anerkennung findet, beweist das Land jedes Jahr im Doppelhaushalt mit rund 400 000 Euro. Die Senatsverwaltung hat sich in vorherigen Gesprächen bereits darum um einen Ersatzstandort bemüht – Sie haben es gerade aufgeführt –, was vom Bezirk Pankow abgelehnt wurde. In einem Schreiben an die Kirche von Unten wurde mitgeteilt, dass das Jugendamt Pankow – mir fällt gerade nicht ein, welche Partei dort führt – derzeit über keine geeigneten Standorte für das Projekt verfügt. Ansonsten sieht es Konkurrenzdruck für das Projekt „Bunte Kuh“, das sich in einem ähnlichen Spektrum aufhält.
Niemand hat etwas dagegen, dieses Projekt zu erhalten, niemand hat in Abrede gestellt, dass die Arbeit, die dort geleistet wird, wertvoll, der historische Anspruch sehr hoch ist. Der Senat ist nicht in der Lage, zwischen Privatpersonen – und es handelt sich hierbei um einen privaten Vermieter – und der Institution eine Lösung herbeizuführen, dass sie an dem Standort verbleibt, das haben wir eben von Ihnen auch gehört. Natürlich wird sich die Senatsverwaltung weiterhin dafür einsetzen – das hat Frau