Protocol of the Session on February 21, 2013

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höfinghoff?

Ja, ich gestatte sehr gerne eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höfinghoff.

Geht auch ganz schnell, Frau Kollegin Bayram. In Anbetracht der Antwort des Innensenators auf meine spontane Frage vorhin: Würden Sie es denn auch für sinnvoll erachten, dass der Innensenator und sein Staatssekretär schleunigst diesen Mangel abstellen, den Abschiebegewahrsam, für den sie zuständig sind, noch nicht besucht zu haben?

Ja, das ist eine wirklich sehr interessante Frage, Herr Kollege Höfinghoff, weil der Frage ja die Hoffnung immanent ist, dass der Herr Innensenator oder auch sein Staatssekretär sich unter dem Eindruck der Situation in dem Abschiebegefängnis das Ganze noch mal überlegen würde. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, und man sollte es vielleicht auf den Versuch ankommen lassen. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Das Wort für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns ja schon häufiger über diese Liegenschaft unterhalten. Wir haben festgestellt, dass es eine relativ kleine Anzahl von Personen gibt, die dort untergebracht sind – so viel, um die Verhältnisse vielleicht ein bisschen zurechtzurücken. Weil hier schon wieder pathetisch dargestellt wurde, wie unrechtmäßig das alles sei, vielleicht noch mal die Information, welche Voraussetzungen denn eigentlich vorliegen müssen, um überhaupt jemand zu sein, der tatsächlich Einzug hält in den Abschiebegewahrsam. Zunächst einmal muss die Abschiebung selbst zulässig sein. Die weiteren Voraussetzungen sind, dass derjenige vollziehbar ausreisepflichtig sein muss. Die Ausreise muss überwachungsbedürftig sein, eine erforderliche Abschiebungsandrohung muss ergangen oder die gesetzte Ausreisefrist abgelaufen sein, und es darf kein Abschiebungshindernis und -verbot vorliegen. Das ist eine ganz erhebliche Anzahl von Voraussetzungen, die dort eine Rolle spielen. Dazu kommt auch noch, dass der Abschiebegewahrsam als Ultima Ratio nur gelten kann, wenn weniger einschneidende Alternativen nicht zur Verfügung stehen. Es ist noch mal wichtig, das zu unterstreichen, weil immer so getan wird, als würde automatisch jeder, der in diesem Land um Asyl nachsucht, irgendwann in diesem Abschiebegewahrsam landen. Das ist eine völlig unsinnige Verkehrung der Verhältnisse.

[Beifall bei der CDU]

Im Weiteren wurde der Eindruck zu erwecken versucht, dass diejenigen, die dort untergebracht sind, besonders unterprivilegiert seien. Da Sie ja in dem Zusammenhang eine Kleine Anfrage gestellt haben, die schriftlich beantwortet wurde, kennen Sie auch die Fakten und wissen, dass Insassinnen und Insassen, die persönliche Informationen aus dem Internet benötigen, diese auch durch die Seelsorger zur Verfügung gestellt bekommen, wenn entsprechende Vollmacht erteilt wird, und dass die Insassen durch den tätigen Sozialdienst eine umfassende Unterstützung auch bei der Vorbereitung auf ihre Ankunft in ihrem Zielland erfahren. Auch dass sind Dinge, die Sie mit keinem Wort erwähnt haben. Sie tun so, als wenn die Leute dort in einer Isolationshaft gehalten werden, und das ist völliger Unsinn.

[Zurufe von Canan Bayram (GRÜNE) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN]

Sie wissen auch, dass das nicht der Fall ist, behaupten es aber wider besseres Wissen, um hier eine entsprechende politische Stimmung zu erzeugen.

Im Übrigen gibt es moderat gehaltene Besuchsregelungen, wo Angehörige, Bekannte und Hilfsorganisationen diejenigen besuchen können und über die sie sich auch informieren können. Sie haben es bereits erwähnt, es gibt dort auch Fernsehgeräte, mit denen man Fernsehprogramme empfangen kann. Bei Bedarf werden auch Mo

biltelefongeräte zur Verfügung gestellt, die über diese Dinge, die viele Mobiltelefone heute haben, also die sogenannten iPhone-Geräte – Internetempfang, Fotomöglichkeiten –, nicht verfügen. Man kann dort Geräte bekommen, die das nicht können, von daher kann man dann auch telefonieren.

Wenn Sie die Antwort gelesen habe, haben Sie auch die Bedenken zur Kenntnis genommen, die die Verwaltung formuliert hat, dass nämlich in der Tat durch den Internetzugang auch die Gefahr besteht, dass man sich Inhalte zugänglich macht, die Bauanleitungen für gefährliche Gegenstände oder auch Schulungen zum Öffnen und Manipulieren von Sicherheitseinrichtungen beinhalten. Oder dass der freie Zugang es ermöglicht, dass man sich mit Materialien beschäftigt, die ethnische Beleidigungen, Verunglimpfung von Religionen oder auch Zugriff auf pornografische, gewaltverherrlichende, rassistische oder menschenverachtende Inhalte erlauben. Dieses ist zumindest geeignet, den sozialen Frieden im Abschiebegewahrsam negativ zu beeinflussen, und ich halte diese Bedenken in jedem Fall auch für erwägenswert.

[Beifall bei der CDU]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lauer?

Der Abgeordnete Lauer – bitte schön!

Bitte sehr!

Herr Juhnke! Ich habe nur eine Nachfrage, vielleicht wissen Sie da mehr als ich. Wenn Sie jetzt als Bedenken äußern, dass die sich dort aus dem Internet Anleitungen zur Herstellung gefährlicher Geräte herunterladen könnten: Gibt es denn die Möglichkeit für die Leute, die in diesem Gewahrsam sind, die dann einfach so zu bestellen?

[Heiterkeit bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Ich stelle mir das ein bisschen schwierig vor. Das wäre dann ja ein Sicherheitsmangel. Vielleicht könnten Sie darauf noch kurz eingehen.

Nun wissen Sie, dass man auch aus relativ banalen Gegenständen solche Dinge herstellen kann. Mir ist ein Fall bekannt, wo jemand leider statt der Zahl von 80 Zündholzköpfen 8 000 genommen hat und damit seine Küche

gesprengt hat, was er nicht wollte, sondern er wollte was anderes machen. Das ist durchaus möglich, und es geht ja auch um die Öffnung von Sicherheitseinrichtungen oder anderen Dingen und nicht nur um irgendwelche Bombenanleitungen, auf die Sie jetzt anspielen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Was haben Sie denn für einen Bekanntenkreis? – Zurufe von Canan Bayram (GRÜNE) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN]

Gut, das sind Informationen aus Sicherheitskreisen, mit denen Sie sich nicht unterhalten, ist ja vollkommen klar, die dort herrühren. Sie haben natürlich auch keine Ahnung von diesen Dingen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Schöner Sicherheits- kreis, der seine Küche sprengt!]

Sie wissen auch nicht, dass der einzige bisher erfolgreiche Fall von dschihadistischem Terror in diesem Land durch jemanden verübt wurde, der sich innerhalb kürzester Zeit durch das Internet radikalisiert hat. Auch diese Dinge sind nichts, was man jetzt so konkret fassen muss, eher so eine abstrakte Gefahr. Ich denke aber, man sollte sich dieser Gefahr erst gar nicht aussetzen, und wenn die Verwaltung diese Bedenken äußert, dann sollte man sie auch zumindest artikulieren und ernst nehmen. Ich sage auch nicht, dass damit die Diskussion darüber abgeschlossen ist, ich wollte nur einige Dinge zur Rationalisierung und auch noch ein paar Argumente reinbringen, neben den Gefühlen, an die heute wieder appelliert wurde.

Nebenbei auch ein weiteres Faktum: Die Verweildauer dort beträgt im Schnitt 26 Tage, so war das im Jahr 2011. Auch das zur Information, dass die Leute dort nicht Ewigkeiten verbringen müssen.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Ich denke, man sollte die Fachdiskussion dort führen, wo sie hingehört, nämlich nicht als Priorität hier im Plenum, sondern im Fachausschuss. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Taş das Wort. – Bitte sehr!

Ich kenne die Sicherheitsleute nicht, ehrlich gesagt, die dazu in der Lage sind, ihre eigene Küche oder ihr Badezimmer zu sprengen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden hier später noch einmal über Flüchtlingspolitik miteinander debattieren. Menschen, die Schutz in der Bundesrepublik suchen, werden nach wie vor wie Verbrecher behandelt. Dazu gehört auch die Abschiebehaft nach § 62 Aufenthaltsgesetz. Menschen, die Schutz suchen, können in sogenannte Abschiebehaft genommen werden, auch wenn gar nicht klar ist, ob sie überhaupt abgeschoben werden können, Herr Juhnke. Die Abschiebehaft hat nur das Ziel, Menschen abzuschrecken und zu kriminalisieren. Deshalb gehört sie abgeschafft.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Allerdings ist die Abschaffung der Abschiebehaft Sache des Bundestages. Auch ein Bundesratvorstoß in dieser Sache würde angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag leider scheitern.

Aber ein Bundesland kann zumindest dafür sorgen, dass die Lebensverhältnisse in der Abschiebehaft verbessert werden. Dazu kann auch beitragen, den Inhaftierten einen freien Zugang zu Internet, Mobiltelefon, Computer sowie anderen technischen Geräten und entsprechend ausgestatteten Computerarbeitsplätzen mit Internetzugang zur Verfügung zu stellen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 24. Januar 2013 zum Thema Internetanschluss den überragenden Stellenwert, den das Internet im Alltag erhalten hat, unterstrichen. Ich zitiere:

Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen.

Und weiter:

Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, …

Der BGH hat in dieser Entscheidung auch auf den immensen Stellenwert des E-Mailverkehrs bei der Kommunikation nicht nur zwischen Personen, sondern auch Personen und Behörden hingewiesen.

Der Berliner Senat sollte sich diesen Erkenntnissen nicht verschließen. Durch einen freien Zugang zum Internet können die Menschen in Abschiebehaft nicht nur ihren tristen Alltag etwas besser gestalten, sie können auch mit Personen und Institutionen, die sie unterstützen könnten ,nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch im Herkunftsland oder in dem Land, in das sie abgeschoben werden sollen, kommunizieren.

Immer wieder – wie auch heute – werden Sicherheitsbedenken vorgeschoben, wenn es um einen Internetzugang in der Abschiebehaft geht. Das ist völlig haltlos, wie ich finde, denn wie mehrfach betont, handelt es sich hierbei nicht um Strafgefangene, nicht einmal um Tatverdächtige, sondern die Abschiebehaft dient einzig und allein der Durchsetzung der Ausreise. Den Inhaftierten zu unterstel

len, sie würden im Internet kriminelle Handlungen begehen, finde ich ziemlich daneben, Herr Juhnke.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Mit einer solchen Maßnahmen kann man mit wenig Aufwand viel erreichen und das unmenschliche System für die Betroffenen etwas erträglicher machen. Was in Bremen möglich ist und demnächst möglicherweise auch in Rheinland-Pfalz und Brandenburg möglich sein wird, sollte auch in Berlin ermöglicht werden. Wir freuen uns, dass inzwischen auch die SPD heute Gesprächsbereitschaft signalisiert hat.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das kennen wir doch!]

Wir werden diesen Antrag in den Ausschussberatungen selbstverständlich unterstützen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Taş! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Unter der lfd. Nr. 4.5 ist keine Priorität angemeldet worden.