Selten ist das so eindeutig, dass eine Regierung so unglaublich versagt. Die Berlinerinnen und Berliner fragen sich kopfschüttelnd: Was ist da eigentlich los? Kriegen die gar nichts mehr auf die Reihe?
Dabei liegt seit Jahren ein sauberes Konzept zur S-Bahn vor. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dieses hier im Hause schon in der letzten Legislaturperiode vorgestellt:
ein landeseigener Fuhrpark und daneben eine faire Ausschreibung des Betriebs mit sozialen und ökologischen Leitplanken. Das fordern auch die Berliner Fahrgastverbände, Herr Schneider. Auch aus der Wissenschaft, z. B. aus der Technischen Universität Berlin, erreichen mich Rufe nach einem kommunalen Fuhrpark.
Wissen Sie, die Berlinerinnen und Berliner nehmen die Millionen Mehrkosten bei den Bauprojekten zur Kenntnis, sie nehmen die kritischen Punkte bei der S-Bahn zur Kenntnis, was allerdings nur noch für Kopfschütteln sorgt, ist die fehlende Kompetenz, eine Ausschreibung über die Bühne zu bringen.
Umso länger man darüber nachdenkt, umso unglaublicher wird es. Das ist ein bisschen wie ein Unfall. Man muss hinschauen.
Wie oft wurden Sie gewarnt? Die Opposition hat so oft darauf hingewiesen, dass die Kopplung von Fahrzeugbeschaffung und Teilausschreibung des Betriebs Gefahren beinhaltet. Das wurde von Ihnen stets und ständig in den Wind geschlagen. Statt schnell die Züge zu bestellen und dann über den künftigen Betrieb zu fachsimpeln, werden Flickschusterei und ideologischer Tamtam betrieben.
Das ist Versagen mit Ansage, denn wir brauchen 2017 neue Fahrzeuge. Das klappt aber schon nach dem, wo wir jetzt stehen, nicht mehr. Darunter werden die Berlinerinnen und Berliner leiden.
Das ist das Problem von unklaren Koalitionsverträgen. Es reicht halt nicht zu formulieren: Wir stärken den ÖPNV und gehen die Probleme mit der S-Bahn entschlossen an. – Selbst diese wohlfeile Passage haben Sie schon gebrochen. Stattdessen wurde ohne Parlamentsentscheidung
ein Verfahren losgetreten, das dann bei der ersten rechtlichen Überprüfung umkippt wie ein nasser Sack.
Kommen wir zum Kammergericht: Das Kammergericht hat an die Landesregierungen Berlin und Brandenburg appelliert, die Ausschreibung endlich rechtssicher auf den Weg zu bringen, neu anzufassen – Herr Schneider hat schon darauf hingewiesen, wo die Probleme beim Fortsetzen oder Ähnlichem liegen. Der Richter sagte: Sonst habe ich die Befürchtung, dass es eine Generation von Schulkindern gibt, für die die Ringbahn nicht existiert.
Noch deutlicher kann es nicht gesagt werden. Das hat ein Richter gesagt, und das sollten Sie sich vielleicht mal in die Ohren gehen lassen.
Und die Reaktion von SPD und CDU auf diese drastischen Worte – der „Tagesspiegel“ formuliert es wie folgt:
Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU waren sich am Dienstag einig, dass das politisch und juristisch umstrittene Vergabeverfahren „rechtssicher fortgesetzt“ wird.
Fortsetzen – da wird also auch der Hinweis des Kammergerichts in den Wind geschlagen. Gelten für Sie denn rechtliche und natürliche Rahmenbedingungen nicht mehr? Können Sie sich einfach so darüber hinwegsetzen? Herr Schneider hat da endlich einmal erste Zweifel angedeutet. Ich finde, das ist ein Weg, den Sie weitergehen sollten, um sich das wirklich genau anzuschauen und eben nicht irgendetwas ins Gratewohl zu machen.
Beide Koalitionsfraktionen haben dann gegensätzliche Vorschläge beschlossen und diese mit dem Namen „Plan B“ getauft. Diese Varianten wollen wir uns einmal kurz anschauen. Ich möchte mit der CDU beginnen. Sie schlagen vor, einen landeseigenen Fuhrpark zu beschaffen, wenn die Zeit knapp wird. Da muss ich der CDU zurufen: Ihre Bedingung ist schon lange eingetreten. Die Zeit ist knapp.
Stellen wir fest: Hier im Hause fordern Grüne, Linke, Piraten und auch die CDU einen kommunalen Fuhrpark. Lassen Sie uns nicht mehr zögern, lassen Sie uns diese Fahrzeugbeschaffung endlich in Auftrag geben!
Zu dem Plan B der SPD: Die SPD will eine Direktvergabe an die BVG oder ein landeseigenes Unternehmen vorbereiten. Ich mache mir bei der SPD echt Sorgen, –
Ja, ich mache mir da wirklich Sorgen, weil nicht erkannt wird, dass dieser Plan B nicht die Beschaffung von Zügen beinhaltet.
Bei den SPD-internen Ränkespielen zugunsten der Deutschen Bahn haben Sie das Wohl und Wehe Berlins irgendwie aus den Augen verloren. Es geht um Züge. Ohne Züge kriegen Sie keinen S-Bahnverkehr hin.
Und Brandenburg ist bei dieser Ausschreibung dabei. Und das hat Senator Müller auch immer wieder klargestellt: Das ist kein Berliner Alleingang, und das ist auch richtig so.
Ich will nur ganz kurz den Punkt zu Ende bringen. – RotRot in Brandenburg sagt aber bislang stets: Wir wollen die Ausschreibung. Es ist zudem fraglich, ob ein S-Bahnverkehr, der über Ländergrenzen hinweg organisiert ist, für eine kommunale Direktvergabe, wie Sie sie erwägen, überhaupt zulässig ist. Dass die SPD-Fraktion quasi eine Art Schnelldirektvergabeszenario konstruiert, nenne ich vielleicht mal sportlich, ein Richter wird es wohlmöglich rechtswidrig nennen. Hier regiert immer noch das Prinzip Hoffnung nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Meine Zwischenfrage bezieht sich auf die Aussage, die Sie gerade getroffen haben, ob das Problem ausschließlich mit neuen Zügen zu lösen sei. Ihnen ist doch sicher bekannt, dass in dieser Woche sieben Linien ausgefallen sind und am Sonntag der S-Bahnhof Brandenburger Tor nicht angefahren werden konnte, nicht weil die S-Bahn, sondern weil das Netz nicht funktioniert hat. Das ist mit einer liberalen Zugbeschaffung, wie Sie sich das vorstellen, auch nicht gelöst.
Das ist eine ganz wunderbare Frage. Sie betrifft den Netzbetrieb. Auch da sagen wir, dass das Land Berlin versuchen sollte, dass Netz in die Hand zu bekommen. Das formulieren wir schon lange. Lesen Sie gern unsere Beschlusslage dazu durch. Aber lenken Sie nicht von der Frage ab, die wir jetzt zu klären haben, und das ist in der Tat: Wir kriegen wir ab 2017 genügend Züge auf die Schiene? Das ist, glaube ich, heute das Thema.
Noch ein Wort zur BVG: Herr Schneider hat das jetzt ein wenig ungenau ausgedrückt: Landeseigenes Unternehmen, Untergruppierung, wie auch immer. – Die BVG wird ab Ende 2017 durch das, was Sie in den letzten Monaten und Jahren gemacht haben, aller Voraussicht nach einiges an Verkehrschaos aufzufangen haben. Dafür müssen wir die BVG fit machen. Hier auch noch die S-Bahn, in welcher Konstruktion auch immer, reinzudrücken, könnte die Probleme verschärfen, statt sie zu lösen. Ich vertraue der BVG, aber es macht einen Unterschied, ob man die U-Bahn betreibt oder die Eisenbahn.
Seit Jahren wissen wir alle, dass die Zeit rennt – die Zeit, um neue Züge zu bestellen. Das sagt auch die SPD, das sagt auch die CDU. Und auch seit Jahren reden Sie ganz viel, aber Sie drücken sich um eine Entscheidung. Diese Koalition ist wie ein Geisterfahrer, der laut ausruft: