Protocol of the Session on January 31, 2013

In der Regierung dieser Stadt, die sowieso dafür bekannt ist, dass Mieterinnen- und Mieterschutz im Zweifel lieber mal ausgesetzt wird, muss doch endlich mal ein Bewusstsein dafür entstehen, dass es eine Berliner Mischung nicht mit weiterer Aushöhlung der Mieterschutzrechte geben kann.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber insbesondere die – Sie haben es vorhin so schön gesagt – „Mieterpartei SPD“ beweist wieder einmal, dass sie der Vermieterseite näher steht als dem Rest der Bevölkerung.

[Beifall bei den PIRATEN – Daniel Buchholz (SPD): Oh!]

Bei Ihrem Koalitionspartner und dessen Verstrickung ist das ja auch kein Wunder. Wenn Sie, liebe SPD, noch einen Rest Rückgrat haben, dann verhindern Sie diesen mieterfeindlichen Vorstoß der Bundesregierung und unterstützen die Bundesratsinitiative. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen hingegen die Überweisung der Anträge an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr. Wer einer Überweisung der Anträge Drucksache 17/0774 und 17/783 an den Ausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? Wer enthält sich? – Das erste war die Mehrheit, somit ist der Antrag verwiesen.

Ich komme zu

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 27

Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn – jetzt!

Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/0780

Auch hier haben die Fraktionen wieder bis zu fünf Minuten Redezeit. Es beginnt die Linke mit Frau Breitenbach, der ich jetzt das Wort erteile. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Durch Niedriglöhne sind aber viele Beschäftigte arm, trotz Arbeit. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, und ich sage Ihnen, vor allem in Richtung der CDU: Ja, Tarifverträge sind ein hohes Gut, und sie müssen verteidigt werden, aber Tarifverträge reichen nicht mehr aus, um Menschen eine existenzsichernde Arbeit zu gewähren. Deshalb brauchen wir einen Mindestlohn!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

CDU und FDP haben da seit Jahren eine völlig ideologisch bornierte Blockadehaltung und sich damit in der Zwischenzeit auch gesellschaftlich isoliert. Die Mehrheit der Bevölkerung in diesem Lande spricht sich für einen

Mindestlohn aus, und es gibt jetzt endlich auch im Bundesrat eine Mehrheit für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, und es gibt auch hier im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit – theoretisch jedenfalls.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das heißt, dass die Voraussetzung für die Einführung eines existenzsichernden Mindestlohns schon lange nicht mehr so gut waren wie jetzt. Deshalb fordern wir als Oppositionsfraktionen den Senat heute erneut auf, diese Chance zu nutzen und eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der Niedriglohnsektor wird immer weiter ausgeweitet. Immer mehr Menschen müssen ihre staatliche Leistung aufstocken. Alle wissen, dass dies dazu führt, dass die Altersarmut ansteigt, denn geringe Löhne führen zu geringen Renten. Diese Entwicklung muss gestoppt werden, und sie kann auch gestoppt werden – ein flächendeckender existenzsichernder Mindestlohn als unterstes Netz ist die Lösung.

Linke, Grüne, Piraten und auch die SPD eint die Forderung nach dem Mindestlohn. Wir haben unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe. Wir als Linke sagen, die Niedriglohnschwelle liegt jetzt bei 9,15 Euro, deshalb fordern wir einen Mindestlohn von 10 Euro. Und trotzdem sagen wir auch: Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro wäre ein wichtiger Schritt und würde die Forderung umsetzen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn auch in diesem Land – wie in vielen anderen Ländern in Europa – endlich Realität werden könnte.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und trotzdem sage ich an dieser Stelle auch noch mal: Auf mittlere Sicht werden 8,50 Euro nicht reichen, schon gar nicht, um die Altersarmut zu bekämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD! Seit Jahren kündigen Sie in jedem Wahlkampf an, dass Sie sich für den Mindestlohn stark machen. Das reicht aber nicht aus, irgendwann müssen auch mal Taten folgen. Es sieht denn auch ganz anders aus. So wurde beispielsweise hier in Berlin – ganz bitteres Thema – der ÖBS und seine Mindestlohnbedingungen von einer SPD-Arbeitssenatorin abgeschafft, und die Beschäftigten in dem neu eingeführten ÖGB sind jetzt Aufstockerinnen und Aufstocker. Ist das der Kampf der SPD um Mindestlohn?

Kanzlerkandidat Steinbrück hat nun erneut versprochen, dass, im Falle eines Wahlsiegs bei der Bundestagswahl, ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn eine der ersten Maßnahmen wäre. Liebe SPD! So lange müssen Sie nicht warten. Es ist an der Zeit, Position zu beziehen

und zu handeln. Stimmen Sie dem Ihnen vorliegenden Antrag zu, und tragen Sie jetzt dazu bei, jetzt, wo die Mehrheiten stehen, dass sich die Situation von Niedriglöhnerinnen und Niedriglöhnern möglichst schnell verbessert.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke, Frau Kollegin Breitenbach! – Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Monteiro. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Breitenbach! Die Opposition hat hier einen geschickten Antrag vorgelegt. Respekt den Antragstellern! Der Antrag ist kurz und allgemein gehalten.

[Uwe Doering (LINKE): Ja, um es Ihnen einfacher zu machen!]

Einiges bleibt auch offen, bewusst offen, nehme ich an. Zum Beispiel ist in dem Antrag nichts über die genaue Höhe des flächendeckenden Mindestlohns gesagt. Vermutlich gibt es darüber auch Differenzen bei den Antragstellern. Sie haben Ihre Position gerade vorgetragen, und die anderen Fraktionen werden bestimmt folgen.

[Uwe Doering (LINKE): Sie müssen ja nur sagen, ob Sie für den Mindestlohn sind!]

Ich möchte schon wissen, ob Sie bereit sind – das ist eine weitere Frage –, für eine schnelle Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns auf eine Festschreibung einer Mindestlohnuntergrenze von 8,50 Euro zu verzichten. In Thüringen las ich etwas von 8,33 Euro, also so klar und geeint sind die 8,50 Euro noch lange nicht.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Ich empfinde den Antrag in seiner Offenheit als sehr nah an der Thüringer Bundesratsinitiative – ich hatte die Assoziation beim Lesen Ihres Antrags, vielleicht haben Sie ihn auch anders gemeint – und damit auch zugleich sehr nah an der Beschlussfassung des CDU-Landesvorstandes vom 3. September 2012.

[Thomas Birk (GRÜNE): Ja, dann können Sie ja zustimmen!]

Es braucht keine prophetische Gabe, um festzustellen: Die Zeit ist reif für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Er wird kommen; heute; oder morgen; oder spätestens im September! Die SPD steht ohne Wenn und Aber für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Die Gesellschaft entwickelt sich. Es vollziehen sich Lernprozesse, und die brauchen Zeit.

Ich möchte nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, sondern diesen Lernprozess am Beispiel von SPD und Gewerkschaften deutlich machen. Für mich war es immer das größte Versäumnis der rot-grünen Bundesregierung, keinen flächendeckenden Mindestlohn eingeführt zu haben.

[Lachen bei den GRÜNEN – Sabine Bangert (GRÜNE): Jetzt wird es peinlich, Frau Monteiro!]

Allerdings gehört zur Entwicklung und Erinnerung auch, und ich stelle fest, dass es nahezu vergessen ist, deshalb trage ich es noch mal vor, dass im Jahr 2004, als das Thema auf der Tagesordnung stand, nicht nur die IG Metall einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn für problematisch hielt. Die Gewerkschaften insgesamt konnten sich nicht auf ein gemeinsames Modell für gesetzliche Mindestlöhne verständigen, und das sage ich gar nicht mit Häme oder entschuldigend, sondern einfach als Erinnerung. Noch 2006 lehnte die Bahngewerkschaft Transnet einen gesetzlichen Mindestlohn ab. Ab dem Jahr 2006 kann ich ihn bei der PDS als Forderung nachvollziehen, damals noch mit 8 Euro, inzwischen ist Die Linke bei 10 Euro angekommen. Ab 2009 waren es dann auch die Gewerkschaften, die diese Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn nach vorne brachten.

Einige setzten ja eher auf die Vernunft des Marktes. Ich habe die Vernunft des Buchmarktes getestet und mit Stand von heute festgestellt: Im Buchhandel ist das Taschenbuch „Tarifautonomie statt Mindestlohn – 13 gute Gründe gegen einen gesetzlichen Mindestlohn“ derzeit nicht verfügbar. Die Gründe gegen einen gesetzlichen Mindestlohn sind aus und vorbei. Sie sind weder vermittel- noch verkaufbar.

Ich habe eine gesellschaftliche Entwicklung deutlich gemacht. Ich sehe hier auch Bewegung bei der CDU. Auch das sage ich ohne Häme, sondern mit Achtung und Respekt. Und ich sage, die SPD ist für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, aber im Unterschied zur CDU wollen wir die 8,50 Euro als absolute Untergrenze festschreiben.

[Beifall bei der SPD]

Die Entwicklung geht weiter, auch das Lernen, auch die Diskussion im Ausschuss, und darauf freue ich mich.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bangert das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Monteiro! Es ist schon peinlich, was für Schleifen Sie hier drehen, nur um nicht eingestehen zu müssen, wie Sie sich von der CDU vorführen lassen und einen flächendeckenden Mindestlohn im Bund blockieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Sie können sich mal ein Beispiel an Bremen und Hamburg nehmen. Inzwischen haben die ein Landesmindestlohngesetz eingeführt. Bremen und Hamburg nutzen im Gegensatz zu Berlin den landesseitigen Spielraum, solange Schwarz-Gelb im Bund den flächendeckenden Mindestlohn blockiert.