Protocol of the Session on August 30, 2012

Ob das höchste deutsche Gericht aufgrund dieser Aussage sein Urteil von damals heute bestätigen würde, wage ich zu bezweifeln.

Müssen wir zur Herstellung der Menschenwürde von Asylsuchenden wieder vor das Bundesverfassungsgericht ziehen? – Wir meinen, nein. Dies ist eine Frage, die politisch entschieden werden muss. Das Flughafenverfahren hebelt das Recht auf ein faires und gründliches Asylverfahren für jede und jeden aus.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir meinen, das Land Berlin sollte sich dem Antrag von Brandenburg und Rheinland-Pfalz im Bundesrat anschließen, damit endlich dieser unsägliche Paragraf, § 18a Asylverfahrensgesetz, abgeschafft wird. Dieser Ansicht sind übrigens auch die Kirchen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der christlich-demokratischen Union.

Dieser Ansicht ist auch die Berliner SPD. Ich zitiere aus dem Beschluss des Landesvorstands vom 18. Juni 2012:

Die SPD-Fraktion Berlin wird dazu aufgerufen, zeitnah eine Bundesratinitiative zur Abschaffung des Flughafenasylverfahrens nach § 18a Asylverfahrensgesetz zu initiieren oder sich einem initiierten Verfahren anzuschließen.

Frau Radziwill! Diese Arbeit haben wir Ihnen abgenommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten. Sie brauchen unserem Antrag nur noch zuzustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Ebenfalls herzlichen Dank, Herr Kollege Taş! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Kollegin Radziwill das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Oppositionsfraktionen! Lieber Herr Taş! Meine Fraktion will diesen Antrag in den Innenausschuss überweisen und dort beraten. Ich persönlich habe für die Bundesratinitiative der Länder Brandenburg und Rheinland-Pfalz zur Abschaffung des Flughafenasylverfahrens viel Sympathie.

Meine Damen! Meine Herren! Meine Fraktion hat am letzten Dienstag mit sehr großer Mehrheit einen Antrag mit der Überschrift „Auf das Flughafenasylverfahren verzichten – Flughafenasylverfahren abschaffen“ beschlossen.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Hakan Taş (LINKE): Bravo!]

Darin sprechen wir uns klar gegen das sogenannte Flughafenasylverfahren nach § 18a Asylverfahrensgesetz aus.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Bringen Sie den Antrag ein, dann bekommen Sie eine Mehrheit!]

Nach meinen Recherchen wurde das Flughafenverfahren 1993 eingeführt. Es wird zurzeit in der Bundesrepublik Deutschland an fünf Flughäfen durchgeführt. Menschenrechtsverbände, Kirchen und Flüchtlingsräte fordern seit Jahren die Abschaffung des Flughafenverfahrens, da es sich in humanitärer Hinsicht, aber auch in der rechtlichen Qualität von dem Asylverfahren, das Flüchtlinge im deutschen Inland durchlaufen, deutlich unterscheidet. So sind die Fristen zum Einlegen von Rechtsmitteln sehr kurz, und Abschiebungshindernisse werden regelrecht nicht umfassend geprüft. Aufgrund der geringen Fallzahlen in den letzten Jahren und der Zahl der Flüchtlinge, denen dann doch die Einreise in das Inland gestattet wird, ist es angezeigt, generell auf dieses Verfahren zu verzichten. Wir haben hier als SPD-Fraktion zurzeit noch keine Einigung mit unserem Koalitionspartner.

[Canan Bayram (GRÜNE): Aha!]

Bisherige Bemühungen, ihn von dieser Angelegenheit zu überzeugen, waren leider noch nicht erfolgreich. Aber wir verhandeln noch, und ich freue mich, dass es, wenn auch sehr zaghaft, auch aus den Reihen der Berliner CDU in der Richtung, auf dieses Flughafenasylverfahren zu verzichten, durchaus schon Töne gibt. Es ist noch Überzeugungsarbeit notwendig. Dafür bietet sich eine Ausschussberatung gut an. Das Thema ist aus meiner Sicht für die Hauptstadtregion sehr wichtig, und deswegen ist es sinnvoll, das im Ausschuss noch einmal zu debattieren. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Kollegin Bayram das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor einigen Monaten eine fast wortgleiche Initiative hier besprochen haben – einen Antrag zu einer Bundesratsinitiative, um das Flughafenasylverfahren abzuschaffen –, hätte ich nicht vermutet, dass wir schon bald so viel weiter sind. Frau Radziwill! Deswegen freut es mich wirklich sehr, dass sich die SPD-Fraktion am Dienstag dazu durchgerungen hat, dieses unwürdige Verfahren nicht mehr mittragen zu wollen. Das finde ich sehr schön und sehr unterstützenswert, und Sie haben auch angedeutet, dass es sich vielleicht abzeichnet, dass Sie Ihren Koalitionspartner hierbei noch auf den rechten Weg bringen können.

[Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Den linken! – Ülker Radziwill (SPD): Auf den richtigen!]

Auf den richtigen Weg, von mir aus!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Also den linken!]

Hauptsache, am Ende werden nicht Menschen am Flughafen unnötig festgehalten und daran gehindert, ihr Menschenrecht auf Asyl in einer Art und Weise vorzutragen, wie wir es uns als Rechtsstaat nur erlauben sollten.

Dennoch will ich darauf hinweisen, dass das Ganze sehr in der Luft hängt. Insbesondere angesichts dessen, was Herr Juhnke, der innenpolitische Sprecher der CDU, in der letzten Innenausschusssitzung zu diesem Thema gesagt hat, können wir nicht sicher sein, dass es tatsächlich eine sachlich vernünftige und inhaltliche Debatte gibt. Deswegen finde ich es auch richtig und wichtig, dass die Oppositionsfraktionen diesen Antrag noch einmal eingebracht haben und die Gelegenheit eröffnen, dass wir zu diesem Thema noch einmal reden.

Sehr viele Aktionen hat es gegeben – von zivilgesellschaftlichen Gruppen, von Parteien und von Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren. Die richteten sich auch gegen einen konkreten Knast, nämlich einen Flughafenasylknast in Schönefeld, und der wird leider weiterbetrieben. Einen Antrag in dieser Richtung konnten Sie nicht unterstützen. Das finde ich immer noch bedauerlich, und ich würde Sie bitten, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, nicht nur die Bundesratsinitiative, die sehr richtig und wichtig ist, auf den Weg zu bringen, sondern sich auch vor Ort, nämlich gleich hier an dem Flughafen, der den Namen von Willy Brandt trägt – der arme Mann, der schon viele Schilder in

Berlin hochgehalten und gesagt hat: Nicht in meinem Namen! Nicht die Menschen in diesen Flughafenasylknast stecken! –, zu einer entsprechenden Initiative durchringen können.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Möller (LINKE)]

Da die SPD-Fraktion durch unsere bisherigen Initiativen so sehr überzeugt wurde,

[Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

wende ich mich jetzt der CDU-Fraktion zu. Sie haben nicht nur die Pflicht, sondern auch die Chance, tatsächlich mal – so hat es ja Frau Radziwill angedeutet – auf Ihre Partei zu hören. Ihre Partei scheint da ja schon ein bisschen weiter zu sein als die Abgeordneten, die hier für die Partei repräsentativ die Politik demonstrieren.

[Peter Trapp (CDU): Für die Bürger!]

Da wäre es doch für Sie vielleicht sehr hilfreich, gleich in Ihrer Rede schon einmal deutlich zu machen, ob Sie sich nicht insoweit auch bekehren lassen und sich auf den richtigen – nicht rechten – Weg bringen lassen, nämlich die Menschen nicht in einen Asylknast einzuzwängen, wo sie ihrer Rechte beraubt werden und wo sie keine anständige Versorgung bekommen. Es sind insbesondere ältere Menschen, traumatisierte Menschen und Menschen, die unseren Schutz brauchen und schon lange und oft eingesperrt wurden. Die sollten hier in Berlin am WillyBrandt-Flughafen nicht wieder eingesperrt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Liebe CDU! Überraschen Sie mich!

[Heiterkeit]

Ich traue Ihnen das nämlich echt nicht zu. Ich traue Ihnen nicht zu, dass Sie sich gleich im Anschluss an meine Rede hier vorn hinstellen und sagen: Ja, Frau Bayram! Wir haben noch einmal darüber nachgedacht. Eine solche Bundesratsinitiative unterstützen wir nicht nur in Berlin, sondern wir werden uns auch bei Angie dafür einsetzen

[Heiterkeit]

und werden vom Berlin ausgehend die gesamte BundesCDU auf den guten Weg bringen, endlich alle Flughafenasylknäste in ganz Deutschland dadurch zu schließen, dass dem die Rechtsgrundlage genommen wird – durch Streichung des § 18a Asylverfahrensgesetz.

Sie müssten bitte zum Ende kommen, Frau Kollegin!

Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich danke auch! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Kollege Dr. Juhnke das Wort. – Bitte sehr!

[Torsten Schneider (SPD): Herr Juhnke! Überraschen Sie uns! – Lars Oberg (SPD): Wir trauen Ihnen das zu! – Weitere Zurufe]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Versammlung, die ja schon etwas angeheitert ist aufgrund der späten Stunde! Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns nun mit diesem Thema, und ich habe bisher nichts Neues dazu gehört – weder vom Pathos noch vom Inhalt her. Ich werde Sie vermutlich auch nicht überraschen.

[Canan Bayram (GRÜNE): Manno!]

Bisher ging es um die Einrichtung am Flughafen Schönefeld respektive BER. Jetzt haben Sie festgestellt, dass Berlin gar nicht zuständig ist, da Berlin weder für die Einrichtung noch für den Betrieb der Unterkunft verantwortlich ist, und daher geht es Ihnen jetzt um das gesamte Verfahren.

Nun ist das Verfahren schon Gegenstand der Kritik von einigen Lobbygruppen wie Pro Asyl oder dem Verein linker Anwälte – RAV –, die das naturgemäß kritisieren – aufgrund verschiedener Motive, wie ich durchaus vermute. Aber auch große Organisationen von allgemeiner Bedeutung wie kirchliche Verbände üben Kritik. Herr Taş hat ja nicht versäumt, darauf hinzuweisen und das besonders zu betonen, da er offensichtlich erwartet, dass man dann als CDU-Politiker dem sklavisch folgen müsse. Die Kirche hat allerdings viele Positionen, die gut sind, aber auch viele, die kritikwürdig sind, und das ist dann jeweils unterschiedlich zu beurteilen. Dieses Recht nehmen Sie sich genauso heraus, wie wir es uns herausnehmen. Mir wäre nicht bekannt, dass die Linken alle Positionen der Kirche besonders in ihr Herz geschlossen hätten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber die heißen nicht „christlich“!]

Ich denke dabei an die Positionen zur Abtreibung, zur Sexualmoral oder zum Religionsunterricht. Wenn es Ihnen aber in den Kram passt, dann sind plötzlich selbst die Kirchen für die Linken interessant.