Rundum bin ich eigentlich sehr froh, wie mein Haushalt ausgestattet ist. Wir können vieles in dieser Stadt mit diesen Mitteln und mit den richtigen Konzepten voranbringen. – Herzlichen Dank!
In der zweiten Rederunde beginnt Frau Kollegin Dr. Kahlefeld für die Fraktion der Grünen. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition will die Stadt, wie wir gerade gehört haben, durch Integration und Teilhabe voranbringen. Dennoch muss der Bereich Integration mit dem gleichen Budget wie schon seit Jahren auskommen. Das Programm „Berlin braucht dich!“, das mehr Geld bekommt, profitiert vor allem vom demografischen Faktor. Die erreichten Zahlen kann man nicht eins zu eins diesem Programm zuschreiben. Ich frage mich also, ob das die moderne Integrationspolitik des Senats ist, und beschränke mich auf drei beispielhafte Kritikpunkte.
Erstens: Die Partizipation und Integration sind nach wie vor haushälterisch keine Querschnittsaufgaben. Nur hier sind Mittel dafür eingestellt.
Zweitens: Die Vergabe an Migrantenselbstorganisationen geschieht nicht durchgängig, aber überwiegend un
durchsichtig und nach Kriterien, die nicht nachvollziehbar sind. Nun steht uns auch noch ein sogenannter Qualitätsdialog der Integrationsprojekte bevor, der nach den Haushaltsberatungen beginnen soll. Moderation und wissenschaftliche Begleitung sind bis jetzt nicht ausgeschrieben. Oder läuft die Ausschreibung wieder in den Ferien, wie an Weihnachten, als die zentrale Erstanlaufstelle für Anerkennung vergeben wurde?
Grundlage für die Umsteuerung der Förderpolitik soll ein Evaluationsbericht aus dem Jahr 2011 sein, den der Senat in Auftrag gegeben hatte, von dem er sich nun aber wieder distanziert. Andererseits wird durchaus mit dem Bericht argumentiert, wenn Trägern die Zuwendungen gestrichen werden – so in einer Antwort auf meine Kleine Anfrage. Man hält sich also auch hier alles offen.
15 Träger stehen nach der Interpretation des Senats, die ich nach Lektüre des Berichts nicht nachvollziehen kann, potenziell auf der Streichliste. 12 werden für gut und vorbildlich befunden. Ich frage mich, ob da weiter Mittel bei einigen wenigen senatsnahen Trägern konzentriert werden sollen. Der Senat erläutert seine Herangehensweise an den Qualitätsdialog u. a. damit, dass sich die Anforderungen an die Migrantenselbstorganisationen verändert hätten, denn es gehe nicht mehr um Gastarbeiter. Wer hätte das gedacht – 40 Jahre nach dem Anwerbestopp?
Voraussetzung für eine weitere Förderung soll nun u. a. sein, dass sich die Migrantenselbstorganisationen interkulturell öffnen. Wozu aber brauchen wir die Finanzierung von Organisationen mit spezifischen Sprach-, Kultur- und Strukturkenntnissen, wenn sie dann jeden beraten können sollen? Nach der neuen Anforderung des Senats würde z. B. der Türkische Bund nicht mehr benötigt, weil er Afrikaner – das sind allein 52 Nationalitäten – und, sagen wir, Serben mitberaten können soll. Dann öffnen wir doch lieber die angestammt deutschen Regeldienste ordentlich und sparen uns die Mittelvergabe an Migrantenselbstorganisationen. Das ist ein Schildbürgerstreich. Berlin wird mehr und mehr zur integrationspolitischen Provinz.
Drittens: Einer der größten Posten im Haushalt der Integrationsbeauftragten ist die Werkstatt der Kulturen. Bis auf den Karneval und den Musikwettbewerb Creole, die organisatorisch eigenständig sind, wurstelt diese Einrichtung zunehmend isoliert vor sich hin. Ich habe eine Antwort auf meine Frage nach der Konzeption vorliegen, für die man in keinem Quartiersrat dieser Stadt einen Euro an Projektmitteln bekommen würde. Zum Teil sind die Antworten falsch – es sind Kooperationspartner angegeben, die von der Kooperation gar nichts wissen –, zum teil sind sie inhaltsleer – „Wir arbeiten dialogisch, indem wir dialogisch arbeiten.“ Von 2008 bis 2011 hat die Zusammenarbeit dieses Hauses mit anderen Akteuren auf ein Drittel abgenommen. Berlin braucht ein Haus wie die
Werkstatt. Sie war früher ein zentraler Ort für die soziokulturelle Vielfalt der Stadt. Der Senat wird schon seit Jahren seiner Verantwortung für eine moderne Integrationspolitik in dieser Stadt nicht gerecht.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Ziel, das Ziel der Koalition aus CDU und SPD in der Integrationspolitik ist es, dass die Menschen in unserer Stadt friedlich und selbstbestimmt zusammenleben. Das setzt zweierlei voraus. Erstens: Die Menschen brauchen die Chance auf Bildung, persönlichen Aufstieg und Erfolg. – Zweitens: Unser Land braucht Zusammenhalt und Identifikation.
Zum ersten Punkt: Unser Ziel ist es, dass die dauerhaft bei uns lebenden Zuwanderer, die Berlin und Deutschland zu ihrer Heimat machen wollen, die besten Chancen für sich und ihre Kinder erhalten, um aufzusteigen. Dazu gehören der perfekte Erwerb der deutschen Sprache, der volle Zugang zu Schule, Ausbildung, Hochschulen und Arbeitsmarkt. Damit dies gelingt, ist die Koalition aus CDU und SPD bereit, die notwendige Unterstützung zu leisten. Allein im Haushaltstitel Integration werden für die Förderung der verschiedenen Integrationsprojekte jährlich weit über 5 Millionen Euro bereitgestellt. Weitere Leistungen kommen aus anderen Haushaltstiteln, insbesondere aus den Bereichen Schule, Bildung und Soziales. Dieses Geld wird im Wesentlichen Projektträgern anvertraut, die an der Basis vor Ort in den Kiezen vielfältige, wichtige Unterstützungs- und Beratungsleistungen erbringen. Dafür möchte ich den vielen Projektträgern auch von hier aus danken.
Da wir als Abgeordnete aber für die Ausgaben des Landes verantwortlich sind, ist es unsere Aufgabe, die Verwendung der Mittel kritisch zu überwachen. Darauf werden wir nach meiner Ansicht in Zukunft unser Augenmerk intensiver richten müssen.
Zum zweiten Punkt: Identifikation mit unserem Land. Warum ist das wichtig? – Ich meine, Integration ist ohne Identifikation nicht möglich. Wie jedes Land hängt unser demokratisches Land in seinem Bestand davon ab, dass sich seine Menschen mit unserem Land identifizieren, es wertschätzen. In Berlin sind 186 Zuwanderernationen vertreten. Das ist eine kulturelle Vielfalt. Bei aller Vielfalt ist es aber wichtig, dass die Menschen, die hier zusammenleben, auch etwas Gemeinsames haben, etwas, das sie verbindet, das sie gemeinsam empfinden. Daher
wollen wir unter anderem für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit werben. Und wir werden mit einem Jahresempfang hier im Abgeordnetenhaus, im Haus der Berliner Demokratie, alle neu Eingebürgerten willkommen heißen. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit bedeutet, dass die Menschen in unserem Land endgültig angekommen sind, dass sie jetzt vollständig an den demokratischen Entscheidungen mitwirken können und dass die demokratische Ordnung ein Grundpfeiler unserer gemeinsamen Identität ist. Identität miteinander bedeutet aber auch, dass wir uns gegen die Feinde der Demokratie zusammenschließen. Dazu gehört das Programm gegen Rechtsextremismus, das wir mit erheblichen Mitteln weiterführen werden.
Wir müssen uns aber auch gegen Extremismus zusammenschließen, der von außen in unser Land getragen wird. Erkennen wir: Die Aktivitäten der Salafisten und anderer Verrückter bewirken leider und zu Unrecht, dass Ressentiments und Ablehnung gegenüber bestimmten Zuwanderergruppen entstehen.
Diese häufig pauschale Ablehnung wiederum führt dazu, dass sich viele rechtstreue Zuwanderer hier nicht willkommen fühlen. Daher müssen wir diesen Teufelskreis durchbrechen und als Demokraten die Salafisten und anderen Extremisten politisch isolieren und ihnen deutlich machen, dass sie in diesem Land keine Chance haben.
Auch im Bereich Frauen und Gleichstellung wird die umfangreiche Förderung von Projekten fortgeführt. Dazu gehören unter anderem Beratungs- und Hilfsangebote für ausländische Frauen, Maßnahmen gegen Gewalt, für Frauenhäuser, Frauenzentren – insgesamt fast 10 Millionen Euro pro Jahr. Angesichts der Haushaltssanierung mehr als ein deutliches Zeichen. Daher bitte ich Sie, dem vorliegenden Haushaltsplan auch für die Bereiche Integration und Frauen zuzustimmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Dregger! – Für die Fraktion Die Linke ist mir der Kollege Taş gemeldet worden. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was die CDU von Integration versteht, das hat sie heute hier noch mal deutlich gemacht: Zentrale Einbürgerungsfeier im Abgeordnetenhaus, und schon sind wir alle gemeinsam glücklich.
Der schwarz-rote Senat führt viele Projekte und Wege, die unter Rot-Rot begonnen wurden, fort. Und das ist gut so. Am Ende der letzten Legislaturperiode wurde das Partizipations- und Integrationsgesetz beschlossen. Obwohl die CDU das Gesetz abgelehnt hatte, bleibt es auch unter der neuen Regierung glücklicherweise erhalten. Allerdings hängt es an der Umsetzung. Interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist ein zentrales Element des Gesetzes, aber in keinem Einzelplan gibt es entsprechende Maßnahmen und Mittel. Das ist etwas wenig und lässt die Partizipation nicht umsetzen. Auch die Anlaufstelle für Roma und weitere Beratungsstellen werden fortgeführt. SPD und CDU schmücken sich damit, dass sie die Gelder aufgestockt haben. Ja, sie stellen mehr Mittel zur Verfügung. Aber sie können nicht sagen, wofür sie sie einsetzen wollen. Erst haben sie zugesehen, wie die ÖBSStellen dort ausgelaufen sind, und jetzt können sie nicht sagen, was sie hier machen wollen.
Seit mehreren Monaten gilt das Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen. Im Haushalt haben Sie Mittel für entsprechende Beratung eingestellt, aber das Zentrale, nämlich ein entsprechendes Umsetzungsgesetz für das Land, liegt noch immer nicht vor. Hier hätten wir mehr Engagement der Senatorin und ihres Staatssekretärs gewünscht.
Die Degradierung des Migrationsbeauftragten und seine Demission sind ein weiteres Beispiel dafür, dass es in diesem Bereich Probleme und Meinungsverschiedenheiten gibt. Hier wurde nicht nur ein bundesweit anerkannter Integrationsbeauftragter vergrault; dieses Verhalten könnte auch einige Bewerberinnen möglicherweise abgeschreckt haben.
Der größere Koalitionspartner hat den Antrag für ein kommunales Wahlrecht, das sie seit Ende der Achtzigerjahre in ihren Wahlprogrammen führt, aus Koalitionstreue abgelehnt. Sei es drum! Dass aber Senatorin Kolat sich zuerst für die Abschaffung der sogenannten Extremismusklausel ausgesprochen und dann dagegen gestimmt hat, ist ein Skandal. Für die Linksfraktion ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus, und das nicht erst seit Bekanntwerden der NSU-Morde, eine der vordringlichsten gesellschaftlichen Aufgaben.
Wir haben unter Rot-Rot gute Schritte eingeleitet, und die Evaluierungen zeigen, dass von den Projekten sehr gute Arbeit geleistet wird und das Geld sehr gut angelegt ist. Wenn nun aber der Berliner Senat sich gegen eine Abschaffung der Extremismusklausel ausspricht, dann beteiligt er sich an der Generalverdächtigung der Projekte.
Sie sind dabei, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Strukturen zu zerschlagen. Diesen
Weg sollten Sie nicht weitergehen. Stimmen Sie im Bundesrat gegen die Extremismusklausel und opfern Sie die nicht der Koalitionstreue.
Ein Aushängeschild unserer Stadt ist zweifellos der Karneval der Kulturen. Das Land stellt hier zwar eine Förderung zur Verfügung. Notwendig ist aber darüber hinaus eine gruppenbezogene Förderung der am Umzug teilnehmenden Gruppen und Initiativen. Diese Unterstützung wird nicht gewährt, unter anderem weil die Zuständigkeit der Senatsverwaltungen Kultur oder Integration nicht geklärt ist. Das ist peinlich. Es reicht eben nicht aus, sich beim Karneval der Kulturen fotografieren zu lassen. – Der Herr Wowereit ist ja nicht mehr da. –
In den letzten zehn Jahren wurden umfangreiche Maßnahmen und Projekte zur Bekämpfung von Homophobie und Förderung der Kulturenvielfalt initiiert. Die von der Linken angestoßene rot-rote Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt war ein wichtiges Element für eine Antidiskriminierungspolitik, die nicht nur auf Schirmherrschaften und Plakatkampagnen gesetzt hat. Sie knüpft vor allem bei Selbstermächtigung und Bildung an, bei Aufklärung und Engagement.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zum Flughafenknast. Ja, es gibt keinen funktionsfähigen Flughafen, aber es gibt einen Abschiebeknast. Schaut man sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dieser Problematik in verschiedenen EUStaaten an, ist Folgendes festzustellen: Die für Asylbewerber im Flughafenverfahren eingerichteten Bereiche der deutschen Flughäfen, die gesondert von der Transitzone der übrigen Fluggäste bestehen und polizeilich überwacht werden, die zwangsweise Verweildauer in der Regel bis zu 19 Tagen während des Asylverfahrens sind ein Freiheitsentzug im Sinne des Artikels 5 Europäische Menschenrechtskonvention. Daher fordern wir den Senat nochmals dazu auf, auf den Abschiebeknast im neuen Flughafen zu verzichten. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege Taş! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Kowalewski das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir heben uns die Arbeit für den Schluss auf, ich sage jetzt kurz was zur Frauenpolitik.
Ich fange bei der letzten Sitzung an – vielleicht erinnern Sie sich, dass ich da bereits erwähnt habe, warum der gesamte Haushalt, über den wir beraten, weit davon entfernt ist, der Forderung nach Gleichberechtigung in unse
rer Verfassung zu entsprechen. Frau Becker! Zum Gender-Budgeting sollte man nicht einladen, das ist seit zehn Jahren Gesetz! Es zeigt sich immerhin, dass der GenderPay-Gap in den Senatsverwaltungen weiterhin eklatant besteht und die Förderung in sehr vielen Bereichen des Haushaltes durch die Bank nicht gendergerecht funktioniert. Das kann man auch nicht über Nacht ändern, das ist mir durchaus bewusst, aber man sollte wenigstens versuchen, möglichst schnell möglichst weit zu kommen – es ist ja immerhin eine Forderung unserer Verfassung.
In der letzten Sitzung haben wir gerade beschlossen – durch die Stimmen von SPD und CDU –, es eben nicht zu versuchen. Trotz klarer, positiver wissenschaftlich überprüfter Ergebnisse haben wir weiterhin z. B. keine Verpflichtung, ein Pilotprojekt zu anonymen oder besser gesagt: pseudonymisierten Bewerbungsverfahren zu machen. Wir haben jetzt einen Prüfauftrag – mal schauen, ob wir dazu jemals wieder etwas hören.
Um nun vom gesamten Haushalt weg zum Einzelplan zu kommen, genauer gesagt zur Maßnahmengruppe 2, Maßnahmen zur Frauenförderung: In den Haushaltsberatungen haben Sie bislang gesagt, dass Sie sich freuen, dass Sie die Projekt- und Fördermittel nicht gekürzt haben. Wenn man 18 Jahre lang fortschreibt, selbst ohne direkt zu kürzen, bedeutet das inflationsbereinigt trotzdem eine relativ starke Kürzung. Die Träger müssen mit demselben Geld, das immer weniger wert wird, ihre Ziele verfolgen. Was sollen sie machen? – Mitarbeiter entlassen funktioniert nicht, weil es dann schwieriger ist, die Ziele zu erreichen. Ich habe in der letzten Zeit mit vielen Projektträgern und Förderungsempfängern gesprochen – die müssen irgendwie klarkommen, was bedeutet, sie müssen ihre Mitarbeiterinnen unter Tarif bezahlen. Was haben wir damit erreicht? – Wir haben den Gender-Pay-Gap noch erhöht – und das mit Fördermitteln aus dem Frauenhaushalt. Ich finde das irgendwie komisch. Das nur dazu – da gibt es gleich wieder die roten Karten. Warum das im Arbeitsbereich auch so ist, sagen wir gleich noch. – Danke!
Danke, Herr Kollege Kowalewski! – Meine Damen und Herren! Mir liegen Wünsche für eine dritte Rederunde vor. Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Sommer das Wort. – Bitte sehr!