Protocol of the Session on April 26, 2012

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 27

Höhere Genauigkeit bei der Ermittlung des Kostenrahmens bei öffentlichen Baumaßnahmen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0268

[Uwe Doering (LINKE): Ist auch ein toller Antrag für das Plenum!]

Auch hier steht den Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zu. Es beginnt die Fraktion der CDU. Herr Kollege Goiny hat das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege Goiny!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist einer, der in der Tat aus der Erfahrung der Parlamentsarbeit in den letzten Jahren insbesondere, aber – wer länger dabei ist, wird das sicherlich bestätigen können – auch schon aus früheren Jahren heraus geboren ist. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder feststellen müssen, dass aufgrund der Tatsache, dass sich Baumaßnahmen manchmal länger strecken, als man es sich eigentlich wünscht, Kostensteigerungen entstehen, die im Haushalt nicht mehr seriös abgebildet werden können. Wir möchten, dass in dieser Stadt investiert und gebaut wird, dass öffentliche Infrastruktur modernisiert und instandgehalten wird und dass in die Gebäude des Landes Berlin und der Bezirke investiert wird. Wir wissen um den begrenzten finanziellen Spielraum, den wir in der Vergangenheit hatten und in der Gegenwart und in der Zukunft haben werden, und wir möchten, dass die Gelder, die wir hier zur Verfügung stellen können und müssen, optimal eingesetzt werden. Wir schlagen Ihnen daher als Koalition insgesamt drei Punkte vor, die wir als geeignet ansehen, um die Kosten künftig besser in den Griff zu bekommen.

Zum einen den Punkt, dass bei der Feststellung der Kosten und der Projektierung auf den Fertigstellungszeitraum

geguckt wird, dass man Kostensteigerungen prognostiziert und in die Kosten einrechnet.

Zum anderen, dass man sich bei fertiggestellten Bauvorhaben anschaut, wie sich bestimmte einzelne Positionen tatsächlich entwickelt haben und wie sie in der Projektierung abgebildet worden sind, um daraus Schlüsse zu ziehen, wie treffsicher die Maßnahmen und die Kostenvoranschläge sind, die wir zur Grundlage unserer Planung nehmen.

Und schließlich – und das ist etwas, was wohl alle Fraktionen und insbesondere den Hauptausschuss in den letzten Jahren bewegt hat – die Frage, wie weit Baumaßnahmen nicht geplant werden unter, ich sage es mal zurückhaltend, Berücksichtigung gewisser Wunschausstattungen, um am Ende die natürlich sich daraus ergebenden Kostensteigerungen mit dem leider „vergessenen“ Brandschutz zu rechtfertigen. Auch hier möchten wir eine Berücksichtigung bei den Bauplanungsunterlagen sichergestellt sehen. Wir glauben, dass mit diesem Antrag deutliche Akzente gesetzt werden können und empfehlen den anderen Fraktionen, diese Initiative zu unterstützen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Goiny! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Otto das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Goiny! Das ist ein löblicher Antrag, die Kosten bei den öffentlichen Bauvorhaben laufen ja immer wieder aus dem Ruder, das haben Sie richtig bemerkt. Ich will nicht darüber reden, dass all die Vorgängerinnen und Vorgänger von Herrn Senator Müller es nicht geschafft haben, dieses Thema tatsächlich wirksam anzugehen. Die aktuelle Koalition will offensichtlich etwas bewegen, das ist erst mal anzuerkennen.

Schauen wir uns die einzelnen Punkte an, so habe ich allerdings Zweifel, ob das die richtigen sind oder ob wir nicht mehr oder anderes machen müssten. Sie wollen sich die Kostensteigerungen der Vergangenheit ansehen und daraus in die Zukunft prognostizieren, was ein Bauvorhaben kosten und wie die Schlussrechnung aussehen wird. Darin steckt natürlich die Gefahr sich selbst erfüllender Prophezeiungen. Wenn Sie auf der Basis von Erfahrungswerten kalkulieren – beispielsweise hat es in den letzten drei Jahren jeweils eine Preissteigerung von 4 Prozent gegeben, und Sie preisen das in ein Bauvorhaben ein, das in den nächsten drei Jahren gebaut und fertiggestellt werden soll –, dann haben Sie ein Problem. Angenommen, die Preissteigerung im nächsten und ü

bernächsten Jahr beträgt nur 1 Prozent –was denken Sie, wie teuer Ihr Bauvorhaben werden wird? – Wir sind da nicht bei 1 Prozent, sondern eher bei den 4 Prozent. Wenn man die Berechnung solcher Preissteigerungen öffentlich macht, besteht die Gefahr, dass die Preise sich in diese Richtung auch entwickeln werden – das ist in der Wirtschaft öfter so. Mit dieser Methode wäre ich sehr vorsichtig.

Als Zweites möchten Sie die Position „Unvorhergesehenes“ aufstocken. Unvorhergesehenes ist etwas, was man als Baufachmann oder auch als Haushälter gar nicht gerne sieht. Eigentlich sollte bei Bauvorhaben – wenn diese denn ordentlich vorbereitet sind – möglichst wenig oder gar nichts Unvorhergesehenes passieren. Wenn Sie diese Position aufstocken, prophezeie ich Ihnen, dass Unvorhergesehenes immer öfter auftritt, dass es viel mehr unvorhergesehene Ereignisse geben wird und dieser Posten immer ausgeschöpft werden wird – wenn es denn mal reicht. Aus der Koalitionslogik heraus kann ich es verstehen, Sie wollen da einen Deckel schaffen. Auf diese einfache und charmant aussehende Weise werden wir es aber wohl nicht schaffen. Das wird trotzdem teurer werden.

Als Drittes wollen Sie eine Erklärung einführen, die die Planer zwingt, sich mit den Kosten für baupolizeiliche und brandschutzrechtliche Anforderungen besonders zu befassen und dafür auch geradezustehen. Ich wünsche mir, dass die überhaupt geradestehen für ihre Planungen!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dass wir nicht so etwas erleben wie bei der Feuerwache Gatow oder beim Schillertheater, dass am Schluss plötzlich irgendetwas auftaucht! Wir müssen besser planen und vor allem dafür sorgen, dass es nicht so viele Ausnahmen gibt.

Die Landeshaushaltsordnung gibt es ja vor. Die sagt, wie geplant wird: Man braucht ein Bedarfsprogramm, Bauplanungsunterlagen, die bestätigt und nachgerechnet werden müssen. Irgendwann macht man eine Ausschreibung und fängt an. Die Landeshaushaltsordnung enthält unglücklicherweise einen Ausnahmeartikel: Wenn es ganz wichtig und schlimm ist, kann man nach § 24 Abs. 3 der LHO auch mal eher anfangen und eher Mittel beantragen. Blöderweise werden Ausnahmen leicht zur Regel. Im Haupt- und auch im Bauausschuss habe ich sehr viele Vorhaben erlebt, die plötzlich zur Ausnahme wurden. Die sind natürlich alle teurer, da nicht ordentlich durchgeplant. Bei besagter Feuerwache in Gatow ist nicht mal jemand vor Ort gewesen. Man hat 1,5 Millionen Euro in der Planung angemeldet, und hinterher stellte sich heraus – das lassen Sie sich mal auf der Zunge zergehen! –, dass die Raumhöhen falsch waren! Hinterher stellte sich heraus, dass die Baulichkeit an einem Hang steht. Es hat niemand berücksichtigt, dass man dafür vielleicht ein anderes Fundament benötigt. Das Vorbild war eine Feuerwache in einem anderen Bezirk.

Plötzlich stand die Bauverwaltung im Hauptausschuss und forderte eine weitere Million Euro. Von 1,5 Millionen Euro auf 2,5 Millionen Euro durch solche Planungsfehler, das darf nicht passieren!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sie müssen besser planen! Nehmen Sie ordentliche Voruntersuchungen vor! Hören Sie auf mit diesen Ausnahmen nach § 24 Abs. 3 LHO! Diese Regelung ist für Notfälle gedacht, wenn wirklich etwas zusammenbricht und man schnell etwas einplanen und bauen muss.

Es gibt natürlich noch weitere Schwächen – Stichwort: Bedarfsprogramme. Ich habe es häufig erlebt, dass mitten in einem Bauvorhaben der Bedarfsträger, also die Verwaltung, die das Gebäude einmal nutzen will, feststellt: Dort brauchen wir noch eine Steckdose, dort ein Waschbecken! Die Räume müssen plötzlich ganz anders aussehen.

Herr Kollege! Sie müssen zum Ende kommen!

All so etwas passiert. – Kümmern Sie sich also um die Bedarfsprogramme, kümmern Sie sich um eine seriöse Vorbereitung der Baumaßnahmen, und kümmern Sie sich vor allen Dingen um eine zügige Durchführung! Auch wenn wir stets 35 Vorhaben zeitgleich beginnen und mit sehr kleinen Jahresscheiben bauen, –

Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen!

dann wird es immer teurer. – Ich höre auf, Herr Präsident! Ich habe das Wesentliche gesagt und freue mich auf die Beratung im Ausschuss. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Herr Kollege Otto! – Für die Fraktion der SPD hat nun die Kollegin Spranger das Wort. – Bitte schön!

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich freue mich natürlich auch auf die Beratung im Ausschuss. Berlin ist eine Großbaustelle, das wissen wir alle. Wir haben auch in der neuen Wahlperiode große infrastrukturelle Projekte, die wir gemeinsam stemmen wollen und müssen. Das Ganze ist natürlich zum Erhalt und

Ausbau der Stadt als ein Zentrum für aktives Leben und aktives Arbeiten notwendig. Das ist in einer Metropole auch normal, und die Berlinerinnen und Berliner haben sich bereits an die Baustellen gewöhnt. Insofern ist es sehr wichtig, dass wir uns mit den von meinen beiden Vorrednern schon benannten Aspekten beschäftigen.

Herr Goiny hat die einzelnen Punkte unseres Antrages bereits vorgetragen. Wir stehen am Anfang einer Wahlperiode, und, Herr Otto, ich bin froh, dass Sie sich gerade selbst revidiert haben und den Antrag im Verhältnis zu dem vorangegangenen Antrag zumindest als löblich empfinden.

[Andreas Otto (GRÜNE): Der ist ein bisschen besser!]

Wir beschäftigen uns hier mit Aspekten – das haben Sie richtigerweise erwähnt –, die die neuen wie die alten Abgeordneten aus der Erfahrung heraus kennen. Wir erleben Kostensteigerungen bei sehr vielen Großprojekten, aber auch bei normalen Projekten. Im Hauptausschuss haben wir schon häufig darüber gesprochen, dass der Brandschutz vergessen wurde etc. Die Bezirke spielen da auch ihre eigene Rolle. Der Antrag ist insofern sehr, sehr wichtig.

Wenn künftige Projekte wie das ICC oder auch die Sanierung von Gebäuden – ich nenne hier nur mal die JVA – eine realistische Aussicht auf Erfolg haben wollen, müssen die Kosten auch unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und natürlich auch der Bürgerbeteiligung vorher benannt werden. Ich habe das im Hauptausschuss schon häufig Salamitaktik genannt: Wir fangen erst einmal an, und hinterher stellt sich heraus, es wird teurer. – Das geht natürlich nicht mehr, weil wir damit schlichtweg eine Kompetenz überschreiten und wir deshalb die Berechnungsverfahren ändern müssen.

Sie haben den Punkt Unvorhergesehenes angesprochen, Herr Otto. Genau das ist der Aspekt, der im Bauvorhaben die enorme Kostensteigerung verursacht. Deshalb haben wir gefordert, dass wir uns die letzten drei Jahre anschauen. Sie haben in einem Punkt recht – davor haben uns auch andere schon gewarnt –, dass wir höllisch aufpassen müssen, dadurch nicht das Gesamtvorhaben zu erhöhen. Aber ich denke, wenn wir uns diesen Punkt Unvorhergesehenes genauer anschauen und genauer kalkulieren, damit nicht alles in diesen Punkt geschoben wird, dann kann man durchaus so einen Kostenrahmen wegen der Haushaltsklarheit und -wahrheit transparent definieren. Deshalb haben wir gemeinsam als Koalition den Antrag geschrieben. Die Zeit wird zeigen, ob wir damit richtig liegen. Wir müssen uns dazu klar verhalten.

Unterstützen Sie unseren Antrag! Wir werden ihn in den Ausschüssen diskutieren. Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als dafür zuständige Verwaltung wird uns mit Rat und Tat zur Seite stehen. Unterstützen Sie bitte unseren Antrag im Ausschuss! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Spranger! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Lompscher das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Spranger! Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie einige Stichworte genannt haben. Um es vorwegzunehmen: Ich finde es gut, dass die Koalition zu diesem Thema einen Antrag eingebracht hat. Ich würde zu gern wissen, was dafür der konkrete Auslöser gewesen ist. Waren es die Baukostensteigerungen für die A 100, ist es die Tatsache, dass die Sanierung des ICC einmal 180 Millionen Euro kosten sollte und nun 300 Millionen Euro plus x? Ist es im Prinzip die allgemein bekannte Tatsache, dass auch die Gelder für den Charité-Masterplan nicht ausreichen werden? Ist es die ZLB, die vielleicht 270 Millionen Euro, 300 Millionen Euro oder auch 500 Millionen Euro kostet – man weiß es ja nicht? Oder ist es eventuell die Schauspielschule „Ernst Busch“, die sozusagen mit einer Mehrforderung von gerade einmal 6 Prozent im üblichen Rahmen dessen liegt, was vorbildliche Bauvorhaben an Kostensteigerungen aufzuweisen haben? Wie gesagt, das ist Ihr Geheimnis, wir sind ja nicht dabei, wenn Sie sich so etwas ausdenken.

[Daniel Buchholz (SPD): Das ist vorbei!]

Ungeachtet dessen finde ich es gut, dass Sie einen solchen Antrag einbringen. Es gibt immer die Notwendigkeit, bestehende Verfahren kritisch zu überprüfen, und wenn man dann zu einem Ergebnis kommt, diese Verfahren auch zu verändern. Da sind wir bei Ihnen.

Wenn ich mir jedoch ansehe, welche Aspekte Sie berücksichtigen wollen, teile ich ein bisschen die Sorge, dass das mit der indizierten Kostensteigerung über den Gesamtverlauf eine vorweggenommene Preispolitik der Bauunternehmen sein könnte. Nichtsdestotrotz muss man das auf dem Zettel haben. Bei der Position Unvorhergesehenes finde ich es sehr in Ordnung, wenn Sie die Dinge auswerten. Was ich aber nicht in Ordnung finde, ist der Umstand, dass Sie in Ihrem Antrag als Konsequenz einfach ausführen: Unabhängig, was dabei herauskommt, erhöhen wir es eben. – Eigentlich müsste es doch Anliegen sein, die Position für Unvorhergesehenes so klein wie möglich zu halten und auf das zu beschränken, was wirklich unvorhergesehen ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Ich möchte jetzt einmal eine Lanze für Bausachverständige brechen. – Wie Sie wissen, habe ich einmal einer Baubehörde vorgestanden. – Es ist mitnichten so, dass Planer

oder Bauvorlageberechtigte den Brandschutz vergessen. So etwas kommt nicht vor. Es gibt mitunter hanebüchene Begründungen für gestiegene Baukosten. Das will ich gern einräumen. Aber dass die Leute ihre Handwerk nicht verstehen, das weise ich zurück. Wenn wir versuchen, Berechnungsformen zu ändern, dann ist das die eine Sache – das kann man machen, das kann auch von Vorteil sein –, was wir aber vor allem machen müssen, ist, die Muster politischer Entscheidungen zu verändern. Was wir häufig erleben, ist der Vorgang, dass wir mit einem politisch gesetzten Preis beginnen, alle wissen, dass ein Bauvorhaben zu diesem Preis nicht zu haben sein wird, und dann wird hinterher irgendwie herumgemurkelt, bis man an dem Punkt ist, an dem man ankommen muss. Dann hat es leider doppelt so viel gekostet. – Allein Berechnungsverfahren zu ändern, wird uns die Verantwortung nicht abnehmen, dass wir über Bauvorhaben nur dann entscheiden sollten, wenn wir wissen, was sie ungefähr kosten, und wenn wir wissen, dass wir sie uns leisten können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Herberg jetzt das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege Herberg!