Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Abgeordneter! Mir liegt gerade auf der Zunge, Ihnen zu sagen, das hängt natürlich von der Größe der Grundstücke ab. Aber ernsthaft: Diese 14 Grundstücke, die jetzt im Zusammenhang mit den Wohnungsbaugesellschaften identifiziert worden sind und die kostenlos an die Wohnungsbaugesellschaften gehen könnten, sind ein erster Schritt dazu. Sie müssen sich auch vergegenwärtigen: Es nützt Ihnen nichts, ein Grundstück zu bekommen, und Sie haben nachher nicht die finanzielle Kapazität, dort entsprechend zu bauen. Es muss Hand in Hand gehen, dass Sie ein Grundstück bekommen und dann auch in der Lage sind zu investieren. Wir wollen ja nicht nach einer Zeit feststellen, dass ein Grundstück aus dem Liegenschaftsfonds abgegeben wurde, aber wir keine Mietwohnungen in dem Segment haben werden, wo wir die betroffenen Menschen schützen wollen. Insofern muss es mit der Kapazität der Wohnungsbaugesellschaften abgestimmt sein, neu zu bauen. Das ist bei den 14 Grundstücken realistisch.
Wenn wir das in einem ersten Schritt adressiert haben, steht dem nichts im Weg, in einem zweiten Schritt weitere Grundstücke nachzubestücken. Da Sie sich für Liegenschaften interessieren, schauen Sie sicherlich auch ins Internet und sehen, wie viele Grundstücke der Liegenschaftsfonds heute überhaupt in Gänze zum Geschossflächenwohnungsbau hat, nämlich etwa 170. Die liegen aber auch – wenn Sie sich das weiter detailliert angucken, Sie können sich diese Grafik anschauen – nicht alle in Gebieten, wo wir sagen, dass dort Mietprobleme bestehen! Es müssen Grundstücke sein, die das Mietenthema adressieren und dass wir die Wohnungen dort bauen, wo sie gebraucht werden und perspektivisch mietendämpfend wirken.
Wenn Sie jetzt sagen, 170 gebe es, und Sie sprechen im Augenblick über 14, sind das weniger als 10 Prozent. Gehen Sie denn davon aus, dass wir uns hier mal über die 170 in Gänze austauschen und dass Sie uns eine Liste vorlegen werden?
Die Liste der Grundstücke ist bekannt. Sie steht in der Datenbank des Liegenschaftsfonds. Eine erste Auswahl der in diesem Jahr zu vermarktenden Grundstücke ist vom Liegenschaftsfonds in einer Broschüre veröffentlicht worden. Die können Sie sich gern anschauen. Ich kann Ihnen heute nicht sagen, ob alle 170 Grundstücke, die wir theoretisch in ganz Berlin im Liegenschaftsfonds zum Geschossflächenwohnungsbau haben, in das Thema Mietenpolitik hineinfallen werden. Das muss einer Einzelfallbewertung überlassen bleiben. Es muss auch Nachfrager geben, die diese Grundstücke bebauen wollen. Vielleicht haben Sie Interesse, dann melden Sie sich. Jedenfalls setzt das nicht nur voraus, dass man Grundstücke zur Verfügung stellt, sondern Sie brauchen jemanden, der diese Mietwohnungen baut und bereit ist, diese Mietwohnungen zu den reduzierten Preisen, zu den niedrigen Mietpreisen dauerhaft zu vermieten, denn darum geht es. Wir wollen nicht am Ende Investoren, die möglicherweise sehr günstig an Grundstücke herankommen wollen, wo sie Geschossflächenwohnungsbau machen können, subventionieren um des Subventionierens willen, sondern wir haben eine klare mietpolitische Aussage, die heißt: Wir wollen dauerhaft in Berlin zusätzlichen Wohnraum schaffen, Neubau, Arrondierung, und wir werden Flächen zur Verfügung stellen, damit dort in Zukunft günstige Mieten angeboten werden können.
Ich frage den Senat: In seiner Grundsatzrede vom 23. April 2007 hat sich Herr Wowereit zum demografischen Wandel in dieser Stadt geäußert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wirbt auf ihrer Homepage mit dem Demografiekonzept vom 30. Juni 2009, und da wird für 2012 ein Demografiebericht angekündigt. Ich frage also den Senator für Stadtentwicklung – ich gehe davon aus, dass er noch zuständig ist –, wann dieser Bericht vorliegt, und wie ist der Stand des Austausches der Senatsverwaltungen?
Das Demografiekonzept wird derzeit überarbeitet. Es ist für uns eine aktuelle Arbeitsgrundlage, aber es wird auch ständig überprüft, angepasst und überarbeitet. Die Er
gebnisse fließen unter anderem in den Stadtentwicklungsplan Wohnen und in das Stadtentwicklungskonzept 2030 ein. In den Erarbeitungsschritten befinden wir uns gerade und werden den Stadtentwicklungsplan Wohnen im nächsten Jahr vorlegen, entsprechend auch das Stadtentwicklungskonzept. Dort spielen all die Aspekte des demografischen Wandels eine Rolle, denn wir müssen und wollen darauf reagieren. Im Bereich Mieten und Wohnen tun wir das. Im Bereich der Mobilität muss man darauf reagieren, als weiteres Beispiel. Insofern wird die aktuelle Grundlage weiter überarbeitet und angepasst.
Meine Frage, wann der neue Bericht vorliegt, haben Sie nicht beantwortet. Ich frage noch mal, bezogen auf die Demografie: Wie wichtig ist dem Senat dieses Konzept? Es geht nicht um den Bericht, den Sie eben benannt haben, sondern um das, was Sie langwierig erarbeitet haben und was ressortübergreifend stattfinden sollte: Wie sieht da der Stand der Dinge aus?
Erst mal muss man sagen, dass auch wesentliche Grundlage die Bevölkerungsprognose ist, die allen weiteren Schlussfolgerungen und Arbeitsschritten zugrunde liegen muss. Diese Bevölkerungsprognose wird im Sommer vorliegen. Entsprechend wird danach weitergearbeitet mit den Ergebnissen für die anderen Konzeptionen, für den Stadtentwicklungsplan Wohnen als ein Teilsegment und für das Stadtentwicklungskonzept 2030.
Rot-schwarze Richtwerte für Kosten der Unterkunft sind realitätsfern, führen zu sozialer Verdrängung und lösen kein Problem
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Die Abgeordnete Frau Breitenbach hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die neue Rechtsverordnung für die Kosten der Unterkunft wird in wenigen Tagen in Kraft treten. Die Wohnaufwendungsverordnung löst die alte AV Wohnen ab und für Arbeitslosengeld II Beziehende, Rentnerinnen und Rentner mit Grundsicherung, Sozialhilfe Beziehende und Menschen mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gelten neue Richtwerte und Regelungen für die Wohnkosten.
Über die Regelung der Kosten der Unterkunft haben wir hier schon sehr lange gestritten, und die Wohnungsregelungen waren auch schon unter Rot-Rot nicht mehr ausreichend und nicht mehr rechtssicher. Alle Bemühungen meiner Fraktion seit 2008, mit der SPD vernünftige Änderungen zu vereinbaren, sind leider gescheitert. Insofern ist es positiv, dass sich der Senat gleich des Themas angenommen hat, aber mehr gekonnt hat der Senat leider nicht.
Sehr geehrter Herr Czaja! Was Sie jetzt vorgelegt haben, hätte es schon unter Rot-Rot geben können. Das entspricht im Wesentlichen den Vorstellungen des Finanzsenators, und dem haben wir als Linke nicht zustimmen können.
Sie haben in Ihrer Rechtsverordnung die Richtwerte einfach niedrig gerechnet. Das wird dazu führen, dass viele Mieterinnen und Mieter weiterhin über den Richtwerten liegen – diejenigen, die von der Rechtsverordnung betroffen sind –, und nach Ihren eigenen Angaben waren das im Jahr 2010 schon 10 000, also ein Drittel aller Bedarfsgemeinschaften. Diese Menschen müssen dann die Wohnungskosten senken, und wir alle wissen, wie das passiert: In der Regel wird versucht, die Mehrkosten aus dem Regelsatz zu tragen, und oftmals führt das zur Verschuldung.
All diese Umzüge, die über die Rechtsverordnung erzwungen werden, haben zwei sozial- und stadtpolitisch höchst unerwünschte Folgen: Die Betroffenen werden bei den rasant steigenden Mieten kaum in der Lage sein, in den Kiezen zu bleiben – dies gilt zumindest für die Innenstadtbezirke. Sie müssen an den Stadtrand ziehen und verlieren ihr soziales Umfeld mit allen damit verbundenen Folgen. Meine Damen und Herren von der Koalition! Lieber Herr Czaja! Dies alles werden Sie auf Dauer nicht mit der wirklich guten und von Rot-Rot damals eingeführten Sonder- und Härtefallregelung abfedern können. Die Wohnungen, in denen heute noch Transfer
leistungsbeziehende leben und die sie aufgeben werden müssen, werden dann weitaus teurer weitervermietet. Ihre WAV führt also dazu, dass die Verdrängung von immer mehr Menschen mit geringem Einkommen aus den Innenstadtbezirken voranschreitet, Sie vernichten günstigen Wohnraum und treiben die Mieten insgesamt in der Stadt hoch!
Ich versuche einmal zu erklären, warum dies alles so eintreten wird. Die Richtwerte sind realitätsfremd, weil die Berechnungsgrundlage realitätsfremd ist – damit wird der Berliner Wohnungsmarkt nicht abgebildet. Das wiederum ist aber die Voraussetzung, um überhaupt Wohnungsregelungen zu erschaffen, mit denen die Berliner Mischung in den Bezirken erhalten wird und mit denen Gentrifizierung und Verdrängung nicht weiter vorangetrieben werden. Bei der Berechnung der Kosten für den sogenannten angemessenen Wohnraum halten Sie sich an das SGB II – das ist auch richtig. Das sieht vor, dass die Wohnungsregelungen auf dem einfachen Wohnungsstandard fußen müssen. Das ist zwar schade, aber das ist im SGB II so festgelegt. Dort steht darüber hinaus aber auch, dass dieser Wohnraum auch ausreichend verfügbar sein muss. In Ihrer Rechtsverordnung schreiben Sie, dass Sie davon ausgehen, das dem so sei. Sie wissen es aber offensichtlich nicht. Von einer Regierung, die eine Rechtsverordnung schafft, von der über 380 000 Haushalte in Berlin betroffen sind – die sogenannten Bedarfsgemeinschaften –, darf man tatsächlich erwarten, dass sie mehr hergibt als die Aussage: „Wir gehen davon aus, dass dieser Wohnraum vorhanden ist.“
Herr Czaja! Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Wohnungen nicht ausreichend vorhanden sind. In Berlin gibt es insgesamt und über alle Größen hinweg nur 370 000 Wohnungen in einfacher Wohnlage. Das sind weniger als die Bedarfsgemeinschaften. Darin habe ich noch nicht einbezogen, dass diese mit Wohngeldempfangenden und anderen Menschen mit einem geringen Einkommen konkurrieren. Deshalb reicht Ihre Berechnungsgrundlage „einfache Wohnlage“ nicht aus, Sie hätten auch die mittlere Wohnlage hinzunehmen müssen!
Das Dilemma wird noch viel deutlicher, wenn man sich die Ein- und Zweipersonenhaushalte anschaut – das sind fast 80 Prozent der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften. In Ihren Richtwerten haben Sie nur die Größe der Wohnungen von 40 bis 60 qm für diese Gruppe eingerechnet. In einfacher Wohnlage sind das rund 112 000 Wohnungen. Hätten Sie die mittlere Wohnlage dazugenommen, wären Sie auf 150 000 Wohnungen gekommen. Das würde immer noch nicht reichen! Sie müssen die Wohnungen mit einer Wohnfläche von unter 40 qm dazurechnen. Aber: Kleine Wohnungen sind knapp, kleine Wohnungen
sind teuer, das hätte die Richtwerte steigen lassen, und deshalb, lieber Herr Czaja, haben Sie das nicht gemacht. An dem Beispiel konnte ich Ihnen vielleicht verdeutlichen, warum wir in unserer Regierungszeit darauf bestanden haben, dass sowohl die einfache als auch die mittlere Wohnlage miteingerechnet wird und wir bei den Bedarfsgemeinschaften mit wenigen Personen die Wohnungen von unter 40 qm in die Berechnungsgrundlage einbeziehen müssen. Nur so gelangt man zu realistischen Richtwerten, nur so kann überhaupt die Verfügbarkeit der vom SGB II geforderten Wohnungen nachgewiesen werden.
Das haben wir Ihnen kürzlich in einem Antrag vorgelegt. Die SPD wollte das in der letzten Legislaturperiode nicht, deshalb gab es keine Einigung für eine neue Wohnungsregelung. Nun gibt es zwar eine Einigung für eine neue Wohnungsregelung, doch diese Einigung ist schlecht, weil die Situation auf dem Wohnungsmarkt dadurch nicht abgebildet wird und die Richtwerte nach wie vor nicht ausreichen.
Sie rechnen mit Wohnungen, die es nicht gibt, Sie ignorieren die jetzt schon existierenden Probleme mit der Mietenentwicklung, und Sie ignorieren, dass die Mieten weiterhin steigen werden. Das machen Sie alles auf dem Rücken der Betroffenen. Das finde ich nicht nur schade, sondern das ist ein echter Skandal!
Es gibt ein weiteres Problem, das Sie völlig ausblenden und das ich zumindest noch kurz benennen möchte. Nicht nur, dass die Richtwerte nicht dazu führen, dass die Menschen in ihrer Wohnung bleiben können, nein, die Richtwerte führen noch dazu, dass die Menschen gar keine neuen Wohnungen anmieten können, weil die in der Regel teuerer sind als die Abbildung im Mietspiegel. Dieses Problem haben Sie bei Ihrer Rechtsverordnung Wohnen völlig ausgeblendet. Wir haben Ihnen einen Neuvermietungszuschlag vorgeschlagen – das war auch Bestandteil unseres Antrags. Das haben Sie nicht angenommen, aber Sie haben sich auch nichts anderes überlegt.
Ich hoffe sehr, dass sich die Betroffenen gegen die Rechtsverordnung Wohnen wehren werden. Das Landessozialgericht wird sich damit befassen müssen. Bei der gestrigen Entscheidung zu den Hartz-IV-Regelsätzen hat sich bereits gezeigt, dass es sich lohnt, sich gerichtlich zur Wehr zu setzen.
Irgendwann wird das Landessozialgericht über die Rechtsverordnung Wohnen entscheiden. Ich würde mir einen anderen Weg wünschen. Mir wäre es lieber, fänden wir gemeinsam einen Weg, der soziale Verdrängung vermeidet, der den sozialen Zusammenhang stärkt und
der die Berliner Mischung erhält. Das heißt aber auch, liebe Koalition, dass Sie sich darauf einlassen müssten, umzudenken. Täten Sie das, würden wir Sie gerne unterstützen. Lassen Sie das bitte nicht so durchlaufen, nicht auf Kosten von 380 000 Bedarfsgemeinschaften – da hängen noch mehr Menschen dran! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Radziwill von der SPDFraktion das Wort. – Bitte sehr!