Protocol of the Session on March 22, 2012

Wir sind am Bau beteiligt. Aber hier geht es um die Ausführung von Bundesgesetzen, um die Ausführung des Asylverfahrensgesetzes. § 18a des Asylverfahrensgesetzes schafft die bundesrechtliche Verpflichtung für die Länder, in denen die Flughäfen liegen, einen solchen Flughafenabschiebungsgewahrsam einzurichten. Sie wissen, dass viele Flughäfen in Deutschland ihn haben.

Die alleinige Frage ist also, ob wir als Berlin eine Einwirkungsmöglichkeit haben, an dieser Einrichtung irgendetwas zu ändern. Weder aus den materiellen noch aus den formellen Voraussetzungen für dieses ganze Verfahren lässt sich irgendeine Einwirkungsmöglichkeit des Landes Berlin ableiten. Deswegen ist Ihr Appell und Ihr dringender Wunsch, dass wir hier etwas verhindern, einfach nicht machbar und umsetzbar. Er geht ins Leere.

Wir müssen die Diskussion anders führen, Frau Bayram, nämlich fragen, ob ein solches Verfahren auf Bundesebene dauerhaften Bestand hat. Wir kennen die Initiative des Landes Brandenburg, die darauf abzielt, daran auf Bundesebene etwas zu ändern.

[Canan Bayram (GRÜNE): Aber der Regierende hat gesagt, Sie machen da nicht mit!]

Natürlich kann ich Ihnen auch zugestehen, dass es durchaus zwiespältig ist, wenn in einem solchen Gewahrsam die Rechtsmittelfristen äußerst kurz, nur drei Tage, sind oder wenn die Abschiebungshindernisse vermutlich abschließend gar nicht geprüft werden können. Auch haben wir tatsächlich festzustellen, dass wir sehr geringe Fallzahlen haben. Deswegen macht es durchaus Sinn, im Bund darüber nachzudenken, ob man dieses Verfahren so, wie es jetzt ausgeschaltet ist, dauerhaft braucht.

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Nein, wir sind nicht gefragt an diesem Punkt, das ist Sache des Bundestags. Jetzt geht es darum, ob man diese ganze Einrichtung deswegen ablehnt oder völlig auf es verzichten kann oder ob man sich vorstellen kann, daran etwas zu modifizieren. Wir halten es jedenfalls im Unterschied zu Ihnen nicht für angezeigt, das gesamte Verfahren des Flughafengewahrsams abzuschaffen, sondern wir

werden im Bund, bei unseren Kollegen im Bundestag, darüber nachdenken, ob man die Defizite, die ja festgestellt werden, abstellen kann.

Lassen Sie mich noch eins festhalten: Wenn wir hier, acht Wochen vor Eröffnung des Flughafens, praktisch aufgefordert werden, eine Bundesratsinitiative zur Verhinderung des Abschiebegewahrsams zu ergreifen, dann muss man wirklich sagen: Das ist ein bisschen albern, weil man schon ein paar Jahre vorher daran hätte denken können. Dann hätte man sich bei Planung und Bau darauf einstellen können. Damit werden wir das jetzt nicht verhindern, und wir wollen es auch nicht verhindern, sondern eine vernünftige rechtspolitische Debatte im Bund darüber führen. Dann kann man sehen, ob man zu Veränderungen kommt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke Herr Taş.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bedauern sehr, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Innenausschuss mit den Stimmen der SPD-CDU-Koalition abgelehnt worden ist.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es ist unwürdig, dass im neuen Flughafen der sich als weltoffen und multikulturell gerierenden Bundeshauptstadt ein Gefängnis eingerichtet werden soll.

Herr Zimmermann! Ja, ich kenne das diesbezügliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995:

Die Begrenzung des Aufenthalts von Asylsuchenden während des Verfahrens auf die für ihre Unterbringung vorgesehenen Räumlichkeiten im Transitbereich eines Flughafens stellt keine Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung dar.

Bei allem Respekt vor dem Hohen Gericht und dessen Beitrag zur Demokratisierung unseres Landes – was ist es anderes als Freiheitsentzug, wenn die asylsuchenden Menschen diese Räumlichkeiten nicht verlassen dürfen? Diese Menschen sind nur eines Verbrechens schuldig: Sie haben politisches Asyl beantragt. Und anstatt ihnen ein ordentliches Asylverfahren zu garantieren, sperrt man sie ein, um sie im Schnellverfahren wieder loszuwerden.

Sie kennen die grundsätzliche Kritik am Flughafenverfahren. Sie ist in den letzten Wochen nicht verstummt, sondern breiter geworden. Erst vor wenigen Tagen hat sich der Deutsche Anwaltsverein zu Wort gemeldet. Die Tatsache, dass die Anhörung der Asylsuchenden unmittelbar nach ihrer Einreise in einer außergewöhnlichen

Drucksituation stattfindet, ist nicht akzeptabel, so heißt es. Außerdem sei eine Anhörung unter den Bedingungen einer haftähnlichen Situation nicht ordnungsgemäß. Flüchtlinge machten unter dem Druck der Freiheitsentziehung leicht falsche Angaben, die dann zur Ablehnung des Flüchtlingsschutzes führten.

Auch die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur willkürlichen Inhaftierung hat das deutsche Flughafenverfahren scharf kritisiert. Drei Tage Frist, die Asylsuchenden im Flughafenverfahren eingeräumt wird, um gegen die Ablehnung ihres Asylantrages Rechtsmittel einzulegen, ist zu kurz. Es ist also auch kein ordentlicher Rechtsschutz für die Betroffenen gewährleistet. Die Liste der Kritiker und Kritikpunkte könnte ewig weitergehen, und es werden noch neue Kritiker des Flughafenverfahrens hinzukommen. Auch wir können uns heute mit einem Beschluss des Abgeordnetenhauses gegen das Flughafenverfahren bekennen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Der Brandenburger Landtag hat das mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken bereits getan.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Außer der CDU gibt es für Sie keinen Grund, dies nicht auch in Berlin zu tun. Deshalb geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie den Anträgen zu! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Taş. – Von der Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Dr. Juhnke das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben über dieses Thema bereits im Plenum am 26. Januar, nachzulesen im Plenarprotokoll 17/7, danach im Plenum am 9. Februar, nachzulesen im Plenarprotokoll 17/8, danach im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 5. März und heute noch mal gesprochen. Ich habe mich gefragt, was dies soll, es heute noch in dritter Lesung zu behandeln, nachdem die Abstimmungen auch klare Ergebnisse erbracht haben. Aber es war natürlich zu erwarten, dass noch mal die Chance genutzt werden soll, mit großem Pathos den von Lobbyorganisationen prognostizierten Weltuntergang zu beschwören, der im Falle der Einrichtung dieser Unterbringungseinrichtung droht.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das ist interessant, wenn man als Christdemokrat die christlichen Kirchen so nennt!]

Durch die Wiederholung von fehlerhaften Argumenten wird es aber nicht richtiger. Es handelt sich hierbei nicht um ein Unrecht, sondern ein durch Gesetz und geltende

Rechtsprechung gedecktes Verfahren, das ebenfalls ein rechtsstaatliches Verfahren ermöglicht. Es handelt sich im Übrigen auch nicht um einen Knast – um das noch einmal zu wiederholen. Auch Ihre permanente Propaganda in diese Richtung kann daran nichts ändern. Deshalb wird sich auch in unserer Ablehnung nichts ändern. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Kollege Dr. Juhnke. – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Kollege Reinhardt das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Schade, dass die große Koalition diesen Antrag heute voraussichtlich ablehnen wird. Schade ist auch, dass wir die Chance vertun, ein Zeichen für die menschliche Behandlung von Asylbewerbern in Berlin und Brandenburg zu setzen. Schade ist auch das Verhalten der großen Koalition im Innenausschuss gewesen. Eigentlich hätte man erwartet, dass dort eine muntere Debatte geführt wird, in einer Sache, bei der wir uns im Grunde erst einmal einig sind, nämlich dass es eine schwierige Situation ist, dass wir da nach Lösungen suchen. Leider wurden im Ausschuss im Grunde genommen nur zwei Sachen in den Vordergrund gestellt.

Die erste Sache war die Frage: Ist dieses Gebäude, das man, wenn man drinnen ist, nicht nach links, nicht nach rechts, nicht nach vorne, nicht nach hinten verlassen kann, ein Knast? Hier würde man instinktiv erst mal sagen: Ja, diese Beschreibung trifft zu. – Aber Sie sagen: Nein, es ist kein Knast, da man das Gebäude nach oben verlassen könnte. Das ist eine schöne Beschreibung, aber das ist, glaube ich, nicht das, was an dieser Stelle zur Diskussion stehen sollte. Ich sage: Dieses Gebäude ist ein Knast, und die Ablehnung dieses Begriffes hilft uns in der Diskussion überhaupt nicht weiter.

Der zweite Punkt, der für die Koalitionsfraktionen am wichtigsten war, war eine – wie soll man das parlamentarisch formulieren – etwas seltsame Abfeuerung von Worten und Worthülsen in Richtung Grünen-Fraktion, besonders Frau Bayram, mit dem Ziel, diese Diskussion auf eine etwas andere, weniger hohe Ebene zu bringen. Da kann ich nur sagen: Wenn Sie an diese wichtige Sache in dieser Form herangehen, dann tun Sie dem hohen Haus damit keinen Gefallen.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Sagen die Richtigen!]

Ich gebe mir Mühe, in den Ausschüssen auch zu dem Thema zu diskutieren, Ihren Argumenten zu folgen und Ihnen meine Argumente zu erklären. Insofern sagen es wirklich die Richtigen – da gebe ich Ihnen recht.

[Canan Bayram (GRÜNE): Dafür müsstet ihr erst mal Argumente bringen!]

Was war noch im Innenausschuss? – Es gab einen Änderungsantrag, der ein „a“ einsetzen sollte. Die Grünen hatten einen kleinen Fehler gemacht: Da stand nämlich nicht § 18a Asylverfahrensgesetz, sondern § 18 Asylverfahrensgesetz. Das war ein Änderungsantrag, der ein „a“ einfügen sollte. Den Antrag haben die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Damit haben sie der Debatte einen großen Gefallen getan. – Vielen Dank dafür!

Jetzt können Sie sagen: In der Bevölkerung ist das Thema Flughafenknast noch nicht so sehr angekommen. Da können wir sagen, wir lehnen es erst einmal ab, und das wird jetzt schon nicht so die großen Wellen schlagen. – Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Zu den Flüchtlingsorganisationen, zu den Kirchen, zu den Wohlfahrtsverbänden haben sich in den letzten Tagen, in den letzten Wochen noch einige weitere Organisationen gesellt, z. B. namhafte Organisationen wie der Deutsche Anwaltsverein, die Neue Richtervereinigung, namhafte Historiker. Eine UN-Arbeitsgruppe hat noch mal explizit kritisiert, dass die Fristen innerhalb des Flughafenverfahrens zu kurz sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Kritik übernommen und auch wieder ausformuliert. Dieser Protest, den Sie hier vielleicht etwas unterschätzen, wird in den nächsten Wochen und Monaten noch einige Wellen schlagen. Das – da kann ich Sie nur warnen – kann dann auch dazu führen, dass das Image des Flughafens und damit auch das Image von Berlin und Brandenburg leidet. Da frage ich, ob Sie das wirklich wollen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie haben gesagt: Der Antrag ist uns mit zu heißen Nadeln gestrickt. Berlin ist da nicht zuständig. – Ich kann Ihnen nur sagen: Der Antrag ist butterweich. Der Antrag ist quasi mit Samthandschuhen zusammengesetzt: Berlin soll sich dafür einsetzen, dass dieses Flughafenverfahren in Berlin-Brandenburg so nicht durchgeführt. Diese Aufforderung an den Senat könnten sie eigentlich mittragen, um dem Image der Stadt auch zu dienen. Und Brandenburg – da kann ich Ihnen nur sagen: Da war Ihre eigene Partei klüger. In Brandenburg haben sie diesem Antrag in dieser Form auch zugestimmt. Insofern kann ich Sie hier nur auffordern, das Gleiche zu tun und der Klugheit Ihrer Genossen im Nachbarbundesland zu folgen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, Vereinzelter Beifall den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Zum Antrag Drucksache 17/0102 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch die Zustimmung geben möchte, hat nunmehr in der beantragten namentlichen Abstimmung die Möglichkeit. Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen und bitte die Beisitzer nach vorne. Herr Kowalewski wird die Namen der Abgeordneten aufrufen. Die Stimmkarten werden durch die Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist.

Sie kennen das Verfahren, dass die Urnenschlitze durch die Präsidiumsmitglieder abgedeckt werden. Dann kann auch keiner etwas doppelt einwerfen. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind, eine Urne für die Ja-, eine Urne für die Nein- und eine Urne für die Enthaltungsstimmen sowie für die nicht benötigten Karten und Umschläge. Ich eröffne jetzt die Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

[Aufruf der Namen und Abgabe der Stimmkarten]

Haben alle Kollegen abgestimmt? Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben?

[Alexander Spies (PIRATEN): Ich habe noch nicht abgegeben!]

Sie haben Ihren Namensaufruf überhört, Herr Kollege! – Sonst haben wirklich alle abgegeben? Sobald der Kollege Spies abgestimmt hat, schließe ich den Wahlgang und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. – Für die Dauer der Auszählung ist die Sitzung unterbrochen.

[Auszählung]

Ich bitte, wieder Platz zu nehmen und den Damen und Herren draußen kurz Bescheid zu geben, damit die Spannung steigt.

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den abgestimmten Antrag bekannt: Abgegebene Stimmen 142, Ja-Stimmen 61, Nein-Stimmen 81, Enthaltungen keine. Damit ist der Antrag Drucksache 17/0102 abgelehnt.