Protocol of the Session on March 8, 2012

Eine weitere Frage zielt auf den Kenntnisstand im Bereich sexuelle Gewalt bei den Beschäftigten der verschiedenen Einrichtungen. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und der Schutz vor sexueller Gewalt von Frauen und Kindern sind ein zentrales Anliegen des Berliner Senats. Im Hinblick auf Prävention und Vermeidung von Retraumatisierung betroffener Frauen kommt der Sensibilisierung aller Berufsgruppen, die mit Opfern in Berührung kommen, eine besondere Bedeutung zu. Das Wissen um die komplexen Zusammenhänge und Hintergründe sexueller Gewalt und Kenntnisse über das Berliner Beratungssystem, das sehr gut ausgebaut ist, sind für einen sensiblen Umgang mit Opfern nicht nur bei den Strafver

folgungsbehörden entscheidend, sondern auch in anderen Einrichtungen.

Im schulischen und vorschulischen Bereich ist die Frage, wie sexuelle Gewalt und sexueller Missbrauch erkannt und angesprochen werden können, sowohl im Hinblick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen als auch aus präventiver Sicht zentral. Das Thema Prävention von sexueller Gewalt in der Schule wurde im Schuljahr 2009/2010 verbindlich in Schulleitersitzungen behandelt. Hinweise zu dem Thema finden Sie in den überarbeiteten Notfallplänen „Sexuelle Übergriffe“ und „Gewalt in der Familie“. Schulen, Schulleitungen, Lehrkräfte, Pädagogisches Personal können mit ihrer Hilfe Abhilfe schaffen, wenn es um akute Vorfälle geht.

Das Erkennen von und der Umgang mit sexueller Gewalt an Kindern und sexuellen Übergriffen von Kindern untereinander ist seit jeher ein wichtiges Thema in der Fortbildung der Beschäftigten von Tageseinrichtungen für Kinder. Das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut BerlinBrandenburg bietet eine Vielzahl entsprechender Fortbildungsveranstaltungen an. Bei der Polizei ist das Thema bei der Ausbildung des gehobenen und mittleren Polizeidienstes fest verankert. Auch in der Fortbildung wird das Thema Umgang mit Sexualdelikten regelmäßig angeboten.

Ich komme nun zur letzten Teilfrage der Anfrage, zum Wandel der Familienformen und der Lebensverhältnisse in Berlin. Dieses ist ein sehr wichtiges und spannendes Zukunftsthema. Der Wandel der Familienverhältnisse ist in Berlin deutlich wahrnehmbar. Das traditionelle Modell der Familie mit einem männlichen Ernährer und einer nicht erwerbstätigen, Kinder betreuenden Ehefrau kommt in Berlin immer weniger vor. Stattdessen steigt die Anzahl der Familien, in denen sowohl der Mann als auch die Frau erwerbstätig sind. Die Anzahl der Familien Alleinerziehender steigt ebenso. Im Jahr 2010 waren ca. 54 Prozent der Berliner Haushalte Ein-PersonenHaushalte. Familien mit Kindern unter 18 Jahren stellen einen Anteil von rund 17 Prozent der Berliner Privathaushalte dar. Von den Berliner Eltern sind 52 Prozent verheiratet. Etwa ein Drittel der Familien mit Kindern unter 18 Jahren sind Haushalte Alleinerziehender. Im Bundesgebiet sind diese durchschnittlich mit knapp 19 Prozent vertreten.

Alleinerziehende sind eine sehr heterogene Gruppe. In Berlin sind etwa 90 Prozent der Alleinerziehenden Frauen. Sie sind ledig, verheiratet, getrennt lebend, geschieden oder verwitwet. Alleinerziehende sind in besonderem Maße von Armut bedroht. Ihr Alltag ist von dem Wunsch geprägt, die Existenz der Familie eigenständig zu sichern und den hohen Anforderungen sowie den unterschiedlichen Belastungssituationen, die in dem Leben mit Kindern immer wieder auftreten, gerecht zu werden. Sie sind auf die bezahlbare und verlässliche Kinderbetreuung

(Senatorin Dilek Kolat)

angewiesen, wo die Aufhebung der Kindergebühren eine große Rolle spielt, auf ausreichende Qualifizierungsmöglichkeiten, auf eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit und, damit verbunden, auf aufgeschlossene Arbeitgeber. Sie benötigen verlässliche Unterhaltszahlungen, flexible Hilfe in Notsituationen und gesellschaftliche Teilhabechancen.

Berlin verfügt über ein breites Netz mit unterschiedlichen Angeboten für Familien und auch für Alleinerziehende. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen, sind neben einer guten, funktionierenden Kinderbetreuung berufliche Beratungs- und Qualifizierungsangebote erforderlich. Besonders konzentrierte Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, zum Teil in modularisierter Form, sowie Teilzeitberufsausbildungen können Alleinerziehende und junge Mütter langfristig bei der Integration in den Arbeitsmarkt unterstützen. – So weit die kurze Darstellung der wichtigsten Entwicklungen!

Zum Schluss möchte ich noch auf die Veröffentlichung der dritten aktualisierten Fassung des Gender-Datenreports hinweisen, den wir wieder in Kooperation mit dem Amt für Statistik erstellt haben. Ab heute ist er auf unserer Homepage und auf der des Amtes für Statistik zu finden.

Abschließend würde ich noch gerne zwei Sätze zum Thema Gender-Budgeting sagen. Es ist auch ein Thema, bei dem wir mit gutem Gewissen sagen können: Wir sind nicht nur bundesweit, sondern international spitze, was die Implementierung von Gender-Budgeting angeht. Ich kenne viele Länder, die Projekte in dieser Richtung machen. Es gibt viele Erkenntnisse, dass man das machen kann, aber wenn man sich umschaut, dann stellt man fest, dass Berlin das einzige Bundesland ist, wo das Thema Gender-Budgeting umgesetzt wird und auch so implementiert ist, dass Sie im Haushaltsplan Genderdaten sehen können. Das ist ein Riesenerfolg für Berlin.

Nur kommt es jetzt im Rahmen der Haushaltsberatungen darauf an, dass diese Informationen auch genutzt werden. Wozu dienen Gender-Budgeting-Daten im Haushalt? – Der Haushaltsgesetzgeber ist das Parlament. Es liegt jetzt an Ihnen, diese Daten entsprechend der Fachgebiete zu nutzen und mit geschlechtergleichen oder genderpolitischen Themen aufzurufen und sie vielleicht auch zu nutzen, um Politik damit zu machen. Dazu möchte ich Sie ermuntern. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Einige Damen und Herren Kollegen haben noch Restredezeiten. Für die Fraktion der Grünen – die Kollegin Kofbinger! – Bitte schön!

[Dr. Manuel Heide (CDU): Sie müssen nicht reden!]

Aber Sie haben das Recht! – Bitte schön, Frau Kollegin! Sie haben das Wort!

Lieber Kollege! Sie glauben doch nicht, dass ich mir eine Sekunde am Pult entgehen lasse! Natürlich nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich bin sehr froh, dass ich direkt nach der Senatorin sprechen kann. Ich habe mir dafür noch ein bisschen Zeit aufgehoben.

Ich knüpfe gleich mal am Gender-Budgeting an, das war unser Eingangsantrag zum heutigen Tage. Wir sind d’accord, wir haben viele schöne Daten gesammelt. Das ist aber nach Meinung meiner Fraktion für zehn Jahre ein bisschen zu wenig. Wir hätten schon längst auf dem Weg sein sollen, den Sie beschrieben haben, nämlich, damit Politik zu machen. Da sind wir vor ca. fünf Jahren mitten auf dem guten Weg stehen geblieben. Das haben wir bemängelt. Deshalb noch mal die Bitte: Sie können unseren Antrag mit unterstützen. Wir nehmen Sie alle mit drauf. Bitte, unterstützen Sie unseren Antrag, GenderBudgeting in der Landeshaushaltsordnung festzuschreiben!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Es scheint kein Problem zu sein, wenn ich Ihren Redebeitrag richtig deute.

Lassen Sie mich noch einige Worte sagen, auch weil heute Internationaler Frauentag ist und wir sozusagen eine zweite Aktuelle Stunde dazu gemacht haben. Mich würde es an Ihrer Stelle sehr beunruhigen, wenn ich vorläse, dass 0,3 Prozent der Mädchen in einem InformatikLeistungskurs sind, denn der Umkehrschluss heißt: 99,7 Prozent der dort im Leistungskurs Anwesenden sind Jungen, junge Männer oder Menschen, die ihr Geschlecht noch nicht ganz genau festgelegt haben. Da hätte ich von Ihnen etwas mehr Leidenschaft erwartet. Was machen Sie denn da? Wie wollen Sie unsere Mädchen für die ITSachen begeistern?

[Beifall von Evrim Sommer (LINKE)]

Wie wollen Sie sie für Informatik begeistern? Das ist die Zukunft. Da bitte ich doch, dass Sie uns in der nächsten Zeit auch mal einen Vorschlag unterbreiten. Darüber würden wir uns wahnsinnig freuen. Netzpolitik ist auch uns wichtig, nicht nur den Piraten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Da klatschen sogar zwei. Das scheint hier einen Nerv getroffen zu haben.

Wir sehen aber ein grundsätzliches Problem bei der Frauenquote bei der CDU. Die Frauenquote der Piraten interessiert uns gar nicht. Wir kennen sie, 6,67 Prozent, sagte der Kollege Kowalewski, das ist bekannt, aber die sind für uns jetzt nicht stilbildend. Uns interessiert: Was macht denn die Regierungskoalition bzw. was macht denn die eine Fraktion der Regierung? Wenn ich da sehe, dass die mit Eintritt in die Regierung gleich die Frauenquote bei den Senatorinnen und Senatoren von 50 auf 36 Prozent herunterhämmern, werde ich natürlich wach als Frauenpolitikerin. Da will ich natürlich wissen: Was ist da los?

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Und wenn ich dann den Frauenanteil in der Fraktion sehe, der mit 6 von 38 natürlich auch noch unter 15 Prozent liegt, dann bin ich natürlich extrem alarmiert. Denn was heißt das am Ende? – Am Ende heißt das, es müssen Aufsichtsratsposten besetzt werden. Wir können das jetzt auch noch für die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre durchdeklinieren. Es müssen diese Aufsichtsratsposten besetzt werden. Viviane Reding – Sie haben Sie selber ins Spiel gebracht – wird Mitte des Jahres wahrscheinlich eine Quote fordern und damit auf EU-Basis auch durchkommen. Wir sitzen hier in Berlin und werden von der CDU immer nur junge oder auch nicht so junge Männer bekommen, die in irgendwelche Gremien gehen. Das ist absehbar. Da kann ich mir die nächsten fünf Jahre schon vorstellen, wie sich das ungefähr auswirken wird, auch wenn mal die eine oder andere Frau durchrutscht. Das ist doch unsere grundsätzliche Befürchtung, die wir haben, mit der wir Sie jetzt auch mal konfrontieren wollen.

Da erwarten wir natürlich, liebe Frau Kolat, dass Sie etwas mehr als warme Worte finden und nicht nur sagen: Och, das wird schon gut gehen! – Wir hoffen mit Ihnen, dass das gut gehen wird. Wir gehen aber von einem sehr hohen Level von knapp über 40 Prozent aus und möchten nicht einfach weiter herunterstolpern und nach fünf Jahren bei 25 Prozent landen.

Die Kollegin Sommer hat schon gesagt: Bei der GEWOBAG – bestes Beispiel – wird eine Frau durch einen Mann ersetzt, und das wird jetzt weitergehen, weil die CDU einfach keine Frauen hat. Ich finde es sehr schade, auch für die CDU. Die könnte sich damit einen großen Gefallen tun und ihre politische Kultur ins Jahr 2012 schaffen, wenn sie mehr Frauen ranlassen würde.

Sie sehen auch keine Unterschiede bei der Entlohnung. Frau Vogel ist gleich noch mal dran und kann das vielleicht noch etwas näher erklären. Das sehen wir ganz anders, und das sieht auch die Initiative für einen geschlechtergerechten Haushalt ganz anders. Da stehen die Zahlen drin. Ich habe sie auch ganz kurz vorgetragen.

Frau Kollegin! Sie müssten dann auch zum Ende kommen.

Ansonsten noch eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, und das ist auch mein letzter Satz: Sie haben erwähnt, was ich gut finde, erst einmal Priorität auf sexuelle Gewalt, sexuellen Missbrauch, aber liebe Frau Kolat, gucken Sie noch einmal genau hin! Ich weiß, es ist nicht Ihr Haushalt. Es ist der der Kollegin Scheeres. Da fehlt massiv Geld, und darum möchte ich Sie bitten, das ist ein sehr wichtiges Thema, das parteiübergreifend ist: Bitte schauen Sie sich den Haushaltstitel noch mal an! Die brauchen wirklich noch etwas Zuschuss. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Kofbinger! – Für die SPD noch mal Frau Dr. Czyborra! – Sie haben 1 Minute 50 Sekunden. Bitte schön!

Nur eine kurze Bemerkung zum Ressortzuschnitt: Es wurde kritisiert, dass der Bereich Frauen vom Wirtschaftsressort weggekommen ist. Ich war da anfangs auch skeptisch. Ich war ein großer Fan von dieser Ressortverteilung. Ich muss aber sagen, dass gerade die Ausführungen eben sehr deutlich gezeigt haben, dass Arbeit, Integration und Frauen ein Ressortzuschnitt ist, der sehr viel Potenzial hat. Arbeit, berufliche Bildung, gute Arbeit und gute Bezahlung ist das Hauptproblem vieler Frauen in dieser Stadt bzw. das, was sie brauchen. Insofern haben die Ausführungen sehr deutlich gezeigt, dass dieses Ressort da gut aufgehoben ist und dass wir für unsere Frauen positiv in die Zukunft gucken können. – Danke!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die Fraktion der CDU verzichtet die Kollegin Vogel. Dann hat jetzt die Fraktion der Piraten das Wort. Es ist der Kollege Spies, der mir gemeldet worden ist. – Bitte schön, Herr Kollege! Sie haben noch 2 Minuten 57 Sekunden.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verdanken Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, den Frauen, die für Rechte gekämpft haben, eine Menge und haben eine Menge geschafft. Aber jetzt müssen die Frauen

auch kommen, und das ist ein Problem, das nicht nur an den Frauen, sondern auch an den Voraussetzungen liegt.

Ich nehme mal die Berufe. Ich habe mit jungen Frauen gesprochen. Sie werden einfach zu wenig angesprochen. Zum Beispiel, wenn sie Automechanikerin werden oder Berufe ergreifen wollen, dann begegnen sie auch in den jeweiligen Firmen entsprechendem Misstrauen. Das ist das eine, dass man den Appell an die Wirtschaft richtet, an die Firmen: Gehen Sie auf Frauen zu! Trauen Sie den Frauen auch zu, dort zu arbeiten, wo Sie vielleicht im Kopf immer nur das Männerbild sehen! Das ist aber auch ein generelles Problem bei der beruflichen Bildung, dass die Firmen zu wenig bereit sind, den Schülerinnen und Schülern, die dorthin kommen wollen, Praktikumsplätze anzubieten, um mal das berufliche Leben kennenzulernen.

Dann ist es natürlich erschreckend – was schon gesagt worden ist –, dass wir viel zu wenig Frauen haben, die sich auch in Informatik, technischen Berufen ausbilden. Es fehlen viele Ingenieure. Die Frauen machen bessere Schulabschlüsse als die Jungs. Das ist bekannt, und trotzdem findet man sie gerade in diesen Spitzenberufen zu wenig. Da muss mehr getan werden. Da muss bei den Mädels aber auch um Attraktivität geworben werden, dass sie davon wegkommen, sich nicht zuzutrauen, dort eine Karriere zu machen.

Viele Steine sind schon aus dem Weg geräumt worden. Das reicht sicherlich noch nicht, aber wir müssen auch dafür werben, dass die jungen Mädchen und Frauen dort in die Berufe kommen. Es muss klargemacht werden, dass wir alle hier nur stehen können, weil es die Frauen gibt. In der beruflichen Welt müssen Firmen Frauen einstellen und ihnen ermöglichen, gleichzeitig auch eine Familie zu gründen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich bedanke mich! Das war eine Punktlandung. – Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/0200 wird die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Zum Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/0192 wird ebenfalls die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Auch hier höre ich keinen Widerspruch, sodass wir entsprechend verfahren. Damit hat dann auch die Große Anfrage unter Tagesordnungspunkt 7 ihre Erledigung gefunden, weil sie besprochen und beantwortet wurde.

Ich rufe nunmehr auf

lfd. Nr. 4.3: