Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein schöner Zufall, dass der diesjährige Internationale Frauentag an einem Plenartag des Abgeordnetenhauses stattfindet. Ich wünsche allen weiblichen Abgeordneten, allen weiblichen Mitgliedern des Senats, allen Mitarbeiterinnen des Abgeordnetenhauses und der Verwaltung einen schönen Frauentag.
Wir schauen am heutigen Weltfrauentag natürlich auf die Situation in Deutschland und speziell auf die Situation der Frauen in Berlin. Dieser Tag ist aber auch immer eine Gelegenheit, über die Grenzen unserer Stadt und unseres Landes zu schauen. Wir können zum Beispiel auf die Situation der Frauen in den arabischen Ländern schauen, auf die Frauen in Afghanistan und in den anderen Krisenregionen dieser Welt. Wir denken an die Mädchen und Frauen, die heutzutage aus religiösen Gründen Opfer von Beschneidung werden, die aufgrund ihren Geschlechts nach wie vor verfolgt, erniedrigt und gedemütigt werden. Wir schauen auf die mutigen Frauen in dieser Welt, die in ihren Heimatländern – oft unter dem Einsatz ihres Lebens – dafür kämpfen, dass all diese Diskriminierungen, Erniedrigungen und Demütigungen endlich ein Ende haben.
Ich freue mich, heute zum Internationalen Frauentag diese Anfrage zur Situation von Frauen in Berlin beantworten zu dürfen. Sie bietet mir Gelegenheit, nicht nur Einzelaspekte der Frauen- und Gleichstellungspolitik in den Blick zu nehmen, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, dies im Kontext zu tun.
Berlin hat als Großstadt Frauen immer schon bessere Entwicklungsmöglichkeiten gegeben, als dies ländliche Gebiete tun können. Aber auch im Vergleich mit anderen Städten kann Berlin auf beachtliche Erfolge in der Gleichstellungspolitik zurückblicken. Drei Politikfelder will ich dabei exemplarisch hervorheben. Das ist zunächst das Landesgleichstellungsgesetz, das in Deutschland ohne Beispiel ist. Mit der Frauenförderverordnung und der Leistungsbewährungsverordnung haben wir politisches und rechtliches Neuland betreten. Mit der Verpflichtung der Anstalten des öffentlichen Rechts und der Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung zur Frauenförderung haben wir das Wirkungsspektrum maximal ausgedehnt. Mit der letzten Novelle sind wir bundesweit an die Spitze getreten.
Frau Sommer! Sie haben es hier so dargestellt, als sei die Umsetzung des Gesetzes gefährdet, weil die Linksfraktion nicht mehr an der Regierung beteiligt ist. Ich versichere Ihnen, dass das Gesetz mit ebenso großer Konsequenz umgesetzt wird wie in der Vergangenheit. Die großen gleichstellungspolitischen Ziele, die sich diese Koalition gesetzt hat, können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen. Diese Ziele werden verfolgt und umgesetzt. Wir werden hier viele Gelegenheiten haben, darüber zu sprechen. Sie können beruhigt sein. Es wird sich nichts Negatives entwickeln.
Der zweite exemplarische Punkt ist die konsequente und individuelle Förderung von Frauen im Bereich der Hochschulpolitik. Im Ergebnis dieser Strategie hat sich Berlin im Ländervergleich seit 2005 die Spitzenposition bei der Besetzung von Professuren mit Frauen erobert.
Dritter Punkt: Seit mehr als 20 Jahren bemüht sich Berlin intensiv, die Situation von Frauen, die Gewalt erfahren, systematisch zu verbessern. Wir haben eine hervorragende Infrastruktur für Frauen, die in Not geraten. Alle beteiligten Institutionen in unserer Stadt arbeiten heute nahezu selbstverständlich im Interesse der betroffenen Frauen zusammen. Vor einigen Wochen hatten wir im Ausschuss Gelegenheit, sehr ausführlich über das, was diese Stadt für Frauen, die in Not sind, leistet, zu diskutieren. Opposition und Regierungsfraktionen haben gemeinsam festgestellt, dass die Infrastruktur in Berlin, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern und Städten, hervorragend ist.
Auch dem Ziel, den unterschiedlichen Bedürfnissen bestimmter Gruppen von Frauen, beispielsweise denen mit Migrationshintergrund oder mit Behinderungen, besser gerecht zu werden, sind wir ein großes Stück näher gekommen.
Diese guten Ergebnisse konnten wir nur durch eine fruchtbare Zusammenarbeit der verschiedenen Ressorts erzielen, denn meist bedarf es der Kooperation mehrerer Verwaltungen und auch der Zusammenarbeit mit den Bezirken, um der Komplexität der Lebenslagen von Frauen gerecht zu werden. Mit dem gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm haben wir in der letzten Legislaturperiode diese Abstimmung zwischen den einzelnen Fachressorts in eine neue und verbindliche Struktur gebracht. Auch hier können sich die Ergebnisse sehen lassen. Im Umsetzungsbericht, der dem Parlament vorliegt, sind sie im Einzelnen nachzuverfolgen. Zurzeit bereitet mein Haus die Fortschreibung dieses Programms vor. Die zentralen Handlungsfelder werden dabei im Einklang mit der europäischen Roadmap 2020 und den politischen Schwerpunkten des Berliner Senates stehen. Ich habe vorhin im Rahmen der Beantwortung der Mündlichen Anfrage einzelne Aspekte dazu ausgeführt.
Nicht ohne Grund drehen sich die meisten Fragen dieser Großen Anfrage im wesentlichen Sinn um die Erwerbstätigkeit von Frauen. Erwerbstätigkeit ist eine wesentliche Bedingung für Frauen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Auch wenn Frauen seit der Eherechtsreform in den 70er-Jahren das Recht auf Erwerbstätigkeit haben, muss dieses in der Praxis noch Tag für Tag durchgesetzt werden. Die Verbindung von beruflichen und familiären Aufgaben – sei es die Kindererziehung oder die Pflege Angehöriger – lässt sich bis heute nicht ohne teils gravierende berufliche Nachteile in der Regel von Frauen erzielen.
Ein weiterer Ausbau und die Verbesserung bei der öffentlichen Kinderbetreuung werden durch meine Kollegin Sandra Scheeres vorangebracht. Auch Unternehmen sind bei dieser Frage noch nicht ausreichend sensibilisiert. Berufsunterbrechungen und insbesondere längere Unterbrechungen sind ein extrem gefährlicher Schritt für Frauen hinsichtlich ihrer Berufswegplanung und ihrer gewünschten Karriere. Sie mindern deren Erwerbseinkommen und auch zu erwartende Renteneinkommen in der Zukunft. Die Antizipation von weiblichen Berufsverläufen bestimmt immer noch in starkem Maß die Realität der Erwerbstätigkeit von Frauen, angefangen beim Berufswahlverfahren bis hin zum faktisch weitgehenden Ausschluss von Frauen aus wichtigen Führungs- und Entscheidungsprozessen.
Gefördert wird eine diskontinuierliche Erwerbstätigkeit durch falsche Anreize im Steuer-, Arbeits- und Zivilrecht. Dies konterkariert auch andere gleichstellungspolitische Ziele. Dies konstatieren auch die Expertinnen und Experten, die das Gutachten für den ersten Gleichstellungsbericht des Bundes erstellt haben. Demnach ist bei den Anreizen noch einiges nachzuarbeiten. Es gibt also auf Bundesebene noch viel zu tun, um die rechtlichen Rahmenbedingungen einem einheitlichen Leitbild anzupassen und den Weg für eine gerechte Verteilung von Risiken und Chancen für Männer und Frauen im Erwerbsleben freizumachen.
Aber auch für die Berliner Politik bleibt die Herausforderung, jeden Spielraum, den wir hier im landespolitischen Bereich haben, zu nutzen, um die Erwerbssituation von Frauen zu verbessern. Der Neuzuschnitt meines Hauses – das Ressort Arbeit, Integration und Frauen – bietet dabei sehr gute Voraussetzungen und Chancen, einiges verzahnter und vertiefter voranzubringen.
Wie stellt sich die Erwerbssituation von Frauen in Berlin aktuell dar? – Erwerbstätigkeit gehört für die meisten der Frauen in Berlin sowohl zum Lebensentwurf wie zum Lebensalltag. Im Jahr 2010 waren knapp 750 000 Frauen erwerbstätig – rund 97 000 waren erwerbslos. Ihre Erwerbsquote lag damit bei 71,8 Prozent. Bereits seit einigen Jahren stellen Frauen bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Berlin die Mehrheit. Ihr Anteil betrug 51,5 Prozent im Jahr 2012 – davon in Teilzeit 30,7 Prozent, deutlich höher als bei Männern.
Die Erholung des Berliner Arbeitsmarktes in den letzten Jahren hat zu einem Beschäftigungszuwachs und auch zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Frauen geführt. In der Dekade von 2000 bis 2012 ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen um rund 66 000 gestiegen. Die Zahl der erwerbslosen Frauen sank um 29 500. Die Beschäftigungsgewinne der letzten Jahre resultieren leider zu einem nicht geringen Teil aus einer Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse, zu denen auch prekäre Beschäftigungsformen gehören. Den größten Teil machen
Teilzeitarbeitsverhältnisse aus, zu denen auch die geringfügige Beschäftigung zählt. Das wurde vorhin schon angesprochen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, geringfügige Beschäftigung insgesamt zu bekämpfen.
Verstärkte beschäftigungs- und gleichstellungspolitische Aufmerksamkeit gilt bestimmten Gruppen von Frauen, die aufgrund spezifischer Lebensumstände besondere Probleme mit der Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer Erwerbstätigkeit haben. Dazu gehören u. a. die in Berlin überdurchschnittlich große Gruppe alleinerziehender Mütter, junge Frauen ohne abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung sowie ein Teil der Frauen mit Migrationshintergrund. Die Erwerbsbeteiligung von Migrantinnen ist signifikant geringer als die von Migranten sowie von Frauen ohne Migrationshintergrund. Hier besteht ein großer Handlungsbedarf.
Die zentralen gleichstellungspolitischen Ziele stehen in einem engen wechselseitigen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Berlins. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs unter den Bedingungen des demographischen Wandels stellen in diesem Kontext ein mittelfristiges Ziel dar. Das Erwerbspotenzial von Frauen bezogen auf Erwerbsinteresse, berufliche Qualifikation und Arbeitszeitwünsche wird sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht nicht ausgeschöpft. Die Nutzung dieser Potenziale von Frauen stellt ein wesentliches Element und Reservoir zur Fachkräftesicherung dar.
Gleichstellungspolitische Ziele sind somit auf das Engste mit allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Zielen der Senatspolitik verknüpft. Die vielfältigen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Erwerbsbiografien und auch die relative Geringschätzung von Berufsfeldern, in denen vorrangig Frauen tätig sind – wie denen der Erziehung und Pflege –, bilden sich bei den Einkommensunterschieden ab. In dieser Differenz verdichten sich alle Benachteiligungsfaktoren, mit denen Frauen im Erwerbsleben konfrontiert werden. Hauptkennziffer – das kennen Sie inzwischen: Gender-Pay-Gap – ist die Differenz der durchschnittlichen Bruttoverdienste von Männern und Frauen, in Prozent ausgedrückt. Der Einkommensunterschied betrug in Berlin im Jahresdurchschnitt 2010 bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich 15,3 Prozent. Bundesweit beträgt er 23 Prozent. In den oberen Leistungsgruppen fällt der Gender-Pay-Gap noch deutlich höher aus als in den unteren. Bei den jährlichen Sonderzahlungen beträgt es bis zu 40 Prozent.
So vielfältig die Bedingungen für die Einkommensunterschiede sind, so differenziert müssen auch die Gegenmaßnahmen sein. Grundsätzlich trägt jede Verbesserung der Erwerbssituation von Frauen zum Abbau des GenderPay-Gaps bei. Das gilt z. B. für Maßnahmen und Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur
Verbesserung der flexiblen Kinderbetreuung, zur Erhöhung der individuellen Arbeitszeiten und der Verringerung unfreiwilliger Teilzeitarbeit. Wichtig dafür ist u. a. die drastische Eindämmung von Minijobs. Im Jahr 2010 waren 52,2 Prozent der Frauen in Berlin geringfügig beschäftigt.
Die Frauen selbst, die Unternehmen und die Öffentlichkeit müssen für dieses Thema noch stärker und noch deutlicher sensibilisiert werden. 2008 wurde in Deutschland der sogenannte Equal-Pay-Day – am 23. März – eingeführt. Auf ein Jahr übertragen, arbeiten Frauen im Bundesdurchschnitt von Anfang Januar bis zum 23. März quasi ohne Entgelt, was einem Einkommensunterschied von 23 Prozent entspricht. Daher die Wahl dieses Datums.
In diesem Jahr haben wir dazu die Finanzierung und Entwicklung des Werbespots „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!“ in Kooperation mit den Business and Professional Women Germany und den Frauen und Gleichstellungsbeauftragten der Berliner Bezirke sichergestellt, der u. a. im „Berliner Fenster“ und bei „Youtube“ zu sehen ist. Ich hoffe, Sie hatten Gelegenheit, den doch sehr gelungenen Werbespot zu sehen.
Ebenfalls ein Beitrag zur Bekämpfung der Einkommensunterschiede sind die Bemühungen des Senats, die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen der Gesellschaft zu verringern. Sie sind aber natürlich noch viel mehr. Hier geht es auch um gerechte Teilhabe und Einfluss von Frauen in Entscheidungsprozessen. Das ist wiederum ein Thema, bei dem Deutschland im internationalen Vergleich Schlusslicht ist. Es mehren sich die Anzeichen, dass auf Bundesebene freiwillige Verpflichtungen der Unternehmen nicht zustande kommen oder nicht zum gewünschten Erfolg führen.
Die EU-Kommissarin, Frau Reding, beabsichtigt daher, zum Sommer konkrete Vorschläge für eine Quote in Europa vorzustellen. Die Ungeduld vieler Frauen in Deutschland nimmt deutlich zu, wie die inzwischen 12 000 Unterzeichnerinnen der Berliner Erklärung zeigen, die ich übrigens auch unterstütze. Der Senat will es aber nicht nur dabei belassen, was die Bundesebene angeht. Der Senat will auch in Berlin selbst tätig werden.
Auch in den Berliner Unternehmen sind Frauen in Führungsposition deutlich unterrepräsentiert. Der Blick auf die Dax-Unternehmen reicht nicht aus. Es werden zwar immer mehr Fachkräfte mit höheren Qualifikationsanforderungen gesucht, und Frauen in Berlin sind gut qualifiziert, aber dennoch nutzen viele Unternehmen diese Potenziale nicht ausreichend.
Ich habe daher gestern mit der IHK Berlin ein Bündnis geschlossen, welches darauf abzielt, die Berliner Unternehmen in den nächsten Jahren für die Chancen und
Potenziale von Frauen in Führungsverantwortung zu sensibilisieren. Unter dem Motto „Frauen an die Spitze“ bitten wir alle Berliner Unternehmen, Institutionen und Verbände, sich dem Bündnis in Wort und Tat anzuschließen und bei der Unterstützung von Frauenkarrieren in ihren Bereichen noch aktiver zu werden und entsprechende personalpolitische Akzente zu setzen. Flankiert wird dieses Bündnis von konkreten Unterstützungsangeboten an die Berliner Unternehmen. Vielleicht ist das das, was diesen Erfolg des Bündnisses ausmachen wird. Bei der Initiative, von der Sie, Frau Sommer, gesprochen haben, lassen Ergebnisse zu wünschen übrig.
Selbstverständlich zielt die Senatspolitik dabei nicht nur auf private Unternehmen, sondern auch auf den Berliner Landesdienst und die öffentlich rechtlichen Unternehmen. Zunächst möchte ich einen Blick auf die aktuellen Zahlen richten: Im höheren Dienst der Haupt- und Bezirksverwaltungen sind Frauen in den letzten Jahren nicht mehr unterrepräsentiert. Der 10. LGG-Bericht weist hierfür einen Frauenanteil von durchschnittlich rund 57 Prozent aus. Allerdings gilt nach wie vor, dass der Anteil umso geringer ausfällt, je höher die Position ist. In den oberen Besoldungs- und Vergütungsbereichen, meist Leitungsstellen, war im unmittelbaren Landesdienst insgesamt nur etwa ein Drittel der Stellen mit Frauen besetzt.
Dass der Frauenanteil in diesen Positionen nur langsam vorankommt, hängt zum Teil mit der geringen Fluktuation in den oberen Positionen zusammen. Sobald dort Stellen frei werden, bietet sich das natürlich auch als Chance an, hier bei der paritätischen Besetzung einiges zu verändern. Es kann festgestellt werden, dass sich die Frauenanteile in den letzten zehn Jahren in den Bereichen deutlich erhöht haben. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Leitungspositionen bei der Polizei im nichttechnischen Verwaltungsdienst. Der Frauenanteil stieg von 4,8 Prozent in 2004 auf 29,4 Prozent in 2010. Nach wie vor besteht eine gravierende Unterrepräsentanz von Frauen in Vorstands- und Geschäftsführungspositionen der landeseigenen Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Landes. Die Senatsverwaltung für Finanzen weist in ihrem aktuellen Beteiligungsbericht unter insgesamt 60 solcher Positionen nur sieben Frauen aus. Das macht 11,7 Prozent aus. Hier müssen wir nacharbeiten. Hier muss Berlin auf jeden Fall besser werden.
Mit der Neunten des Landesgleichstellungsgesetzes wurden deshalb Regelungen geschaffen, die dem abhelfen sollen. Dazu gehört die Verpflichtung, Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen grundsätzlich öffentlich bekannt zu machen. Auch im weiteren Verfahren zur Besetzung der Positionen sind Vorgaben zur Förderung von Frauen zu beachten. Es gilt die Quotenregelung des LGG. Zur konsequenten Umsetzung dieser Regelung werde ich in Kürze mit den Geschäftsführerinnen und
Ebenfalls in der Pflicht ist das Land Berlin bei der Schaffung ausreichender Angebote der öffentlichen Kinderbetreuung. Der Senat – ich habe vorhin schon darauf hingewiesen – arbeitet an einem bedarfsgerechten Ausbau der Angebote und der flexiblen Kinderbetreuung. Zur Entwicklung von Strategien, zur nachhaltigen Stärkung der Erwerbspositionen von Frauen müssen wir auch den Komplex Bildung betrachten. Hier werden die Weichen für gute Voraussetzungen im Arbeitsmarkt gestellt. Wie bereits eingangs erwähnt, haben wir durch gemeinsame Bemühungen der staatlichen Hochschulen und des Senats bedeutende Erfolge bei der Qualifizierung von Frauen für eine wissenschaftliche Karriere und bei der inhaltlichen Verankerung von Genderaspekten in Forschung und Lehre erzielt. Die Verwirklichung der Chancengleichheit der Geschlechter ist zur strategischen Aufgabe der Hochschulleitung geworden. Gleichstellungsmaßnahmen werden zunehmend in die Profilentwicklung integriert und als Bewerbungskriterium für Qualität und Exzellenzen in Hochschulen anerkannt.
Auch wenn Berlin mit einem Frauenanteil an den Professuren von rund 28 Prozent im Jahr 2010 an der Spitze der Bundesländer steht, werden wir uns auf diesem Erfolg nicht ausruhen. Der Nachwuchs steht bereit. Von den erfolgreich Promovierten waren 47 Prozent und von den Juniorprofessoren 54 Prozent Frauen. Die Hochschulen sind verpflichtet, für jeden Berufungsvorschlag die Entscheidungsfindung für die Zusammensetzung der Berufungskommission zu dokumentieren, die Suche nach geeigneten Bewerberinnen darzulegen und die Auswahl der eingeladenen und nichteingeladenen Bewerberinnen gesondert zu begründen.
Quantitative und qualitative Aspekte der Chancengleichheit sind zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Hochschulverträge geworden. Die leistungsbasierten Hochschulfinanzierungen, die mit den Hochschulverträgen 2010 bis 2013, setzen gezielte Anreize für die Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen im Wissenschaftssystem.
Ein zweiter wichtiger Bereich der Bildungspolitik ist das Berufsauswahlverhalten. Berlin benötigt gut ausgebildete junge Frauen und Männer mit gleichen Verwirklichungschancen. Das Bildungssystem ist deshalb besonders gefordert, die Begabungen und Fähigkeiten und Potenziale eines jeden Kindes bzw. Jugendlichen frühzeitig zu erkennen und zu fördern und auf geeignete Weise dem Entstehen von Geschlechterstereotypen entgegenzuwirken. Bilder über traditionelle Arbeitsteilung und damit eingeschränkte Rollenzuweisungen behindern gesellschaftliche Modernisierungs- und auch individuelle Entwicklungsprozesse. Die naturwissenschaftliche Fächerwahl an den Schulen und die Berufsorientierung wird
durch jeweilige Leistungen in den einzelnen Fächern und durch die Wahlmöglichkeiten zur Profilbildung beeinflusst. Die Zahlen sind hier keineswegs befriedigend. In den schulischen Grundkursen lag der Mädchenanteil in den letzten beiden Schuljahren in Mathematik relativ konstant bei 89 Prozent, bei ca. 30 Prozent in Physik und in Chemie mit leicht steigender Tendenz bei 23 Prozent. Der Anteil von Mädchen an Leistungskursen ist dagegen konstant niedrig und hat sich in den beiden letzten Schuljahren kaum verändert. Der Anteil beträgt in Mathematik etwa 11 Prozent, in Physik etwa 3 Prozent, in Chemie etwa 6 Prozent. Gänzlich abgeschlagen ist Informatik mit 0,3 Prozent bei den Leistungskursen und 2 Prozent bei den Grundkursen.
Veränderungen in der Wahl der Fächer ist aber eine wichtige Voraussetzung für die Veränderung des Berufswahlverfahrens, das sich immer noch weitgehend an traditionellen Stereotypen orientiert. Berlin arbeitet seit sehr vielen Jahren dem engen Spektrum der gewählten Berufe mit der Etablierung Girls’Day und seit 2011 auch des Boys’Days entgegen.... Das Interesse der Schülerinnen an Berufen in Mathematik, Informatik, Ingenieurswissenschaft und Technik ist erfreulicherweise von Jahr zu Jahr gewachsen. Bei 16 Prozent der Unternehmen und Betriebe haben sich Girls’-Day-Teilnehmerinnen um einen Praktikums- und Ausbildungsplatz in technischen, handwerklichen oder informationstechnischen Berufen beworben. Bundesweit sind 10 Prozent der beteiligten jungen Frauen aufgrund ihrer Teilnahme am Girls’ Day eingestellt worden. Und es ist ein Imagewechsel festzustellen. 66 Prozent der Mädchen widersprechen mittlerweile der Aussage, technische Berufe seien langweilig.
In der Pflicht bezüglich einer angemessenen Berufsorientierung sind auch die Schulen selbst. Die rechtlichen Vorgaben für die Durchführung einer geschlechtersensiblen Berufsorientierung sind im Schulgesetz und für die Sekundarschulen weiterführend im Rahmenplan Wirtschaft, Arbeit und Technik verankert. Auch das Berliner Programm „Vertiefte Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler“ leistet einen wichtigen Beitrag.