Da sind ein, zwei nette Sachen drin, die finde ich lobenswert: Selbstverpflichtung, 25 % CO2-Reduzierung. Aber ansonsten haben Sie gesagt, dass Sie sich feierlich verpflichten, tatsächlich einmal die EU-Richtlinien umzusetzen und dass Sie alles, was so da war, immer weitermachen, dass Sie noch genug Papier im Schrank haben und damit hätten Sie ein tolles Programm für die Umweltpolitik. Das ist das, was in Ihrem bisherigen Regierungsprogramm steht. Von Leitbild kann da wirklich keine Rede sein.
Wir als FDP wollen ein Leitbild entwickeln. Wir haben zwei Anforderungen: Wir wollen erstens, dass Maßnahmen wissenschaftlich und technisch nachgewiesenermaßen tatsächlich etwas bringen, nicht nur Aktivismus, sondern nachgewiesene Effekte für die Umwelt. Und wir wollen, dass das wirtschaftlich vernünftig ist. Bürger und Wirtschaft unnötig zu belasten, ohne dass man mit der Umwelt etwas erreicht, das kann nicht der richtige Weg sein. Deshalb setzen wir auf Wettbewerb, auch auf marktwirtschaftlichen, auf Zertifikatslösungen, auf Wettbewerbe, die Kreativität auslösen. Wir setzen auf Innovation und Technik. Frau Eichstädt-Bohlig hat es gesagt, da gibt es ein Riesenspektrum: Mobilitätstechnologien, verbundene Logistiksysteme, Brennstoffzellen, Energieerzeugung. Ja, das ist ein Thema, mit dem der Senat loslegen muss!
Und natürlich setzen wir auf die Eigenverantwortung der Bürger. Sie haben sich immer sehr mit der Opposition beschäftigt; die Bürger erwarten etwas von Ihnen. Die Bürger sind diejenigen, die durch ihr individuelles Verhalten die Umwelt belasten und die man deshalb überzeugen und denen man Angebote machen muss, sich anders zu verhalten. Wir als FDP wollen nicht wie der Senat verordnen, verbieten, den Zeigefinger zeigen, die Leute belehren, sondern wir wollen das Verantwortungsbewusstsein der Bürger ansprechen, dass der Bürger selbst das tut, was für die Umwelt richtig ist.
Jetzt greife ich mir zwei Beispiele heraus, um zu illustrieren, wie hier die Politik des Senats läuft. Das erste ist diese berühmte Umweltzone. Die Umweltzone ist genauso wie der Rest der Politik des Senats: Sie bringt ökologisch nichts, sie wirkt wirtschaftlich unnötig belastend, und sie ist auch noch dilettantisch umgesetzt. Die Umweltzone bringt ökologisch nichts. Mit Studien ist nachgewiesen, dass die Feinstaubbelastung, mit der sie begründet wird, relativ wenig gesenkt wird.
Die Umweltzone setzt überhaupt nicht bei den Gesamtemissionen an, ist ein reiner Formalismus. Das 30-LiterAuto mit Kat darf reinfahren, der Kleinwagen darf es nicht. Es geht Ihnen gar nicht um Schadstoffemissionen,
Die sogenannte Umweltzone ist eine Belastung der Wirtschaft und der Bürger. Das fängt beim Tourismus an, da sagen Sie den Touristen, sie sollen ihre Autos am S-BahnRing stehen lassen. Und die kleinen Unternehmen können ihre Flotte gar nicht so schnell umstellen, wie sie es eigentlich müssten. Da hilft auch kein Kleinkreditprogramm. Jemand, der es sich nicht leisten kann, ein neues Auto zu kaufen, der kann es sich als kleiner Unternehmer auch nicht leisten, einen Kredit an den Hals zu hängen, weil er nämlich dafür privat bürgen muss. Das ist anders als in der Landespolitik, wo man Schulden auf Kosten des Steuerzahlers machen kann. Die IBB, die bei den Krediten teilweise rabiat ihre Forderungen eintreibt, schreckt die Leute ab, sich solchen Kleinkrediten zu widmen.
Die Umweltzone ist außerdem schlecht umgesetzt. Die Ausnahmeregelungen sind willkürlich. Wir werden ein Patchwork von sechs Bezirken haben, jeder macht es anders. Zusätzlich haben Sie die Bezirke nicht mit den Ressourcen ausgerüstet, die sie brauchen. So ein Vorgang, eine Plakette auszustellen, kostet 50 bis 100 €. Die Plakette kostet nur ein paar Euro. Wo soll denn das Geld herkommen? – Es geht wieder mal auf Kosten der Bezirke. Die müssen es ausbaden, indem sie Ihre Bürokratie abwickeln.
Also Umweltzone – bestes Beispiel: gut gemeint, nett gedacht, aber wirtschaftlich und ökologisch leider kein Erfolg. Wenn man wissen möchte, was ohne Leitbild so passiert, muss man nur einmal die Presseerklärung der Senatorin lesen. Da sagen Sie: Überraschung, wir belasten die Wirtschaft noch viel mehr als gedacht. Wir führen das Einfahrverbot nämlich ein Jahr früher ein. Aber dafür entlasten wir die Umwelt auch weniger, weil die 2. Stufe gar nicht kommt. – Das passiert, wenn man kein Leitbild hat. Dann rutscht man immer weiter von seinen eigenen Ideen weg.
Die CDU und die IHK wählen einen anderen Weg, der mir auch nicht gefällt; das ist dieses „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Da hat Herr Buchholz recht – so viele Ausnahmeregelungen in das Verfahren hineinzubringen, dass nachher außer dem Schild „Umweltzone“ am S-Bahn-Ring überhaupt nichts mehr von der Umweltzone übrigbleibt.
Herr Schmidt! Wenn Sie die Umweltzone als nicht zielführend ansehen, dann möchte ich Sie fragen, welches andere Konzept Sie denn haben, ob Sie z. B. an einer Citymautregelung wie in London interessiert sind und sie für politisch durchsetzbar halten, wo nachweislich die Verkehrsbelastung in der Innenstadt um 20 % abgenommen hat und damit auch die CO2-Belastung und die Feinstaubbelastung, der Energieverbrauch, der Ressourcenverbrauch usw. deutlich gesenkt wurden.
Ich denke, dass es da andere Lösungen gibt. Für mich ist der wesentliche Punkt der Schwerverkehr, der aus der Stadt herausgehalten werden muss. Wir können den Wirtschaftsverkehr durch innovative Lösungen, durch Verbund von Schiene, Schiff und Autos reduzieren. Feinstaubbelastungen kommen durch die Kraftwerke, deren Abgase von außen hereinwehen. Da kann man Vereinbarungen treffen. Man kann die Emission von Feinstaub durch Begrünung verhindern.
Ich denke, da gibt es ein ganzes Programm, das mehr schafft als das, was jetzt mit der Umweltzone gedacht ist.
Sie werden das noch sehen. Ich glaube, wenn Sie Ihre Messgeräte aufstellen, dann werden Sie nach der Einführung der Umweltzone sehen, dass das längst nicht so viel bringt, wie Sie denken. Die EU hat den Senat verpflichtet, die Belastung für die Bürger in der Innenstadt zu senken. Dann müssen Sie sich eben etwas anderes einfallen lassen. Wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt. Wir werden in den fortgesetzten Berlin-Konferenzen sicherlich gute Ideen erarbeiten, die Ihnen dabei helfen können.
Nächstes Beispiel für die Pseudo-Umweltpolitik – die Biotonne. Eine sinnvolle Kompostierung in den Gärten wird verhindert. Die Leute müssen das in die Biotonne tun, weil sie damit ausgerüstet werden. Es wird teurer, ja, Herr Buchholz, anders als Sie das in der Zeitung gesagt haben. Es ist eben so, wenn Sie über die Sammellogistik zwei Tonnen abholen müssen, dann wird es doppelt so teuer wie eine Tonne. Es ist ökologisch umstritten. Es gibt keinen geordneten Entsorgungsweg. Es gibt massenhaft Großstädte, wo der Kompost so kontaminiert ist, dass man ihn gar nicht ausbringen darf, sodass er anschließend in die Müllverbrennung gefahren wird. Was Sie da haben, ist wieder typisch gut gemeint, wirtschaftliche Belastung, ökologisch unsinnig, Quatsch!
In dieser Art kann man bei der Senatspolitik weitere Beispiele finden, vom Kohlekraftwerk bis zum Abwasser
konzept, vom Lärmschutz bis zur Abfallwirtschaft. Immer wieder ökologisch schwach, wirtschaftlich belastend und schlecht umgesetzt.
Deshalb brauchen wir ein Leitbild, auch mit ökologischen Komponenten. Die Opposition wird mit ihrer BerlinKonferenz – davon wird es noch mehr geben – gerne dazu beitragen, dass es Ideen gibt. Wir hoffen, dass der Senat das auch aufnimmt.
Deshalb, lieber Senat, trauen Sie sich doch einmal, einen großen Wurf vorzulegen, trauen Sie sich doch einmal, den Bürgern zu sagen, wohin die Reise auf Dauer gehen soll. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht, das von Ihnen einzufordern. Wir warten darauf, dass Sie dieses Recht endlich erfüllen und das tun, sagen, wohin die Reise gehen soll. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Doch! Frau Senatorin Lompscher meldet sich. – Bitte schön!
Das Thema interessiert mich. Deshalb sehen Sie mir nach, dass ich das Wort ergreife! Dabei will ich mich nicht auf Ihre Konferenz beziehen, sondern auf den internationalen Diskussionszusammenhang.
Die aktuelle klimapolitische Debatte hat enorme gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Bedeutung. Inzwischen wissen alle, die globale Oberflächentemperatur steigt kontinuierlich. Elf der letzten zwölf Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das beste Szenario des Weltklimaberichts lautet: bis 2100 durchschnittliche Erwärmung von 1,1 bis 2,9°C, Anstieg des Meeresspiegels um 19 bis 37 cm. Das verschafft uns Gewissheit, dass in einem historisch kurzen Zeitraum bis 2020 dramatische Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Folgen des Klimawandels für die Menschheit überhaupt beherrschbar zu machen. Mögen bei dem einen oder anderen wärmere und trocknere Sommer bei uns vielleicht noch nicht zu allgemeiner Verunsicherung führen, aber Millionen Menschen in den ärmeren Regionen der Welt könnten schlicht die letzten Lebensgrundlagen entzogen werden.
Die jüngsten klimapolitischen Beschlüsse der EU weisen zwar in die richtige Richtung, aber sie gehen nicht weit genug. Heute findet eine Sonderumweltministerkonferenz statt, die ich aus Respekt vor dem Parlament versäume, die sich mit dem Klimawandel beschäftigt und ehrgeizige
Klimaschutzziele beschließen wird. Berlin hat sich an der Vorbereitung mit weitreichenden eigenen Vorschlägen beteiligt.
Berlin hat – das kann man ohne die sprichwörtliche Berliner Großmäuligkeit behaupten – unter den großen Städten der Welt gute Voraussetzungen. Die Umweltqualität und damit die Lebensbedingungen sind nicht schlecht, sieht man von Luftverschmutzung und Lärm in dicht bebauten Innenstadtbereichen ab. Das öffentliche Nahverkehrssystem ist im internationalen Vergleich vorbildlich. Man kann in dieser Stadt gut ohne Auto leben – die Hälfte der Bewohner tut das auch –, wenn Mobilität alternativ möglich und bezahlbar ist.
Industrie und Gewerbe stabilisieren sich in dieser Stadt. Gerade jüngst gab es zwei neue Investitionen, übrigens von Solarunternehmen, in Adlershof. Die Umweltbelastung durch die Industrie hat sich stetig reduziert. Die grünen Lungen bieten vielfältigen Ausgleich für urbane Dichte. Dennoch müssen sie geschützt werden. Die Region hat großes touristisches Potenzial, auch für Naherholung und Urlaub vor der Haustür. Diese durchaus ermutigende Realität ist der Anknüpfungspunkt sowohl für Zukunftsvisionen als auch für politisches Handeln. Insofern bin ich gern bereit, mit Ihnen über Leitbilder zu diskutieren.
Wenn das ökologische Leitbild für Berlin weiterentwickelt werden soll, wogegen im Grunde nichts spricht, bietet es sich an, den hierzu erreichten Diskussionsstand zu beachten. Im Jahr 2000 ist die von der EU in Auftrag gegebene Berlin-Studie veröffentlicht worden, die von der damals regierenden großen Koalition zu Unrecht ignoriert wurde. Da sie in ihren Aussagen nicht überholt ist, wurde sie von Rot-Rot unverändert neu aufgelegt. Die BerlinStudie ist nach wie vor ein wichtiger Kompass für die strategische Ausrichtung der Stadtpolitik, auch im europäischen Kontext. Nur ein kurzes Zitat:
Nur wenn die Region in der Interaktion von Politik und Verwaltung, von Unternehmen und intermediären Institutionen die erforderlichen Weichen stellt, hat sie eine Chance, einen wettbewerbsfähigen, sozial ausgewogenen und zugleich ökologisch stabilen Entwicklungspfad einzuschlagen.
Das Leitbildelement der Berlin-Studie zum Thema Ökologie lautet: „Ökologisch attraktiv und verantwortungsvoll“. In diesem Sinne ist Rot-Rot seit 2002 tätig und kann dabei durchaus an die eine oder andere sinnvolle Vorgängeraktivität anknüpfen.
Die umweltpolitische Herausforderung unserer Tage ist der Klimaschutz. Dabei geht es gleichermaßen um lokale Strategien und übergreifende politische Initiativen. Berlin hat sich ehrgeizige Reduktionsziele für CO2-Emissionen gesetzt und setzt diese kontinuierlich um. Der Senat hat
das Landesenergieprogramm beschlossen. Darin sind zahlreiche konkrete Maßnahmen enthalten. Sie werfen uns immer vor, wir täten nichts, aber wir haben in die Wärmeschutzsanierung der Wohnungsbestände vor allem im Ostteil Berlins über 2 Milliarden € investiert. Damit ist der Heizwärmebedarf im Plattenbau nahezu halbiert worden. Wir haben öffentliche Gebäude energetisch saniert, jedes Jahr über 30 Kitas. Wir werden das ausweiten. Wir fördern Fernwärme, Solarthermie, Mikro-KWK-Anlagen. Wir haben Fifty-fifty-Projekte in Schulen und Kitas in Gang gesetzt und werden diese ausweiten. Zahlreiche weitere Projekte mit Dritten befinden sich in der Umsetzung. Ich nenne nur die Stichworte Contracting, freiwillige Vereinbarungen, Öko-Profit, Umweltallianz, Solardachbörse. Der Senat bereitet derzeit die Kompensation für CO2-Emissionen dienstlicher Flugreisen vor. Er wird höhere ökologische Standards für die Beschaffung von Dienstfahrzeugen festlegen und durchsetzen.
Im Übrigen verpflichtet uns das Parlament, dies im Jahr 2007 zu tun. Wir sind ja noch ziemlich am Anfang des Jahres. Die Koalition wird das Berliner Energieeinspargesetz von 1995 – zügig, aber nicht überstürzt – novellieren und dabei die avisierten europa- und bundesrechtlichen Vorgaben berücksichtigen. In der vorigen Woche, am 15. März, habe ich mit der Vorstandsvorsitzenden der BSR eine Kooperationsvereinbarung zum Klimaschutz unterzeichnet. Damit hat sich die BSR als erstes landeseigenes Unternehmen verbindlich zur Erreichung von Klimaschutzzielen verpflichtet. Dieses Signal ist für weitere öffentliche Unternehmen und auch für die Wirtschaft insgesamt wichtig.