Protocol of the Session on September 1, 2011

[Zurufe von der Linksfraktion]

Aber innerhalb dieses Haushalts werden wir uns der Mühe unterziehen müssen, bedeutende Umschichtungen vorzunehmen zugunsten von Bildung, zugunsten von Klimaschutz, zugunsten der Senkung des Energieverbrauchs, zugunsten der Energiewende und des Atomausstiegs. Alles Dinge, die für Sie politisch bisher überhaupt nicht existieren, nach der Wahl hier in der Stadt aber beginnen werden zu existieren, und Wirklichkeit zu werden. Das kann ich Ihnen versprechen!

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von Dilek Kolat (SPD) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Danke schön, Herr Kollege Esser! – Für die Linksfraktion hat nunmehr Frau Matuschek das Wort. – Bitte schön, Frau Matuschek!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden und im Wahlkampf hört man es überall: Es gibt die Meinung, dieser Haushalt sei nur Makulatur und nicht ernst zu nehmen. Ich kann dazu nur sagen: Das ist ein Trugschluss, oder es ist Wählerbetrug.

[Andreas Gram (CDU): Der Haushalt! Ja, da haben Sie recht!]

Dieser Haushalt ist die finanzpolitische Grundlage, auf der die Wahlaussagen aller Parteien einem Lackmustest auf Realitätsgehalt unterzogen werden. Da wird es sich sehr schnell erweisen, dass die Wunschzettel der Grünen

nicht zu finanzieren sind. Genau so schnell wird offenbar werden, dass die CDU gewillt ist, die Sozialausgaben massiv zu beschneiden.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Genau!]

Wir Linke legen eindeutig den Schwerpunkt auf die soziale Balance der Stadt. Aber, man muss auch eingestehen: Dieser Haushalt ist wie kein anderer zuvor von externen Faktoren abhängig. Er steht unter besonderer Aufsicht durch den Stabilitätsrat und muss das strukturelle Defizit jährlich um 200 Millionen Euro senken. Keine Partei kann sich diesen Zwängen entziehen. Hinzu kommt: Die hauptstadtbedingten Sonderbelastungen Berlins, seien es Polizeieinsätze, die Verlängerung der U 5 oder die Unterhaltung der sowjetischen Ehrenmale, zu der sich die Bundesrepublik vertraglich verpflichtet hat, übersteigen bei Weitem die Zahlungen des Bundes für seine Hauptstadt. Das arme Berlin trägt diese Lasten der Hauptstadt, und die Bundesregierung lacht sich darüber ins Fäustchen.

Weiterhin ist der sukzessive Abbau der Solidarpaktmittel zu nennen, vor allem aber der Einnahmeverlust aufgrund von Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene. Dieser Einnahmeverlust schlägt auf den Berliner Haushalt mit aller Wucht durch. Diese Einnahmeverluste betragen im kommenden Doppelhaushalt über 1,8 Milliarden Euro. Ohne diese Steuerrechtsänderungen hätten wir einen ausgeglichenen Haushalt. Das sollte die FDP einmal plakatieren. Berlin hat ein Einnahme- und kein Ausgabeproblem.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Opposition wirft uns Verschwendung vor. Fakt ist aber: Berlin hat in den letzten zehn Jahren seine Ausgaben um nur 2 Prozent erhöht. Die Bundesländer Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern haben hingegen Ausgabesteigerungen von 20 Prozent, Hessen und das Saarland sogar um fast 30 Prozent hingelegt. Berlin ist unter Rot-Rot das Land mit der größten Ausgabedisziplin, und das haben wir geschafft, ohne die Stadt kaputtzusparen.

Die Opposition wirft uns Schuldenmacherei vor. Fakt ist aber: Während unter Finanzsenator Pieroth – Klammer auf: CDU, Klammer zu – in nur vier Jahren der Schuldenstand um 250 Prozent gesteigert worden ist, haben wir unter Rot-Rot das Finanzierungsdefizit je Einwohner von 1 500 Euro auf 400 Euro gesenkt, und sind damit übrigens besser als Hamburg. Das sollte die CDU einmal plakatieren.

[Beifall bei der Linksfraktion – Uwe Goetze (CDU): Wir plakatieren Fotos von Ostberlin aus dem Jahr 1989!]

Die Opposition wirft uns Konzeptlosigkeit vor. Fakt ist aber: Wir setzen Schwerpunkte. Wir haben Wort gehalten und geben nunmehr allein für die Kitabetreuung 1 Milliarde Euro aus. Das sind Investitionen in die Zukunft dieser Stadt. Wir haben Wort gehalten und haben die große Schulreform durchgeführt, und übrigens auch das Schulanlagensanierungsprogramm fortgeführt, aus

gestattet mit jährlich 30 Millionen Euro. Wir stärken die Entwicklungspotenziale, die Berlin hat, im Tourismus, in der Kulturwirtschaft, in der Verkehrstechnologie, in der Gesundheitswirtschaft. Es kommen neue Potenziale hinzu. Beispielgebend seien die Nachnutzung von Tempelhof und Tegel genannt. Für beide Gebiete sind erhebliche Finanzmittel reserviert, um insbesondere in Tegel neue gewerbliche Impulse zu setzen.

Für die nächste Legislaturperiode aber sollte es nach unserer Vorstellung wieder einen ressortübergreifenden Parlamentsausschuss geben, der die Entwicklung und Finanzierung der Maßnahmen in Tegel und Tempelhof unter gezielte parlamentarische Kontrolle nimmt, um Fehlentwicklungen oder Intransparenz mit der ganzen Kraft des Parlaments rechtzeitig zu identifizieren und zu vermeiden.

Meine Damen und Herren! Ich habe es schon gesagt: Dieser Haushalt gibt die Blaupause für zukünftiges Agieren. Für meine Partei stelle ich dazu eindeutig fest: Wir werden nachbessern. Wir werden nachbessern beim Personal, um zu einem neuen und den Berliner Bedürfnissen gerecht werdenden Personalentwicklungskonzept zu kommen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir werden nachbessern beim öffentlichen Beschäftigungssektor,

[Beifall bei der Linksfraktion]

denn viele Projekte, die zum Beispiel im Ressort der Stadtentwicklung unter der Überschrift „Soziale Stadt“ oder „Quartiersmanagement“ laufen, wären ohne den öffentlichen Beschäftigungssektor nicht möglich.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wer soziale Stadtpolitik in Anspruch nimmt, werte Kollegen von der SPD, der muss auch öffentliche Beschäftigung fördern und finanzieren.

Wir werden nachbessern bei den Kosten der Unterkunft, denn es ist unzureichend, sich selbst als Mieterschutzpartei – auch dies geht in die Richtung SPD – zu definieren. Man muss auch den Bedürftigen angemessene Mietzuschüsse gewähren, um sie in den Kiezen zu halten und vor Zwangsumzügen zu schützen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Als Fazit meiner Rede will ich – das sei mir in Wahlkampfzeiten gestattet – klipp und klar sagen: Wer will, dass Berlin weiter zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft, wer will, dass öffentliche Daseinsvorsorge öffentlich bleibt und damit dem Renditedruck entzogen wird, wer will, dass das soziale Berlin sozial bleibt und noch sozialer wird, der muss schon die Linke wählen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin! – Jetzt hat für die FDPFraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Meyer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Esser hat ja schon ein paar Worte des Bedauerns gefunden, weswegen Herr Sarrazin hier vielleicht der bessere Finanzsenator gewesen wäre, der einen Haushalt einbringt. Ich möchte noch ergänzen: Bei Thilo Sarrazin war es so, dass er die Einbringung des Haushalts dafür genutzt hat, eine grobe Linie zu zeichnen, wie er sich die Haushaltsentwicklung für die nächsten fünf bis zehn Jahre hier in der Stadt vorstellt.

[Zuruf von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)]

Er hat vor allem immer Rot-Rot einiges ins Stammbuch geschrieben, frei quasi von der Abhängigkeit von Koalitionsmehrheiten. Das ist leider unter Ihnen, Herr Nußbaum, komplett eingeschlafen. Sie behaupten zwar immer, unabhängig von dieser Koalition zu sein,

[Zurufe von der Linksfraktion]

tatsächlich haben Sie aber nicht den Mut, sich gegenüber den Abgeordneten von Rot-Rot in irgendeiner Form durchzusetzen und auch mal unangenehme Wahrheiten zu formulieren.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Was Sie eben formuliert haben, Herr Nußbaum, dass Sie ja auf jeden Fall den Haushalt haben einbringen wollen, ich glaube, es war umgekehrt, wenn nicht die drei Oppositionsfraktionen sich hier so deutlich positioniert hätten, dann hätten Sie das eben nicht gemacht. Sie haben sich auf Ihre Art und Weise dann revanchiert, indem Sie in der Finanzplanung und teilweise auch im Haushalt – es wurde von meinen Vorrednern schon erwähnt – uns halt doch nur ein sehr dünnes Papierchen hier abgeliefert haben und einiges an Nachbesserungen noch auf uns wartet. Das glaubt ja offensichtlich sogar Frau Matuschek, wenn ich sie eben richtig verstanden habe.

Wenn wir uns das Erbe von Rot-Rot angucken, dann kann man dieses nur als desaströs bezeichnen. Frau Kolat, von 38 Milliarden Euro Schulden auf jetzt 63 Milliarden Euro Schulden, das ist die Bilanz von Rot-Rot. Wenn Sie sich jetzt hier allen Ernstes hinstellen und behaupten, dass es so hätte ja auch weitergehen können wie im Jahr 2001, dann ist das wirklich eine Lachnummer, und man fragt sich, wie Sie allen Ernstes hier seriös Haushaltspolitik für die größte Fraktion im Hause betreiben wollen.

[Beifall bei der FDP]

Ich muss Sie auch daran erinnern, Frau Kolat, dass Sie die Bank nicht freiwillig verkauft haben, sondern dass Sie von Brüssel dazu gezwungen wurden, die Bank zu verkaufen.

[Zurufe von der SPD]

Und wenn Sie nicht von Brüssel dazu gezwungen worden wären, dann hätten wir die Bank wahrscheinlich heute noch am Hals und würden heute über ganz andere Probleme reden.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wenn und hätte hilft uns aber nicht weiter!]

Zur finanzpolitischen Ehrlichkeit hätte es auch dazugehört, Frau Kolat, Ihre Partei auf der Bundesebene ist ja für die Einführung von Eurobonds, die Grünen ja auch, dass Sie ein paar Sätze dazu verloren hätten, was das denn für unseren Haushalt hier in Berlin bedeutet hätte, wenn wir hier ein nachhaltig steigendes Zinsniveau in den nächsten Jahren zu verkraften hätten.

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Denn – auch das ist das Ergebnis – nur das konjunkturelle Umfeld durch die gute bundespolitische konjunkturelle Lage rettet Ihren Haushalt. Die Einnahmeverbesserungen in den letzten Jahren retten Ihr Haushaltswerk. Dazu kommt noch das niedrige Zinsniveau, das Sie auch nicht zu verantworten haben, Herr Nußbaum, Sie haben zumindest ehrlicherweise darauf hingewiesen, dass das vermutlich nicht immer so sein wird. Dennoch – wenn wir uns die Statusberichte der letzten Jahre angeguckt haben, wenn das Zinsniveau sich auch nur einigermaßen so eingestellt hätte, wie Sie es immer geplant hätten, dann wären Ihre Ausgabenlinien komplett Makulatur gewesen.

[Beifall bei der FDP]

Und noch ein Satz ein bisschen zu Herrn Nußbaum, aber auch zu Frau Matuschek, weil sie wieder hier erzählt haben, was ihnen durch die schwarz-gelbe Bundesregierung alles an Einnahmen verlorengegangen ist. Wenn Sie sich angucken, was das Land Berlin an Mehreinnahmen durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch die schwarz-gelbe Bundesregierung bekommt, und das vergleichen mit den Mindereinnahmen auf der Einnahmeseite durch Entscheidungen von Schwarz-Gelb, dann kriegt das Land Berlin zurzeit mehr Geld, als es vor der schwarz-gelben Koalition der Fall war. Mag sein, dass da das, was die SPD zusammen mit der CDU vereinbart hat, noch eine ganze Menge mehr war, aber da müssten Sie sich mal mit Ihrem Koalitionspartner unterhalten, Frau Matuschek, und es wäre gut, wenn Sie und auch Herr Nußbaum sich bald mal ein bisschen dankbarer gegenüber der Bundesregierung verhalten werden,

[Gelächter bei der Linksfraktion – Zurufe von der Linksfraktion]

dass wir hier einen mehrstelligen Millionenbetrag für das Land Berlin mit der Übernahme der Grundsicherung gesichert haben.

[Beifall bei der FDP]