Protocol of the Session on March 8, 2007

Der Bildungssenator Prof. Zöllner beantwortet diese Frage und hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum jetzigen Zeitpunkt sind 249 Lehrerinnen und Lehrer aufgrund dieser Aktion tätig oder unterschreiben in den nächsten Jahren entsprechende Verträge. Die Einstellung dieser Damen und Herren geht auf ca. 750 Telefon- oder E-MailKontakte zurück. Darüber hinaus rekrutiert sich diese Gruppe von 249 aus einer der Verwaltung vorliegenden und permanent vorgehaltenen Bewerberliste mit etwa 2 000 Bewerberinnen und Bewerbern. Diese kommen zu einem sehr großen und relevanten Anteil aus anderen Bundesländern. Die konkrete Zahl derjenigen, die sich auf diese Stellen beworben haben, kann daher nicht genannt oder identifiziert werden.

Ich komme zur Frage 2: Es sind Lehrer für alle Fächer eingestellt worden, weil es um eine Aktion ging, konkret

Vertretungsausfälle auszugleichen und den Schulen zu helfen, sodass die Fächerwahl durch die Fächer der ausgefallenen Stelle bedingt war. Es erfolgten Einstellungen mit den Schwerpunkten im Grundschulbereich, im naturwissenschaftlichen Bereich und bei Fremdsprachen.

Das Vorgehen der befristeten Einstellung geht rein formal auf eine entsprechende Entscheidung des Senats zurück, die das ermöglichte, wobei diese vernünftige Entscheidung des Senats auf die Tatsache zurückgeht, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt – an dem der Bedarf des neuen Schuljahres noch nicht bekannt ist – nicht feststellen lässt, in welchem Umfang und in welchem Bereich letzten Endes für das nächste Schuljahr und damit kalkulierbar auf Dauer ein Bedarf vorliegen wird. Wir wissen alle – auch die Opposition –, dass die Zahl der Schüler rückläufig ist.

Darüber hinaus und unabhängig davon hätte ich auch nur zeitlich befristete Einstellungen vorgenommen, selbst wenn diese Entscheidung des Senats nicht vorliegen würde, weil ich daran interessiert war, den Schulen möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen, tatsächlich mit dem Problem des Unterrichtsausfalls fertig zu werden, was eine länger notwendige Auswahl zur optimalen Besetzung auch in Mangelfächern nicht ermöglicht hätte.

Ferner muss jedem bewusst sein, der eine Dauereinstellung in dieser Situation für den betroffenen Personenkreis fordert, dass er damit den Einstellungskorridor, der für die Einstellung von hochqualifizierten Absolventen des Referendariats zu Beginn des neuen Schuljahres relevant sein wird, um die Größenordnung der jetzigen Einstellungen verringert und damit meine primäre Intention, möglichst vielen jungen hochqualifizierten Referendariatsabsolventen aus Berlin eine faire Chance zu geben, entscheidend verringert hätte.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Prof. Zöllner! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Mutlu. – Bitte schön, Herr Mutlu, Sie haben das Wort!

Herr Senator! Seit Jahren bewegt sich der Unterrichtsausfall um etwa 11 %. Gehen Sie davon aus, dass dieser Ausfall zum neuen Schuljahr rapide sinken wird? Ist Ihnen bekannt, dass aufgrund der Einstellungsmodalitäten in Berlin zahlreiche gute, von Berliner Steuergeldern ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer dieses Land bereits verlassen haben? Daher kann ich Ihre letzte Ausführung nicht nachvollziehen.

Danke schön, Herr Abgeordneter! – Herr Prof. Zöllner, bitte schön!

Herr Mutlu! Ich bin gern bereit, Ihnen sowohl hier als auch in einem längeren persönlichen Gespräch zu erklären, was Unterrichtsausfall ist. Ich bin aber nicht bereit, Ihre dauernden Unterstellungen zu akzeptieren, dass es an Berliner Schulen einen Unterrichtsausfall von 10 % gibt. Dieser Unterricht findet statt. Wir können es gern in einem persönlichen Gespräch klären. Ich bin stolz darauf, dass auch in Berlin Lehrerinnen und Lehrer in der Lage sind, sinnvollen Unterricht zu geben, selbst wenn er nicht fachgebunden ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Auch Ihre zweite Behauptung ist unzutreffend. Gerade weil mir bewusst ist, dass viele hochqualifizierte Absolventen des Referendariatsdienstes in Berlin aufgrund der demografischen Entwicklung und der zurückgehenden Schülerzahl in Berlin leider in der Vergangenheit und heute keine Chance hatten, einen Arbeitsplatz in Berlin zu erhalten, gebe ich mir Mühe und bin nicht bereit, eine Chance zu verspielen, diesen wenigstens im kommenden Schuljahr eine Möglichkeit zu bieten, in Berlin einen Arbeitsplatz zu erhalten. Damit möchte ich den notwendigen Impuls auch in der Lehrerschaft setzen, dass hochqualifizierte Menschen, die wir selbst ausgebildet haben, eine Chance erhalten, im eigenen System tätig zu sein und damit die Motivation der Schule zu erhöhen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Daniel Buchholz (SPD): Richtig!]

Drittens gehe ich davon aus, dass die konzentrierten Anstrengungen und das primäre und wichtigste Ziel der Senatsverwaltung und des zuständigen Senators im Augenblick sind, den Unterrichtsausfall, der in einer Größenordnung weit von Ihren Erwähnungen entfernt liegt, auch noch zu minimieren und letzten Endes damit die nötige Motivation in den Schulen zu schaffen, sich engagiert der Aufgabe unserer jungen Menschen zu widmen.

Danke schön, Herr Prof. Zöllner! – Nun gibt es noch eine Nachfrage des Kollegen Mutlu. – Bitte schön!

Herr Senator Zöllner! Ist Ihnen die Lehrerbedarfsprognose des Berliner Senats bekannt, aus der deutlich für die Jahre bis 2012 hervorgeht, dass wir einen durchschnittlichen jährlichen Einstellungsbedarf von 1 000 bis 1 200, eingerechnet des Schülerrückgangs, haben? Ist Ihnen auch bekannt, dass die Ihnen vorliegende Bewerberliste längst veraltet ist? Ich habe etliche Zuschriften von Lehrerinnen und Lehrern bekommen, die zur Anstellung angefragt wurden, aber seit ein bis zwei Jahren schon in Hessen, in Nordrhein-Westfalen oder Nachbarland Brandenburg eingestellt sind.

Herr Prof. Zöllner!

Ich habe in der kurzen Zeit, in der ich hier bin, schon viele Tabellen und Zahlen gesehen. Ich werde engagiert an eigenen Tabellen und Zahlen arbeiten,

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

weil nur auf einer soliden Grundlage eine solide Planung vorgenommen werden kann.

Zu Ihrer Frage 2 möchte ich Folgendes anmerken: Wenn meine Senatsverwaltung 14-tägig alle Bewerberinnen und Bewerber anschriebe, um zu fragen, ob sie irgendwo schon eine Stelle angenommen hätten, erhielte ich eine Kleine Anfrage von Ihnen, was mir einfiele, die Leute derart zu belästigen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Danke schön, Herr Senator Zöllner!

Jetzt kommen wir zu einer Frage der Frau Kollegin Senftleben von der Fraktion der FDP zum Thema

Jedes 10. Ganztagsschulkind hungert an Berlins Schulen – und der Senat schaut weg?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Sieht der Senat Anlass zu schnellem Handeln angesichts der Vorwürfe des Koordinators für Grundschulen beim Landeselternausschuss, dass jedes 10. Kind an gebundenen Ganztagsschulen von der Schulspeisung ausgeschlossen sei und hungern müsse?

2. Angesichts der Tatsache, dass die Schulspeisung integraler Bestandteil der gebundenen Ganztagsschule ist, bitte ich den Senat zu erklären, welche konkreten Maßnahmen er treffen will, um diese schlimmen Zustände schnellstmöglich zu beenden?

Danke schön, Frau Senftleben! – Der Bildungssenator, Herr Prof. Zöllner, hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Senftleben! Zu 1: Der Senat schaut natürlich nicht weg, wenn es um das Wohlergehen unserer Schulkinder geht.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Das hoffe ich!]

Vom Beginn der Einführung der schulergänzenden Betreuung an haben wir unser Augenmerk auf die Teilnahme der Kinder am Mittagessen gerichtet. Ich sage deutlich: Kein Kind wird von der Schulspeisung ausgeschlossen. Allerdings haben wir an unseren Schulen – darüber können wir besonders zufrieden sein – die höchste Beteiligung an den Angeboten einer ganztägigen Schulbetreuung. An dieser nehmen bundesweit – es ist ein bundesweites Problem – nicht immer alle hundertprozentig teil.

Zunächst muss ich darauf hinweisen, dass an der gebundenen Ganztagsschule keine Teilnahmepflicht für die Mittagsmahlzeit besteht. Diese gibt es ausdrücklich nicht. Die bestehende Rechtsgrundlage schließt einen Zwang zur Teilnahme aus.

Weil es uns angeht, weil wir uns darüber Sorgen machen und weil die Situation, die Sie beschrieben haben, tatsächlich in Einzelfällen vorkommt und uns bewegt, haben wir letztes Jahr eine Umfrage zur Essensteilnahme durchgeführt. Danach nehmen 89 % aller Schülerinnen und Schüler am Essen teil. Der Umkehrschluss, dass die Nichtteilnehmer alle hungern müssten, entspricht allerdings nicht der Realität. In den Begründungen für die Nichtteilnahme wurden zu ungefähr einem Drittel finanzielle Engpässe angegeben, aber es wurden auch familiäre organisatorische Gründe in bedeutender Größenordnung genannt. Die Möglichkeit, Pausenbrote oder ähnliches mitgebrachtes Essen zu sich zu nehmen, wurde in dieser Abfrage leider nicht erfasst. Wir müssen sie in diesem Zusammenhang auch in Rechnung stellen.

Allerdings erhielten Kinder in Einzelfällen durch den Caterer kein Essen, weil die Eltern die vereinbarten Beiträge nicht bezahlt hatten. Für diese wenigen Fälle – die Größenordnung ist offensichtlich eine ganz andere als die, die aus einem Eindruck heraus genannt wurde – haben die Schulen kreative Lösungen gefunden, die jedoch nicht auf alle Fälle übertragen werden können.

Ein wesentliches Ergebnis der erwähnten Umfrage ist die Tatsache, dass an Schulen mit gleichem sozialem Umfeld die Teilnahme sehr unterschiedlich ausfällt. Schulen, die eine fast hundertprozentige Teilnahme ausweisen, berichten, dass sie durch pädagogische Gespräche mit den Eltern diese vollständige Teilnahme erreichen konnten. In diesem Sinne wird die Arbeit an den Schulen verstärkt.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich weise noch einmal darauf hin, dass es keine Verpflichtung gibt, an gebundenen Ganztagsschulen an dem Mittagessen teilzunehmen. Dazu

müsste das Schulgesetz geändert werden. Das ist derzeitig nicht vorgesehen. Bundesweit – diesen Hinweis gab ich vorhin schon – betrifft diese Problematik übrigens ca. 15 % aller Schülerinnen und Schüler, also insgesamt 165 000 Kinder. Aus diesem Grunde beteiligen wir uns offensiv an einer grundsätzlichen Lösung des Problems. Im Bundesrat wird zurzeit ein Gesetzentwurf diskutiert, der auf eine Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches, § 21, Grundsicherung für Arbeitsuchende, abzielt. Dabei wird vorgeschlagen, den Mehrbedarf für Eltern zu finanzieren, deren Kinder eine Ganztagsschule besuchen und am Mittagessen teilnehmen. Es wäre aus meiner Sicht allerdings sicherzustellen, dass dieser Betrag direkt dem Anbieter der Schulverpflegung zukommt, damit die Familie den Betrag nicht anderweitig verwendet.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage von Frau Senftleben. – Dazu haben Sie das Wort und gleich auch das Mikrofon.

Vielen Dank! – Herr Senator! Ich frage noch einmal nach: Sind Sie wirklich der Meinung, dass für den Arbeitsuchenden mehr Kosten entstehen, wenn Kinder an der Speisung an einer gebundenen Ganztagsschule teilnehmen? Gehört es nicht letztlich – ob arbeitsuchend oder nicht – zur Aufgabe der Eltern, diese Ernährung für die eigenen Kinder sicherzustellen? Wenn eine Änderung des SGB II beabsichtigt ist, werden wir hier wahrscheinlich nicht zu einer Lösung kommen.

Das gehört nicht mehr zur Frage, Frau Senftleben. Wir haben die Frage schon verstanden und auch, warum Sie sie gestellt haben. – Bitte schön, Herr Senator Zöllner!

Das wird jetzt überraschen: Ich stimme Ihnen zu. Ich bleibe aber trotzdem bei meiner Folgerung. Ich gehe davon aus, dass ihm keine Mehrkosten entstehen. Aber ich kann das Problem lösen, wenn ich es über den von mir beschriebenen Weg, und zwar im Sinne der Kinder, löse. Da ist es mir nicht so wichtig, dass ich recht behalte, dass keine Mehrkosten entstehen, sondern dass die Kinder etwas zu essen bekommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Prof. Zöllner! – Es gibt noch eine Nachfrage von Frau Demirbüken. – Bitte schön, Frau Demirbüken! Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Danke! – Herr Prof. Zöllner! Wie Sie vorhin schon erwähnt haben, müssen die Eltern, deren Kinder die gebundene Ganztagsschule besuchen, 42 € bezahlen. Für Kinder in der Hortbetreuung müssen für Betreuung und Essen teilweise nur 23 € bezahlt werden. Gibt es Ihrer Meinung nach Wege für mehr Gerechtigkeit zwischen Hortkindern und Ganztagsschulkindern?

Herr Senator Zöllner!

Ich weiß nicht, was Sie unter Gerechtigkeit verstehen. Wenn Sie darunter den gleichen Betrag verstehen, ließe sich eine Angleichung in zwei verschiedenen Richtungen erreichen.

Zweitens kann ich nicht abschätzen, inwieweit die Menge und die Qualität des Essens hier eine Rolle spielt. Der Betrag von 43 € für ein Mittagessen für einen Monat entspricht – zumindest nach meiner Lebenserfahrung, selbst wenn sie hinsichtlich des täglichen Einkaufens beschränkt ist – den Realitäten. Diese Kosten entstehen tatsächlich und sind eher noch sehr niedrig angesetzt, sodass ich dahinter prinzipiell keine Ungerechtigkeit vermute, wenn für einen ganzen Monat Mittagessen 43 € gezahlt werden.