Ab dem Jahr 2013 gilt ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle unter Dreijährigen. Darauf scheint Berlin überhaupt nicht vorbereitet zu sein. – Sie lassen die Bezirke und die freien Träger damit absolut allein, Herr Zöllner! Das schaffen Sie nicht allein. Sie sind zuständig. Sie müssen eine landesweite Kitaplanung vorlegen. Die Zahlen, die Sie bis heute vorgelegt haben, stimmen hinten und vorne nicht. Das war die ganzen letzten Jahre der Fall, und deswegen haben wir jetzt diese Malaise.
Es macht den Eindruck, dass Sie sich vom Regieren verabschiedet haben, Herr Zöllner! So geht es aber nicht. Das Problem der fehlenden Kitaplätze werden Sie nicht bis zur Wahl aussitzen und der nächsten Regierung vor die Füße kippen können. Sie müssen jetzt mit einem Notprogramm für die Bezirke reagieren. Sie müssen Räumlichkeiten für die Kitas bereitstellen. Es kann nicht sein, dass Bezirke jahrelang darauf warten, dass Kitagebäude, die man dringend braucht, rückübertragen werden. Wenn Sie im Sommer nicht plakatieren wollen „Sei schwanger, sei auf Kitaplatzsuche, sei Berlin“, machen Sie sich jetzt schleunigst an die Arbeit und legen Sie das Notprogramm für die Bezirke und die freien Träger endlich einmal vor!
Danke schön, Frau Kollegin Pop! – Für die Linksfraktion hat nunmehr Frau Seelig das Wort. – Bitte schön, Frau Seelig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Begründung, warum das auch von uns beantragte Thema aktuell ist, liegt aus zwei Gründen auf der Hand: Zum einen sind es die zwei brutalen Überfälle, die in den letzten Wochen auf Bahnhöfen stattfanden und die Öffentlichkeit in hohem Maße beschäftigt haben. Hinzu kommt, dass bei der Gewalttat auf dem Bahnhof Lichtenberg verschiedene Aspekte zusammenkommen, die diskussionswürdig sind. Da ist zum einen die Schwere und Grundlosigkeit der Gewalttat von Jugendlichen, deren Opfer noch immer im Koma liegt. Es ist aber auch die fehlende Zivilcourage anwesender Zeugen, worüber wir nachdenken müssen. Auch gibt es die Frage nach der Funktion von Videoüberwachung. In diesem Fall hat sie dazu geführt, dass die Täter dingfest gemacht werden konnten. Aber Gefahrenabwehr findet offensichtlich nur in einem sehr abstrakten Sinn statt. Das ist nicht unwichtig für die Evaluierung von Gesetzgebung.
Die GdP hält im Übrigen in einer aktuellen Presseerklärung die Videoüberwachung nur bedingt für sinnvoll. Nach ihrer Meinung verhindert auch nicht die 48
Stunden-Speicherung Gewalt. Es geht darum, zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren und von den reflexartigen Rufen nach neuen, alten Patentlösungen – wie bei der CDU zu beobachten – wegzukommen.
Natürlich braucht niemand eine Bürgerwehr. Der freiwillige Polizeidienst, ehemals als Antwort auf die Ostberliner Kampfgruppen als Freiwillige Polizeireserve gegründet und skandalgeschüttelt, ist zu Recht abgeschafft.
Hoheitliche Aufgaben sind ausschließlich gut ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten vorbehalten. Die Zivilgesellschaft, das freiwillige Engagement, ist an anderen Stellen gefragt. Wir denken an die Zusammenarbeit mit den Präventionsbeauftragten in den Abschnitten, an Runde Tische zum Thema Sicherheit in den Kiezen und an neue Ansätze der BVG. Wir begrüßen ausdrücklich, dass in Zukunft auch Fahrkartenkontrolleure mit BVG-Uniformen ausgestattet werden und mehr Personal auf den Bahnhöfen das subjektive Sicherheitsgefühl stärken wird. Die Tatsache, dass Gewalttaten im ÖPNV um 3,3 Prozent abgenommen haben, ist nach spektakulären Fällen wie den zwei aktuellen schwer zu vermitteln.
Letztlich ist dies auch der Grund, warum wir uns trotz hoher Aktualität unseres Themas dem Thema der FDP anschließen werden. Wir brauchen fachliche und sachliche Auseinandersetzungen, am besten in den dafür zuständigen Ausschüssen, und fürchten, dass die Aktuelle Stunde ansonsten, wie vom Kollegen Juhnke schon vorgeführt, zu einem Vorwahlkampfgetümmel ausartet, was der Problematik in keiner Weise angemessen ist. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Seelig! – Jetzt hat Frau Senftleben für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte schön, Frau Senftleben!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Herren! Meine Damen! Am vergangenen Wochenende konnte man es wieder in allen Zeitungen lesen: „Kitaplatz Mangelware!“ – Der Senat hat seinen Einsatz gründlich verpennt, die rot-rote Bildungsreformitis hat offensichtlich das Wichtigste, das Allerwichtigste aus den Augen verloren, nämlich die Berliner Schüler und Eltern.
Die Debatte um den Kitaplatzmangel geht nun in die nächste Runde. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kündigt ein Defizit von ca. 15 000 Plätzen an. Ein Plan des Senats, wie dieses Defizit zu decken ist, ist nicht vorhanden. Was wirklich skurril ist: Der Senat lehnt es auch ab, die Eltern bei der Suche eines Kitaplatzes zu unterstützen,
denn der Senat erfasst nicht die freien Plätze, er erfasst die belegten Plätze. Das ist in der Tat skurril.
Die Wartelisten werden immer länger. Der Eigenbetrieb Nordost, der immerhin ca. 9 000 Kinder betreut, kündigt an, die vorgesehenen Gruppengrößen aus Mangel an Personal nicht einhalten zu können. Das Gesetz sieht etwas anderes vor, und – wohlgemerkt – wir sprechen hier von einem Kitaeigenbetrieb. Die Situation der Kitas ist angespannt. Unterstützung des Senats – Fragezeichen! „Tausche Brautkleid gegen Kitaplatz“ – treffender kann man die Situation nicht auf einen Punkt bringen. Lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen, Herr Senator! Lassen wir es uns alle auf der Zunge zergehen: „Tausche Brautkleid gegen Kitaplatz“. Dieses Thema ist aktuell und daher heute genau das Richtige.
Die erschreckend geringe Voraussicht des Senats in seiner Bildungspolitik beweist täglich: Vordenken ist halt nicht sein Ding. Obwohl erfreulicherweise mehr Kinder in Berlin geboren werden, ist man nunmehr überrascht, ja man versteht eigentlich die Welt nicht mehr. Es gibt nicht mehr genügend Kitaplätze, und ob der Betreuungsanspruch der unter Dreijährigen ab 2013 gewährleistet wird – wiederum großes Fragezeichen! Hinzu kommt der Fachkräftemangel, durch den die Situation verschlimmert wird.
Ja, in dieser Aktuellen Stunde geht es so ein bisschen um ein Bildungspotpourri. Eigentlich müsste das Thema Lehrermangel noch hinzugefügt werden, denn auch da knirscht es ja an allen Ecken und Enden. Aber – da bin ich bei Ihnen – dieses Thema würde den Umfang dieser Aktuellen Stunde wahrlich sprengen, und außerdem wird das Thema Lehrermangel an Aktualität nichts verlieren. Ich bin sicher, auch zu diesem Thema wird es demnächst eine Aktuelle Stunde geben, ja geben müssen. – Vielen Dank!
Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der FDP, für den sich im Ältestenrat eine Mehrheit abgezeichnet hat. Wer dieser Aktuellen Stunde seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die FDP, die SPD und die Linke. – Danke! Die Gegenprobe! – Das sind CDU und Bündnis 90. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Das Thema rufe ich unter Tagesordnungspunkt 3 auf. Die anderen Themen haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsensliste sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. Sollte dies im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, bitte ich um entsprechende Mitteilung.
Für die heutige Sitzung ist der Regierende Bürgermeister ab 19.30 Uhr entschuldigt, weil er das Festival Internationale Neue Dramatik 2011 eröffnen wird.
Die Fraktion der SPD hatte darum gebeten, die Fragen Nr. 1 und 6 zu tauschen. Bevor wir damit anfangen, sollten alle, die ein Kommunikationsbedürfnis haben, am besten nach draußen gehen, damit hier ein bisschen Ruhe einkehrt. – So lange warten wir, Herr Dr. Felgentreu! – Auch die Kulturpolitiker, Kollege Flierl! Draußen kommunizieren stört keinen. Wahlkampf ist draußen auch. Hier drinnen auch. – Jetzt, Herr Dr. Felgentreu, haben Sie das Wort für die Anfrage
Vielen Dank, Herr Präsident! Gestatten Sie mir die Anmerkung, dass natürlich auch diejenigen, die im Raum verblieben sind, ein Kommunikationsbedürfnis haben!
1. Wie bewertet der Senat die Effektivität der in den Promotionsordnungen der Berliner Hochschulen geregelten Verfahren in Hinsicht auf die Qualitätssicherung von Dissertationen?
2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Qualitätssicherung im Interesse des internationalen Wissenschaftsstandortes Berlin zu verbessern?
Danke schön, Herr Kollege Dr. Felgentreu! – Der Bildungssenator Prof. Zöllner hat das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Felgentreu! Zur Frage 1: Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass zur Sicherung der wissenschaftlichen Qualität von Promotionen ein vielfältiges Instrumentarium ineinandergreift, welches bei Weitem über das hinausgeht, was in den Promotionsordnungen selbst festgehalten ist. Das reicht von der Vermittlung von Standards und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, was
spätestens im grundständigen Studium beginnen muss, bis hin zum stetig wachsenden Angebot strukturierter Promotionsprogramme, die mit einer curricular eingebetteten Ausbildung Promovierender und einer hohen Betreuungsintensität hohe wissenschaftliche Qualität nicht nur gewährleisten soll, sondern nach meiner festen Überzeugung insbesondere an den Berliner Universitäten auch gewährleistet.
Ihre Anfrage konzentriert sich auf die Effektivität der in den Promotionsordnungen selbst geregelten Verfahren. Die Ausgestaltung der Promotionsverfahren, wie sie in den Promotionsordnungen ihren Ausdruck gefunden hat, greift auf Standards zurück, die sich über eine lange Zeit entwickelt und im Grundsatz ohne Zweifel bewährt haben. Sie sind determiniert durch rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Vorgaben, die einerseits der Wahrung der Rechte der Promovierenden dienen, andererseits dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich bei einem Promotionsverfahren um ein Prüfungsverfahren handelt, das den Nachweis der Erlangung einer wissenschaftlichen Qualifikation dient.
Folgende regelmäßig in den Promotionsordnungen der Universitäten Berlins festgelegten Verfahrenselemente sind im hier interessierenden Zusammenhang aus meiner Sicht hervorzuheben: Die Bewerberinnen und Bewerber müssen inhaltliche Anforderungen erfüllen, um überhaupt zugelassen zu werden. Mit der Dissertation ist eine Versicherung abzugeben, dass die Dissertation selbstständig verfasst worden ist und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt worden sind. Die Dissertation wird durch fachlich qualifizierte Gutachterinnen und Gutachter, in der Regel Hochschullehrerinnen und -lehrer, begutachtet. Die Dissertation wird zusammen mit dem Gutachten auch ausgelegt. Mitglieder des Fachbereichs haben das Recht zur Einsicht- und Stellungnahme. Die Dissertation wird durch eine Prüfungskommission mit Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern beziehungsweise promovierten Mitgliedern bewertet. In der Regel findet das unter der beratenden Mitwirkung von Studierenden statt. Es schließt sich eine hochschulöffentliche mündliche Prüfung in Gestalt einer Disputation oder eines Rigorosums an, die wiederum durch eine Promotionskommission bewertet wird. Die Dissertation muss veröffentlicht werden. Täuschungsversuche werden sanktioniert, bis hin zur Entziehung des Doktorgrades.
Neben den Promotionsordnungen verfügen die Berliner Universitäten über Satzungen beziehungsweise Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, die ein wissenschaftsimmanentes Untersuchungsverfahren vorsehen, welches bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten eingeleitet wird und bei Bestätigung des Verdachtes zu Sanktionen führen kann. Das bezieht sich selbstverständlich auch auf Promotionsarbeiten und orientiert sich an den sicher guten Richtlinien der DFG für wissenschaftliches Arbeiten.
Es gilt, besonders zu betonen, dass es in erster Linie die Aufgabe der wissenschaftlichen Community und nicht die des Staates ist, hier Qualitätsregeln zu definieren und sich Kontrollmechanismen zu geben. Ich bin der festen Überzeugung, dass das an den Berliner Universitäten verantwortungsvoll praktiziert wird.
Gestatten Sie mir eine Seitenbemerkung zur laufenden Debatte: Auch wenn es manchmal etwas länger dauern mag, letztlich erweisen sich diese wissenschaftsinternen Kontrollen doch als wirksam. Auch wenn man Täuschungsversuche nie gänzlich ausschließen kann, habe ich keine Veranlassung, die Eignung und Angemessenheit der genannten Mechanismen hier in Berlin infrage zu stellen. Die Vergangenheit zeigt, dass ruchbar gewordene Täuschungen und Täuschungsversuche in Promotionsverfahren tatsächlich aufgegriffen und in geordneten Verfahren überprüft werden.
Zu Ihrer zweiten Frage: Kein System ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte. Naturgemäß kann die Anzahl der unentdeckten Täuschungen nie beziffert werden. Dennoch weiß man, dass es sie gibt. Nicht zuletzt eine in den vergangenen Jahren anscheinend ansteigende Sorglosigkeit und Unbedachtheit im Umgang mit eigenen und fremden Daten legt nahe, dass die Gesellschaft insgesamt gefragt ist, für einen redlichen Umgang mit diesem geistigen Eigentum zu sensibilisieren. Doch das betrifft nicht allein die Hochschulen und die Qualität der Promotionen. Die Möglichkeit, auf exponentiell wachsende Datenmengen zugreifen zu können, deren Erschließung zugleich ständig erleichtert und verbessert wird, stellt eine enorme Versuchung für Prüfungskandidatinnen und -kandidaten, aber auch eine ebenso große Herausforderung für diejenigen dar, die Prüfungsleistungen begutachten und bewerten müssen.
Es liegt auf der Hand, dass die Technologien, die dies ermöglichen, zugleich dafür benutzt werden können, Missbrauch zu identifizieren und zu bekämpfen. Die Verwendung von Software, mit deren Hilfe eine Hochschule Plagiate ermitteln kann, ist eine Möglichkeit, die teilweise bereits genutzt wird, ohne, dass von einem flächendeckenden, systematischen Einsatz bereits die Rede sein kann. Ich sehe hier persönlich noch Potenziale für eine Intensivierung, wobei selbstverständlich rechtliche Anforderungen – insbesondere datenschutzrechtliche Gesichtspunkte – gewissenhaft gewürdigt werden müssen. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Dienstleistern, die die Überprüfung von Prüfungsleistungen anbieten, die ihnen zu diesem Zweck übermittelt werden müssen.
Weitere Verbesserungsmöglichkeiten – nicht nur für Berlin – sehe ich in einem konsequenten Ausbau sogenannter Open-Access-Plattformen. Es erscheint mir sinnvoll zu sein, in allen dafür geeigneten Forschungseinrichtungen die Primärdaten der Forschung zu sammeln, zu veröffentlichen und zu archivieren. Damit werden wissenschaftliche Ergebnisse im Sinn einer guten wissenschaftlichen Praxis für jeden, der sich in diesem Feld auskennt,